10491/J XXV. GP

Eingelangt am 12.10.2016
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Mag. Harald Stefan

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Justiz

betreffend Staatsverträge zur Haftverbüßung der in Österreich verurteilten Ausländer in deren Heimatstaat

 

Von den insgesamt 32.118 Verurteilungen im Jahr 2015 entfielen 12.857 auf Ausländer (40%) (Sicherheitsbericht des BMJ).

 

Verurteilungen nach Merkmalen der Person

 

 

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

Gesamt

(=100%)

41.078

41.749

45.185

45.691

43.414

43.158

38.226

37.868

38.394

Österreicher

30.591

30.275

31.542

31.618

30.526

30.322

27.235

26.559

26.332

Ausländer

10.487

11.474

13.643

14.073

12.888

12.836

10.991

11.309

12.063

% Österreicher

74,5%

72,5%

69,8%

69,2%

70,3%

70,3%

71,2%

70,1%

68,6%

% Ausländer

25,5%

27,5%

30,2%

30,8%

29,7%

29,7%

28,8%

29,9%

31,4%

 

 

2011

2012

2013

2014

2015

Gesamt

(=100%)

36.461

35.541

34.424

32.980

32.118

Österreicher

24.836

23.746

22.317

20.770

19.261

Ausländer

11.625

11.795

12.107

12.210

12.857

% Österreicher

68,1%

66,8%

64,8%

63%

60%

% Ausländer

31,9%

33,2%

35,2%

37%

40%

 

Staatsangehörigkeit der Opfer

 

Opfer mit bekannter Staatsangehörigkeit

2015

%

Gesamt

(=100%)

220.714

100%

Österreicher

182.550

82,7%

Ausländer

38.164

17,3%

 

Im Jahr 2015 wurden 182.550 Österreicher Opfer einer Straftat – was in etwa der Bevölkerung von Salzburg (Stadt) und Wiener Neustadt zusammen entspricht. Die Dunkelziffer liegt freilich weit höher.

 

Die beschriebene Entwicklung schlägt sich auch in der Anzahl der Inhaftierten nieder. Zum Stichtag 21. Juni 2016 wurden 6.836 Ausländer in Österreichs Gefängnissen angehalten. Die Kosten für deren Unterbringung sind enorm.

 

Die Anfragebeantwortung 9019/AB hat ergeben, dass „das Bundesministerium für Justiz im Interesse der Entlastung des österreichischen Strafvollzugs und auch im Interesse der Förderung der Resozialisierung durch Strafverbüßung im Heimatland bestrebt [ist], unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention möglichst viele Strafgefangene zum weiteren Strafvollzug in den Heimatstaat zu überstellen.“ Die bisherigen zur Entlastung unserer Justizanstalten gesetzten Maßnahmen waren nicht von Erfolg gekrönt. Im ganzen Jahr 2015 wurden bloß drei drittstaatsangehörige Häftlinge zum Zwecke des Strafvollzuges in das Land ihrer Staatsangehörigkeit überstellt. Es handelte sich um zwei Türken und einen Serben. Im Vergleich dazu befanden sich zum Stichtag 21. Juni 2016 180 Türken und 470 Serben in Österreichs Gefängnissen.

 

Der Überstellungsverkehr mit Drittstaaten findet in aller Regel auf Grundlage des Übereinkommens vom 21. März 1983 über die Überstellung verurteilter Personen (CETS 112) statt. Dabei ist die Zustimmung des Strafgefangenen erforderlich, es sei denn, dass dessen Heimatstaat dem Zusatzprotokoll vom 18. Dezember 1997 beigetreten ist (CETS 167). Im Jahr 2015 scheiterte die Überstellung häufig, weil der Vollstreckungsstaat aufgrund mangelnder Haftkapazitäten keine Zustimmung erteilte (9019/AB).

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Justiz folgende

 

Anfrage

 

1.    Wie werden in der Statistik „Verurteilungen nach Merkmalen der Person“ Doppelstaatsbürger erfasst?

2.    Werden Übernahmeersuchen vor oder nach Haftantritt des Verurteilten in Österreich gestellt?

3.    Wie läuft das Prozedere im Zusammenhang mit einem aufgrund des CETS 112, des CETS 167 sowie des Rahmenbeschlusses Freiheitsstrafen (RB 2008/909/JI) gestellten Ersuchens üblicherweise ab?

4.    Welches aller in Betracht kommenden Abkommen weist die geringste durchschnittliche Verfahrensdauer auf?

5.    Welches aller in Betracht kommenden Abkommen weist die längste durchschnittliche Verfahrensdauer auf?

6.    In welche Staaten können Häftlinge aufgrund des CETS 112 überstellt werden.

7.    Ist Österreich dem CETS 167 beigetreten?

8.    In welche Staaten können Häftlinge aufgrund des CETS 167, somit ohne deren Zustimmung, überstellt werden?

9.    Mit welchen Drittstaaten ist der Überstellungsverkehr (auch) aufgrund anderer Rechtsgrundlagen möglich (bitte um Anführung der einzelnen Staaten sowie der jeweiligen Abkommen)?

10. Welche Vertragsstaaten lehnten in den Jahren 2013, 2014, 2015 und bis zum 15.9.2016 die Überstellung aufgrund mangelnder Haftkapazitäten ab (es wird um Aufgliederung nach Jahren, Staaten, Anzahl der jeweiligen Ablehnungen sowie deren Begründungen ersucht)?

11. Werden Sie – vor dem Hintergrund, dass die Überstellungen in Drittstaaten gemäß Ihrer Anfragebeantwortung (9019/AB) häufig daran scheiterten, dass der Vollstreckungsstaat bloß über mangelnde Haftkapazitäten verfügte – zukünftig sicherstellen, dass ausreichend Haftkapazitäten für aus Österreich zu überstellende Häftlinge zur Verfügung stehen?

12. Wenn ja, auf welche Weise?

13. Wenn nein, warum nicht?

14. Warum enthalten die Abkommen offenbar keine Verpflichtungen der Vertragsstaaten ausreichend Haftkapazitäten bereitzustellen?

15. Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um den Überstellungsverkehr mit Drittstaaten zu beschleunigen und zu fördern?

16. Wie wird sichergestellt, dass Verurteilte die ganze Strafe tatsächlich in ihren Heimatstaaten verbüßen und nicht etwa vorzeitig auf freien Fuß gesetzt werden?

17. Ist der Abschluss weiterer Überstellungsabkommen mit Drittstaaten geplant?

18. Wenn ja, mit welchen Staaten und in welchem Zeitraum?

19. Wenn nein, warum nicht?

20. Mussten Ersuchen an bzw. Überstellungen in andere Staaten unterbleiben, weil diese die EMRK nicht eingehalten haben?

21. Wenn ja, um welche Staaten handelt es sich?

22. Wenn ja, warum enthalten die Abkommen mit diesen Staaten keine Verpflichtung des Vollstreckungsstaates, dass dieser die EMRK zumindest hinsichtlich der aus Österreich überstellten Verurteilten einzuhalten hat?

23. Regelt der Rahmenbeschluss Freiheitsstrafen (RB 2008/909/JI) den Überstellungsverkehr mit EU-Mitgliedsstaaten abschließend oder bestehen neben diesem weitere Abkommen (bitte um Anführung dieser Abkommen sowie der EU-Mitgliedsstaaten, mit denen diese geschlossen wurden)?

24. Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um den Überstellungsverkehr mit EU-Mitgliedsstaaten zu beschleunigen und zu fördern?

25. Welche Auswirkungen hat der „Brexit“ auf das entsprechende Überstellungsabkommen?

26. Wer trägt die Kosten für die Verbüßung der Haft im Heimatstaat des Verurteilten und wie hoch sind diese im Durchschnitt (Es wird um entsprechende Aufgliederung ersucht, falls in den einzelnen Abkommen unterschiedliche Kostenregelungen enthalten sein sollten)?

27. Wer trägt die Kosten für die Überstellung und wie hoch sind diese im Durchschnitt (Es wird um entsprechende Aufgliederung ersucht, falls in den einzelnen Abkommen unterschiedliche Kostenregelungen enthalten sein sollten)?