10508/J XXV. GP

Eingelangt am 12.10.2016
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Anfrage

der Abgeordneten Michael Bernhard, Kollegin und Kollegen

an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend Reformbereitschaft des BMVIT und der ÖBB

 

In seinem Abschlussbericht "Positionen für eine nachhaltige Entwicklung Österreichs" zeigt sich der ehemalige Rechnungshofs-Präsident Dr. Josef Moser besorgt über die budgetären Rahmenbedingungen –  in seinen Worten: "Ein Blick auf die Bundesrechnungsabschlüsse der vergangenen Jahre zeigt deutlich, dass die budgetären Rahmenbedingungen zunehmend prekär werden." Ziel dieses Positionspapiers ist es, einen Beitrag zur Weiterentwicklung Österreichs in allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung zu leisten, um die Nachhaltigkeit der Aufgabenerfüllung im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten.

Diesem Ziel ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Es ist aber zu erwähnen, dass gerade weil manche staatliche Institutionen oder Unternehmen einen enorm wichtigen Auftrag inne haben, das Vertrauen der Bürger_innen in die selbigen ist daher von großer Bedeutung. Allerdings wird das Vertrauen in diese Unternehmen und Institutionen durch wenig nachhaltiges Wirtschaften nicht selten aufs Spiel gesetzt . Auf den 473 Seiten des Papiers kommt die ÖBB nicht weniger als 53 mal vor.

Die Erwähnungen sind sehr differenzierter Natur und reichen von Derivat-Geschäften über fehlende Verordnungen und fehlende Kontrollmöglichkeiten bei der Refundierung von Beamtenpensionen bis hin zu einer fehlenden Strategie von Seiten der öffentlichen Hand. Beim Lesen des Berichts fallen aber zusätzlich zwei Aspekte auf, die der politischen Kultur entsprungen sind:

1.    Der Aspekt der fehlenden Antikorruptionskultur. Um den Rechnungshof zu zitieren: "Insbesondere die Grundeinstellungen und die Verhaltensweisen des Managements sowie die Rolle des Aufsichtsorgans („Tone from the top“) prägen die Antikorruptionskultur einer Organisation. Der RH hat daher in seinen Prüfungen –  z.B. zur BEGAS Energie AG oder zur Öffentlichkeitsarbeit der ÖBB –  mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass das Management auf allen Hierarchieebenen ein Bewusstsein für Compliance und Korruptionsfreiheit sicherzustellen hat." (vlg. Seite 141 des oben genannten Berichts.)

2.    Die fehlenden strategischen Leitlinien des BMVIT in manchen Fragen, welche nicht unbedingt dem Kerngeschäft der ÖBB entsprechen. Der Rechnungshof findet hierfür folgende Worte: "Trotz im Zeitraum 2007 bis 2011 aufgetretener wirtschaftlicher Probleme (Verluste, hoher Abschreibungsbedarf) insbesondere bei Auslands-Beteiligungen der ÖBB-Unternehmensgruppe und Nichterreichen wesentlicher Zielsetzungen der Eigentümer (Bund, ÖBB-Holding-AG) –  wie Steigerung der Vermögenswerte und Profitabilität der Absatzgesellschaften im Bereich Güterverkehr (Rail Cargo Austria AG) und im Bereich Personenverkehr (ÖBB–Personenverkehr AG) –  fehlten strategische Leitlinien des BMVIT hinsichtlich grundlegender Beteiligungsfragen (z.B. zum Ausmaß des Auslandsengagements sowie ein systematisches Beteiligungscontrolling). Das BMVIT hatte im Rahmen seines Beteiligungscontrollings zur Zeit der Gebarungsüberprüfung keine professionelle Analyse der von der ÖBB-Unternehmensgruppe vorgelegten Daten vorgenommen, wenngleich seither Verbesserungen indiziert waren."(vlg. Seite 279 des oben genannten Berichts.)

Aus dem Unterkapitel Verkehr lässt sich gut erahnen, dass Mittel nicht immer verkehrspolitisch optimal eingesetzt, sondern meist politisch motiviert verteilt wurden –  sei es durch überschätzte Konjunkturprogramme oder durch die Überschätzung des Nutzens eines Projektes. In jedem Fall hebt der Bericht die folgenden Problemfelder hervor:

·        Bei der Umsetzung des Bundesbahnstrukturgesetzes 2003 waren die (fortgeschriebenen) Rahmenpläne für den Bau und die Erhaltung der Schieneninfrastruktur aufgrund unvollständiger und nicht zustimmungsreifer Unterlagen mangelhaft.

·        Im Projekt Koralmbahn fehlten in den Kostenansätzen des Rahmenplans 2005 - 2010 wesentliche Kostenelemente –  etwa hinsichtlich Wertanpassung, Risikoabdeckung und Erkundungsmaßnahmen, – obwohl die Kostenschätzungen dieses Rahmenplans die Grundlage für die Finanzierungsvereinbarung zwischen Bund, ÖBB und den Ländern Kärnten und Steiermark im Koralmbahn-Vertrag bildeten.

·        Bei der Bauvorbereitung des Brenner Basistunnels in den Jahren 2006 und 2007 übernahmen die öffentlichen Eigentümer der Errichtungsgesellschaft mit dem vorgezogenen Bau der Sondierstollen finanzielle Verpflichtungen von rd. 430 Mio EUR, obwohl damals wesentliche Grundlagen zum Bau der Haupttunnel und ein Finanzierungskonzept für das Gesamtprojekt Brenner Basistunnel fehlten und deshalb das Risiko eines verlorenen Aufwands bestand.

·        Im Bereich der intermodalen Vernetzung verschiedener Verkehrsträger (z.B. im Güterverkehr) fehlten vergleichende Analysen des BMVIT zu verschiedenen Maßnahmen und ein Vergleich hinsichtlich ihrer Kosten-Nutzen-Relation.

·        Durch Veröffentlichung eines „Ausbauplans Bundesverkehrsinfrastruktur“ trug das BMVIT den Empfehlungen des RH –  aus seiner Prüfung der 295 Flächenfreihaltungen für Infrastrukturprojekte  – nach langfristigen, verkehrsträgerübergreifenden Planungen zwar Rechnung, indem es den Generalverkehrsplan evaluierte und aktualisierte sowie die verkehrspolitischen Zielsetzungen des Bundes konkretisierte; allerdings ließ es den Grad der Verbindlichkeit dieser Planungen offen, obwohl diese die Grundlage für das Bauprogramm der ASFINAG und des Zielnetzes 2025+ der ÖBB Unternehmensgruppe bildeten.

·        Im Zusammenhang mit gemeinwirtschaftlichen Leistungen des Bundes im Personenverkehr hatte das BMVIT bis zur Gebarungsüberprüfung im Jahr 2009 keine nennenswerten Überlegungen angestellt, welche Bahnstrecken zumindest mittelfristig für eine Vergabe im Wettbewerb in Frage kommen könnten. Wenige Wochen vor Inkrafttreten der EU-Verordnung über öffentliche Personenverkehrsdienste waren wesentliche Vorfragen zur verordnungsgerechten Gestaltung der gemeinwirtschaftlichen Leistungsverträge (z.B. zu beauftragende Verkehrsdienstleistung, Abgeltungshöhe, Vertragsdauer) offen. Dies konterkarierte die Zielsetzung der Neuregelung, den freien Wettbewerb verstärkt zu nutzen.

Um das Vertrauen in die ÖBB langfristig sicherzustellen und damit die nachhaltige Entwicklung des größten Mobilitätsanbieters Österreichs zu gewährleisten, bedarf es in Zukunft geeigneter Rahmenbedingungen von Seiten des BMVIT und anderer Institutionen. Diese werden –  wenngleich kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden kann –  vom Rechnungshof aufgezeigt. In den zahlreichen Berichten wird eine Vielzahl an Handlungsempfehlungen ausgegeben. Handlungsempfehlungen die das BMVIT, sofern sie dessen Zuständigkeit betreffen, ernst nehmen sollte.

 

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehende

Anfrage:

 

1.    Welche Maßnahmen/Schritte hat das BMVIT getätigt, um der Empfehlung des Rechnungshofs "Im Sinne der vertraglich festgelegten Vorgaben wäre eine mehrjährige Immobilienstrategie umgehend auszuarbeiten" (Quelle: RH-Bericht: Immobiliengebarung der Österreichischen Bundesbahnen-Holding Aktiengesellschaft sowie einzelner ÖBB-Gesellschaften, Bund 2008/6, TZ 12, 30) Folge zu leisten?

2.    Welche Maßnahmen/Schritte hat das BMVIT getätigt, um der Empfehlung des Rechnungshofs "Einrichtung einer Datenbank mit Kenndaten der einzelnen Liegenschaftsverkäufe und weitergehenden Informationen über Veröffentlichung, Gutachtertätigkeit, Verkehrswert, Verkaufserlös usw." (Quelle: RH-Bericht: Immobiliengebarung der Österreichischen Bundesbahnen-Holding Aktiengesellschaft sowie einzelner ÖBB-Gesellschaften, Bund 2008/6, TZ 13) Folge zu leisten?

3.    Welche Maßnahmen/Schritte hat das BMVIT getätigt, um der Empfehlung des Rechnungshofs "Definition der Umsetzungskorridore und -regionen für European Train Control Systems (ETCS) und ausreichende Ausstattung von Rollmaterial mit ETCS" (Quelle: RH-Bericht: Triebfahrzeugdisposition und Triebfahrzeugbeschaffungen der ÖBB-Unternehmensgruppe in Österreich, Bund 2015/17, TZ 42) Folge zu leisten?

4.    Welche Maßnahmen/Schritte hat das BMVIT getätigt, um der Empfehlung des Rechnungshofs "Abstimmung der Umsetzung von European Train Control Systems (ETCS) in den Bereichen Infrastruktur und Rollmaterial" (Quelle: RH-Bericht: Triebfahrzeugdisposition und Triebfahrzeugbeschaffungen der ÖBB-Unternehmensgruppe in Österreich, Bund 2015/17, TZ 42) Folge zu leisten?

5.    Welche Maßnahmen/Schritte hat das BMVIT getätigt, um der Empfehlung des Rechnungshofs "Umsetzung der von der SCHIG aufgezeigten Verbesserungsvorschläge zu ÖBB-Infrastrukturprojekten" (Quelle: RH-Bericht: Schieneninfrastruktur–Dienstleistungs Gesellschaft mbH (SCHIG) – Aufgabenübertragung durch das BMVIT, Bund 2015/15, TZ 5) Folge zu leisten?

6.    Welche Maßnahmen/Schritte hat das BMVIT getätigt, um der Empfehlung des Rechnungshofs "Erfassung sämtlicher Kostenelemente in den Rahmenplänen für Verkehrsvorhaben; Abschluss von Finanzierungsvereinbarungen nur auf Basis vollständiger Kostenermittlungen" (Quelle: RH-Bericht ÖBB-Infrastruktur AG: Erste Teilprojekte der Koralmbahn, Bund 2014/7, TZ 12) Folge zu leisten?

7.    Welche Maßnahmen/Schritte hat das BMVIT getätigt, um der Empfehlung des Rechnungshofs "Verstärkte Interessenwahrnehmung des Eigentümers Bund im Rahmen eines systematischen Beteiligungscontrollings" (Quelle: RH-Bericht: ÖBB-Unternehmensgruppe: Unternehmensstruktur und Beteiligungsmanagement, Bund 2013/11, TZ 23) Folge zu leisten?

8.    Welche Maßnahmen/Schritte hat das BMVIT getätigt, um der Empfehlung des Rechnungshofs "Schriftliche Klarstellung strategischer Fragen in einer Beteiligungsstrategie" (Quelle: RH-Bericht: ÖBB-Unternehmensgruppe: Unternehmensstruktur und Beteiligungsmanagement, Bund 2013/11, TZ 15) Folge zu leisten?

9.    Welche Maßnahmen/Schritte hat das BMVIT getätigt, um der Empfehlung des Rechnungshofs "Herstellen von Antikorruptionsbewusstsein und Compliancekultur in öffentlichen Unternehmen" (Quelle: RH-Bericht: ÖBB-Öffentlichkeitsarbeit, Bund 2012/8, TZ 2) Folge zu leisten?

10. Welche Maßnahmen/Schritte hat das BMVIT getätigt, um der Empfehlung des Rechnungshofs "Bereits ab Planungsbeginn besonderes Augenmerk auf realistische Terminplanung" (Quelle: RH-Bericht: ÖBB-Infrastruktur AG: Erste Teilprojekte der Koralmbahn, Bund 2014/7, TZ 4) Folge zu leisten?

11. Welche Maßnahmen/Schritte hat das BMVIT getätigt, um der Empfehlung des Rechnungshofs "Maßstäbe für die Öffentlichkeitsarbeit der Verwaltung: Informationsbedürfnis der Bevölkerung; Objektivität der Information und Transparenz des Mitteleinsatzes" (Quelle: RH-Bericht: ÖBB-Öffentlichkeitsarbeit, Bund 2012/8, TZ 32) Folge zu leisten?

12. Welche Maßnahmen/Schritte hat das BMVIT getätigt, um der Empfehlung des Rechnungshofs "Systematisches Beteiligungs-, Finanz- und Risiko-Controlling – analog zu  den Controlling-Richtlinien des Bundes – über sämtliche direkte und indirekte Beteiligungen" (Quelle: RH-Bericht: ÖBB-Unternehmensgruppe: Unternehmensstruktur und Beteiligungsmanagement, Bund 2013/11, TZ 23) Folge zu leisten?