10700/J XXV. GP

Eingelangt am 08.11.2016
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Anfrage

 

der Abgeordneten Wolfgang Pirklhuber, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

betreffend Waldstrategie und Naturwaldreservate

BEGRÜNDUNG

 

Österreich hat sich im Rahmen der Alpenkonvention (Bergwald-Protokoll) und der Europäischen Forstministerkonferenz (Helsinki 1993) verpflichtet, ein nationales Naturwaldreservate-Programm einzurichten.

 

Weiters legt die nationale Waldstrategie 2020+ fest: „Die Erhaltung der bestehenden Naturwaldreservate und die Ergänzung um Flächen der noch fehlenden Waldgesellschaften und die langfristige Sicherung der Finanzierung sind Ziele der nächsten Jahre“. Einer der strategischen Schwerpunkte im Rahmen der Waldpolitischen Handlungsfelder der Waldtstrategie lautet: „Ausbau, Vervollständigung, sowie langfristige Absicherung des Naturwaldreservatenetzes“.

Auch die Österreichische Biodiversitätstrategie 2020 verfolgt als „Ziel 3“: „Land- und Forstwirtschaft tragen zur Erhaltung und Verbesserung der Biodiversität bei“. Ein Evaluierungsparameter dafür ist „Anzahl und Fläche der Naturwaldreservate“.

Als Maßnahme nennt die Biodiversitätstrategie 2020: „Erfassung, Sicherung und nachhaltige Entwicklung von naturnahen Waldbeständen im Rahmen geeigneter Förderprogramme nach entsprechendem Interessensausgleich sowie durch Ergänzung des Netzwerkes der Naturwaldreservate mit den noch nicht enthaltenen Waldgesellschaften in ausreichender Größe und Berücksichtigung von Altbeständen mit weit zurückreichender Habitattradition, unabhängig von der Waldgesellschaft.“ Dies dient auch dem Ziel 10: „Arten und Lebensräume sind erhalten.“

 

Derzeit umfasst das Österreichische Naturwaldreservate-Programm 195 Reservate mit einer Gesamtfläche von ca. 8400 ha. Insgesamt nehmen die Reservate eine Fläche in der Größe eines „versteckten“, siebenten Nationalparks ein. Als Zielwert wurde von Vertretern des Ministeriums wiederholt 10.000 ha genannt.

 

Unsere Nachbarländer betreiben ähnliche Programme. Die Ambitionen sind teilweise höher: Die Schweiz verfolgt das Ziel, 10% der Wälder außer Nutzung stellen und das im Vergleich zu Österreich deutlich kleinere Slowenien allein hat 170 Reservate mit einer Gesamtfläche von 9600 ha eingerichtet.

 

Das Bundesbudget für Österreichs Naturwaldreservate umfasst laut vorliegenden Informationen derzeit ca 1,2 Mio Euro/Jahr. Ein Teil davon geht an die Österreichische Bundesforste AG (ist also eine bilanztechnische Zuwendung). 20% des an buchführungspflichtige Privatforstbetriebe überwiesenen Betrages sind Umsatzsteuer, dieser Betrag fließt also wieder an den Finanzminister zurück. Die Reservate werden über Verträge zwischen der Republik und den Waldbesitzern für jeweils 20 Jahre eingerichtet. Die Waldbesitzer erhalten eine jährliche Abgeltung für den Nutzungsentgang (Zuwachs). Die ersten vier 20-Jahres-Verträge laufen heuer aus, im darauffolgenden Jahr endet rund ein Viertel der bestehenden 20-Jahres-Verträge.

 

Laut unseren Informationen verfolgt die Sektion III - Forstwirtschaft Ihres Hauses nun jedoch die Absicht, das Programm (mit Ausnahme des Körperschaftswaldes wie ÖBF oder Stadt Wien) in Hinkunft nicht mehr aus dem Bundesbudget sondern über das EU-Förderprogramm „Ländliche Entwicklung“ (LE) zu finanzieren. Die Umsetzung dieses Planes könnte schwerwiegende Folgen für das Naturwaldreservate-Programm haben und die Einhaltung der eingangs angeführten Verpflichtungen bzw. die Erreichung der Ziele von Wald- und Biodiversitätsstrategie vereiteln.

 

Die Vertragsdauer für die einzelnen Reservate würde nicht mehr - wie bisher - 20 Jahre betragen, sondern an die aktuelle Förderperiode gebunden sein. Eine Außernutzungstellung für nur 5 Jahre ist naturschutzfachlich nicht ausreichend.

 

Die Verschiebung des Naturwaldreservate-Programm vom Bundesbudget auf das LE-Programm würde einen beträchtlichen zusätzlichen Administrationsausfwand für die Waldbesitzer mit sich bringen (Projektabwicklung, Neuvermessung der Reservate wegen erhöhter Genauigkeitsanforderungen der AMA usw.). Sie würde dem Artikel 10 des Bergwaldprotokolls zuwiderlaufen, der ausdrücklich festhält, dass die Ausweisung von Naturwaldreservaten im Sinne eines langfristig wirksamen Vertragsnaturschutzes erfolgen soll.

 

Daher werden von Waldbesitzern und NGOs Befürchtungen vorgebracht, dass wertvolle Reservate verloren gehen könnten, weil Waldbesitzer den mit LE einhergehenden Bürokratieaufwand bzw. die verkürzte Laufzeit ablehnen. Sollte dies eintreten, droht der Verlust einmaliger und unwiederbringlicher Naturschätze, auf die Österreich zurecht stolz ist.

 

Der geplante Umstieg auf die LE-Förderschiene hat bei Waldbesitzern, NGOs und Naturschutzexperten daher große Besorgnis ausgelöst. Die Verunsicherung wird dadurch verstärkt, dass das Ministerium die am Naturwaldreservate-Programm teilnehmenden Waldbesitzer und die Öffentlichkeit bis dato nicht hinreichend darüber informiert hat, wie das Naturwaldreservate-Programm weitergeführt werden soll und welche konkreten Veränderungen damit einhergehen.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)     Trifft es zu, dass das BMLFUW beabsichtigt, die nun sukzessive auslaufenden Naturwaldreservat-Verträge mit privaten Waldbesitzern nicht in der bisherigen Form (Laufzeit 20 Jahre, Finanzierung durch Bundesmittel) zu verlängern?

a.       Wenn ja, welche Veränderungen sind geplant?

2)     Besteht seitens Ihres Hauses das Vorhaben, ausgelaufene Naturwaldreservats-Verträge mit privaten Waldbesitzern sowie alle derartigen neuen Verträge nur mehr im Rahmen des Förderprogramms „Ländliche Entwicklung“ abzuschließen?

a.       Wenn ja, aus welchen Erwägungen heraus?

b.      Wenn ja, mit welchen negativen Auswirkungen rechnet das Ministerium, welche positiven werden erwartet?

 

3)     Für welche Naturwaldreservate laufen die Verträge im Jahr 2016 und für welche im Jahr 2017 aus?

 

4)     Bei welchen dieser Reservaten ist der Weiterbestand gesichert?

a.        Welche Vertragslaufzeiten sind vom BMLFUW hierfür vorgesehen?

b.       Aus welchem Budget erfolgt ggf. die Abgeltung für den Nutzungsentgang für der Grundbesitzer?

c.       Welche Vorgangsweise ist seitens des Ministeriums vorgesehen, wenn Grundeigentümer einer Umwandlung des aktuellen Vertragsnaturschutzes in eine Förderung nicht zustimmen?

 

5)     Welche Vorgangsweise ist für Naturwaldreservate vorgesehen, deren Laufzeit in den Jahren 2018-2020 endet und für die aus EU-rechtlichen Erwägungen kein Fördervertrag mit einem 5-jährigen Verpflichtungszeitraum abgeschlossen werden kann?

 

6)     Mit welchen konkreten Maßnahmen werden Sie sicherstellen, dass die Nachhaltigkeit und Langfristigkeit des Naturwaldreservate-Programmes in Hinkunft sichergestellt ist (insbesondere auch über die aktuelle LE-Förderperiode hinaus)?

 

7)     Welche Bundesländer haben der geplanten Umstellung und ihrer Teilnahme an der Förderung der Naturwaldreservate  im Rahmen des LE-Programms bis dato verbindlich zugestimmt und welche verbindlichen Zusagen zur Ko-Finanzierung seitens der Bundesländer liegen bereits vor?

 

8)     Welcher zusätzliche administrative Aufwand kommt durch die Umstellung das LE-Förderprogramm in Zukunft auf die privaten Waldbesitzer zu?

a.       Gibt es konkrete Pläne des BMLFUW, die Waldbesitzer bei der Abwicklung zu unterstützen?

b.      Welche Bundesmittel sind dafür vorgesehen?

c.       Können Sie ausschließen, dass es durch die erhöhten Genauigkeitsanforderungen der AMA betreffend der Flächentoleranzen zu Rückforderungen von Förderungen von den Waldeigentümern geben wird?

 

9)     In welcher Höhe wurden aus dem Bundesbudget Mittel in den letzten 10 Jahren für das Naturwaldreservate-Programm zur Verfügung gestellt (Bitte um Auflistung nach Jahr und Budgetstelle?

 

10) Welche Budgetmittel (Bund und Länder) sind für die Naturwaldreservate Österreichs in den Jahren 2017, 2018, 2019, 2020 und 2021 geplant?

a.       Welcher Betrag entfällt jeweils auf die bisherige Finanzierungsform? 

b.      Welcher Betrag entfällt jeweils auf die Bundes-Kofinanzierung der Förderung im Rahmen der Ländlichen Entwicklung?

c.       Welcher Betrag für die Landes-Kofinanzierung ist von den betroffenen  Bundesländern aufzuwenden?

 

11)Welche Bundesmittel sind in den nächsten 5 Jahren jeweils für die Naturwaldforschung vorgesehen?

 

12) Welches konkrete Ausbauziel für das Naturwaldreservate-Programm verfolgt das Ministerium?

 

a.       Bis wann soll dieses Ziel erreicht werden?

b.       wie sehen die konkreten strategischen Maßnahmen dafür aus?

c.        welche Budgetmittel sind dafür vorgesehen bzw. zugesichert (Bund und Länder)?

 

13)In welcher Höhe wurden in den letzten 10 Jahren Mittel für die Förderung des Forstwegebaus eingesetzt und welche Mittel sind vom BMLFUW in den nächsten 5 Jahren vorgesehen (Bitte um Auflistung pro Jahr)?

 

14)Durch welche konkreten Maßnahmen werden Sie sicherstellen, dass das Naturwaldreservate-Programm ein kohärentes und strategisch entwickeltes Schutzgebietsnetzwerk bleibt und nicht zerfällt (Bund, Länder, EU-Förderperioden) und die oben angeführten Ziele eingehalten werden (v.a. Waldstrategie 2020+, Biodiversitätstrategie 2020, Alpenkonvention)?

 

15)Welche Massnahmen zum Schutz der alpinen Naturwälder Österreichs sind im Rahmen der Österreichischen Präsidentschaft der Alpenkonvention geplant?