1217/J XXV. GP

Eingelangt am 27.03.2014
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Anfrage

 

der Abgeordneten Eva Glawischnig-Piesczek, Tanja Windbüchler-Souschill, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres

betreffend Transatlantisches Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA

BEGRÜNDUNG

 

Das geplante transatlantische Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union  (EU), ihren Mitgliedstaaten und den USA (Transatlantic Trade and Investment Partnership – TTIP) steht nach wie vor in der Diskussion, insbesondere die Bereiche audiovisuelle und kulturelle Dienstleistungen, Schutz geistiger Eigentumsrechte, Landwirtschaft, Investitionsschutz, Finanzregulierung, KonsumentInnen-, Umwelt- und Datenschutz, aber auch ArbeitnehmerInnen-Rechte, Sozialstandards und die Daseinsvorsorge. Ein weiterer Kritikpunkt bietet das innerhalb des TTIP zu verhandelnde Investitionsschutzabkommen ISDS. Hier soll eine Paralleljustiz eingeführt werden. Die dreiköpfigen Kammern, die die Streitfälle dann geheim und ohne Berufungsmöglichkeit behandeln, wären unter Aufsicht der Weltbank und der UNO organisiert und könnten staatliche Entschädigungszahlungen anordnen, wenn sie befinden, dass die Politik oder bestimmte Maßnahmen einer Regierung die "erwarteten künftigen Profite" eines Unternehmens schmälern oder Unternehmen dadurch bereits Gewinn entgangen ist.

 

Anfang Juli wurde die erste Verhandlungsrunde zur größten Freihandelszone der Welt eingeläutet, zwei weitere Runden folgten noch bis Ende 2013, die vierte Runde wurde Mitte März durchgeführt. Ziel ist es, das Abkommen 2015 in Kraft treten zu lassen.

 

Die Entscheidung zur Aufnahme von Verhandlungen für einen transatlantischen Binnenmarkt zwischen den USA und der EU fiel vor allem vor dem Hintergrund


Die EU-Kommission verspricht "hunderttausende" Arbeitsplätze und ein riesiges Wachstum. 120 Milliarden Euro Wirtschaftswachstum für die EU verkündet Handelskommissar de Gucht. In Wahrheit bedeutet die Riesenzahl laut seiner eigenen Studie ein zusätzliches Wachstum von gerade mal winzigen 0,5 Prozent - und das in 10 Jahren. Das macht pro Jahr im Durchschnitt 0,05 Prozent. Als das ARD-Magazin Monitor Karel de Gucht mit dieser Zahl konfrontiert, kommt dieser ins Schwimmen: „Lassen Sie uns unterbrechen!“ - „Ist das die Studie, die wir bestellt haben?“ (http://www.wdr.de/tv/monitor//sendungen/2014/0130/freihandelsabkommen.php5)

 

Zum derzeit verhandelten EU-USA-Handelsabkommen (TTIP) hat die österreichische Bundesregierung zur Frage der Notwendigkeit außergerichtlicher Schiedsgerichtsverfahrens alles andere als eine klare Linie.

In der Kronenzeitung vom 27.3.2014, S 14/15 wird der Bundeskanzler, wie folgt zitiert: "Spezielle Investitionsschutzvorschriften sind nicht erforderlich. Die EU und die USA haben einen sehr guten Rechtsschutz. Schiedsgerichte sind nicht dazu da, um über die Hintertür soziale und umweltpolitische Standards auszuhöhlen."

In den Sprechnotizen des BMeiA, die für die Aussprache am 20.März 2014, mit dem US-Sonderverhandler Daniel Mullaney, übermittelt wurde, ist zu lesen:

Im Zentrum der Kontroverse steht die Frage, ob ein Schiedsverfahren vorgesehen werden soll, das Investoren es ermöglicht, Staaten außerhalb von staatlichen Gerichten zu klagen (sog. „ISDS-Verfahren“). Solche Bestimmungen sind standardmäßig Teil von Investitionsschutzabkommen einschließlich jener die von Österreich mit anderen Staaten abgeschlossen wurden. Dementsprechend steht Österreich solchen Bestimmungen auch im TTIP positiv gegenüber.“

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Handelt es sich bei der Aussage von Bundeskanzler Faymann in der Kronenzeitung um die offizielle Regierungsposition Österreichs zu ISDS?


2)    Wenn ja, wieso lautet die durch das BMeiA vertretene Position Österreichs eine Woche früher noch gegenteilig?

3)    Werden Sie sich an der Konsultation der Europäischen Kommission zu ISDS beteiligen? Wenn ja, mit welcher Position? Wenn nein, wieso nicht?

4)    Welche nationalen Fragen sehen Sie, bzw. Ihr Ministerium, durch das TTIP berührt?

5)    Wie und mit welchen Positionen hat sich das Ministerium für Europa, Integration und Äußeres bisher insgesamt in die Verhandlungen eingebracht? Mit der Bitte um Auflistung.

6)    US-TTIP-Chefverhandler Daniel Mullaney besuchte Wien um für das Freihandelsabkommen zu werben. Am 20.3. schreibt „der Standard“: „Für Mullaney ist das Abkommen trotz der jüngsten europäischen Debatte um die Investitionsschutzklauseln ISDS auf Schiene“[1]. In den Sprechnotizen des Ministeriums für Europa, Integration und Äußeres (siehe oben) findet sich die Bestätigung dieser Aussage.

a.    Auf welcher Grundlage wurde diese Feststellung getroffen?

b.    Wie und durch welche Personen kam es zu dieser Entscheidungsfindung? Ist für Bundesminister Kurz ISDS „auf Schiene“? Wenn ja, wieso? Wenn nein, wie konnte eine solche Bestätigung schriftlich an die Parlamentsfraktionen ausgesendet werden?

7)        Hat Ihr Ministerium ein eigenes Positionspapier zu TTIP und im Besonderen zu ISDS verfasst? Wenn ja, mit welchen Inhalten und der Bitte um Beilegung aller Positionspapiere. Wenn nein, warum nicht?

8)        In der Wiener Zeitung vom 21.1.2014 ist über das Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft zu lesen, „Konkret sei man für eine solche Klausel (Anmerkung Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren), weil es so "zu einer Verbesserung des Investitionsklimas" komme - etwa "zu einer verbesserten Situation von österreichischen Investoren in den USA".“

a.    Inwiefern soll Investor-to-State Dispute Settlement (ISDS) zu einer verbesserten Situation von österreichischen InvestorInnen in den USA beitragen?

b.    Die EU und die USA haben entwickelte Rechtssysteme, wieso genügen diese nicht für Streitbeilegungen?

c.    Kann das ISDS die Souveränität der Gerichtsbarkeit und der einzelnen Staaten einschränken?

d.    Können Sie ausschließen, dass ISDS InvestorInnen die Möglichkeit gibt, vorbei an nationalen oder europäischen Gerichten, gegen politische Rahmensetzungen und Verwaltungspraktiken zu klagen, wie z.B. Umwelt- und Gesundheitsauflagen oder gegen andere Formen von Sozial- und Wirtschaftspolitik? Wenn ja, wieso? Wenn nein, was folgern Sie daraus?

e.    Werden Sie sich am Konsultationsprozess der Europäischen Kommission zum Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren beteiligen? Wenn ja, mit welcher Position? Wenn nein, warum nicht?


9)        In welchem Gremium auf europäischer Ebene wird TTIP verhandelt? Auf Basis welcher Dokumente finden die Diskussionen auf europäischer Ebene statt? Hat sich und wird sich das Ministerium für Europa, Integration und Äußeres in die Verhandlungen einbringen? Durch wen wird das Ministerium auf europäischer Ebene vertreten?

10)     Wie erfolgt die Koordinierung zwischen jenen Ministerien, die von den TTIP-Verhandlungen betroffen sind?

11)     Wie werden Sie gewährleisten, dass das österreichische Parlament umfangreich und unverzüglich über die Verhandlungen informiert wird und die Verhandlungstexte erhält, um von seinem verfassungsmäßig verankertem Recht auf Stellungnahme Gebrauch machen zu können?

12)     Handelt es sich Ihrer Ansicht nach bei TTIP um ein gemischtes Abkommen, das auch von den Nationalstaaten und somit vom österreichischen Parlament ratifiziert werden muss? Wenn ja, wieso? Wenn nein, wieso nicht?

 



[1] http://derstandard.at/1395057188457/US-TTIP-Chefverhandler-Keine-Angst-vor-Freihandel