12372/J XXV. GP

Eingelangt am 13.03.2017
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten DDr. Hubert Fuchs

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Rechtsunsicherheiten für Unternehmen bei der Einstufung von Ein-Personen-Unternehmen im Rahmen der gemeinsamen Prüfung aller lohnabhängiger Abgaben (GPLA)

 

 

 

Seit 2003 erfolgt die Lohnsteuer-, Sozialversicherungs- und Kommunalsteuerprüfung durch eine gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben (GPLA). Bei einer gemeinsamen Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben werden die Lohnsteuer (LSt), der Dienstgeberbeitrag zum Familienlastenausgleichsfonds (DB), der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag (DZ), die Kommunalsteuer (KommSt) und die Sozialversicherungsbeiträge in einem Prüfvorgang seitens des zuständigen Finanzamts oder der zuständigen Gebietskrankenkasse überprüft.

 

Wenn eine GPLA zu dem Ergebnis führt, dass die überprüften bzw. erhobenen Tatsachen nicht den in der Personalverrechnung bislang abgebildeten Abläufen entsprechen, hat dies eine Umqualifizierung der Werkverträge bzw. freien Dienstverträge in Dienstverträge nach dem ABGB (im Folgenden: „echte Dienstverträge“) zur Folge.

 

In zahlreichen Fällen ergibt sich im Laufe einer GPLA das Problem, dass Gewerbebetreibende von einer der gewerblichen Sozialversicherung (GSVG) unterliegenden unternehmerischen Tätigkeit in ein Dienstverhältnis nach ASVG rückwirkend umqualifiziert werden. Dies ist, wie in der Folge näher ausgeführt wird, auch im Rahmen der GPLA bei der Hotel Schütterhof GmbH (Hotel Schütterhof) eingetreten.

 

Die GKK hat in den letzten Jahren vor allem Umqualifizierungen in folgenden Bereichen vorgenommen (Zehetner, Abgrenzung und Umqualifizierung Werkvertrag-Dienstvertrag-freier Dienstvertrag aus GKK-Sicht, ZAS 2016/25):

 

a)    Ausbildung (Umqualifizierung von Vortragenden in Fachschulen und im Rahmen von AMS Kursen),

b)    Bau- und Baunebengewerbe,

c)    Krankenpflege in Spitälern, sowie

d)    Transport, insbesondere Speisenzusteller und Taxilenker.


Sofern ein Werkvertrag in einen echten Dienstvertrag umqualifiziert wird, hat der Arbeitgeber mit einer Nachbelastung betreffend ASVG-Beträge zu rechnen. Vorgeschrieben werden dabei nicht nur die Dienstgeber-, sondern auch die Dienstnehmerbeiträge (im Regelfall 39,6% von der sozialversicherungsrechtlichen Beitragsgrundlage). Ab Fälligkeit der vorgeschriebenen Beträge werden für die verspätete Entrichtung gemäß § 59 ASVG Verzugszinsen von 8% (Rechtslage bis 2016) bzw. 4% (Rechtslage ab 2017) über dem Basiszinssatz zum 31.10. des Vorjahres vorgeschrieben.

 

Des Weiteren können durch die Umqualifizierung arbeitsrechtlich Ansprüche beim Arbeits- und Sozialgericht eingeklagt werden. Dem Arbeitgeber drohen die Nachzahlung von Sonderzahlungen, Urlaubs- und Feiertagsentgelt und weitere Ansprüche, die auf dem Kollektivvertrag beruhen. Zudem hat der Arbeitnehmer, wenn das Vertragsverhältnis vor dem 1.1.2003 eingegangen wurde, Anspruch auf eine Abfertigung.

 

Verrechnet das Finanzamt Lohnsteuer nach, so haftet der Dienstgeber für deren Abfuhr. Bei einer rückwirkenden Umqualifizierung werden auch die Lohnnebenkosten (DB, DZ und KommSt) nachverrechnet. Sämtliche vorgeschriebenen Abgaben sind zum Fälligkeitstag zu entrichten, widrigenfalls ein Säumniszuschlag von 2% zu entrichten ist.

 

Die Umqualifizierung hat mitunter auch umsatzsteuerrechtliche Auswirkungen, wenn der „Selbstständige“ Umsatzsteuer in Rechnung gestellt hat. Die abgeführte Umsatzsteuer gilt gemäß § 4 Abs 10 UStG als Durchlaufposten und gehört nicht zum Entgelt. ISd § 44 ASVG gehört bei Dienstnehmern jedoch auch die abgeführte Umsatzsteuer zum Entgelt. Frühere Honorarnoten müssen daher berichtigt werden.

 

Im Jahr 2013 fand eine GPLA betreffend die Hotel Schütterhof GmbH für die Jahre 2008 bis 2011 statt. Seit 1.5.2009 war Frau Andrea Lackner als Masseurin im Hotel Schütterhof selbständig tätig.

 

Andrea Lackner verfügt über eine reglementierte Gewerbeberechtigung zur Ausübung des Gewerbes als Masseurin, welches eine entsprechend umfangreiche Ausbildung erfordert. Frau Andrea Lackner erhielt von der Wirtschaftskammer die Empfehlung, diese Gewerbeberechtigung zu erlangen, um in weiterer Folge als Ein-Personen-Unternehmen („EPU“) tätig werden zu können. Frau Andrea Lackner meldete dieses Gewerbe ordnungsgemäß an, wurde als Unternehmerin zur Einkommensteuer veranlagt und leistete Sozialversicherungsbeiträge an die SVA der gewerblichen Wirtschaft. Sie wurde somit vom Finanzamt und von der SVA als Unternehmerin eingestuft.

 

Im Rahmen der GPLA der Hotel Schütterhof GmbH betreffend die Jahre 2009 bis 2011 wurde die Tätigkeit von Frau Andrea Lackner durch die Steiermärkische Gebietskrankenkasse und das Finanzamt Liezen rückwirkend von einer der gewerblichen Sozialversicherung (GSVG) unterliegenden unternehmerischen Tätigkeit in ein Dienstverhältnis nach ASVG (rückwirkend bis 2009) umqualifiziert.


Diese Umqualifizierung brachte folgende Nachzahlungen für das Hotel Schütterhof mit sich:

 

SV-Beiträge                   25.637,74 Euro

Verzugszinsen GKK        5.288,11 Euro

Kommunalsteuer             1.896,18 Euro

FA-Abgaben                    3.036,42 Euro

Summe                          35.858,45 Euro

 

Gegen den Bescheid der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse vom 27.9.2013 wurde Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht („BVwG“) am 10.10.2013 erhoben. Erst zwei Jahre später, nämlich am 29.10.2015, erging eine Entscheidung des BVwG, welches die Beschwerde abwies.

 

Gegen die Bescheide des Finanzamts Liezen für die Jahre 2009 bis 2011 wurde am 3.5.2013 (nach damaliger Rechtslage) Berufung eingebracht. Die Berufung gegen den Bescheid des Finanzamtes wurde dem Bundesfinanzgericht (BFG) zur Entscheidung vorgelegt. Das Urteil des BFG ist nach wie vor ausständig. Von der Gemeinde Schladming betreffend Festsetzung der Kommunalsteuer für die Jahre 2009 bis 2011 gibt es bis dato keine Entscheidung.

 

Im Jahr 2016 kam es bei der Hotel Schütterhof GmbH zu einer neuerlichen GPLA für die Jahre 2012 bis 2015, wobei die gleichen Feststellungen seitens der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse und des Finanzamtes Liezen wie auch bei der letzten GPLA getroffen wurden. Für diesen Zeitraum kam es zu einer Nachbelastung in Höhe von 46.620,87 Euro (exkl. Kommunalsteuer).

 

Demnach kam es für die Hotel Schütterhof GmbH zu weiteren Nachzahlungen, ohne dass eine Entscheidung des BFG betreffend der ersten GPLA vorgelegen hätte.

 

 

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die oben ausgeführte Problematik mit der rückwirkenden Umqualifizierung österreichweit bekannt ist und insbesondere Klein- und Mittelbetriebe betrifft. Im Ergebnis ergibt sich nicht nur für die Hotel Schütterhof GmbH, sondern für eine Vielzahl von betroffenen Personen und Unternehmen in den Fällen der Umqualifizierung eine Mehrbelastung von Abgaben, eine lange Verfahrensdauer sowie eine jahrelange unzumutbare Rechtsunsicherheit. Diese unerwarteten Mehrbelastungen sind für viele Unternehmen existenzbedrohend, oder gar existenzzerstörend.

 

Dem Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sicherheit vom 28.6.2016 zufolge soll künftig die Frage, ob die betroffene Person selbstständig oder angestellt ist, schon zu Beginn einer Tätigkeit im Rahmen einer Vorabprüfung von der SVA und GKK geprüft werden. Gemeinsam sollen diese feststellen, ob es sich um eine selbstständige Erwerbstätigkeit oder um ein Dienstverhältnis handelt. In diesem Zusammenhang ergeben sich jedoch weitere offene Fragen. Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Finanzen nachstehende


ANFRAGE

 

1.     Wie viele Fälle gab es, in denen anlässlich einer GPLA festgestellt wurde, dass GSVG versicherte Erwerbstätige auf Grund der ausgeübten Tätigkeit nach Ansicht der jeweiligen GKK bzw. des jeweiligen Finanzamts ein Pflichtversicherungsverhältnis nach ASVG bestehe (Aufschlüsselung auf Jahre seit 2009, nach Sozialversicherungsträger bzw. Finanzamt)?

 

2.     In wie vielen Fällen führte eine solche Feststellung tatsächlich zu einem ASVG-Versicherungsverhältnis (Aufschlüsselung auf Jahre seit 2009, nach Sozialversicherungsträger)?

 

3.     Wie hoch waren die Summen der Nachzahlungen, die aufgrund einer GPLA seit 2009 zu zahlen waren (Auflistung getrennt nach Jahr, Bundesland und ob Prüfung von Sozialversicherung oder Finanzverwaltung durchgeführt wurde)?

 

4.     Wann ist mit den gesetzlichen Änderungen betreffend der „Vorabprüfung“ durch die Sozialversicherungsträger zu rechnen?

 

5.     Durch welche Maßnahmen ist sichergestellt, dass die betroffenen Personen im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Vorabprüfung auch „richtig“ qualifiziert werden?

 

6.     Wird im Rahmen der gesetzlichen Vorabprüfung auch die Möglichkeit bestehen, dass die betroffenen Personen zur Qualifizierung Stellung nehmen können?

 

7.     Wird im Rahmen der gesetzlichen Vorabprüfung ein Rechtsweg bestehen?