1258/J XXV. GP

Eingelangt am 02.04.2014
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage


der Abgeordneten Petra Bayr und Genossinnen und Genossen

an die Bundesministerin für Inneres betreffend die Umsetzung relevanter Richtlinien zur Abschaffung von FGM.

Weltweit müssen laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) rund 140 Millionen Frauen und Mädchen mit den Konsequenzen weiblicher Genitalverstümmlung (FGM) leben. Diese reichen von lebenslänglichen körperlichen und seelischen Schmerzen, Verlust jeglichen sexuellen Empfindens über schwerwiegende Probleme beim Geschlechtsverkehr und der Geburt bis hin zur Bildung von Abszessen, Unfruchtbarkeit oder tödlichen Entzündungen. Weibliche Genitalverstümmelung ist eine Menschenrechtsverletzung, die nicht zu rechtfertigen ist.

Nach Angaben von UNICEF sind in 29 afrikanischen Staaten über 125 Millionen Frauen und Mädchen von dieser Form der Gewaltanwendung betroffen. Daten über FGM in anderen Kontinenten wie Asien und Regionen, wie dem arabischen Raum, sind sehr lückenhaft oder fehlen gänzlich. FGM ist nicht religiös begründet, macht vor keiner gesellschaftlichen Schicht halt und ist nicht nur im fern gefühlten Afrika oder Asien zu finden. FGM passiert auch in Europa und Frauen, die in der EU leben, haben mit den Folgen zu kämpfen. Die europäische Kommission schätzt, dass in den Mitgliedstaaten rund 500.000 Frauen und Mädchen Opfer von FGM sind. Davon leben etwa 19.000 in Deutschland und 61.000 in Frankreich. In Österreich wären 8.000 Frauen laut einer Schätzung aus dem Jahr 2000 betroffen. (Diese Zahl ist eine Hochrechnung. Sie basiert auf einer Untersuchung der Afrikanischen Frauenorganisation aus dem Jahr 2000 unter 250 in Österreich lebenden Frauen aus 11 afrikanischen Ländern, in denen FGM praktiziert wird). In Wien leben ca. 1.900 Frauen, die aus einem Land mit häufigem Vorkommen von FGM stammen. Der Wiener Frauengesundheitsbericht aus dem Jahr 2006 geht davon aus, dass diese einem potenziellen Risiko verstümmelt zu werden, ausgesetzt sind.

Das Europäische Institut für Geschlechtergerechtigkeit (EIGE) hat im Jahr 2013 in dem Bericht „Female Genital Mutilation in the European Union and Croatia “ und den dazu gehörenden Länderstudien weitreichende Daten zu FGM in den damals 27 EU- Mitgliedstaaten (MS) plus Kroatien veröffentlicht. Der Bericht beleuchtet u.a. die unterschiedlichen Zugänge und Strategien der EU-MS zur Abschaffung von FGM und der Betreuung der Betroffenen. Dabei ging EIGE auch auf die Frage der strafrechtlichen Verfolgung ein und untersuchte, inwieweit FGM oder die Gefahr von FGM betroffen sein zu können, einen Asylgrund in den jeweiligen MS darstellt.

In Österreich fällt FGM seit 2001 unter den Tatbestand der Körperverletzung. Je nach Grad der Verstümmelung kommen andere Paragrafen des Strafgesetzbuches zur Anwendung. In den vergangenen Jahren kam es Schritt für Schritt zu einer Verbesserung der gesetzlichen Lage (2006: Verlängerung der Verjährungsfrist, seit 2009 wird die Zeit von der Tat bis zum Erreichen des 28. Lebensjahres des Opfers nicht in die Verjährung gerechnet, 2011: Ausweiten auf das Prinzip der Extraterritorialität, d.h. Österreicherlnnen können auch außerhalb des Hoheitsgebiets belangt werden, wenn sie FGM durchführen). Trotz der guten rechtlichen Lage kam es bisher zur keine Verurteilung durch ein österreichisches Gericht.

Sowohl das Straf- als auch das Asylrecht betreffend hat die EU Richtlinien erlassen, um EU- weit gegen FGM vorzugehen.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher an die Bundesministerin für Inneres folgende

Anfrage:

1.    Wie weit wurde bisher die überarbeitete Anerkennungsrichtlinie 2011/95/EU, welche Normen für die Anerkennung für den einheitlichen Status von Flüchtlingen oder subsidiären Schutz regelt, in österreichisches Recht umgesetzt? Bis wann ist deren vollständige Umsetzung aus Sicht Ihres Ressorts geplant?

2.    Die Asylverfahrensrichtlinie 2013/32/EU sieht vor, dass im Rahmen von Asylverfahren Geschlechteraspekten Rechnung zu tragen ist. Wie ist es um die Umsetzung dieser Richtlinie bestellt?

a.    Wurde diese RL bereits auf Fälle von FGM angewendet?

b.    Welche Begleitmaßnahmen zur Implementierung der RL sieht Ihr Ressort vor?

c.    Bis wann strebt ihr Ressort die vollständige Umsetzung an?

3.    Sind für jene BeamtInnen, die in direktem Kontakt mit den Asylwerberlnnen sind, routinemäßig Schulungen vorgesehen, damit diese Frauen, die von FGM betroffen oder bedroht sind, erkennen und entsprechend sensibel mit diesen umgehen können?

a.    Wenn ja, in welchem Ausmaß und wer führt diese durch?

b.    Wenn nein, warum gibt es keine entsprechenden Schulungen und plant Ihr Ressort solche durchzuführen?

c.    Stehen Ihrem Personal Informationen zu beratenden Einrichtungen zur Verfügung, damit sie diese an betroffene Frauen weitergeben können?

d.    Wenn ja, welche Organisationen werden genannt?

e.    Welche Erfahrungen gibt es mit diesen Organisationen in der weiteren Arbeit?

f.     Wenn nein, warum nicht?

4. Die Neufassung der Richtlinie über die Aufnahmebedingungen für Asylwerberlnnen enthält geschlechtsspezifische Aufnahmebedingungen. Welche Schritte plant Ihr Ressort zur Umsetzung der Richtlinie 2013/33/EU in nationales Recht?

a.  Bis wann soll die Umsetzung der Richtlinie aus Sicht Ihres Ressorts vollzogen sein?

b.  Welche Begleitmaßnahmen (Schulungen etc... ) sind geplant?

4.  Werden geschlechtsspezifische Fluchtgründe statistisch erfasst?

a.   Wenn nein, warum nicht?

b.   Wenn ja, in wie vielen Fällen wurden welche geschlechtsspezifische Fluchtgründe innerhalb der letzten fünf Jahre bei einem Asylantrag angeführt?

c.   In wie vielen Fällen davon wurde Asyl gewährt?

d.   Aus welchen Gründen wurde Asyl nicht gewährt?