13807/J XXV. GP

Eingelangt am 10.07.2017
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Anfrage

 

der Abgeordneten Wolfgang Zinggl, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien

betreffend Kongresszentrum Bad Gastein

BEGRÜNDUNG

 

Vor 50 Jahren traten Bürgermeister Anton Kerschbaumer und Architekt Gerhard Garstenauer dem steten Niedergang des mondänen Kurorts Bad Gastein entgegen, erneuerten den traditionsreichen Kurbetrieb und setzten auf den rasant wachsenden Tourismus: Sie entwickelten gemeinsam eine Vision für das Gasteinertal und erfanden Sportgastein. Garstenauers Felsenbad in Bad Gastein 1966/68 markierte den erfolgreichen Start dieses Aufbruchs.

Dem international vielbeachteten Bauwerk folgte 1974 das Kongresszentrum, das zwei Jahre darauf den Architekturpreis des Landes Salzburg erhielt. Garstenauer schuf einen selbstbewussten Kontrapunkt zum gewohnten Bad-Gastein-Bild. Dieses hatten ab dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts Wiener und Münchner Architekten als großstädtisches, im alpinen Tal fremd anmutendes „Wolkenkratzerdorf in den Bergen“ geformt. Dicht gefügt sitzen die gründerzeitlichen Hotelblöcke jeweils auf mehreren Untergeschoßen im steilen Gelände. Dem setzte Garstenauer eine markante Horizontale gegenüber. Für ihn der „sichtbare Ausdruck als Ort der Begegnung“. Anstelle der ehemaligen engen, verschatteten Straße öffnete die begehbare kommunale Platz- und Dachlandschaft das Zentrum großzügig zu Sonne und Tal.

Nach der Amtszeit von Bürgermeister Kerschbaumer verlor Bad Gastein die mit Garstenauer entwickelte, übergeordnete Planungsperspektive. Nichtsdestotrotz besitzen Garstenauers visionäre Bauwerke für Gastein im Kontext der Österreichischen und Wiener Architekturdebatte in den 1960er Jahren einen besonders hohen Stellenwert, wie der renommierte Architekturtheoretiker Otto Kapfinger analysiert: „Es ist rückblickend bemerkenswert, wie Gerhard Garstenauer – als neben und aus dem Schwanzer/Feuersteinschen Studentenlabor eine Bewegung entstand, die mit den Images von Raumfahrt und Pop eine Umkrempelung der Mensch-Naturbeziehung propagierte […] – wie Gerhard Garstenauer also zugleich genau dies in Gastein in die Realität setzte, wie er seine aus hochdifferenziertem Beton gefügten ‚Flugzeugträger’ des Felsenbades und des Kongresszentrums ins Hochgebirge und in die mondäne Hotelschlucht einpasste, […] als wir in Wien an primitiven ‚Domes’ und biomorph aufgeblasenen Wolkentürmen und techno-uteralen Wohnhöhlen bastelten – perfekte Alu-Glas-Kugeln per Hubschrauber in die Gletscherregion pflanzte, wie Gerhard Garstenauer – als wir von Kunststoff-Leichtkonstruktionen und sphärischmobilen Geometrien träumten – am Stubnerkogel Liftgondeln mit der verräumlichten Geometrie der ‚Superellipse’ in Acrylglas erfand und verwirklichte. Und all dies – um auch einmal über den Rahmen des kleinen Österreich hinauszusehen – parallel zu den ähnlich gelagerten Wagnissen von Frei Otto und Günther Behnisch für die Olympiabauten“ in München.[1]

Solche Inkunabeln der österreichischen und internationalen Baukultur gilt es zu pflegen und nur mit größtem Respekt weiter zu entwickeln. 2000 wurde das Bundesdenkmalamt (BDA) schriftlich und nachdrücklich zur Einleitung einer Unterschutzstellung von Garstenauers drei Gasteiner Bauensembles Kongresszentrum, Felsenbad und Liftkugeln am Kreuzkogel aufgefordert. Der damalige Präsident Georg W. Rizzi hat geantwortet, dass den „a priori gegebenen hervorragenden künstlerischen Wert“ „nachhaltige Veränderungen“[2] mindern könnten. Unter Denkmalschutz steht keines der Objekte. Mit dieser bizarren „Argumentation“ unterwanderte das BDA nicht nur seine ursächliche Aufgabe, wertvolle Bausubstanz vor „nachhaltigen Veränderungen“ zu schützen, es erteilte solchen Qualitätsverlusten geradezu vorauseilend die Genehmigung.

Der renommierte Architekturhistoriker Norbert Mayr hat deshalb eine Initiative gestartet, die von Institutionen und NGOs auf lokaler (Um+Bau+Kultur Salzburg, Initiative Architektur), österreichischer (DOCOMOMO Austria, Österreichische Gesellschaft für Architektur, Architekturzentrum Wien) und internationaler Ebene (#SOSBrutalism, eine Kooperation des Deutschen Architekturmuseums und der Wüstenrot Stiftung, gemeinsam mit uncube und BauNetz) sowie den ArchitekturexpertInnen Flöckner-Schnöll Architekten, Judith Eiblmayr, Oliver Elser, Elise Feiersinger, Otto Kapfinger, Christian Kühn, Barbara Feller, Iris Meder, PAUHOF Architekten, DI Jürgen Radatz, Arno Ritter, Reinhard Seiß, Sonja Pisarik, Sabine Plakolm, Monika Platzer und Andreas Vass unterstützt wird.

Das Felsenbad hatte mittlerweile primitive Veränderungen hinzunehmen,[3] die vier Liftkugeln am Kreuzkogel sollten verschrottet werden, drei blieben aber vor Ort erhalten.[4]

In den Nullerjahren hat die Bad Gasteiner Kur- und KongressbetriebsgmbH das Kongresszentrum und andere Häuser im Stadtkern an die Investoren Franz Duval und Franz Wojnarowski verkauft. Es blieb bei Ankündigungen auch zur Sanierung.

Noch hat das Kongresszentrum keine substanziellen Verluste erlitten, die wertvolle Inneneinrichtung fällt aber bereits dem Vandalismus zum Opfer, überlegtes Handeln ist überfällig.

Das Haus bietet mit seinen großzügigen, am großen Kongress-Saal anschließenden Foyer-Zonen zahlreiche Potenziale, um zeitgemäß und qualitätsvoll weiterentwickelt werden zu könnten. Eine kompetente denkmalpflegerische Begleitung könnte eine respektvolle Revitalisierung bzw. Adaptierung sichern.

Bislang war das BDA dazu nicht im Stande. Im Frühjahr 2008 gab die neue Präsidentin Dr. Barbara Neubauer bei ihrem Antrittsstatement noch ein Bekenntnis zur Architektur der 1950er, 60er, 70er und 80er Jahre ab. Bei dem von DOCOMOMO Austria veranstalteten Symposium „MODERNE ZWEI Baukultur 1948 1984“ 2008 in Salzburg sprach sie von der Notwendigkeit einer systematischen, wissenschaftlichen Bestandsaufnahme und lud DOCOMOMO Austria zur Zusammenarbeit ein.

Laut Auskunft von DOCOMOMO Austria besteht beim BDA allerdings kein Interesse daran. Auf Anregungen der NGO wird nur teilweise reagiert. Auch auf die Expertise der anderen zahlreichen, sich mit dieser Architekturperiode beschäftigenden Wissenschaftler und Architekturhistoriker wird vom BDA nicht zurückgegriffen.

Landeskonservator Ronald Gobiet (2003-2012) versprach 2008 bei demselben Symposium die bereits 2006 angekündigte Überprüfung der Salzburger Architektur des 20. Jahrhunderts. Unverantwortlich verschleppt das Bundesdenkmalamt aber auch seither den Schutz von Garstenauers Gasteiner Bauten.

International setzt sich die Forschung hingegen seit einiger Zeit verstärkt mit dem Brutalismus auseinander (z.B.:Brutalismus. Architekturen zwischen Alltag, Poesie und Theorie, Internationales Symposium Berlin 2012, www.brutalismus.com). Seit dem Jahr 2014 läuft im Getty Center in Los Angeles die Initiative „Conserving Modern Architecture“, die ExpertInnen auf dem Gebiet Béton brut versammelt, um die Konservierung dieser Bauten voranzutreiben (www.getty.edu/conservation/our_projects/field_projects/cmai/cmai_experts.html).

Im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt und im Architekturzentrum Wien finden 2017/18 Ausstellungen statt, die sich den ästhetischen Qualitäten und der architekturhistorischen Relevanz dieser Bauten widmen werden.

Die Zukunft des Kongresszentrums steht stellvertretend für den fahrlässigen Umgang in Österreich mit dem architektonischen Erbe der Nachkriegsjahrzehnte. Österreich kann es sich – auch im Hinblick auf die zahlreichen internationalen Bemühungen – nicht weiterhin leisten, mit seiner baukulturellen Ignoranz aufzufallen. Hier gilt es dringend ein Umdenken herbeizuführen, nicht zuletzt auch im BDA, das bislang eine stringente Linie bzw. eine nachvollziehbare Haltung vermissen lässt.

Eine der möglichen Nutzungen, die auf den Potenzialen des Kongresszentrums aufbaut, ist die einer multifunktionellen Veranstaltungshalle. Durch die Vielfalt verschiedener Räumlichkeiten könnte das Gebäude neben der Reaktivierung als Kongress- sowie Kulturzentrum genutzt werden und konstruktiver Teil der Lösung von Bad Gastein's Problemen sein. Die "Bespielung" lässt das Haus wiederaufleben und das Ortszentrum, das dringend reattraktiviert werden muss.

Die engagierten Initiativen vor Ort im Sommer bauen seit vielen Jahren stetig und professionell das Kulturprogramm aus. Durch den politischen Willen des Landes Salzburg und einer entschlossenen Gemeinde, einen Mäzen und ein engagiertes KuratorInnenteam kann eine positive Eigendynamik generiert werden.

So könnten eine zukünftige, adäquate Funktion die Qualitäten des Gebäudes erhalten, zudem respektvolle, zeigemäße Interventionen das Bauensemble bereichern und das Baudenkmal den Motor für die "Rettung" von Bad Gasteins historischem Zentrum bilden. Schließlich ist die Symbiose von Urbanität und alpiner Topografie einmalig, die Stadt selbst ein einzigartiges Denkmal.

Laut Anfragebeantwortung 10621/AB vom 13.2.2017 führte „das Bundesdenkmalamt eine systematische Erfassung des gesamten österreichischen Denkmalbestandes für die Unterschutzstellung per Verordnung gemäß § 2a DMSG in den Jahren 2000 bis 2009 durch. Seit der vom Bundesdenkmalamt veranstalteten Tagung ‚Modern aber nicht neu, Architektur nach 1945 in Wien’ vom 17.-20. Mai 2011 werden verstärkt noch nicht unter Denkmalschutz stehende Gebäude der Nachkriegsmoderne auf deren Denkmalqualitäten geprüft.“ Als einziger Bau des „Brutalismus“ steht lt. BDA im Land Salzburg die Matthäuskirche, Taxham (Eugen Salpius und Hans Laimer) unter Denkmalschutz. Die Matthäuskirche erfährt in keiner wissenschaftlichen Arbeit zur Architektur des 20. Jahrhunderts in Salzburg in irgendeiner Form eine besondere Würdigung. Offensichtlich werden hier die Denkmalschutz-Kriterien niedrig angesetzt und es bedeutet einen fachlich nicht nachvollziehbaren Widerspruch, dass sich von Garstenauers sehr bemerkenswerten Bauwerken des „Brutalismus“ in Stadt und Land Salzburg kein einziges auf der Bestandliste des BDAs findet.

Über die Bauten des Brutalismus hinaus sind unzählige bedeutende Bauwerke des 19. und 20. Jahrhunderts bis in die 1980er Jahre vom Abriss bedroht, z.B. das Hotel National in der Taborstraße.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE

 

1)    Was werden Sie als Aufsichtsbehörde des Bundesdenkmalamtes unternehmen, um u.a. eine rasche, gesetzeskonforme Unterschutzstellung des Kongresszentrums Bad Gastein sicherzustellen?

2)    Bereits erfolgte Veränderungen an einem Baudenkmal sind ein Kriterium bei der Entscheidung über die Unterschutzstellung. Das Kongresszentrum Bad Gastein ist in seinem originalen Zustand, die geringen Veränderungen sind reversibel. Unter der BDA-Präsidentschaft von Wilhelm Georg Rizzi (1997–2008) wurde Baudenkmälern systematisch der Schutz verweigert. So z.B. bei der „Stadt des Kindes“ in Wien Penzing. Dem Objekt –so Wilhelm G. Rizzi in der Begründung im negativen Bescheid 2002 – sei in seinem „gegenwärtigen Baubestand zwar durchaus architektonische Bedeutung beizumessen, doch kann sie angesichts der für die weitere Existenzfähigkeit des Baukomplexes absehbaren unumgänglichen Veränderungen nicht die Grundlage für ein öffentliches Interesse an der Erhaltung abgeben.“
In welchen anderen Fällen - auch vor oder nach Rizzis Präsidentschaft - hat das BDA auf diese Weise argumentiert?

3)    Wie steht das BDA heute zu Rizzis „Argumentation“?

4)    In welcher Form und Zeitspanne wird das BDA die vorhandenen Defizite bei der systematischen Aufarbeitung des Bestandes an Baudenkmälern der Nachkriegsmoderne beseitigen, bevor dieser Denkmalbestand zerstört ist?

5)    In welcher Form und Zeitspanne wird das BDA die vorhandenen Defizite bei der systematischen Aufarbeitung des Werks Garstenauers beseitigen und dessen Bauwerke unter Schutz stellen?

6)    In welcher Form und Zeitspanne wird das BDA den Denkmalbestand vom 19. Jahrhundert bis rund 1990 aufarbeiten und unter Schutz stellen?



[1] Otto Kapfinger, Gerhard Garstenauer - Konstrukteur und Visionär – Realist und Romantiker, in: Gerhard Garstenauer – Interventionen, Salzburg 2002, S. 123; vgl. auch: Norbert Mayr, Vier Kugeln im Schnee – Der Salzburger Gerhard Garstenauer schuf vor rund drei Jahrzehnten herausragende Beispiele moderner Architektur im Gasteiner Tal, in: Salzburger Nachrichten, 22. 1. 2000, S. IX.

[2] Die Antwort zit. in: Norbert Mayr, Stadtbühne und Talschluss. Baukultur in Stadt und Land Salzburg, Salzburg 2006, S. 196; Vgl.: Norbert Mayr, Geht Bad Gastein baden?, in: Architektur & Bauforum, Nr. 211 (2001), S. 6.

[3] Norbert Mayr, Dekoration statt Architektur - Das Felsenbad in Gastein, ein Schlüsselwerk der Gegenwartsarchitektur, soll umgestaltet werden, in: Salzburger Nachrichten (Kultur), 10. 5. 2002, S. 15; Norbert Mayr, Vom Felsenbad zur Felsentherme – Anmerkungen zur Sanierung des Felsenbades von Gerhard Garstenauer in Bad Gastein, in: Architektur & Bauforum – Forum, 29. 8. 2003, S. 12-13, Vom Felsenbad zur Felsentherme. Der Architekt Gerhard Garstenauer, in: Salzburg Museum, Kunstwerk des Monats , Blatt 315 (Juli 2014), 4 Seiten

[4] Vgl. Norbert Mayr, Natur- versus Architekturschutz, in: Architektur & Bauforum News, 2/2000 S. 1