14052/J XXV. GP

Eingelangt am 20.09.2017
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Bruno Rossmann, Wolfgang Zinggl, Daniela Holzinger, Leo Steinbichler und Waltraud Dietrich

an den Bundesminister für Finanzen

betreff Minister-„Datenschutz" für Stiftungen und steuerflüchtige Konzerne

Die Steuerflucht der großen Konzerne funktioniert nur im Dunkeln. Sobald bekannt wird, wie unser Steuergeld verschwindet, ist das gesamte System bedroht. Daher brauchen die Milliarden-Flüchtlinge Fluchthelfer in der Politik.

Am 12. April 2016 überraschte die EU-Kommission mit einem neuen Vorschlag: der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EU[1]:

Als Antwort auf die von der G20 und andernorts erhobenen Forderungen ist mehr Transparenz auf Seiten der Unternehmen notwendig, um öffentliche Kontrolle darüber zu ermöglichen, ob Steuern dort gezahlt werden, wo Gewinne entstehen. Der vorliegende Vorschlag schreibt vor, dass multinationale Unternehmen in einem speziellen Bericht die von ihnen entrichtete Ertragsteuer zusammen mit anderen relevanten steuerlichen Informationen veröffentlichen müssen. Diese zusätzlichen Transparenzanforderungen werden von multinationalen Unternehmen mit einem Umsatz von über 750 Mio. EUR erfüllt werden müssen, und zwar unabhängig davon, ob sie ihren Sitz in oder außerhalb der EU unterhalten. Erstmals werden also nicht nur für europäische, sondern auch für nicht-europäische multinationale Unternehmen, die in Europa Geschäfte betreiben, dieselben Berichtspflichten gelten.

So begründete die EU-Kommission ihre Initiative zum Country by Country-Reporting.

Selbst mit diesem bescheidenen Vorschlag der Kommission war Feuer am Dach der großen Unternehmen. Aber in Deutschland, Belgien, Malta und Österreich fanden sich binnen eines Monats Finanzminister, die bereit waren, das Schlimmste für die Konzerne zu verhindern.

In einer Stellungnahme an den Bundesrat[2] stellt der österreichische Finanzminister schon am

11.    Mai 2016 fest, dass „die Risiken für die betroffenen Unternehmen als unverhältnismäßig groß eingeschätzt wurden. Die angesprochenen Risiken sind insbesondere die Gefahr der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen und die Gefahr der Fehlinterpretation durch die Öffentlichkeit, die zu einer negativen Beeinflussung des Wettbewerbes führen kann". Die Richtlinie wurde daher ohne Veröffentlichungsverpflichtung umgesetzt.

 

Wir stellen demgegenüber fest, dass die Risiken für die betroffenen Steuerzahler als unverhältnismäßig groß eingeschätzt werden. Die angesprochenen Risiken sind insbesondere die Gefahr der Verletzung der Steuerpflicht und die Gefahr der ,,Vermeidung" von Steuermilliarden, oft an der Grenze zur Steuerhinterziehung, hinter dem Rücken der Öffentlichkeit, die zu einer negativen Beeinflussung des Staatshaushaltes führen kann.

Damit vertritt der Finanzminister gemeinsam mit seinem Parteifreund an der Spitze des Innenministeriums eine klare Position: mit Bundestrojaner und Handy-Überwachung so wenig Datenschutz wie möglich für die Bürgerinnen und Bürger, mit der Geheimhaltung der Ertragssteuergestaltung so viel Datenschutz wie möglich für internationale Konzerne.

„DATENSCHUTZ“ FÜR SCHELLING-STIFTUNG?

Vor einem Jahr im April 2016 wurde der Skandal rund um die Panama Papers öffentlich. Ein Daten-Leak der Anwaltskanzlei Mossack Fonseca zeigte die internationale Dimension einer Verschleierungsindustrie auf. Mithilfe von Briefkastenfirmen wurden Steuerbetrug, Geldwäsche und unzählige andere Delikte gefördert. Die Panama-Papers haben klar vor Augen geführt, wie so genannte Steueroasen weltweit genutzt wurden. 130.000 Personen in 170 Ländern hatten ihr Geld allein in Briefkastenfirmen der Kanzlei Mossack-Fonseca in Panama „geparkt", darunter Politiker, Spitzensportler, Oligarchen und andere Finanzjongleure. Briefkastenfirmen sind aber nicht nur das Vehikel zur Hinterziehung von Steuern, sondern dienen dem organisierten Verbrechen auch der Geldwäsche und dem Verstecken von Vermögen.

Viele Regierungen haben sich in der Folge für Verbesserungen ausgesprochen. Die Ausweitung der Transparenz sollte eine der zentralen Antworten auf den Skandal werden: Die wirtschaftlich Berechtigten müssen in einem Transparenzregister offengelegt werden. Finanzminister Hans-Jörg Schelling indes sah im April 2016 für Österreich keinen Handlungsbedarf:

"Wenn sie in Österreich eine Firma, eine Stiftung haben, kann jeder hineinschauen und sehen, wem gehört die Firma, wer steckt dahinter, wer sind die Begünstigten", versicherte der Finanzminister. Zumindest wisse man bei Stiftungen, wer der Stifter sei und woher das Geld komme. "Österreich hat in Bezug auf die Geldwäsche das wahrscheinlich strengste Regime in Europa installiert" und auch im Zuge der Steuerreform viele Maßnahmen gegen Steuerbetrug gesetzt. (APA, 5.4.2016)

Die wirtschaftlich Berechtigten einer Privatstiftung sollten eigentlich in der Stiftungsurkunde geregelt werden. Diese ist wiederrum im Firmenbuch zu veröffentlichen. Doch es gibt ein Einfallstor. Das Privatstiftungsgesetz ermöglicht, dass die wirtschaftlich Berechtigten in einer sogenannten StiftungsZUSATZurkunde geregelt werden. Diese muss nicht veröffentlicht werden, sondern bleibt der Öffentlichkeit verborgen. Der Verschleierung ist damit Tür und Tor geöffnet.

EU-RICHTLINIE ERMÖGLICHT OFFENLEGUNG DER WIRTSCHAFTLICHEN EIGENTÜMER - ÖSTERREICH BREMST

 

Die Europäische Kommission reagierte auf die Panama Papers und legte im Juli 2016 einen Vorschlag für die Revision der vierten Geldwäscherichtlinie[3] vor. Der Vorschlag beinhaltet, dass Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer von Gesellschaften, sonstigen juristischen Personen sowie von Trusts über ein Netz nationaler Register öffentlich zugänglich gemacht werden. Die Informationen umfassen Namen, Geburtsdaten, Staatsangehörigkeit, Wohnsitzland des wirtschaftlichen Eigentümers sowie Art und Umfang des wirtschaftlichen Eigentums. Unternehmen, die keinen Erwerbszweck verfolgen, sollen davon ausgenommen werden.

Die Umsetzung in Österreich erfolgt im Rahmen des Wirtschaftliche Eigentümer­Registergesetzes, das Ende April in Begutachtung ging. Die EU-Vorgaben werden so geringfügig wie möglich umgesetzt, sodass die Öffentlichkeit weitgehend vom Zugang durch möglichst hohe Hürden ausgeschlossen bleibt. Eine Einsicht ist nur auf Antrag bei einem berechtigten Interesse möglich, wobei das berechtigte Interesse auf die Verhinderung von Geldwäscherei und Terrorfinanzierung auf einen bestimmten Rechtsträger abzielt. Darüber hinaus muss nachgewiesen werden, dass der/die AntragstellerIn bereits konkrete erfolgreiche Aktivitäten zur Verhinderung der Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung vorzuweisen hat - restriktiver geht es nicht mehr. Damit macht Finanzminister Schelling das Transparenzregister zu einem Intransparenzregister. Für die Einsicht wird zudem eine Gebühr verlangt, die vom Bundesminister für Finanzen per Verordnung festzulegen ist.

Der Vorschlag der Kommission wurde bereits am 7.12.2016 im EU-Unterausschuss diskutiert. Finanzminister Schelling hat bereits vor einem halben Jahr angekündigt, dass er weiterhin an der Nichtveröffentlichung der wirtschaftlich Begünstigten aufgrund von Stiftungszusatzurkunden festhalten möchte. Es reicht ihm offenbar, wenn die Finanzämter Einblick erhalten, obwohl die Veröffentlichung und der kostenlose Zugang zu diesen Informationen ein entscheidender Schritt zu mehr Transparenz und zur Bekämpfung der Verschleierungsindustrie wären.

Bruno Rossmann hat Finanzminister Schelling im EU-Unterausschuss am 7.12.2016 gefragt:

Wen möchten Sie schützen?" Schelling antwortete: „Ich möchte die Begünstigten vor Ihnen schützen!".

WELCHE INTERESSEN VERFOLGT DER FINANZMINISTER? - DIE JOHANN GEORG SCHELLING PRIVATSTIFTUNG

Der Finanzminister will also die wirtschaftlich Begünstigte von den rund 3.800 Privatstiftungen in Österreich[4] vor kritischen Abgeordneten und einer breiten Öffentlichkeit schützen. Welche Interessen Schelling hier verfolgt, wird nach einem Firmenbuchauszug und nach Anforderung der Stiftungsurkunden der Privatstiftung des Finanzministers, der JGS Privatstiftung, klar.

Der Finanzminister ist selbst Stifter einer Privatstiftung „JGS Privatstiftung":

 

 

---------------------------------  § 1 Stifter, Name, Sitz -------------- ------------ -------------

(1)         Herr Mag. Dr. Johann Georg Schelling, geboren am 27.12.1953 (siebenundzwanzigsten Dezember eintausendneunhundertdreiundfünfzig) (im folgenden kurz "der Stifter" oder "JGS"), errichtet hiemit eine Privatstiftung gemäß den Bestimmungen des Privatstiftungsgesetzes (im folgenden kurz "PSG“). …………………………………..

(2)          Die Privatstiftung führt den Namen………………………………………...................

...............................................JGS Privatstiftung………………………………………..

(im folgenden kurz "die Privatstiftung")…………………………………………………

 

-----------------------------------------§ 2 Widmung des Vermögens   ……………………………..

(1)           Der Stifter widmet der Privatstiftung das in Absatz 2 näher beschriebene Vermögen, das bei Gründung der Privatstiftung vom Stifter durch Bareinlage aufzubringen ist.
……………………………………………………………………………………………….

(2)          JGS widmet der Privatstiftung den Barbetrag von…………………………….. 1,000.000,--

(Schilling eine Million), der bei Gründung der Privatstiftung zur Ganze bar einzu­zahlen ist...
…………………………………………………………………………………………………

Die Höhe des gewidmeten Vermögens der Stiftung entspricht genau dem Mindestbetrag von einer Million Schilling (heute € 70.000,00). Über weitere Vermögenszuwendungen erfährt man aus dem Firmenbuch nichts.

Auch über die wirtschaftlich Begünstigten von Schellings Privatstiftung erfährt man in der Stiftungsurkunde nichts. Die Begünstigten werden verschleiert, indem dies in einer StiftungsZUSATZurkunde geregelt wird.

-------------------------------- § 6 Feststellung der Begünstigten-----------------------------------------

Die Begünstigten der Privatstiftung werden unter Berücksichtigung der Bestimmungen der Stiftungszusatzurkunde vom Stiftungsvorstand festgestellt. ……………………………………

 

Beteiligungen der JGS Privatstiftung:

 

Die JGS Privatstiftungen hat folgende Beteiligungen:

        Arboria Invest 1 GmbH (FN 388919s): Die JGS Privatstiftung ist mit einem Anteil von 7,5% an der Arboria Invest 1 beteiligt. Die Stammeinlage beträgt 150.000 Euro.

        Schelling GesmbH (FN 147770i): Die JGS Privatstiftung ist der einzige Gesellschafter der Schelling GesmbH. Die Stammeinlage beträgt laut Firmenbuch 500.000 Schilling.

Beide Unternehmen veröffentlichen zwar eine Bilanz, aber keine Gewinn- und Verlustrechnung.

LÜCKENLOSE TRANSPARENZ

Gegen die Verschleierung hilft nur eines: lückenlose Transparenz. Die unzähligen öffentlichen Skandale (Swiss Leaks, LuxLeaks, Panama Papers, Bahamas Papers usw.) haben den dringenden Handlungsbedarf aufgezeigt. Ein öffentliches Firmenregister ist ein notwendiger Schritt. Auf EU-Ebene gibt es eine Reihe weiterer Maßnahmen für mehr Transparenz (z.B. öffentliches Country by Country Reporting von Konzernen), die getroffen werden müssen. Österreich steht hier auf der Bremse. Das Handelsblatt thematisiert die Rolle Österreichs hinter den Kulissen folgendermaßen:

"Irland macht keine Deals mit Steuerzahlern", heißt es in der offiziellen Reaktion auf die Nachrichten aus Brüssel. Zudem habe Irland bei der Reform der internationalen Steuergesetze eine Vorreiterrolle eingenommen. Diese Behauptung können Brüsseler Steuerexperten allerdings nicht bestätigen. Irland gehört neben Malta und Österreich zu den Ländern, die hinter den Kulissen regelmäßig Einspruch erheben, wenn die EU Schlupflöcher in der Steuergesetzgebung schließen will. Die Kommission hat dazu bereits mehrere Gesetzesvorschläge gemacht und will noch weitere vorlegen. (Handelsblatt, 31.8.2016)

Wir werden daher sehr genau beobachten, was Hans Jörg Schelling in Brüssel unterstützt - öffentlich und hinter verschlossenen Türen. Österreich soll Vorreiter im Kampf gegen Steuerbetrug und Geldwäsche werden. Dafür ist der lückenlose öffentliche Zugang zu Informationen ein entscheidender Schritt. Dazu braucht es:

[1]     Öffentliches Firmenregister der wirtschaftlich Berechtigten: Alle wirtschaftlich Berechtigten müssen öffentlich und kostenlos abrufbar in ein Register eingetragen werden. Darüber hinaus müssen Jahresabschlüsse lückenlos und öffentlich zur Verfügung gestellt werden.

        Öffentliche Berichtspflichten (Country by Country Reporting): Die Steuerbehörden tauschen künftig automatisch Informationen über die Einkünfte, die geleisteten Steuern oder Geschäftstätigkeit getrennt nach Staaten aus. Die Finanz weiß also künftig, in welcher Höhe und in welchem Land multinationale Konzerne Steuern leisten. Das reicht aber nicht: Die Steuerdaten im Rahmen des Country by Country Reporting müssen für alle öffentlich und kostenlos zugänglich sein.

        Veröffentlichung von Steuerdeals: Auch alle Steuerabsprachen zwischen nationalen Steuerbehörden und Konzernen sollen künftig unter den Steuerbehörden automatisch ausgetauscht werden. Diese Deals müssen für alle öffentlich und kostenlos zugänglich sein.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten richten an den Bundesminister für Finanzen daher folgende

 

ANFRAGE

1.  Wie hoch schätzen Sie die Steuern, die der Republik Österreich durch die Steuerflucht internationaler Konzerne 2014, 2015 und 2016 entgangen sind?

2.  Wieviel Körperschaftsteuer (KöSt) hat Apple 2014, 2015 und 2016 in Österreich bezahlt?

3.   Wieviel KöSt hat Google 2014, 2015 und 2016 in Österreich bezahlt?

4.   Wieviel KöSt hat Amazon 2014, 2015 und 2016 in Österreich bezahlt?

5.   Wieviel KöSt hat IKEA 2014, 2015 und 2016 in Österreich bezahlt?

6.   Wieviel KöSt hat Starbucks 2014, 2015 und 2016 in Österreich bezahlt?

8.   Wieviel KöSt hat KIKA 2014, 2015 und 2016 in Österreich bezahlt?

9.   Warum sind Sie dagegen, dass Unternehmen im Rahmen des Country by Country- Reporting mit einem Umsatz von mehr als 750 Mio € ihre Ertragssteuern in einem Bericht veröffentlichen müssen?

10.   Mit seinem „Sicherheitspaket" macht der ÖVP-Innenminister vom Bundestrojaner bis zur Vorratsdatenspeicherung klar, dass ihm der Datenschutz für unverdächtige Bürger und Bürgerinnen unwichtig ist. Warum ist Ihnen als ÖVP-Finanzminister im Gegensatz dazu der Datenschutz für steuerflüchtige Konzerne besonders wichtig?

11.   Warum sind Sie dagegen, dass das in Aufbau befindliche Firmentransparenzregister ein öffentliches Register wird?

12.   Sie behaupten, dass die Privatstiftungen in Österreich in hohem Maße transparent sind. Sind Sie in diesem Sinne bereit, die Stiftungszusatzurkunden und damit die zusätzlichen Mittel, die Sie allenfalls in Ihre Stiftung eingebracht haben, zu veröffentlichen?

13.   Sind Sie bereit, die Namen der wirtschaftlich Berechtigten Ihrer Privatstiftung offenzulegen?

 

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung gemäß § 93 Abs.1 GOG verlangt.



[1]   https://ec.europa.eu/transparencv/regdoc/rep/l/2016/DE/1-2016-198-DE-Fl-l. PDF

[2] http://bit.ly/2a81ft9

[3] https://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2016/DE/1-2016-450-DE-F1-1.PDF

[4] https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AB/AB_08483/imfname_536488.pdf