14110/J XXV. GP

Eingelangt am 26.09.2017
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Jarolim, sowie zahlreicher Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Justiz

betreffend

Seltsame Ermittlungspraktiken bei steirischem Arzt

Aktuell ist ein Strafverfahren am Landesgericht Graz gegen den steirischen Arzt Dr. Eduard L. (Name dem BMJ bekannt) anhängig, welcher jahrelang seine eigene Familie sowie weitere Nahestehende durch sadistische Angriffe gequält und bedroht haben soll. Die leidtragenden Kinder, welchen in auffälliger Weise sonst als Selbstverständlichkeit vorgesehene Hilfestellungen öffentlicher Einrichtungen vorenthalten wurden und welchen anfangs sogar die Aufnahme von Anzeigen verweigert wurde, sind bis heute vielfach auf geschlossene Ohren bei deren Suche nach Wahrheitsfindung gestoßen.

Andererseits ergeben sich aus dem Akt zahlreiche massive Hinweise auf höchst bedenkliche Verhaltensweisen des Arztes - auch mit beträchtlicher Auswirkung auf PatientInnen - welche bei der Überprüfung strafrechtlich relevanter Sachverhalte ganz offenbar auf unterschiedliche Art ignoriert werden. In dem Zusammenhang überprüfungswürdig scheint auch die Anlage von „Verschlussakten“, in welchen für die Gesamtbeurteilung der unterschiedlichen Verhaltensweisen relevante Aspekte „ausgelagert“ und teils - für die Opfer nicht nachvollziehbar - eingestellt werden bzw. wurden. Dass in einem ursprünglichen Verschlussakt auf (1. Anlassbericht, Seite 2) auf die Verwandtschaft von Dr. L mit einem Klubobmann des österreichischen Nationalrats ausdrücklich hingewiesen wurde, erscheint ebenso bemerkenswert.

Zum großen Erstaunen berufener Experten hat die zuletzt vom Gericht bestellte Gutachterin Dr.in Kastner, etwa ausgeführt, dass Dr. Eduard L. schon deshalb unter keiner Persönlichkeitsstörung leiden könne, da solch eine Störung nicht nur in Bezug auf seine Familie sondern auch in anderen Lebensbereichen erkennbar sein müsste und er als Arzt aber „tadellos“ wäre. Diese Ausführungen ignorieren ganz massiv Ausführungen ehemaliger Mitarbeiterinnen des Arztes, welche ihre Mitarbeit aufgrund von ihnen nicht mehr erträglichen Medikamenten- und in dem Zusammenhang Patientenmissbräuchen beendet haben. Diese Aussagen in einem Verschlussakt wurden aus unerfindlichen Gründen und trotz Antrag der Opfer nicht an die Gutachterin weitergeleitet, ebenso sah der zuständige Staatsanwalt darin keinen Grund für weitere Ermittlungen. Daneben werden zentrale Ausführungen des Gewaltschutzzentrums in Graz ignoriert.

Die Gefährlichkeitsanalyse des Gewaltschutzzentrums ergab „eine sehr hohe Gefährdung (Stufe 5) für das Opfer Monja H. Das Ergebnis besagt, dass eine schwere Gewalttat jederzeit bevorstehen kann. Das Gewaltschutzzentrum regte - was sehr selten passiert - bei der Staatsanwaltschaft sogar die Verhängung einer Untersuchungshaft für den Arzt Dr. L. an, der Anregung wurde nicht gefolgt.

Lt. Eidesstaatlicher Erklärung eines Patienten von Dr. L. sollte dieser (er ist auch Jäger) trotz gerade verhängtem Waffenverbots über Dr. L für den Arzt ein Scharfschützengewehr SSG08 besorgen. Dieser Umstand wurde nicht weiter verfolgt, der Patient auch nicht als Zeuge zur Verhandlung geladen.

Aussagen von Ex-Mitarbeiterinnen des Beschuldigten führten weder zu einer weiteren Befragung derselben noch wurden sie - trotz Antrag der Opfer- als Zeugen für die Verhandlung geladen

In dem Zusammenhang bemerkenswert ist auch der Umstand, dass der zuvor bestellte Sachverständige Univ. Prof. Walzl infolge seiner persönlichen Bekanntschaft mit dem Bruder des Beschuldigten um Entbindung von der Bestellung zum SV ersucht hat, diesem Ersuchen aber erst nach nachdrücklicher Wiederholung (!) dieses Anliegens gefolgt wurde. Dieses Verhalten ist nicht ohne weiteres erklärlich.

Zahlreiche langjährige PatientInnen beklagen jedenfalls, durch Dr. L abhängig von Medikamenten oder Morphium geworden zu sein. Ein Patient von Dr. L. soll bewusstlos gewesen und von Dr. L. als einschreitender Arzt für tot erklärte worden sein. Glücklicherweise konnte der Sohn des betroffenen Patienten rechtzeitig seinen Vater im Haus erreichen und reanimieren, sodass dieser Patient auch heute noch lebt.

In einem von den Kindern von Dr. L. angestrengten Zivilverfahren auf unterlassene Alimente­Zahlungen und Schadenersatz für Psychotherapiestunden infolge der durch Dr. L. erlittenen seelischen Qualen wurde das Verfahren für eine Tochter im Februar 2016 geschlossen und wollte die zuständige Richterin Mag. Sandra F-G. auf die psychiatrischen Gutachten des medizinischen Sachverständigen Dr. Wagner aus dem Strafverfahren warten. Als diese dann im März mit dem Ergebnis Vorlagen, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Vaters und den Schäden der Kinder bestehe, eröffnete die Richterin entgegen ihrer ursprünglichen Ankündigung wieder das Verfahren und beauftragte den Grazer Gerichtsgutachter Dr. Peter Hofmann mit der Erstellung eines Gutachtens. Nachdem dieser seine Befassung ablehnte, weil er scheinbar schon mit der Erstellung eines Entlastungs­Gutachtens durch den Beschuldigten beauftragt worden war, beauftragte die Richterin nun zum Erstaunen eingeschalteter Experten ausgerechnet dessen Praxis-Kollegen Dr. Friedrich Rous mit dem Gutachten. Dieser lehnte zwar nicht ab, blieb aber sechs Monate untätig, und wurde über ihn eine Buße von 250 Euro verhängt.

Warum die Richterin entgegen ihrer ursprünglichen Absicht das Gutachten von Herrn Dr. Wagner nicht heranzog sondern stattdessen mehrere andere Gutachter in Serie bestellte, bleibt unnachvollziehbar. Der oben erwähnte befangene SV Dr. Hofmann erstellte im Juli 2017 jedenfalls im Auftrag des Beschuldigten Dr. L ein Privatgutachten, in welchem ein Zusammenhang zwischen den inkriminierten Handlungen seines Auftraggebers und den Schäden der Kinder bestritten wird. In diesem Gutachten schrieb Hoffmann:

„Dies alles könnte man am besten zusammenfassen in dem Bild, dass Dr. Eduard L. als Vater praktisch ein psychopathischer Sadist sein müsste, um solche Handlungen zu setzen“.

Da ihm dies unmöglich schien, griff er die Aussagefähigkeit der Kinder an, welche er nie gesehen bzw. untersucht hatte.

Im Strafverfahren liegt dem Gericht bereits seit Monaten ein wichtiges Beweismittel vor, welches bis heute nicht herangezogen wurde. Es handelt sich um ein Video von Dr. L., welches er selbst gedreht hatte, als seine Kinder noch im Kleinkindesalter waren und zeigt Sadismus und andere Züge des filmenden Akteurs:

„Dieses Video wurde offensichtlich als besondere Erinnerung vom Verfasser aufgehoben. Es zeigt subtile Grausamkeit. Zunächst frägt er seine Tochter, was sie sich zu Weihnachten wünschen, lässt sie die gewünschte "Glitzersteinbarbie" detailliert beschreiben (dabei werden die Kinder immer fröhlicher) um dann zu sagen, dass sie die Puppe aber nicht bekommen. M.L. weint und rennt davon, er verfolgt sie mit der Kamera. Als das Wort "Brust" fällt muss sie zeigen, wo Mädchen ihre Brust haben……dieses Video sollte laut Antrag der Gutachterin Kastner vorgelegt werden, was aber aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht erfolgte

Dieses Video wurde dem zuständigen Richter ausgefolgt, um es der Sachverständigen Dr.in Kastner zur Erstellung des Gutachtens zu übergeben, was aber nicht erfolgte. In dem Gutachten (siehe oben) wurde dann ja festgestellt, dass Dr. L keinerlei Persönlichkeitsstörung habe. Im Übrigen wurden Frau Dr.in Kastner entgegen der üblichen Praxis auch keine der angelegten Verschlussakte zur Gutachtenerstellung übermittelt, ebenso wurde sie nicht zur Hauptverhandlung geladen, in welcher Fragestellungen möglich wären, wohingegen der sich als befangen erklärt habende und danach als Privatgutachter von Dr. L eingeschrittenen Privatgutachter, Herr Dr. Hofmann, geladen wurde (!!), sich aber zwischenzeitig entschuldigen ließ.

Die schwere Selbstverstümmelungen von Dr. L durch Einstechen der Bauchdecke mittels Schraubenzieher, welchen die Töchter sodann zu entfernen hatten, wurden von GA Kastner nicht als krankheitswertig angesehen, was für Experten nicht nachvollziehbar ist.

Weder die Ärztekammer noch der Staatsanwalt informierten von sich aus die Gesundheitsbehörde der Steiermärkischen Landesregierung über die Vorwürfe gegen Dr. L. Als der zuständige Ressortverantwortliche der Landesregierung i.S. des § 62 Abs. 4 ÄrzteG bei der zuständigen Staatsanwaltschaft schließlich von sich aus nachfragte, ob bei Dr. L. eine grobe Verfehlungen bei der Ausübung des ärztlichen Berufes vorliege, wurde dies durch die Staatsanwaltschaft verneint.

Zu den bemerkenswerten und sicher nicht für die österreichische Justiz repräsentativen Vorfällen gesellen sich noch nachstehende Umstände, welche in Summe die die Erstattung einer parlamentarischen Anfrage als mehr als geboten erscheinen lassen:

Ø  Die aktenkundige Nichtbehandlung der eigenen Kinder gegen Borrelien wider besseres Wissen von Dr. L wurde trotz vorhandener Befunde, Klinik und Zeugen nicht berücksichtigt.

Ø  Ein weiterer Verschlussakt 25 St166/16v (Fall Michelle H.) wird getrennt vom Verfahren gegen Dr. L angelegt (in denen Zeugen Dr. L. massiv belasten.) und trotz

massiver Belastungen von Dr. L eingestellt.

Ø  Die von einer Zeugin H getätigte Aussage "Eduard L. hat mich unter Druck gesetzt so auszusagen wie ich ausgesagt habe” wird von der Sta auch dann noch ignoriert, als die Zeugin ihre Aussage ausdrücklich widerruft und Dr. L schwer belastet.

Ø  Die Zeugin Z. erklärte gegenüber Dritten, dass Dr. L. ihr einen gemeinsamen Selbstmord angeboten habe und sie sicher sei, dass er sie umbringen würde, wenn sie gegen ihn aussagen werde. Sie möchte daher zweimal obduziert werden, sollte sie vorzeitig versterben. Die Zeuginnen M.H und G.H. berichten ebenso, dass Dr.L ihnen einen gemeinsamen Suizid angeboten habe.- Für die SA blieb das ohne Konsequenz.

Ø  Die Zeugin Z erklärte gegenüber Dritten auch, dass Dr. L. versuche, seinen Patienten die Verlassenschaften abzuluchsen’’.

Ø  Die Zeugin H. erklärte, dass die schriftführende Kripobeamtin Mag. P. bei der Einvernahme ganz offensichtlich hören wollte, dass Dr. L unschuldig sei, diese Aussagen bleibt ohne Konsequenz.

Ø  Zeugin B., Ex-Angestellte von Dr. L. spricht von Medikamentenmissbrauch durch Dr. L und zwar, dass er in seiner ärztlichen Tätigkeit unter Medikamenteneinfluss von Dormicum und Fentanyl und Gewacalm unberechenbar geworden sei und sie anstiften wollte, das Suchtgiftbuch zu fälschen. Sie habe es mit ihrem Gewissen nicht mehr vereinbaren können, für Dr. L. zu arbeiten und hat gekündigt.

Ø  Zeugen, die Dr. L belasten, werden vom Sta nicht als Zeugen für die Hauptverhandlung beantragt

Ø  Bei einer Hausdurchsuchung in der Ordination von Dr. L. wurde eine ausgebaute Festplatte vorgefunden. Dieser aufklärungswürdige Umstand wurde nicht weiter verfolgt. Die Wohnungen von Dr. Ls Freundin und deren Ex-Freund in Hartberg wurde nicht durchsucht, obwohl Dr. L. It Zeugenaussagen dorthin belastende Materialien verbracht haben soll. Aussagen wonach Dr. L. von der Hausdurchsuchung vorgewarnt wurde, wurden ignoriert.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Justiz folgende

Anfrage

1.    Entsprechen die dargestellten Vorgangsweisen den Gepflogenheiten und Vorstellungen des Bundesministeriums über staatsanwaltliche Vorgangsweisen und Erhebungen und wenn ja, warum und wenn nein, warum nicht?

2.    Das Neutralitätsgebot von Ermittlungsbehörden ist ein hohes Rechtsgut. Aufgabe des Justizministers als oberste Weisungsbehörde ist es, dieses kostbare Rechtsgut sicherzustellen. Dazu gehört es auch, Interventionen Außenstehender (etwa aus der Politik) zurückzuweisen. Ist dies im gegenständlichen Verfahren erfolgt (etwa in GZ 25 St 14/17t -1?) und wenn nein, warum nicht?

3.    Warum werden aus Sicht der Weisungsbehörde für die Aussagen der Opfer, insbesondere der Kinder und der Zeugin Monja H. relevanten Beweismittel im Verfahren nicht beantragt?

4.    Warum werden aus Sicht der Weisungsbehörde für die Erstellung von Gutachten relevante Beweisstücke nicht den jeweiligen Sachverständigen zur Berücksichtigung übergeben?

5.    Warum werden nach Ansicht des Justizministers für die Aussagen der Opfer, relevante Beweismittel, insbesondere Zeugen und Sachverständige zur Verhandlung nicht geladen, hingegen der vom Beschuldigten beauftragte Sachverständige sehr wohl?

6.    Warum werden Transkripte von Telefongesprächen zwischen Zeugen und den Opfern nicht als Beweismittel herangezogen?

7.    Weshalb legt der zuständige Staatsanwalt von sich aus neue Verschlussakte (GZ 25 St 166/16 v) nicht mit der Anklage gegen Dr. L. zusammen?

8.    Warum wurde Dr. Frottier, der ein Stellungnahme zum Gutachten von A. Kastner und Peter Hoffmann erstellt hat, nicht zur Verhandlung geladen?