14125/J XXV. GP

Eingelangt am 11.10.2017
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Anfrage

 

der Abgeordneten Georg Willi, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend Werbefolien (Lochfolien) zur Scheibenbeklebung bei Öffentlichen Verkehrsmitteln

 

Im Juli 2017 kam es in Salzburg zu einem Vorfall in einem mit Werbefolien („Lochfolien“) beklebten Linienbus, der in Sachen Notausstiegs-Sicherheit aufklärungsbedürftige Punkte aufgezeigt hat, umsomehr in Zusammenschau mit der Genese der entsprechenden Regelungen und mit deren konkreten Inhalt.

 

Konkret erfolgte in einem Regional-Linienbus eine Attacke eines rabiaten Fahrgasts auf den Fahrer. Zwei Insassinnen des Busses gerieten durch die Rangelei am Fahrersitz in Panik und schlugen mit dem Nothammer eine Busscheibe ein, um vor der Gefahr zu flüchten. Das Einschlagen der Scheibe erforderte aber laut Medienberichten zum Vorfall aufgrund der Werbefolie mehr Mühe und Ausdauer als erwartet: Weil das Fenster völlig mit Werbung zugeklebt war, sei es sehr schwierig gewesen zumindest ein kleines Loch hinzubekommen. Die 15-Jährige habe es schließlich mit letzter Kraft geschafft, die Scheibe doch zu zerschlagen, sich durch die kleine Öffnung zu zwängen und ins Freie zu springen, so Medienberichte.

Der Salzburger Verkehrsverbund hat infolge dieses Vorfalls beschlossen, dass die Regionalbusse künftig keine Vollbeklebung mehr erhalten: Einstiegs- und Heckseite bleiben komplett frei, auf der Fahrerseite wird höchstens ein Drittel der Fläche beklebt. Laut Verkehrsverbund-Geschäftsführerin wurde die darüber hinaus gehende Beklebung postwendend von zwei Bussen entfernt.

 

Trotz des Vorfalls und der - angesichts des damit verbundenen ansehnlichen Einkommensentfalls wohl kaum leichtfertig getroffenen - Entscheidung des Verkehrsverbunds überboten sich andere Involvierte in Beschwichtigungen. So wurde aus der Werbewirtschaft betont, dass „die verwendeten Werbefolien alle

gesetzlichen Auflagen erfüllen, genehmigt sind und höchste

Sicherheit gewährleisten.“ Alle Folien seien zertifiziert. "Wir verwenden nur Produkte des amerikanischen …-Konzerns, die mehrere Prüfphasen hinter sich haben und vom Verkehrsministerium genehmigt wurden", sagte K. "Mehrere Gutachten bestätigen, dass das Bruchverhalten der Scheiben durch Folien nicht maßgeblich verschlechtert wird."“ (vgl. APA448 vom 19.7.2017)

 
In einer Aussendung des Werbeunternehmens vom selben Tag wird wörtlich formuliert: „… werden (…) Busseiten mit einer speziellen Folie beklebt, die laut Kraftfahrzeuggesetz genehmigt und den Verordnungen des Verkehrsministeriums entsprechend gefertigt sind.
Die Folien sind sämtlich zertifiziert. Es werden lediglich Folien des weltumspannenden …-Konzerns, die mehrere Prüf- und Qualitätsevaluierungsphasen hinter sich haben und vom
Verkehrsministerium genehmigt sind, verwendet. Mehrere Gutachten bestätigen, dass die Folie im Notfall, gemeinsam mit der Fensterscheibe zerbricht. (…) Wir haben
uns seit 2000 exakt an die gesetzlichen Vorschreibungen und die Verordnungen des Verkehrsministeriums gehalten und arbeiten ausschließlich mit Norm-zertifizierten Folien. Damit sind weder Behinderungen für die Insassen noch für den gesamten Verkehr gegeben.“

 

Vom BMVIT wurde – obwohl, siehe oben, direkt angesprochen - keinerlei Reaktion auf den Vorfall bekannt.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    In welchen Gesetzen, Verordnungen, Erlässen und gegebenenfalls sonstigen Regelwerken sind die aktuellen Genehmigungsvorgaben für Lochfolien, wie sie zur Beklebung von Scheiben von Autobussen in Österreich verwendet werden, enthalten?

2)    Seit wann bestehen in Österreich Regelungen zur Genehmigung von Lochfolien, wie sie zur Beklebung von Scheiben von Autobussen in Österreich verwendet werden?

3)    Seit wann bestehen in Österreich die derzeit gültigen Regelungen zur Genehmigung von Lochfolien, wie sie zur Beklebung von Scheiben von Autobussen in Österreich verwendet werden?

4)    In welchen Gesetzen, Verordnungen und Erlässen und gegebenenfalls sonstigen Regelwerken sind die aktuellen Verwendungsvorgaben für Lochfolien, wie sie zur Beklebung von Scheiben von Autobussen in Österreich verwendet werden, enthalten?

5)    Seit wann bestehen in Österreich Regelungen zur Verwendung von Lochfolien, wie sie zur Beklebung von Scheiben von Autobussen in Österreich verwendet werden?

6)    Seit wann bestehen in Österreich die derzeit gültigen Regelungen zur Verwendung von Lochfolien, wie sie zur Beklebung von Scheiben von Autobussen in Österreich verwendet werden?

7)    Welche Nachweise liegen dem BMVIT darüber vor, ob in Österreich verwendete Lochfolien tatsächlich sämtlichen Genehmigungsvorgaben im Sinne von Frage 1 entsprechen?

8)    Welche Kontrollen, ob in Österreich verwendete Lochfolien tatsächlich sämtlichen Genehmigungsvorgaben im Sinne von Frage 1 entsprechen, führt das BMVIT durch bzw lässt es durchführen?

9)    Falls Kontrollen im Sinne von Frage 8 nicht vom BMVIT selbst durchgeführt werden – von wem werden sie sonst durchgeführt?

10) Falls weder vom BMVIT selbst noch in seinem Auftrag noch sonstwo Kontrollen im Sinne von Frage 8 durchgeführt werden, warum nicht?

11) Welche Nachweise liegen dem BMVIT darüber vor, ob in Österreich verwendete Lochfolien tatsächlich sämtlichen Verwendungsvorgaben im Sinne von Frage 4 entsprechen?

12) Welche Kontrollen, ob in Österreich verwendete Lochfolien tatsächlich sämtlichen Verwendungsvorgaben im Sinne von Frage 4 entsprechen, führt das BMVIT durch bzw lässt es durchführen?

13) Falls Kontrollen im Sinne von Frage 12 nicht vom BMVIT selbst durchgeführt werden – von wem werden sie sonst durchgeführt?

14) Falls weder vom BMVIT selbst noch in seinem Auftrag noch sonstwo Kontrollen im Sinne von Frage 12 durchgeführt werden, warum nicht?

15) Welche Vorgaben zum Thema „Notausstieg“ und insbesondere „Nichterschweren des Notausstiegs“ sind in den a) Genehmigungs- und b) Verwendungsvorgaben für Lochfolien wo konkret enthalten?

16) Wie erklären Sie, dass trotz angeblich in jeder Hinsicht und gänzlich vorschriftskonformer Lochfolien im Salzburger Anlass-Ernstfall vom Juli 2017 dennoch konkrete Sicherheitsprobleme durch zu reißfeste Lochfolie bzw zu bruchsichere Lochfolien-Fensterscheiben-Kombination auftraten?

17) Welche Maßnahmen a) haben Sie nach dem Vorfall in Salzburg im Juli 2017 gesetzt, b) werden Sie noch setzen, um Notausstiegs-Sicherheitsprobleme im Zusammenhang mit Lochfolien künftig hintanzuhalten?

18) Gab es seit dem BMVIT-Scheibenfolienerlass 2011 weitere das Notausstiegsthema berührende Problemfälle mit Lochfolien, wenn ja wie viele und welche?

19) Gab es vor dem BMVIT-Scheibenfolienerlass 2011 weitere das Notausstiegsthema berührende Problemfälle mit Lochfolien, wenn ja wie viele und welche?

20) Welche Rolle spielte der in Aussendungen und Medienberichten zum Salzburger Vorfall angeführte „weltumspannende …-Konzern“ im einzelnen bei der Textierung der „scheibenfolienrelevanten“ Formulierungen a) im KFG, b) in der KDV, insbesondere auch in der 56. KDV-Novelle, c) im BMVIT Erlass Scheibenfolien 2011?

21) Welche Rolle spielte der in Aussendungen und Medienberichten zum Salzburger Vorfall angeführte „weltumspannende …-Konzern“ im einzelnen speziell bei der Textierung der „lochfolienrelevanten“ Formulierungen a) im KFG, b) in der KDV, insbesondere auch in der 56. KDV-Novelle, c) im BMVIT Erlass Scheibenfolien 2011?

22) Welche Rolle spielte die Wirtschaftskammer Österreich oder einzelne ihrer Funktionäre oder (ständigen oder zeitweisen) Mitarbeiter bei der Textierung der „lochfolienrelevanten“ Formulierungen a) im KFG, b) in der KDV, insbesondere auch in der 56. KDV-Novelle, c) im BMVIT Erlass Scheibenfolien 2011?