160/J XXV. GP

Eingelangt am 26.11.2013
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Harald Walser, Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde an den/die Bundesministerin für Inneres

betreffend Derzeitige Situation in der internationalen Gedenkstätte Mauthausen

BEGRÜNDUNG

 

Am 12. Oktober 2013 berichtete die Tageszeitung Der Standard:

Mauthausen-Gedenken vor verschlossenen Türen

 

Um rund 1,7 Millionen Euro wurde die Gedenkstätte Mauthausen neu gestaltet. Unverändert ist der Personalschlüssel – was jetzt zu Engpässen und für Besucher überraschenden „Sperrtagen“ führt.

 

Auf der Homepage der KZ-Gedenkstätte Mauthausen ist die Besucherwelt so weit noch in Ordnung: Die angeführten Öffnungszeiten versprechen einen Besuch des ehemaligen Konzentrationslagers an sieben Wochentagen. Doch die Realität ist eine andere. Zwar feiert man vonseiten der Verantwortlichen im Innenministerium national und international die im Mai neu eröffneten Ausstellungen in der Gedenkstätte – der Öffentlichkeit bleibt aber mitunter ein Blick darauf verwehrt. Es mehren sich in jüngster Zeit nämlich Beschwerden von Besuchern, die plötzlich am Ort des Gedenkens vor verschlossenen Türen standen.

 

So war etwa am vergangenen Sonntag nicht nur der Buchshop – unter anderem liegt dort Info-Material in mehreren Sprachen auf –, sondern auch das Besucherzentrum und das Ausstellungsgebäude ganztägig geschlossen. „Die Anmeldung an der Kassa erfolgte noch ohne Schwierigkeiten. Im ehemaligen Lagerbereich erfuhr unsere Gruppe aber dann, dass die Ausstellungen und die Gedenkräume aufgrund von Personalmangel geschlossen sind“, erzählt ein verärgerter Besucher, der anonym bleiben will.

 

In einer dem Standard vorliegenden Beschwerde-Mail, macht eine weitere Besuchergruppe aus Wien ihrem Ärger Luft: „Wir wollten sehr gerne den neuen Gedenkraum sehen, weil wir davon in Zeitungen und Fernsehberichten gehört haben. Doch es war alles zu – einige von uns waren sehr wütend. So etwas darf hier


nicht passieren, das muss bis an den Bundespräsidenten herangetragen werden. Dieser Zustand ist für Besucher, die mehr als nur einen Flyer lesen wollen, untragbar.“

 

Und offensichtlich dürfte der sonntägliche Sperrtag aus Personalgründen kein Einzelfall gewesen sein. Die Situation war auch am 1. Oktober für Besucher entsprechend unangenehm: Buchshop, Besucherzentrum und auch die dort befindlichen Toiletten waren geschlossen. Entsprechende schriftliche Hinweise fehlten. Der Ärger war, laut Zeugen, angesichts der fehlenden Möglichkeit, englischsprachige Fachliteratur zu erwerben, vor allem unter den ausländischen Gästen groß.

 

Tatsächlich dürfte es, wie der Standard aus gewöhnlich gut informierten Kreisen erfuhr, ein latentes Personalproblem geben – welches sich durch die hochgelobte Neugestaltung der Gedenkstätte deutlich verschärft hat.

 

Das museale Konzept sieht in den Schauräumen – bedingt vor allem durch „Erinnerungsstücke“ – nun auch eine permanente Aufsicht zu Öffnungszeiten vor. Diese muss derzeit ausschließlich von den wenigen hauptamtlichen Mitarbeitern bestritten werden. Bei Personalknappheit bleibt daher die Museumstür zu.

 

Beim zuständigen Innenministerium kennt man die Problematik. „Durch das neue Ausstellungskonzept ist die Arbeitsbelastung für die Mitarbeiter größer geworden. Außerdem ist umfassenderes Fachwissen erforderlich, sodass die Aufgaben nicht durch Zivildiener abgedeckt werden können“, erläutert der stellvertretende Abteilungsleiter Jochen Wollner. Im Ministerium bekennt man sich aber nur zu einem Schließtag. Wollner: „Wir bedauern, dass die Gedenkstätte vergangenes Wochenende aufgrund von Krankheitsfällen geschlossen bleiben musste. Möchten aber betonen, dass dies bisher noch nie vorgekommen ist.“ Man werde aus diesem Vorfall lernen und „versuchen, einen Personalengpass künftig zu vermeiden“.

 

Dieser Zeitungsartikel und einige weitere bedenkliche Vorkommnisse in der Vergangenheit werfen insbesondere die Frage auf, inwieweit das BMI überhaupt in der Lage ist, die internationale Gedenkstätte Mauthausen ihrer historischen Bedeutung gemäß zu führen.

Alle Anzeichen sprechen derzeit dafür, die internationale Gedenkstätte Mauthausen, die zurzeit eine weisungsgebundene Abteilung des BMI mit wenig Personal und überschaubarer Fachkompetenz ist, aus dem Ministerium auszugliedern. Um dies zu bewerkstelligen, ist als erster Schritt ein möglichst breit angelegter internationaler und nationaler Diskussions- und Entscheidungsprozess einzuleiten, in dem verschiedene erfolgversprechende, an außerösterreichischen Vorbildern orientierte Konstruktionen für die Gedenkstätte geprüft werden. Das BMI vermittelt im Moment aber nicht den Eindruck, auf eine solche Diskussion vorbereitet zu sein.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende


ANFRAGE

 

1.    Gibt es neben den auf der Website http://www.mauthausen-memorial.at/ der internationalen Gedenkstätte Mauthausen angeführten Schließtagen (24. bis 26. Dezember, 31. Dezember, 1. Jänner) noch weitere Tage, an denen die Gedenkstätte geschlossen ist? Wenn ja, welche und aus welchen Gründen? Wenn nein, soll das auch in Zukunft so bleiben?

2.    Wer fällt die Entscheidung für willkürliche Schließtage?

3.    Der Standard berichtet, dass Buchshop, Besucherzentrum und Ausstellungsgebäude ganztägig unangekündigt überraschend geschlossen waren. Entspricht die mediale Berichterstattung den Tatsachen?

4.    Entspricht es den Vorstellungen des BMI von der Führung einer internationalen Gedenkstätte, dass die Ausstellungen und die Gedenkräume in Mauthausen aufgrund von Personalmangel einfach unangekündigt geschlossen werden? Wenn nein, wie erklären Sie im Detail solche Vorfälle?

5.    Wer ist konkret für die vorausschauende Planung sowie die rechtzeitige Information der BesucherInnen über allfällige Behinderungen beim Gedenkstättenbesuch verantwortlich?

6.    Sollte eine Sperre des Besucherzentrums notwenig sein, um wie viele Wochen bzw. Monate vorher werden die BesucherInnen informiert? Wie wurde das zum Beispiel bei der Sperre der Gaskammer im Zuge der Umbauarbeiten gehandhabt?

7.    Am 6.10. 2013 waren der Buchshop, das Besucherzentrum und auch die dort befindlichen Toiletten geschlossen. Entsprechende schriftliche Hinweise fehlten. Zu welchem Verhalten würden Sie Besucherinnen und Besuchern in so einer Situation raten?

8.    Der Eingang in den Buchshop mit dem Anmeldeschalter liegt genau im Fluchtweg des Besucherzentrums, was ständig zur Kollision von BesucherInnenströmen und damit zur Staubildung führt. Wie gedenkt das BMI, dieses Problem zu lösen?

9.    Welche Pläne hat das BMI, den Zugang zum Besucherzentrum der internationalen Gedenkstätte endlich barrierefrei zu gestalten?

10. Aus wie vielen Ländern kamen die Mauthausener KZ-Häftlinge zwischen 1938 und 1945? Welche Länder waren das?

11. Wie hoch ist der Anteil der ausländischen Besucherinnen und Besucher in der internationalen Gedenkstätte Mauthausen? Bitte um eine Auflistung nach Ländern und Sprachen.

12. Wie ist es möglich, dass es in der internationalen Gedenkstätte Mauthausen offenbar immer wieder keine englischsprachige Fachliteratur zu erwerben gibt?

13. In wie vielen Sprachen werden die Audioguides in der internationalen Gedenkstätte Mauthausen angeboten? Bitte die Sprachen anführen.


14. Warum folgen die Audioguides nicht dem Verlauf des pädagogischen Rundgangs?

15. Aus welchen Gründen befassen sich die Audioguides nicht mit dem Außenbreich der Gedenkstätte? Wann wird dieser Missstand geändert?

16. In welcher Form werden Überlebende und Angehörige von Mauthausen-Häftlingen, die die internationale Gedenkstätte besuchen, empfangen? Wird seitens der internationalen Gedenkstätte beispielsweise psychosoziale Betreuung angeboten?

17. Was muss ein Angehöriger eines ehemaligen KZ-Insassen tun, um bei seiner Ankunft in Mauthausen gebührend empfangen zu werden?

18. Gibt es qualifiziertes psychosozial geschultes Personal vor Ort, welches Erfahrung mit schwer traumatisierten Menschen hat? Wenn ja, wie setzt sich dieses Team zusammen?

19. Was gedenkt das Ministerium gegen das latente Personalproblem in der Gedenkstätte zu tun, das sich laut Standard-Artikel durch die Neugestaltung deutlich verschärft hat?

20. Wie viele hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt es derzeit in der internationalen Gedenkstätte Mauthausen?

21. Wie viele der hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sprechen Englisch?

22. Welche anderen Sprachen werden von den hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Besucherzentrum gesprochen?

23. Wie viele Personen sind in der Verwaltung tätig?

24. Wie viele Personen sind für die inhaltliche Entwicklung der Gedenkstätte zuständig?

25. Welche konkreten Schritte wurden seit den Vorfällen vom 6. Oktober bereits gesetzt, um künftige Personalengpässe zu vermeiden?

26. Wie praktiziert das BMI die Zusammenarbeit mit anderen in der Gedenkstättenpädagogik tätigen Organisationen und Interessengruppen? Mit welchen Institutionen wird national und international kooperiert?

27. In welcher Form kooperiert die Gedenkstätte mit dem Mauthausen Komitee Österreich hinsichtlich der Ausbildung von VermittlerInnen?

28. Wird es eine weitere Zusammenarbeit mit erinnern.at an der Gedenkstätte Mauthausen geben? Wenn ja, wie soll diese konkret aussehen? Wenn nein, warum nicht?

29. Aus welchen Gründen hat das BMI den Vertrag mit erinnern.at – die Grundlage für die Anstellung des für die pädagogische Infrastruktur verantwortlichen Yariv Lapid – nicht fortgeführt?

30. Wie beurteilt das BMI die Arbeit von Yariv Lapid, der seit 2007 für die pädagogische Arbeit in der internationalen Gedenkstätte Mauthausen zuständig war?

31. Warum wurde die Stelle für die Leitung der pädagogischen Infrastruktur der internationalen KZ-Gedenkstätte Mauthausen bis heute nicht ausgeschrieben und nachbesetzt?


32. Welche zukünftige Organisationsform wird der Gedenkstätte aus Sicht des BMI zum Zwecke des Austauschs nationaler und internationaler Perspektiven am ehesten gerecht?

33. Wann wird das Ministerium beginnen, einen möglichst breit angelegten internationalen Diskussions- und Entscheidungsprozess zu implementieren?

34. Wer soll in diesen Diskurs über die zukünftige Organisationsform der Gedenkstätte miteinbezogen werden?

35. Sind Sie der Ansicht, dass die derzeitigen Organisationsstrukturen und die Anbindung ans Innenministerium einer internationalen Gedenkstätte angemessen sind?

36. Gibt es bereits konkrete Pläne für die Auslagerung der internationalen Gedenkstätte aus dem Innenministerium? Wenn ja, wie schauen diese aus? Wenn nein, wieso nicht?

37. Werden Sie sich in den Budgetverhandlungen dafür einsetzen, eine bessere finanzielle und der internationalen Bedeutung der Gedenkstätte angemessene Ausstattung Mauthausens zu erhalten? Wird das Budget für die internationale Gedenkstätte Mauthausen deutlich erhöht werden?

38. Am 2. Oktober 2012 wurde in der internationalen Gedenkstätte Mauthausen an sehr prominenter Stelle – hinter den Tötungsräumen – eine Gedenkskulptur für Leopold Figl enthüllt. Auf wessen Initiative entstand diese Skulptur? Wann wurden welche Anträge dafür gestellt?

39. Wer hat die Entscheidung getroffen, diese Gedenkskulptur zu errichten?

40. War ein wissenschaftlicher Beirat oder ein Gestaltungsbeirat eingebunden?

41. Gibt es solche Beiräte überhaupt? Falls ja, wie verbindlich sind deren Empfehlungen?

42. Wie hoch war das Budget für diese Gedenkskulptur?

43. Gab es eine Ausschreibung und einen KünstlerInnenwettbewerb für diese Gedenkskulptur?

44. Gibt es irgendwelche ästhetische Richtlinien für Gedenkskulpturen in der internationalen Gedenkstätte Mauthausen? Wenn ja, bitte um Übermittlung.

45. Sind im BMI klare Strukturen für solche Entscheidungen und Prozesse vorhanden? Wenn ja, bitte um genaue Darlegung des Prozederes und Übermittlung der Richtlinien.