Eingelangt am 04.12.2013
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Steinbichler,
Kolleginnen und Kollegen
an
den Bundesminister
für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
betreffend
„Almenchaos
und Verantwortung
der Agrarförderverwaltung von BMLFUW, AMA und Landwirtschaftskammer“
Seit mittlerweile vier Jahren hagelt es
für Österreichs Almbauern massive Fördergeld-Rückforderungs-
und -Strafbescheide – teils in existenzbedrohender Höhe – durch
die Agrarmarkt Austria (AMA). Hintergrund dafür ist die Tatsache, dass die
EU-Kommission durch mehrere Vor-Ort-Kontrollbesuche in Österreich
feststellen musste, dass das von Österreich gewählte
Flächenerfassungs- und Flächenkontrollsystem massive Lücken
aufweist und die zur Förderung von den Landwirtschaftskammern auf
Werksvertragsbasis für das BMLFUW festgestellten Flächenausmaß
in vielen Fällen – vorgeblich – zu hoch (gewesen) waren/sind
und das BMLFUW via AMA die Flächen amtlich nachmessen und Strafen
verhängen ließ.
Trotz mehrmaligem Versprechen
Österreichs gegenüber der EU-Kommission – in diesem Fall durch
das dafür zuständige Bundesministerium für Land- und
Forstwirtschaft, Wasserwirtschaft und Umwelt (BMLFUW) bzw. durch dessen
politischen Amtswalter – endlich für entsprechende Adaption in der
Verwaltung und somit für Rechtssicherheit zu sorgen, passierte offenbar wenig.
Mehr noch: letztlich stellte Brüssel dem Vernehmen nach 2012 Österreich
vor die Wahl, entweder sofort für die nationale EU-rechtskonforme
Umsetzung der einschlägigen Verordnungen und Vorgaben der EU zu sorgen
oder die EU-Almgelder würden gesperrt werden.
Das Ergebnis ist bekannt: Ab dem
15.12.2012 machte die AMA für ganz Österreich den Flächenabgleich
und die sogenannte Referenzflächenerfassung für das Jahr 2013. Doch
dabei kam es erneut zu vielen Flächenabweichungen samt darauf folgenden
Fördergeldrückforderungen und Strafbescheiden.
Es kam zu vielen Protesten der
betroffenen Landwirte, auch gründete sich eine Betroffenen-Plattform
Namens www.almfutterflaechen.at. Erstmals demonstrierten die Bauern,
aufgefordert von regionalen Bauernbund-Funktionären, gegen den eigenen
Bauernbund-Minister Berlakovich. Dieser gründete hierauf die SOKO Alm,
welche Lösungsvorschläge machen sollte, aber in Wahrheit nur die
Bauern weiter vertrösten sollte.
Die mehrfach erfolgten politischen „Almgipfel-Gespräche“
des Herrn Bundesminister mit der AMA, den Agrarlandesräten und den
Landwirtschaftskammer-Vertretern samt der danach immer medial bekundeten „Lösung“
der Problematik sind damit konterkariert worden. Zudem wurden die Almbauern von
Wien lange Zeit in die Nähe von Betrügern gestellt.
Erst seit dem
Karl/Müller-Rechtsgutachten, wonach den Landwirten in dieser Causa wenig
vorzuwerfen wäre, da diese vollständig abhängig von der exklusiven
Digitalisierung und den hoheitlichen Feststellungen der Landwirtschaftskammer
sind, scheint das BMLFUW die Tragweite ihres jahrelangen Versagens erkannt zu
haben. Doch auch die knapp vor der Nationalratswahl 2013 verkündete Weisung,
wonach jenen Landwirten, die mit besten Wissen und Gewissen ihre Anträge
ausgefüllt haben, zu helfen wäre, entpuppt sich als primitives und leeres
(Wahl)Versprechen des Landwirtschaftsministers.
In diesem
Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Herrn
Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft nachstehende
Anfrage:
- Welche
Maßnahmen und wann haben Sie diese bzw. das BMLFUW als Fördervertragspartner
der EU-Kommission in den letzten fünf Jahren gesetzt, um das „Almenchaos“
in den Griff zu bekommen?
- Welche
Zusagen haben Sie bzw. Ihr Amtsvorgänger im BMLFUW und wann mit
welchem Inhalt in der „Almencausa“ gegenüber der EU
gemacht?
- Wie
sehen Sie bzw. das BMLFUW die Erkenntnisse und Schlussfolgerungen im
KAHL/MÜLLER-Rechtsgutachten?
- Sehen
Sie aufgrund des KAHL/MÜLLER-Rechtsgutachtens Handlungsbedarf für
das BMLFUW zur weiteren Schadensminimierung für Bauern und
Steuerzahler?
- Wenn
ja, welche Schritte werden Sie unternehmen bzw. welche Maßnahmen
setzen?
- Wenn
nein, welche Überlegungen und Fakten veranlassen Sie dazu?
- Wann
und mit welchem Ergebnis bzw. mit welchen Konsequenzen hat das BMLFUW die
von ihr exklusiv beauftragten Landwirtschaftskammern auf Einhaltung der
sogenannten INVEKOS- und Beratungsverträge überprüft? (Bitte
um genaue Auflistung nach Bundesländern, Inhalt der Prüfung,
Ergebnissen und entsprechenden Veranlassungen/Korrekturanweisungen/u.Ä.)
- Bestehen Haftungen für die gegen Entgelt exklusiv
beauftragten Landwirtschaftskammern betreffend der fehlerhaften Digitalisierung
bzw. fehlerhaften Feststellungen der Almfutterflächen gegenüber
dem BMLFUW und gegenüber dem einzelnen Landwirt/formalen
Förderwerber, der für die Beratung und Arbeit der Kammer noch
extra bezahlen musste?
- Wenn ja, welcher Art sind diese Haftung, wann werden
sie schlagend und welche Konsequenzen sind daraus zu erwarten?
- Wenn nein, wie begründen Sie bzw. Ihr Ressort die
Nichtvereinbarung von Haftungen?
- Welche
Haftungen trifft das BMLFUW aufgrund der falschen/fehlerhaften
Almfutterflächen-Digitalisierungen, welche exklusiv und gegen
Bezahlung an die Landwirtschaftskammern ausgegliedert worden sind?
- Aus
welchen Gründen hat das BMLFUW angesichts der dauernden Fehler der
digitalisierenden Kammern nicht entsprechende Konsequenzen gezogen, die
Verträge allenfalls gekündigt?
- Wie
hoch ist die Entlohnung der Kammern im INVEKOS-Vertrag bzw. beim
Beratungsvertrag Seitens des BMLFUW? (Bitte um genaue Auflistung nach
Vertrag und Bundesländer-Kammern bzw. allenfalls auch der LKÖ
und jeweils nach Jahren)
- Gibt
es außerhalb dieser beiden Verträge sonstige vertragliche Förderungen,
Entlohnungen, etc. der Landes-Landwirtschaftskammern durch das BMLFUW?
Wenn ja, unter welchem Titel und in welcher Höhe? (Bitte um
Auflistung nach Bundesländern, jeweiligen Titeln und Höhen
für die letzten fünf Jahre)
- Sind
in diesen beiden Verträgen Vertragsstrafen für die Landwirtschaftskammern
- vorgesehen
und wenn ja, in welcher Höhe und wurden diese je verhängt?
- Falls
nicht, warum nicht?
- Wurden
diese beiden Verträge jemals ausgeschrieben? Wenn ja wann, wenn nein warum
nicht?
- Auf
welcher Rechtsbasis und bis wann wurden diese beiden Verträge mit den
Kammern für das GAP-Übergangsjahr 2014 mit diesen
verlängert?
- Wird
es für die Jahre 2015 bis 2020 eine öffentliche Ausschreibung
bei diesen beiden Verträgen geben? Wenn ja wann, wenn nein warum
nicht?
- Wie
viele Fälle an rechtskräftigen bzw. in Berufung befindlichen
Fördergeldrückforderungen gibt es bei den Almen mit Stichtag
01.12.2013? (Anm.: bitte um genaue Auflistung nach Bundesländern,
Anzahl der Fälle mit/ohne Sanktion, Rückforderungsgesamthöhen
nach Bundesländern, Sanktionsanzahl und Sanktionsgesamtbeträge
nach Bundesländern?
- Warum
sorgen Sie gemäß Ihres Versprechens, dass den unschuldig zum
Handkuss gekommenen Almbauern amtlich zu helfen wäre, nicht
dafür, dass es eine amtliche Neuaufrollung der (Alt)Fälle durch
die AMA gibt?
- Ist aus Ihrer Sicht bzw. aus Sicht Ihres Ressorts die amtliche
Neuaufrollung angesichts der hoheitlichen
Schadensminimierungspflicht wegen drohender Amtshaftungen erforderlich?
- Wenn ja, welche Maßnahmen werden Sie einleiten?
- Wenn nein, welche Überlegungen bzw. Fakten
veranlassen Sie zu dieser Sichtweise?
- Wird
das BMLFUW angesichts des jahrelangen Organisations-, Informations- und
Kontrollversagens des BMLFUW die durch die AMA-Rückforderungs- und
AMA-Strafbescheide entstandenen Vermögensschäden abgelten und
die normunterworfenen, unschuldig zum Handkuss gekommenen Almbauern
gebührend entschädigen?
- Wenn ja, welcher Art wird die Entschädigung sein
und wann wird Sie erfolgen?
- Wenn nein, warum nicht?
- Hat
das BMLFUW Budgetrücklagen für bereits angekündigte
Haftungsprozesse gebildet?
- Wenn ja, in welcher Höhe und unter welchem Titel?
- Wenn nein, warum nicht?
- Wie
schauen die bisherigen (Nicht)Ergebnisse der von Ihnen eingesetzten SOKO
Alm aktuell aus?
- Wie
hoch waren/sind die bisherigen Kosten der SOKO Alm mit Stichtag 01.12.2013
und mit welchen Kosten sind hier noch bis 31.12.2014 zu rechnen?
22. Wie lauten Ihre
aktuellen Vorschläge an die EU für eine künftige einfachere,
administrierbare, nachvollziehbare und kontrollierbare
GAP-Förderverwaltungspraxis für die Zeit ab 01.01.2014 bzw.
01.01.2015?
- Mit
wie vielen Rückforderungsfällen aufgrund von
Flächenabweichungen bzw. Flächenabgleichen muss 2014 und in den
Folgejahren aus heutiger Sicht gerechnet werden?