3738/J XXV. GP

Eingelangt am 19.02.2015
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

des Abgeordneten Werner Neubauer

und weiterer Abgeordneter

 

an den Bundeskanzler

betreffend völkerrechtliche Verbindlichkeit des Finanzabkommens zwischen Italien und Südtirol

Nach dem Mailänder Abkommen aus dem Jahr 2009 standen dem Staat Italien zehn Prozent der Steuereinnahmen in Südtirol zu. Damit werden die staatlichen Dienste im Land finanziert. Tatsächlich hat die römische Regierung dieses Abkommen einseitig und wiederholt gebrochen und die Finanzen Südtirols wesentlich stärker belastet, sodass inzwischen eine Summe von mehr als 3,2 Milliarden Euro aufgelaufen ist, die der Staat dem Land schuldet.

 

Die Südtiroler Landesregierung hat mit dem italienischen Staat über ein neues Finanzabkommen verhandelt und hat auch in Erwägung gezogen, dieses mittels eines bilateralen Vertrages auch von Österreich als Absicherung unterzeichnen zu lassen.

 

Letztendlich wurde nun von der SVP ohne Zustimmung des Südtiroler Landtages ein Finanzabkommen mit Rom abgeschlossen, welches Südtirol zu jährlichen Zahlungen von 476 Millionen Euro verdonnert und den Verzicht auf die bereits aufgelaufenen 3,2 Milliarden Euro beinhaltet. Die SVP hat es nicht nur verabsäumt, die Einhaltung der gültigen Finanzverträge einzufordern, sondern auch noch zugesichert, dass das Land Südtirol alle Rekurse vor dem Verfassungsgerichtshof zurückzieht und somit freiwillig auf seine Rechte verzichtet. Dieser „Sicherungspakt“ soll durch einen Briefwechsel zwischen Italien und Österreich abgesichert werden. Damit soll der Pakt von einer innerstaatlichen auf eine völkerrechtliche Ebene gehoben werden, was für ein zusätzliches Plus an Rechtssicherheit sorgen soll. In ähnlicher Weise wurde bereits anlässlich des Mailänder Abkommens Wien eingeschaltet. Mittels einer streng gehüteten Verbalnote (vom 23. Februar 2010), deren Wortlaut bis heute nicht offen gelegt wurde, sollte die damalige Änderung des Autonomiestatuts bilateral abgesichert werden, was aber den mehrfachen Bruch des Mailänder Abkommens in keiner Weise verhindert hat. Wie wir heute aus einer Anfragebeantwortung von Außenminister Sebastian Kurz wissen, hatte diese Note rein informellen Charakter und bot keine rechtliche Absicherung.


Bezüglich des Sicherungspakts erklärte der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher am 16. Oktober 2014 in der Tageszeitung „Dolomiten“:

„Es ist ein gutes Abkommen. Bisher war unsere Finanzregelung nicht abgesichert, nun fußt sie auf einer internationalen Absicherung mit Wien, die viele Experten für unmöglich gehalten haben. Zum ersten Mal aufs Tapet gebracht habe ich dies im Sechs-Augen-Gespräch mit Premier Renzi und Kanzler Faymann auf Schloss Prösels. Diese Ernte konnten wir jetzt einfahren. Wir haben alle Schritte vorab genau mit Wien abgeklärt und ich habe bereits Außenminister Kurz über die Einigung informiert.“

In der Anfragebeantwortung 2979/AB vom 20. Jänner 2015 zu meiner Anfrage 3140/J  vom 20. November 2014 teilt Außenminister Kurz bezüglich des Inhalts der Verbalnote vom 23. Februar 2010 Folgendes mit:

 

 „In dieser Verbalnote teilt Österreich der italienischen Regierung mit, dass Österreich über die geplante neue Finanzordnung der Region Trentino-Südtirol und der autonomen Provinzen Trient und Bozen und der damit verbundenen Modifikation des Autonomiestatuts informiert wurde und diese in Hinblick auf die einvernehmliche Vorgangsweise zwischen den zuständigen Organen der Republik Italien und der autonomen Provinzen Trient und Bozens und der Region Trentino Südtirol zustimmend zur Kenntnis nimmt.“

 

In Bezug auf die behauptete Rechtssicherheit, schreibt er, dass dafür sowohl der Noten- bzw. Briefwechsel, als auch die Verbalnote vom 23. Februar 2010 geeignet seien.

 

Diese Aussagen widersprechen einander insofern, als die bloße Kenntnisnahme bei weitem keine Rechtssicherheit begründen kann und es wurde wiederum die Angabe des Inhalts der Verbalnote im Wortlaut verweigert.

 

Des Weiteren konnte man den Medien seit Dezember des Vorjahres folgende Informationen entnehmen:

 

Im Dezember des Vorjahres wurden Sie von Ministerpräsident Renzi in einem Brief über das vereinbarte Finanzabkommen informiert. Die Südtiroler Tageszeitung druckte den Inhalt des Briefes im Wortlaut:

 

„Lieber Werner,

ich informiere dich, dass die italienische Regierung mit den beiden Landeshauptleuten Arno Kompatscher und Ugo Rossi eine neue Form der gegenseitigen Finanzbeziehungen vereinbart hat. Das Abkommen, das ich in Kopie beilege, wird mit spezifischen Gesetzesbestimmungen umgesetzt werden. Diese Initiative beruht auf der Verbalnote vom 25. April 1992, mit dem eine Liste von Maßnahmen zur Durchführung des Pakets mitgeteilt wurde, darunter auch die Finanzregelung.

Im Geiste, von dem die italienisch-österreichischen Beziehungen immer geprägt waren, wird die italienische Regierung auch weiterhin das Einvernehmen garantieren, um auch in Zukunft den Schutz der ethnischen Minderheiten und die Ausübung der autonomen Gesetzgebungs- und Vollzugsgewalt für die betreffenden Gebiete zu gewährleisten.“


SVP-Obmann Achammer erklärt dazu gegenüber Medien, dass Ministerpräsident Renzi mit der Unterzeichnung dieser schriftlichen „Note“ an den österreichischen Bundeskanzler den Weg für eine erstmalige internationale Absicherung eines Finanzabkommens Südtirols mit dem italienischen Staat geebnet hätte. Der Notenwechsel mit Österreich komme einer Meisterleistung gleich und gewähre zusätzliche Sicherheit. Weiter bezeichnet er das Finanzabkommen als einen bedeutenden autonomiepolitischen Fortschritt.

 

In der oben angeführten Anfragebeantwortung stellt Minister Kurz fest, dass es sich beim Finanzabkommen weder um ein bilaterales Abkommen, noch um einen völkerrechtlichen Vertrag handelt. Es sei dazu nur begleitend ein Briefwechsel zwischen Italien und Österreich in Aussicht genommen – keine Rede von rechtlicher Absicherung in irgendeiner Form.

 

Der Südtiroler Landeshauptmann Dr. Arno Kompatscher meint dazu in einem Interview mit der „Südtiroler Tageszeitung“, dass sich die Beantwortung auf das Mailänder Abkommen beziehe, was schlicht falsch ist, da ausdrücklich nach der völkerrechtlichen Relevanz des aktuell geschlossenen Finanzabkommens, des sogenannten „Sicherungspakts“ gefragt wurde. Er betont, dass dieser Notenwechsel zum Sicherungspakt nun absolut völkerrechtliche Relevanz habe. Von Seiten der SVP wird generell bestätigt, dass es sich zwar nicht um einen völkerrechtlichen Vertrag handelt, dieser sei aber aufgrund des geschlossenen Pariser Vertrages gar nicht notwendig (Südtiroler Tageszeitung vom 26. Dezember 2014).

 

 

Kürzlich war Medienberichten zu entnehmen, dass Sie am 22. Jänner 2015 einen Brief an Italiens Premier Matteo Renzi unterschrieben hätten, mit dem der letzte Akt erfolgt sein soll, der den Briefwechsel zu einem Notenwechsel macht und damit das Finanzabkommen zwischen Südtirol und Rom „auf eine völkerrechtliche Ebene“ hieven soll.

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundeskanzler folgende

 

 

Anfrage

  1. Was waren der Inhalt und das konkrete verbindliche Ergebnis des genannten Sechs-Augen-Gesprächs auf Schloss Prösels?
  2. Was wurde bezüglich des Finanzabkommens genau besprochen bzw. worauf haben Sie sich mit Premier Renzi und Landeshauptmann Kompatscher geeinigt?
  3. Welche bindenden Vereinbarungen hinsichtlich der rechtlichen Absicherung des Finanzabkommens wurden hier unter rechtlich relevanter Einbeziehung Österreichs getroffen?

  1. Ist der Inhalt des Briefes, den Premier Renzi Ihnen im Vorjahr anlässlich des Finanzabkommens übermittelt hat, hier korrekt und vollständig wiedergegeben?
    1. Wenn nein, wie lautete der vollständige korrekte Inhalt?
  2. Entspricht es der Tatsache, dass Sie auf diesen Brief, wie oben erwähnt, am 22. Jänner 2015 geantwortet haben?
  3. Wenn ja, wie lautet wörtlich der Inhalt Ihres Briefes?
  4. Entspricht das nunmehr ausverhandelte Finanzabkommen exakt dem, worauf Sie sich auf Schloss Prösels mit Premier Renzi und Landeshauptmann Kompatscher geeinigt haben?
  5. Wenn nein, welche Punkte bzw. Details wurden inzwischen geändert?
  6. Was bedeutet es in rechtlicher und völkerrechtlicher Hinsicht, dass das Finanzabkommen nun „auf eine völkerrechtliche Ebene gehievt“ wurde und welche völkerrechtliche Bindewirkung ergibt sich daraus für Italien?
  7. Welche Vor- und/oder Nachteile ergeben sich daraus für
    1. Südtirol?
    2. Italien?
    3. Österreich?
  8. Was unterscheidet diese „völkerrechtliche Ebene“ von einem „völkerrechtlichen Vertrag“ in Bezug auf das vorliegende Finanzabkommen?
  9. Worin besteht rechtlich und inhaltlich der Unterschied zwischen dem Notenwechsel bezüglich des aktuellen Finanzabkommens und der Verbalnote vom 23. Februar 2010 bezüglich des Mailänder Abkommens?
  10. Inwiefern bietet der aktuelle Notenwechsel nun mehr Rechtssicherheit als die Verbalnote vom 23. Februar 2010?
  11. Wie lautet der Inhalt der Verbalnote vom 23. Februar 2010 im Wortlaut?

15. Besteht bzw. bestand jemals irgendeine Rechtssicherheit in Bezug auf die Einhaltung des

a.    Mailänder Abkommens,

b.    Sicherungspakts

c.    Wenn ja, wodurch ist eine solche gewährleistet?

d.     

16. Vor welcher internationalen rechtlichen Instanz kann Österreich aufgrund des diesbezüglichen Schriftwechsels zwischen Premier Renzi und Ihnen bei Verletzung des derzeitigen Sicherungspakts in Bezug auf die Finanzregelung zwischen Rom und Bozen Klage auf Einhaltung der getroffenen Vereinbarungen erheben?


17. Woraus ergibt sich die völkerrechtliche Relevanz des Briefwechsels zwischen Premier Renzi und Ihnen und wie wird diese definiert?

 

  1. Durch welche Textpassage(n) in diesem Briefwechsel ist diese völkerrechtliche Relevanz begründet und wie wird diese definiert?
  2. Wie kommt diese völkerrechtliche Relevanz durch welche österreichischen Schritte im Falle einer Verletzung des Finanzabkommens durch Rom zum Tragen?
  3. Genügt tatsächlich ein Briefwechsel zwischen Premier Renzi und Bundeskanzler Faymann, um daraus eine völkerrechtliche wirksame Garantie abzuleiten?
  4. Müsste nicht die italienische Regierung eine gegenüber Österreich schriftliche bindende und durch Beschluss des italienischen Parlaments ratifizierte Zusage auf Einhaltung der mit Südtirol getroffenen Vereinbarung abgeben, damit sich daraus eine völkerrechtliche und durch Österreich einklagbare Verbindlichkeit begründen kann?
  5. Müsste nicht das österreichische Parlament ebenso einen Ratifizierungs-Beschluss fassen, um die völkerrechtliche Verbindlichkeit einer derartigen zwischenstaatlichen Vereinbarung zu gewährleisten?
  6. Können Sie die Behauptung seitens der SVP bestätigen, dass man keinen zusätzlichen völkerrechtlich relevanten Vertrag brauche, um das zur Debatte stehende Finanzabkommen rechtlich abzusichern, weil man dafür ja ohnedies bereits den Pariser Vertrag von 1946 habe (Südtiroler Tageszeitung vom 26. Dezember 2014)?
    1. Wenn ja, warum stellt man dann diese Bemühungen um den „Notenwechsel“ an, die das Abkommen auf eine völkerrechtliche Ebene hieven sollen?
    2. Wenn ja, auf welche Bestimmung des Pariser Vertrages begründet sich dies?
  7. Auf welcher rechtlichen Grundlage basiert die Verpflichtung zur Einhaltung des Pariser Vertrages?
  8. Wann wurde der Pariser Vertrag im österreichischen Parlament ratifiziert?
  9. Wie ist der Widerspruch zu erklären, dass SVP-Obmann Achammer und Landeshauptmann Kompatscher von Beginn an die völkerrechtliche Absicherung des Finanzabkommens hervorgehoben haben, Bundesminister Kurz in der Anfragebeantwortung aber nur von einem „begleitenden Briefwechsel“ spricht?