3807/J XXV. GP

Eingelangt am 25.02.2015
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ANFRAGE

des Abgeordneten Doppler

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Energieabgabenvergütungsgesetz

 

 

Das Energieabgabenvergütungsgesetz wurde mehrfach geändert und letztendlich mit 31.12.2010, im Zuge eines großkoalitionären Sparpakets, eingeschränkt. Seit 1.1.2011 gilt, dass ausschließlich Betriebe, deren Tätigkeitsschwerpunkt in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter liegt, die Vergütung beantragen können. Allerdings ist nicht mehr der „betriebliche Zweck“ für die Vergütung ausschlaggebend, sondern die Verwendung der Energie für einen „Produktionsprozess“.

Dieses Gesetz brachte für viele betroffene Betriebe massive finanzielle und existenzielle Probleme mit sich, welche sich nicht nur im Wettbewerbsnachteil heimischer Gastronomie- und Tourismusbetrieben gegenüber Konkurrenten in den Nachbarländern begründen.

Nachdem sich die Beschwerden Betroffener häuften und einige, massive Ungereimtheiten hinsichtlich der Umsetzung, des Zustandekommens, der Kommunikation und des Verfahrens der Bundesregierung hinsichtlich dieses Gesetzes nicht ausgeräumt werden konnten, hat das Bundesfinanzgericht dem Gerichtshof der Europäischen Union, Fragen gemäß Art 267 AEUV zur Vorabentscheidung vorgelegt. (Ersichtlich unter: https://findok.bmf.gv.at/findok?execution=e1s1&segmentId=632556c3-6e2d-4142-9e4d-f50d10e0664).

 

 

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Finanzen folgende

 

Anfrage

 

 

 

  1. Wie viele Anträge auf Energieabgabenvergütung wurden für den Zeitraum vom 1.1.2006 bis zum 31.12.2010 gestellt? (aufgegliedert nach Jahren, Branchen [ÖNACE Gruppen] und Bundesländern)
  2. Wie viele Unternehmen erhielten in diesem Zeitraum eine Energieabgabenvergütung? (aufgegliedert nach Jahren, Branchen [ÖNACE Gruppen] und Bundesländern)
  3. Wie hoch waren die durchschnittlichen, jährlich vergüteten Beträge pro Antragsteller in diesem Zeitraum? (aufgegliedert nach Jahren, Branchen [ÖNACE Gruppen] und Bundesländern)
  4. Wie hoch war in diesem Zeitraum der durchschnittliche Nettoproduktionswert der jeweils antragstellenden Unternehmen? (aufgegliedert nach Jahren, Branchen [ÖNACE Gruppen] und Bundesländern)
  5. Wie viele Anträge auf Energieabgabenvergütung wurden für den Zeitraum vom 1.1.2011 bis zum 31.12.2014 gestellt? (aufgegliedert nach Jahren, Branchen[ÖNACE Gruppen]  und Bundesländern)
  6. Wie viele Unternehmen erhielten in diesem Zeitraum eine Energieabgabenvergütung? (aufgegliedert nach Jahren, Branchen [ÖNACE Gruppen] und Bundesländern)
  7. Wie hoch waren die durchschnittlichen, jährlich vergüteten Beträge pro Antragsteller in diesem Zeitraum? (aufgegliedert nach Jahren, Branchen [ÖNACE Gruppen] und Bundesländern)
  8. Wie hoch war in diesem Zeitraum der durchschnittliche Nettoproduktionswert der jeweils antragstellenden Unternehmen? (aufgegliedert nach Jahren, Branchen [ÖNACE Gruppen] und Bundesländern)
  9. Wie wirkte sich die Abschaffung der Energieabgaben-Rückvergütung auf die jeweiligen Budgets bis zum derzeitigen aus? (Bitte um detaillierte Aufgliederung)
  10. Wie beziffern Sie den durch dieses Gesetz und den damit verbundenen Wettbewerbsnachteil entstandenen finanziellen Schaden für die betroffenen Unternehmen?
  11. Wie beziffern Sie den durch dieses Gesetz entstandenen Gesamtschaden für die betroffenen Unternehmen?
  12. Ist es richtig, dass das Bundesministerium für Finanzen schon vor Beschlussfassung des Gesetzes geplant hatte, die Beihilfe von der Europäischen Kommission im Sinne der Art. 107 und 108 AEUV genehmigen zu lassen, wie den Salzburger Nachrichten vom 8.11.2010 zu entnehmen ist?

(„Diesmal werde man sich die Regelung von vornherein von der EU-Kommission beihilfenrechtlich genehmigen lassen“, sagt Harald Waiglein, Sprecher von Finanzminister Josef Pröll. 2009 hat das Finanzministerium rund 1,25 Mrd. Euro über die Energieabgabe eingenommen, von denen 593 Mio. Euro, also fast die Hälfte, wieder zurückgezahlt wurde.)

  1. Ist es richtig, dass für solche Anträge auf Genehmigung einer staatlichen Beihilfe das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft nicht aber das Bundesministerium für Finanzen zuständig ist?
  2. Ist es richtig, dass sich diesbezüglich weder das eine noch das andere Ministerium um diese Genehmigung gekümmert hat?
  3. Wenn ja, warum nicht?
  4. Wenn nein, was unternahm Ihr Ressort dahingehend?
  5. Wer hatte wann und warum beschlossen an die Europäische Kommission eine Mitteilung im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 800/2008 der Kommission vom 6. August 2008 zur Erklärung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt in Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag (allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung - AGVO) zu senden?
  6. Wie kam es zu einer Laufzeit von 1.2.2011 bis 31.12.2013 und wo findet sich diese Befristung innerstaatlich?
  7. Ist daher die Änderung der Energieabgabenvergütung gemäß BGBl Nr. I 111/2010 mit 31.12.2013 (wie in der Mitteilung an die Europäische Kommission beschrieben) ausgelaufen und steht daher den „Dienstleistungsbetrieben“ ab 1.1.2014 die Energieabgabenvergütung wieder zu?
  8. Es soll bereits ablehnende Bescheide für Anträge auf Vergütung von Energieabgaben für 2014 von „Dienstleistern“ geben. Welche Informationen wurden diesbezüglich an die Behörden weitergegeben und wie werden diese Ablehnungen begründet?
  9. Die EBzRV führen aus: „Wird die Änderung des Energieabgabenvergütungsgesetzes von der Europäischen Kommission als erlaubte staatliche Beihilfe genehmigt, dann ist die gesetzlich vorgesehene Einschränkung auf Produktionsbetriebe mit 1.Jänner 2011 anzuwenden, sodass ab diesem Zeitpunkt Dienstleistungsbetriebe für die Verwendung von Energie keinen Anspruch auf Energieabgabenvergütung haben.“

Gemäß BGBl. Nr. I 111/2010 und den zugehörigen erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage, gilt der 1.1.2011 als einzig möglicher Zeitpunkt des Inkrafttretens – warum wurde, wenn angeblich immer schon eine Anwendung der AGVO angedacht war, die Mitteilung an die Kommission nicht wie in Kapitel 1 der AGVO (Art 9 Abs. 1) gefordert, innerhalb der 20 Arbeitstage, gerechnet vom 1.1.2011 an die Europäische Kommission gesendet?

  1. Warum wurden auch weitere verpflichtende Vorschriften des Kapitels 1 der AGVO nicht eingehalten:

a. Warum findet sich im Gesetzestext kein Verweis auf die AGVO?

b. Warum findet sich im Gesetzestext kein Verweis auf die Fundstelle im Amtsblatt der der Europäischen Union?

c. Warum ist dem Gesetzestext die Anwendung der AGVO nicht zu entnehmen?

d. Warum wurde nicht der vollständige Wortlaut der Maßnahme am 1.1.2011 veröffentlicht bzw. wann und wo erfolgte die vollständige Veröffentlichung?

e. Warum wurde die an die Kommission gemeldete „Laufzeit“ nicht in das Gesetz aufgenommen und daher dieses Gesetz befristet erlassen?

f. Warum wurde in das Gesetz nicht die in Art 25 Abs. 3 geforderte Höchstlaufzeit von 10 Jahren aufgenommen?

  1. Wie argumentieren Sie, dass es sich bei der Energieabgabenvergütung um eine „Umweltschutzbeihilfe“ im Sinne des Art 25 iVm Art 17 AGVO (alt) handelt, obwohl keine wie immer gearteten Umweltschutzmaßnahmen gefordert sind, sondern vielmehr die Vergütung umso höher ist, je mehr man die Umwelt verschmutzt?
  2. Wie sehen Sie die mehr als kritischen Rechnungshofberichte, welche auf Seite 10 und 11 des Ersuchens um Vorabentscheidung genannt werden und warum wurde darauf nicht reagiert?
  3. Gilt die Verlängerung der AGVO bis 30.06.2014 auch für die Energieabgabenvergütung?
  4. Wenn ja, wie wird dies argumentiert?
  5. Ab 1.7.2014 gilt die neue AGVO (Verordnung (EU) Nr. 651/2014 der Kommission vom 17.Juni 2014, Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 187 vom 26. Juni 2014, S. 1; berichtigt durch Bekanntmachung der Kommission vom 17. Juni 2014, Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 283 vom 27. September 2014, S. 65; Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 21. Mai 2014).

Welche Maßnahmen wurden diesbezüglich seitens Ihres Ressorts gesetzt?

  1. Ist es richtig, dass eine Freistellung für die Energieabgabenvergütung als unerlaubte staatliche Beihilfe über die AGVO durch die Neufassung der AGVO nunmehr jedenfalls nicht mehr möglich ist und jedenfalls ein Verfahren gemäß Art 108 Abs. 3 eingeleitet werden muss?
  2. Wenn ja, wurde dieses Verfahren bereits eingeleitet?
  3. Wenn ja, von wem wurde dieses Verfahren eingeleitet?
  4. Wie wurde innerstaatlich darauf reagiert?
  5. Gibt es eine Stellungnahme seitens der Republik Österreich an den EuGH im Zusammenhang mit dem Ersuchen um Vorabentscheidung des BFG an den EuGH?
  6. Wenn ja, wie wird dort die Anwendung der AGVO argumentiert und wo findet sich diese Stellungnahme?
  7. Welche Konsequenzen ergeben sich, wenn der EuGH eine oder mehrere der vorgelegten Fragen bejaht?
  8. Besteht die Gefahr, dass es sich bei der Energieabgabenvergütung in der Fassung des BGBl.Nr. I 111/2010 um eine unerlaubte, nicht genehmigte staatliche Beihilfe handelt?
  9. Wenn nein, warum nicht?
  10.  Wenn ja, welche Folgen würden sich daraus für die Beihilfeempfänger ergeben?
  11. In welchem Bundesgesetzblatt findet sich innerstaatlich das Inkrafttretedatum 1.2.1011, welches der Europäischen Kommission bekannt gegeben wurde?
  12. In welchem Bundesgesetzblatt findet sich innerstaatlich das Außerkrafttretedatum 31.12.1013, welches der Europäischen Kommission bekannt gegeben wurde?
  13. Gemäß Artikel 23e. (1) B-VG hat der zuständige Bundesminister den Nationalrat und den Bundesrat unverzüglich über alle Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union zu unterrichten und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

Wie und wann wurden Nationalrat und Bundesrat über die am 7.2.2011 erfolgte Mitteilung gemäß AGVO an die Europäische Kommission unterrichtet?

  1. Aus der Stellungnahme zum Gesetzesentwurf des Bundeskanzleramt-

Verfassungsdienstes:

„Zu Art. 16 (Änderung des Energieabgabenvergütungsgesetzes):

(…) Im Interesse der einfacheren Rechtsanwendung und zu Erhöhung der

Rechtssicherheit sollte geprüft werden, den Bundesminister für Finanzen zur

Kundmachung im BGBl. zu verpflichten, wenn die Genehmigung der

Europäischen Kommission erfolgt ist (vgl. etwa § 32d Abs. 1 des

Ökostromgesetzes).“

Warum wurde die angebliche Genehmigung der Europäischen Kommission nicht im Bundesgesetzblatt veröffentlicht?

  1. Wo liegt für Ihr Ressort der Unterschied zwischen „Genehmigung

der Europäischen Kommission“ und einer Freistellungsanzeige im Sinne der AGVO, oder handelt es sich dabei um denselben Inhalt verschiedener Begriffe?

  1. Wenn nicht, wie muss dann der Begriff des Gesetzestextes in § 4 Abs. 7

Energieabgabenvergütungsgesetz gedeutet werden?

  1. Die EBzRV zum BBG 2010, BGBl. Nr. I 111/2010 führen aus:

„Sollte die Änderung von der Europäischen Kommission nicht genehmigt

werden, so bleibt die bisherige Rechtslage unverändert und es haben sowohl

Produktionsbetriebe als auch Dienstleistungsbetriebe Anspruch auf eine

Energieabgabenvergütung.“

Der Gesetzgeber geht also davon aus, dass es eine Nichtgenehmigung geben könnte.

Wie und auf welche Weise hätte es im Verfahren nach der AGVO eine Nichtgenehmigung geben können?

  1. Ist in diesem Verfahren so etwas vorgesehen, oder zeigt auch das, dass nur von einer Notifikation durch die Europäische Kommission ausgegangen wurde und eine Anwendung der AGVO nicht angedacht wurde?
  2. In welchem Rechtsakt sieht das Bundesministerium für Finanzen die „Genehmigung der Europäischen Kommission“?
  3. Auf welche Weise wurde dies innerstaatlich kommuniziert?
  4. Artikel 10 der AGVO befasst sich mit der Beihilfenkontrolle. Wurde die Regelung der Energieabgabenvergütung bereits kontrolliert und wenn ja, wo und wie kann man die Ergebnisse einsehen?
  5. Wenn nein, warum nicht?
  6. Gibt es die dort genannten Aufzeichnungen und wo und wie kann man sie einsehen?
  7. Wie und wo kann man die in Artikel 11 AGVO vorgeschriebenen Jahresberichte einsehen und wird die Forderung, dass diese auch die Internetadresse, auf der der vollständige Wortlaut der Beihilfenmaßnahme nachzulesen sein muss, eingehalten?
  8. Welche Maßnahmen sind seitens Ihres Ressorts geplant, sollte der EuGH die Anwendung der AGVO als zu Unrecht erkennen?
  9. Ist es geplant, der zu erwartenden Entscheidung des EuGH vorzugreifen und die Energieabgabenvergütung den „Dienstleistern“ rückwirkend bis Februar 2011 zuzuerkennen?
  10. Wurde dies im Budget 2015 berücksichtigt bzw. wie sollen eventuelle Zahlungen der Vergütungen an „Dienstleister“ finanziert werden?