6084/J XXV. GP

Eingelangt am 09.07.2015
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Anfrage

 

der Abgeordneten Georg Willi, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend Bundesbeitrag zur geplanten "Stadtstraße" und ihren „Nebenwirkungen“ in Wien-Donaustadt

 

Im Rahmen der letzten und bisher trotz anderslautender Ankündigung im aktuellen Bundes-Regierungsprogramm einzigen „Evaluierung“ der hochrangigen Straßenbauprojekte wurde in Wien-Donaustadt die bis dahin im ASFINAG-Netz als Stadtautobahn geplante hochrangige Verbindung zwischen der geplanten S1 im Raum Essling-Groß Enzersdorf und der bestehenden A23 Wiener Südosttangente bei Hirschstetten 2010/11 zweigeteilt.

 

Der östliche Teil soll – vgl. Verzeichnis 2 Bundesstraßen S des Bundesstraßengesetzes (BStG) idF BGBl. I Nr.62/2011 - als Spange der S1 („Einschließlichstrecke“) weiterhin von der ASFINAG mit Autobahnquerschnitt und -funktion realisiert werden.

 

Der westliche Teil ab Seestadt West bis zur A 23 soll hingegen als sogenannte „Stadtstraße“ im Verantwortungsbereich der Stadt Wien errichtet werden.

Dafür „sagte das BMVIT der Stadt Wien die Errichtungskosten zu“ (Zitat Stadt Wien), wobei es sich gemäß dem mit derselben BStG-Novelle eingefügten § 10 Abs 4 BStG korrekt um einen betraglich fix gedeckelten Zuschuss zur Errichtung handelt:

„(4) Der Bund leistet an das Land Wien entsprechend dem Baufortschritt einen Zuschuss in der Höhe von 231,6 Millionen Euro zur Errichtung einer Straße von Hirschstetten (A 23) bis zum Beginn der Einschließlichstrecke der S 1 im Bereich der Straße Am Heidjöchl, Höhe Johann-Kutschera-Gasse.“

 

Die Erläuterungen zur zugrundeliegenden Regierungsvorlagen führten dazu aus:

„Diese Bestimmung normiert einen Sonderzuschuss des Bundes an die Länder Burgenland und Wien und steht in Zusammenhang mit (…) sowie mit der Verkürzung des Bundesstraßennetzes zwischen der A 23 Hirschstetten (S 2) und dem Beginn der Einschließlichstrecke der S 1 im Bereich der Straße Am Heidjöchl, Höhe Johann-Kutschera-Gasse.

Der Zuschuss wird vom Bund vereinbarungsgemäß für die Errichtung von Landesstraßen von (…) sowie von Hirschstetten (A 23) bis zum Beginn der Einschließlichstrecke der S 1 im Bereich der Straße Am Heidjöchl, Höhe Johann-Kutschera-Gasse geleistet. Die gesetzliche Regelung selbst sieht einen pauschalen Beitrag des Bundes vor, sodass höhere Baukosten von den Ländern zu tragen sein werden, umgekehrt Einsparungen aus günstigeren Bauführungen von den Ländern für andere Straßenbauvorhaben verwendet werden können.

Die Auszahlung des Zuschusses an die Länder Burgenland und Wien erfolgt jeweils in Teilbeträgen entsprechend dem Baufortschritt.“

 

Diese im Luftschadstoff-Sanierungsgebiet und mitten durch dichtest bewohntes Gebiet geplante „Stadtstraße“ soll laut offizieller Projektdarstellung drei Funktionen erfüllen:

·         Sie verbindet die A 23 (Anschlussstelle Hirschstetten) mit der S1 (Anschlussstelle Seestadt West) – stellt also real einen Lückenschluss im hochrangigen Straßennetz dar, mit entsprechender Anziehungskraft für den Kfz-Durchzugs- und -Pendlerverkehr, woran eine alibihaft eingebaute Lichtsignalanlage kaum etwas ändern wird.

·         Gleichzeitig erschließt sie in Entstehung begriffene, neue Stadtteile wie die „Seestadt" hochrangig für den Kfz-Verkehr - obwohl die Seestadt doch durch hochrangigen, frühzeitig umgesetzten Öffi-Anschluss beste Voraussetzungen für einen verkehrssparenden Stadtteil auf „Smart City“-Niveau böte.

·         Die Stadtstraße soll schließlich laut ihren Betreibern und Befürwortern den Durchzugsverkehr aus den Siedlungsgebieten abziehen und durch die verkehrsmäßige Entlastung die Lebensqualität in Ortskernen wie Hirschstetten, Stadlau und Breitenlee deutlich verbessern.

 

Mangels brauchbarer Sachargumente für die anachronistischen hochrangigen und dazugehörigen sonstigen Straßenbaupläne in Wien-Donaustadt muss also insbesondere der Schutz der alten Ortskerne herhalten.

Konkrete Anträge auf Planung und Finanzierung verkehrsberuhigender Maßnahmen in diesen Ortskernen werden aber von der Mehrheit von SPÖ, ÖVP und FPÖ abgelehnt - Begründung: Es gäbe dafür kein Geld. Wofür es offenbar Geld gibt: für eine vierspurige Kfz-Rennstrecke quer durch den Bezirk, die in den Ortskernen ohne verkehrsberuhigende Maßnahmen aber nichts verbessern kann. Stattdessen verlagert sie mehr Verkehr in den Bezirk. „Wer Straßen sät, wird Verkehrsberuhigung ernten!“ ist keine neue Weisheit, sondern Schwindelei. Das machen Aussagen zB des renommierten und auch von Bundes- und ASFINAG-Seite vielbeschäftigten Verkehrsplaners Werner Rosinak („Neue Autobahnen ziehen nur neuen Verkehr an. Das Autobahnnetz in Österreich ist gut ausgebaut. Wir brauchen daher keine neue Autobahnen.“ - Kurier, 2.1.2014) und die wiederholten klaren Ansagen der beiden ASFINAG-Vorstände zum Thema „Zeit des Autobahnbaus ist vorbei“ klar. Für Maßnahmen zur Entlastung der Ortskerne parallel zur Planung und Errichtung der Einschließlichstrecke Raasdorf-Aspern/Seestadt West und der Stadtstraße ist nicht ein einziger Zebrastreifen geplant, geschweige denn finanziert. So würden die versprochenen verkehrsberuhigte Ortskerne in der Donaustadt eine Fata Morgana in einer sich weiter ausbreitenden Verkehrswüste bleiben.

 

Der Bund trägt hierfür zentrale Mitverantwortung, weil er sich zwar der Argumentation von der vorgeblichen Entlastung der Ortskerne anschließt, unseriöserweise jedoch in seinem Sonderzuschuss an das Land Wien keinen einzigen Euro für derartige Maßnahmen vorgesehen hat, sondern sein Geld exklusiv für die Errichtung der Straße zweckgebunden hat – dass eine derartige Straße in diesem dicht bebauten und auch sonst herausfordernden innerstädtischen Terrain samt komplexen Anschlussbauwerken selbst bei deutlicher Redimensionierung von Querschnitt etc niemals um weniger als die zugestandenen 231,6 Mio Euro umweltverträglich realisierbar ist und daher die nötigen Begleitmaßnahmen nicht bedeckt sind musste von Anfang an allen Beteiligten klar sein.

Damit trägt der Bund Mitverantwortung für das Risiko, dass versucht wird, die Straße ohne die nötigen Begleitmaßnahmen umzusetzen und damit die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger in Wien-Donaustadt, und zwar in den alten Ortskernen und im vom Neubau betroffenen Gebiet, nachhaltig beeinträchtigt.

 

Der mit elf hochkarätigen Experten besetzten Weisenrat des Finanzministers hat auf Basis der Bewertung des Ausbau der Verkehrs-Infrastruktur in Österreich als "stark überdimensioniert“ zusammenfassend das Fazit geäußert "Österreich ist eines der führenden Länder in der Ineffizienz beim Einsatz öffentlicher Mittel". Das Projekt Stadtstraße in Wien 22 und seine Finanzierung ist zusammen mit der anschließenden Einschließlichstrecke ein Musterbeispiel für diese Ineffizienz: Sehr viel Geld für eine Lösung, die mehr Probleme schafft als löst und insbesondere ihren Entlastungs-Anspruch nicht einlöst.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Ist der in Aussicht gestellte Zuschuss zur „Stadtstraße Aspern“ nach wie vor mit der Höhe von € 231,6 Millionen aufrecht?

2)    Ab wann und in welchen Raten ist derzeit eine Überweisung dieses Zuschusses vom Bund an die Stadt Wien fixiert?

3)    Welche Aktivitäten haben Sie, zB im Hinblick auf die im Herbst bevorstehenden Budget-Entscheidungen auf Bundesebene, für eine Anhebung dieses Zuschusses auf eine Höhe, die reale Entlastungsmaßnahmen in den Ortskernen ermöglicht, bereits unternommen?

4)    Welche Aktivitäten werden Sie, zB im Hinblick auf die im Herbst bevorstehenden Budget-Entscheidungen auf Bundesebene, für eine Anhebung dieses Zuschusses auf eine Höhe, die reale Entlastungsmaßnahmen in den Ortskernen ermöglicht, wann unternehmen?

5)    Werden Sie im Sinne der Empfehlungen des Experten-Weisenrats an den Finanzminister hinsichtlich der „stark überdimensionierten Investitionen in die Infrastruktur“ (gemeint waren Autobahnen) eine Reduktion der Ausgaben in diesem Bereich vorsehen?

6)    Wenn ja, werden Sie in diesem Sinn das Projekt Einschließlichstrecke Raasdorf-Aspern plus Zuschuss zur Stadtstraße Aspern-Hirschstetten a) generell, b) in der Dimensionierung bis zum Herbst 2015 überdenken?

7)    Wenn nein – warum nicht?

8)    Werden Sie im Sinne optimaler Job-Wirksamkeit der eingesetzten Geldmittel Umbauten und Rückbauten im Straßennetz klar Vorrang vor dem Neubau hochrangiger und in der Verkehrswirkung ähnlicher Straßen geben, nachdem Österreich mit Rekord-Arbeitslosenzahlen zu kämpfen hat, bei den großen, hoch automatisiert errichteten Neubauten laut WIFO usw. jedoch um etwa ein Drittel weniger Arbeitsplätze je eingesetzter Geldmenge geschaffen bzw gesichert werden?

9)    Wenn nein, warum wollen Sie den Job-Effekt von Investitionen in Ihrem Zuständigkeitsbereich nicht optimieren?