6182/J XXV. GP

Eingelangt am 13.07.2015
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten DI Gerhard Deimek

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend Ungereimtheiten bei den Ausschreibungen für den Semmering - Basistunnel

 

 

Durch hohe formale Anforderungen, bürokratische Hindernisse bzw. durch generellen Ausschluss von günstigen alternativen Ausführungsvarianten und vor allem durch völlig unnötige Maßnahmen wie Zwischenangriffe soll es beim Bau des Semmering - Basistunnels aufgrund der Vorgaben der ÖBB in den technischen Ausschreibungen zu unnötigen Verteuerungen des Projektes und schlussendlich zu einer Kostenexplosion kommen. Die ÖBB sollen auf Kosten keinerlei Rücksicht nehmen und versuchen mit Steuergeld alles technisch Machbare durchzusetzen, ungeachtet kostengünstigerer Ausführungsmöglichkeiten. Während ein Großteil der bekannten Tunnelprojekte der vergangenen Jahrzehnte von beiden Seiten her vorgetrieben wurde, plant die ÖBB eine Aufteilung in drei Baulose mit technisch extrem aufwändigen und enorm teuren Zwischenangriffen. Dabei werden wie in großen Bergwerksanlagen tiefe Schächte mit aufwändigen Förderanlagen errichtet. Durch diese erfolgt die gesamte Versorgung der Vortriebe und die Förderung des ausgebrochenen Gesteinsmaterials nach oben (Millionen von Tonnen). Diese enorm aufwändigen Schächte samt Förderanlagen werden nach Fertigstellung des Bauloses wieder rückgebaut und teilweise verfüllt.

 

Grundsätzlich wäre laut Experten die Errichtung des 27 Kilometer langen Tunnels mit einer großen Lösung wie üblich von zwei Angriffspunkten aus - Mürzzuschlag und Gloggnitz - möglich gewesen und hätte eine Einsparung von mehreren hundert Millionen Euro gebracht. Insgesamt sollen durch diese Vorgangsweise ein zumindest dreistelliger Millionenbetrag an Steuergeld sinnlos verschleudert werden. Diese Vorgangsweise ist durch das bereits im Bau befindliche erste Tunnelbaulos nicht mehr bzw. nur mehr bedingt realisierbar.

 

Einige Beispiele:

 

1.         Bauteil SBT 1.1 Tunnel Gloggnitz

Der hier von der ÖBB vorgegebene Zwischenangriff beinhaltet einen ca. 1000 m langen Zugangstunnel, einen ca. 470 m langen Verbindungstunnel und zwei 250 m tiefe Schächte inklusive Kavernen am Schachtkopf bzw. Schachtfuß, insgesamt ca. 2400 m unterirdische Hohlraumbauwerke, samt maschinentechnischer Ausstattung, Förderanlagen, welche rückgebaut und großteils wieder verfüllt werden müssen.

Wenn schon ein teurer Zwischenangriff als unbedingt nötig erachtet wurde, könnte alternativ dazu ein Schrägtunnel errichtet werden. Dabei würden aufwändige Maßnahmen an maschinellen Installationen der Schachtförderanlagen und ca. 1200 m an unterirdischen Hohlraumbauwerken entfallen. Diese Lösung hätte einen Bauzeitvorteil von rund einem Jahr und würde 20 bis 25 Millionen Euro einsparen.

Durch eine alternative Vorgangsweise bei der Gebirgsabdichtung / Erkundung mithilfe der systematischen Vorab–Gebirgsabdichtung, welche im skandinavischen Tunnelbau längst üblich ist, könnte des Weiteren eine Bauzeitverkürzung von rund einem halben Jahr und eine Kosteneinsparung von fünf bis zehn Millionen Euro erreicht werden.

Das anfallende Ausbruchmaterial muss laut Ausschreibung zum Teil auf die noch nicht genehmigte Deponie Longsgraben gebracht und der Großteil zwingend mit der ÖBB – Rail Cargo abtransportiert werden. Durch Transport und Deponierung durch Anbieter könnten zusätzlich mehrere Millionen Euro eingespart werden.

 

2.         Bauvorhaben SBT 2.1 Tunnel Fröschnitzgraben

Auch hier führen die Vorgaben der ÖBB zu Mehrkosten in Millionenhöhe. Die Vortriebsarten sind einem Abschnitt mittels Bohr- und Sprengarbeit und in einem zweiten mittels Tunnelbohrmaschinen vorgeschrieben. Die gesamte Baustellenlogistik ist über 400 m tiefe Schächte samt Förderanlagen abzuwickeln, insbesonders die Installation der mehrere tausend Tonnen schweren Tunnelbohrmaschinen.

Würden beide Abschnitte mithilfe herkömmlicher Bohr- und Sprengarbeiten durchgeführt werden, könnte man weitere 10 bis 15 Millionen Euro einsparen und das bei gleichzeitig weitaus höherer Sicherheit bei der Bewältigung geologischer Unwegsamkeiten, als mit den Tunnelbohrmaschinen. Die Problematik bei den Tunnelbohrmaschinen zeigt sich derzeit ja beim Koralmtunnel.

Die Gebirgsabdichtung und Erkundung könnte auch hier, wie schon oben beschrieben, wieder weitere Millionen dem Steuerzahler ersparen.

 

3.         Bauvorhaben SBT 3.1 Tunnel Grautschenhof

Dieses Baulos ist noch nicht ausgeschrieben, jedoch ist davon auszugehen, dass die ÖBB auch keine Optimierungsvorschläge im Zuge des Angebotes zulassen werden. Die Errichtung soll wieder über einen Zwischenangriffstunnel erfolgen und zusätzlich ist ein Lüftungsschacht mit einer Tiefe von 120 m geplant.

Alternativ dazu könnte der herzustellende Tunnelteil von nur einer Seite hergestellt werden. Dies ist technisch absolut problemlos. Unter Berücksichtigung des Entfalls von Zwischenangriffstunnel und des Lüftungsschachtes (baubedingt) könnte eine Kosteneinsparung von 15 bis 20 Millionen Euro realisiert werden.

 

4.         Deponie Longsgraben

Die Errichtung der Deponie samt Grundablösen hat mehrere zig Millionen Euro gekostet. Der Bescheid dafür wurde mittlerweile von der zuständigen Behörde wieder aufgehoben. Dieses, ursprünglich naturbelassene Tal soll nun trotzdem für die Ablagerung von Ausbruchsmaterial verwendet werden. Gleichzeitig bestünden in absehbarer Nähe Deponiemöglichkeiten in ausgekiesten Schottergruben, welche durchaus noch aufnahmefähig wären. Steuergeld wurde somit für völlig unnötige Zerstörung der Natur verschwendet.


5.         Verwendungszwang der ÖBB Rail - Cargo

Die Richtlinien der Ausschreibung schreiben zwingen die Verwendung der ÖBB Rail - Cargo zum Abtransport des Ausbruchsmaterials vor. Somit schließt die ÖBB Wettbewerb in diesem Bereich aus. Dies führt zu mehreren Millionen an Mehrkosten. Es ist davon auszugehen, dass die ÖBB eine versteckte Querfinanzierung, zu Lasten der Steuerzahler, für die ÖBB Rail – Cargo auf ihren Baustellen erzwingen.

 

 

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie folgende

 

Anfrage

 

1.     Ist Ihnen bekannt, dass der Bau des Semmering-Basistunnels in der derzeitigen Lösung, sogar mit den geplanten Zwischenangriffen, um einen dreistelligen Millionenbetrag in Euro günstiger gebaut werden könnte?

2.     Ist Ihnen bekannt, dass durch eine große Lösung mit nur zwei Angriffspunkten mehrere hundert Millionen Euro hätten gespart werden können?

3.     Ist Ihnen bekannt, dass die ÖBB Vorschläge für günstigere und teilweise auch schnellere Lösungen grundsätzlich in ihren Vergabeverfahren ausschließen und damit vorsätzlich Steuergelder verschwenden?

4.     Ist Ihnen bekannt, dass die Bilanz der Rail Cargo Austria geschönt wird, indem die Auftragnehmer gezwungen werden, die Rail Cargo zu nutzen und der Steuerzahler dadurch weiter geschädigt wird?

5.     Ist Ihnen bekannt, dass der von der ÖBB vorgeschriebenen Deponie Longsgraben durch Aufhebung des Bescheides die Genehmigung entzogen wurde?

6.     Ist Ihnen bekannt, dass ein ursprünglich naturbelassenes Tal nun zugeschüttet wird, weil die ÖBB die Deponie Longsgraben vorschreiben, obwohl es alternative Deponien gegeben hätte?

7.     Was wollen Sie unternehmen, damit bei den Zwischenangriffen (wenn diese schon unbedingt durchgeführt werden müssen) ein zumindest zweistelliger Millionenbetrag gespart wird?

8.     Was wollen Sie unternehmen, damit die ÖBB Vorschläge für günstigere und teilweise auch schnellere Lösungen von Auftragnehmern zulassen und somit nicht vorsätzlich Steuergelder verschwenden?

9.     Was wollen Sie unternehmen, damit die Bilanz der Rail Cargo Austria nicht dadurch geschönt wird, indem Auftragnehmer gezwungen werden, die Rail Cargo mit dem Abtransport des Aushubmaterials zu beauftragen?

10.  Was wollen Sie unternehmen, damit günstigere Deponien genutzt werden und die ÖBB nicht darauf bestehen, dass ein ursprünglich naturbelassenes Tal mit Aushubmaterial zugeschüttet wird, zumal dieser Deponie obendrein die Genehmigung entzogen wurde?