6234/J XXV. GP

Eingelangt am 23.07.2015
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft

betreffend Vorgangsweise bei der Einführung des Smart Meters

BEGRÜNDUNG

 

Österreichs Vorgangsweise bei der Einführung des Smart Meters läuft Gefahr unwirtschaftlich, risikogeneigt und ungesetzlich abzulaufen.

Während in Deutschland zahlreiche Funktionalitäten des Smart Meters, wie Fernabschaltefunktion, tägliche Datenübermittlung, Viertelstundenintervalle und Kommunikation mit anderen Messgeräten nicht mehr vorgesehen sind, verlangt Österreich diese nach wie vor. Das führt zu einem gesteigerten Risiko beim Datenschutz, erhöhter Gefahr von Cyberattacken und höheren Kosten. Dazu kommt, dass Energieeinsparungen weniger durch intelligente Messgeräte, als durch geändertes Verbraucherverhalten zu erreichen ist.

Besonders fragwürdig ist der Umgang mit jenen EndverbraucherInnen, die von ihrem gesetzlich festgelegten Recht des Opt-Outs Gebrauch machen wollen. Im Juli 2013 hat das österreichische Parlament eine Opt-Out Möglichkeit beim Smart Meter für EndverbraucherInnen im Gesetz verankert. Im Gesetz heißt es: „Im Rahmen der durch die Verordnung bestimmten Vorgaben für die Installation intelligenter Messgeräte hat der Netzbetreiber den Wunsch eines Endverbrauchers, kein intelligentes Messgerät zu erhalten, zu berücksichtigen.“

In der Energiebranche hat das zunächst zur Verunsicherung geführt. Einige Anbieter haben zugewartet, andere haben versucht sich über diese Gesetzesänderung hinweg zu schwindeln und einzelne Funktionen abzuschalten um aus „intelligenten“ Stromzählern „dumme“ Stromzähler werden zu lassen.

Mit dieser zweifelhaften Auslegung würde der Wille des Parlaments aber glatt unterlaufen werden. Die gesetzliche Formulierung ist keine bloße Empfehlung. Ziel war es jenen KonsumentInnen, die datenschutzrechtliche Bedenken haben, ein Wahlrecht einzuräumen.


Das Wirtschaftsministerium hat sich zur Auslegung des Opt-Outs lange zurückgehalten. In einem Schreiben hat das Wirtschaftsministerium dazu jetzt seine Position gegenüber der E-Control dargelegt:

 


Mit der im Schreiben vertretenen Rechtsauffassung versucht das BMWFW offenkundig die gesetzliche Regelung zur Berücksichtigung des Opt-Out Wunsches der EndkundInnen zu unterlaufen. Dazu wird auf die Definition der intelligenten Messgeräte in § 7 Abs. 1 Z 31 ElWOG 2010 abgestellt. Dort werden zwei Voraussetzungen für ein intelligentes Messgerät definiert: eine „zeitnahe“ Messung des tatsächlichen Energieverbrauchs, und eine fernauslesbare, bidirektionale Datenübertragung. Das BMWFW behauptet nun, dass die bloße „Deaktivierung“ der Verbrauchsmessung im Viertelstundentakt bereits die „zeitnahe Verbrauchsmessung“ beseitige, so dass kein intelligentes Messgerät mehr vorliege. Das ist offensichtlich unrichtig. Auch die „tägliche Übermittlung“ von Verbrauchswerten, wie sie im Schreiben trotz Opt-Out als zulässig erklärt wird, stellt eine „zeitnahe“ Übermittlung dar, wie sich insbesondere im Vergleich zur bisherigen Zählertechnologie mit in der Regel jährlicher Ablesung zeigt. Unklar ist darüber hinaus, ob mit „Deaktivierung“ das bloße Abschalten der Funktion oder eine technische Verunmöglichung von 15-Minuten-Messungen gemeint ist. Bei bloßem Abschalten wäre die viertelstündige Speicherung  nämlich immer noch „möglich“ im Sinne des § 83 Abs. 2 ElWOG 2010.

Darüber hinaus ist das ElWOG 2010 auch richtlinienkonform zu interpretieren. Wie die Kommission mehrfach klargestellt hat, ist europarechtlich das Speicherintervall selbst nicht Bestandteil der Definition der intelligenten Messgeräte bzw. Messsysteme. Vielmehr lautet etwa die Definition in der Empfehlung 2012/148/EU vom 9.3.2012: „Intelligentes Messsystem“ bezeichnet ein elektronisches System, das den Energieverbrauch messen kann, wobei mehr Informationen als mit einem herkömmlichen Zähler bereitgestellt werden, und das Daten unter Nutzung einer Form der elektronischen Kommunikation übertragen und empfangen kann.“

Diese Definition stellt somit ausdrücklich auf die grundsätzliche Fähigkeit der Geräte zur Datensammlung und -übertragung ab, nicht ob diese Funktionen auch tatsächlich aktiviert sind. Obwohl das Schreiben des BMWFW ausdrücklich die bidirektionale Datenübertragungsfähigkeit als Definitionsmerkmal nach § 7 ElWOG 2010 erwähnt, lässt es diese in der weiteren Argumentation unter den Tisch fallen. Und zwar offensichtlich, weil diese eben bei der vorgeschlagenen Vorgehensweise weiterhin gegeben ist. Die empfohlene tägliche Übertragung des Zählerstandes lässt sich nämlich nur unter Nutzung dieser Funktion realisieren.

Auch in der vom BMWFW geprüften Variante liegt somit der Betrieb eines intelligenten Messgerätes nach ElWOG 2010 vor. Wenn das BMWFW diesen trotz Opt-Out der KundInnen billigt, dann deckt es damit einen klaren Verstoß gegen § 83 Abs. 1 ElWOG 2010 und damit auch die Begehung von Verwaltungsübertretungen nach § 99 Abs. 2 Z 12 und Z 13 ElWOG 2010.

Wenn das BMWFW schließlich im letzten Satz seines Schreibens meint, dass hier keine Fragestellungen in Bezug auf Datenschutz aufgeworfen würden, dann ignoriert es komplett die zahlreichen Sicherheitsprobleme, die durch den Betrieb von Smart Meter-Geräten aufgeworfen werden. Für viele Menschen ist bereits die Möglichkeit eines unerkannten Abgriffs ihrer Lebensgewohnheiten, aber auch die Gefahr von  kriminellen Angriffen auf ihre Netzinfrastruktur, ein Grund zur Besorgnis und führt damit zur Ablehnung des Einbaus solcher Geräte. Diese Sorgen wollte der Gesetzgeber berücksichtigen, was seitens der Betreiber, der Energie-Control und erschütternder Weise auch des Bundesministeriums offenbar ignoriert und aktiv unterlaufen werden soll.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Wurde das im Anfragetext zitierte Antwortschreiben der Sektion Energie und Bergbau vom 9.3.2015 mit Ihnen bzw. Ihrem Kabinett abgestimmt?

2)    Wie lautet das Schreiben der Energie-Control Austria vom 4.2. im vollen Wortlaut?

3)    Weshalb soll nach diesem Schreiben eine tägliche Verbrauchsmessung keine „zeitnahe“ Messung im Sinne des § 7 Abs 1 Z 31 ElWOG darstellen?

4)    Handelt es sich bei der im Schreiben genannten „Deaktivierung der Verbrauchsmessung im Viertelstundentakt“ um ein bloßes „Ausschalten“ dieser Funktion, oder wird in der geprüften Praxis diese Verbrauchsmessung im Viertelstundentakt dauerhaft technisch unmöglich gemacht?

5)    Welche weiteren Funktionen sollen in diesem Zusammenhang wie auf S. 2 des Schreibens ausgeführt „deaktiviert“ werden, und handelt es sich dabei um ein bloßes Ausschalten oder eine dauerhafte technische Verunmöglichung der Nutzung dieser Funktion im betreffenden Gerät?

6)    Wird im Zuge der geprüften Praxis die bidirektionale Datenübertragung deaktiviert, und falls ja nur ausgeschaltet oder dauerhaft technisch unmöglich gemacht?

7)    Teilen Sie die im gegenständlichen Schreiben ausgeführte, offenkundig unrichtige und mit Sinn und Zweck der gesetzlichen Bestimmung des Opt-Out-Rechtes für Endverbraucher in krassem Widerspruch stehende Rechtsansicht?

8)    Falls nein, was werden Sie unternehmen, um die Rechtslage umgehend klarzustellen, so dass die Ausübung des Opt-Out-Rechtes nach § 83 Abs 1 ElWOG durch EndverbraucherInnen endlich von den Netzbetreibern und den zuständigen Aufsichtsbehörden ernst genommen und umgesetzt wird?

9)    Warum wird die IMA-VO nicht dahingehend überarbeitet, dass Zählergeräte zugelassen werden, die als elektronische Zähler funktionieren, aber nicht die Zusatzfunktionen eines intelligenten Messgeräts aufweisen?

10)  Was sind die Kosten für einen Smart Meter, der den aktuellen Gesetzen und Verordnungen entspricht und die Kommunikation „PowerLine“ unterstützt?

11)  Was sind die Kosten für einen Smart Meter, der den aktuellen Gesetzen und Verordnungen entspricht und die Kommunikation „Mobilfunk“ unterstützt?

12)  Was sind die Kosten für einen Smart Meter, der bei „Opt-Out“-Kunden zum Einsatz kommt und den diesbezüglich reduzierten Änderungen entspricht?


13)  Wurden vom Wirtschaftsministerium oder der E-Control Anforderungen an die Sicherheit bei der Datenübertragung hinsichtlich der Komponenten und der Kommunikation vom Smart Meter bis zur Zentralstelle beim Stromversorger erarbeitet und veröffentlicht?

14)  Wenn nein, warum wurden solche Anforderungen an die Komponenten und die Kommunikation, die auch für das öffentliche Interesse des Schutzes der kritischen Infrastruktur zentral sind, nicht vom zuständigen Ministerium oder der E-Control erarbeitet?

15)  Ist Ihnen bekannt, ob von anderer Seite solche Anforderungen erarbeitet wurden?

16)  Wenn ja, von wem und wann wurden sie erarbeitet?

17)  Waren diese Anforderungen zum Zeitpunkt der  Ausschreibungen zum Smart Meter 2014 und 2015 erarbeitet und veröffentlicht?

18)  Haben die bisherigen Ausschreibungen diesen Anforderungen entsprochen?

19)  Warum wird in Österreich die Aufzeichnung von Viertelstunden-Intervallen durch den Smart Meter – die in anderen Ländern mittlerweile nicht mehr zwingend vorgesehen ist – weiter als technische Funktion vorgeschrieben, obwohl das den Smart Meter verteuert und bei Opt-Out zu rechtlichen Problemen führt?

20)  Warum wird in Österreich die tägliche Datenübermittlung durch den Smart Meter – die in anderen Ländern mittlerweile nicht mehr zwingend vorgesehen ist – weiter als technische Funktion vorgeschrieben, obwohl das den Smart Meter verteuert, Datenschutzprobleme schafft und bei Opt-Out zu rechtlichen Problemen führt?

21)  Warum wird in Österreich die Fernabschaltefunktion (Breaker) des Smart Meters – die in anderen Ländern mittlerweile nicht mehr zwingend vorgesehen ist – weiter als technische Funktion vorgeschrieben, obwohl das den Smart Meter verteuert, bei Opt-Out zu rechtlichen Problemen führt und Hauptangriffspunkt einer feindlichen Infrastrukturattacke ist?

22)  Warum wird in Österreich die Erfordernis der Kommunikation mit anderen Messgeräten durch den Smart Meter – die in anderen Ländern mittlerweile nicht mehr zwingend vorgesehen ist – weiter als technische Funktion vorgeschrieben, obwohl das den Smart Meter verteuert und bei Opt-Out zu rechtlichen Problemen führt?

23)  Haben die zusätzlichen Kosten für technische Funktionen, wie Fernabschaltefunktion, tägliche Datenübermittlung, Viertelstundenintervalle und Kommunikation mit anderen Messgeräten letztendlich der Endverbraucher zu tragen?

24)  Wenn ja, wie rechtfertigen Sie diese Mehrkosten, die durch die IMA-VO entstanden sind?

25)  Fallen auch bei Opt-Out Geräten die Kosten für die grundsätzliche Ausstattung der deaktivierten Funktionen (Fernabschaltefunktion, Viertelstunden-Intervalle etc.) an?

26)  Welche Funktionalitäten des Smart Meters begünstigen im Fall eines gelungenen Hackerangriffs die Gefahr weitreichender Störungen?


27)  Ist es richtig, dass die Fernabschaltefunktion der Kundenanlage Kriminellen die Möglichkeit bietet, großflächig die Energieversorgung zu sabotieren und ohne diese Funktionalität diese Gefahr nicht gegeben ist?

28)  Warum verlangt die IMA-VO, dass die Aufzeichnung der Zählerstände und Leistungsmittelwerte für eine Dauer von 60 Tagen im Zähler gespeichert werden und dort auch angezeigt werden müssen, obwohl dass die Kosten und Datenschutzrisiko erhöht?

29)  Welche kundenspezifischen Daten sind in einem Smart Meter ohne Opt-Out gespeichert?

30)  Welche kundenspezifischen Daten sind in einem Smart Meter bei Opt-Out gespeichert?

31)  Sind Ihnen Erfahrungswerte anderer Länder bekannt, ob sich die Aufzeichnung von Viertelstunden-Intervallen und die tägliche Übermittlung von Verbraucherdaten auf das Energieverbrauchsverhalten der Kunden ausgewirkt haben?

32)  Wurden Experten/MitarbeiterInnen der Firma Siemens und/oder der Firma Kapsch im Vorfeld zur Erstellung der „Intelligente-Messgeräte-Anforderungsverordnung IMA-VO“ beigezogen?

33)  Werden Sie insbesondere auch auf Grund der Entwicklungen und Erfahrungen aus Deutschland die IMA-VO dahingehend überarbeiten, dass einzelne Funktionalitäten des Smart Meters wie beispielsweise Fernabschaltefunktion, tägliche Datenübermittlung, Viertelstundenintervalle und Kommunikation mit anderen Messgeräten nicht mehr zwingend vorgeschrieben sind und damit Kosten gespart und die Durchführung eines echten Opt-Outs möglich wird?

34)  Wenn nein, warum nicht?