637/J XXV. GP

Eingelangt am 14.02.2014
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Anfrage

 

 

der Abgeordneten Weigerstorfer, Steinbichler

Kolleginnen und Kollegen

 

an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

betreffend Erhöhter Mehrwertsteuersatz für Pferdehalter“

 

Der mit Jänner 2014 in Kraft getretene Wartungserlass zur Umsatzsteuerrichtlinie bedeutet für landwirtschaftliche Pferdeeinsteller und Pferdebesitzer eine gleichermaßen schmerzhafte Zäsur. Der neue Mehrwertsteuersatz in der Höhe von 20% bedeutet die Verdoppelung der ursprünglichen Abgabe und stellt die Betroffenen teilweise vor existenzielle Probleme.

Vielen bäuerlichen Betrieben, vor allem kleineren, wurde von der Landwirtschaftskammer in der Vergangenheit empfohlen, sich mit Pferdeeinstellplätzen oder mit der Pferdehaltung ein zweites Standbein zu schaffen. Steuerpauschalierte Betriebe haben daher zum Teil hohe Investitionen in die Pferdehaltung getätigt, ohne den Vorsteuerabzug beansprucht zu haben. Liegen die Investitionen mehr als 10 Jahre zurück, schauen die betroffenen Betriebe nun „durch die Finger.“

Darüber hinaus werden die Betriebe die Steuererhöhung an die Pferdehalter weitergeben müssen, was zu einer Reduktion der Anzahl eingestellter Pferden führen wird, da die Pferdehalter sich ihre Tiere nicht mehr leisten können bzw. wollen, was wiederum die Nachfrage nach Einstellplätzen drückt. Die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes setzt einen Negativkreislauf in Gang, den niemand wirklich will.

Die Plattform „Pferd Austria“ gab 2010 zum Thema „Wirtschaftsfaktor Pferd“ eine Studie in Auftrag, die sehr aufschlussreiche Ergebnisse brachte. So wird in der Studie u.a. folgendes festgehalten:

„Das Thema „Pferd“ steht für ein komplexes und heterogenes Feld an Wirtschaftsaktivitäten. Von der Gummi- und Kunststoffwarenindustrie bis zum Versicherungswesen profitiert ein breites Branchenspektrum, manchmal als Zulieferer eines Zulieferers oder Dienstleister eines Dienstleisters. Der Wirtschaftsfaktor „Pferd“ generiert in Österreichs Volkswirtschaft eine Produktion im Wert von 1,19 bis 1,26 Mrd. EUR.“[1]

Die Studie errechnete u.a., dass jedes zusätzliche Pferd gesamtwirtschaftlich einen zusätzlichen Produktionswert von € 12.000 bis € 14.800 bringt. D.h. jedes Pferd, das nun aufgrund des erhöhten Mehrwertsteuersatzes nicht angeschafft, eingestellt und gepflegt wird, schmälert den volkswirtschaftlich möglichen Ertrag um knapp € 15.000.

Das Pferd ist in unserer Gesellschaft über seine Rolle als Arbeitstier, Handelsware und Luxusgut längst zum Kulturgut gewachsen, das weit über seine ökonomische Bedeutung hinaus auch etwa im Gesundheitsbereich eine immer stärkere Rolle spielt, wie am Einsatz tiergestützter Therapien gut ablesbar ist. Die Bedeutung des Pferdes für den Menschen und die tatsächliche Wahrnehmung der Verantwortung des Menschen für das Pferd sagt viel über die Befindlichkeit einer Gesellschaft aus.

Die deutsche „Gesellschaft für Pferdemedizin“ etwa definiert ethische Grundsätze zum Umgang mit Pferden und hält zu Beginn ihrer Überlegungen folgendes fest:

„Seit nunmehr rund 5.000 Jahren steht das Pferd im Dienst des Menschen. Die Entwicklungsgeschichte des Pferdes war und ist eng verbunden mit der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Entwicklung der menschlichen Zivilisation. In dem Maße, in dem der Mensch heute über das Pferd, seine Nutzung und seinen Fortbestand bestimmt, muss er sich stets seiner Verantwortung dem Pferd gegenüber bewusst sein.“[2]

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an den Herrn Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft nachstehende Anfrage:

 

1)     Sehen Sie bzw. Ihre Ressort Möglichkeiten, den EU-rechtlichen Vorgaben betreffend die gegenständliche Verordnung zu entsprechen, ohne eine Erhöhung der Mehrwertsteuer für Pferdeeinsteller zu bewirken?

Wenn ja, welche derartigen Alternativen sind das und welche davon würden Sie wahrnehmen?

2)     Gab oder gibt es von Ihnen bzw. von Seiten Ihres Ressorts Kontakte zu relevanten EU-Stellen, deren Art geeignet waren/sind, die gegenständliche Mehrwertsteuererhöhung zu verhindern bzw. rückgängig zu machen?

a)     Wenn ja, was haben diese Kontakte ergeben?

b)     Wenn nein, warum nicht?

3)     Können Sie die Argumentation der Studie „Wirtschaftsfaktor Pferd“ nachvollziehen und halten Sie bzw. Ihr Ressort die errechneten Daten und Fakten für realistisch?

a)     Wenn ja, wie beurteilen Sie bzw. Ihr Ressort die Kosten-Nutzen Relation der gegenständlichen Mehrwertsteuererhöhung und die Auswirkung auf die in der Studie genannte Zahl von Arbeitsplätzen?

b)     Wenn nein, welche Bedeutung messen Sie dem „Wirtschaftsfaktor Pferd“ bei?

4)     Wie stehen Sie als Landwirtschaftsminister zu der Verdoppelung der Mehrwertsteuer für Pferdeeinsteller unter Berücksichtigung der Ergebnisse der o.a. Studie?

5)     Wurden von Ihrem Ressort die Auswirkungen dieser Steuererhöhung errechnet bzw. geschätzt?

a)     Wenn ja, wie hoch veranschlagt Ihr Ressort den Effekt dieser Abgabe?

b)     Wenn nein, warum nicht?

6)     Sind in Ihrem Ressort Proteste in mündlicher oder schriftlicher Form gegen die Erhöhung der Mehrwertsteuer eingelangt?

Wenn ja, können Sie diese beziffern und was war der Haupttenor?

7)     Hat der Finanzminister vor Ausfolgung des Erlasses mit Ihnen das  Einvernehmen hergestellt bzw. Sie über die Auswirkungen informiert?

a)     Wenn ja, wie begründen Sie Ihr Einvernehmen mit dem Finanzminister?

b)     Wenn nein, in welcher Form haben Sie dann Ihre Zustimmung zum Erlass gegeben?

8)     Haben Sie bzw. Ihr Ressort Änderungsvorschläge am Begutachtungsentwurf zur gegenständlichen Verordnung angeregt, die geeignet waren,  die negativen Auswirkungen der Mehrwertsteuererhöhung hintanzuhalten?

a)     Wenn ja, welche Vorschläge waren das konkret?

b)     Wenn nein, warum nicht?

 

9)     Welche Empfehlungen können Sie bzw. Ihr Ressort geben, um den negativen Eingriff des gegenständlichen Erlasses für die Pferdeeinsteller zu kompensieren?



[1] Pferd Austria, die Plattform für das Pferd in Österreich, www.pferdaustria.info

[2] http://www.g-p-m.org/public/ethik.shtml