6634/J XXV. GP

Eingelangt am 28.09.2015
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Anfrage

 

der Abgeordneten Peter Pilz, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres

betreffend das Urteil gegen Khadija Ismayilova

BEGRÜNDUNG

 

Anfang 2014 wurde der regimekritischen aserbaidschanischen Journalistin Khadija Ismayilova vorgeworfen, bei einem Treffen mit US-PolitikerInnen „Staatsgeheimnisse“ weitergegeben zu haben. Es folgten anonyme Drohungen gegen Ismayilova, versteckte Kameras in ihrem Schlafzimmer und schließlich ein stundenlanges Verhör am Flughafen Baku nach ihrer Reise zum EU-Parlament in Straßburg.

Im Dezember 2014 wurde der Bürgerrechtlerin vorgeworfen ihren Kollegen beinahe in den Selbstmord getrieben zu haben, obwohl das angebliche Opfer alle gegen Ismayilova erhobenen Anschuldigungen zurückwies. Die Journalistin wurde am 5. Dezember festgenommen und befand sich seither in Untersuchungshaft.

Ismayilova ist Mitglied des ICIJ (International Consortium of Investigative Journalists) sowie Mitarbeiterin des Senders Radio Free Europe/Radio Liberty und berichtet seit Jahren über undurchsichtige Firmengeflechte und korrupte Geschäftspraktiken der aserbaidschanischen Präsidentenfamilie Aliyev (nicht zu verwechseln mit dem Präsidenten Kasachstans Mukhtar Aliyev). So deckte sie unter anderem Verbindungen von Aliyevs Töchtern zu Aserbaidschans Telekomanbieter Azercell und mit einem Team des ICIJ ein Netzwerk von Offshore-Firmen der Familie Aliyev auf.

Khadija Ismayilova wurde für ihre hervorragende investigative Arbeit eine Vielzahl von Preisen wie der Alison-Des-Forges-Award für außergewöhnliches Engagement 2015 und der 2015 PEN Barbara Goldsmith Freedom to Write Award verliehen.

Seit 2014 fordern eine Reihe von MenschenrechtsaktivistInnen und Organisationen wie Human Rights Watch und Amnesty International die Freilassung von Ismayilova. Die Präsidentin der parlamentarischen Versammlung des Europarats, die Luxemburgerin Anne Brasseur, zeigte sich bei der Verhaftung Ismayilova im Dezember 2014 schockiert. Im Juni 2015 rief der Europarat Aserbaidschan auf, die "systematische Unterdrückung von Verteidigern von Menschenrechten, Medien und Regierungskritikern" zu beenden.

Am 31. August 2015 wurde die 39-jährige Journalistin in Baku zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt. Die Staatsanwaltschaft warf Ismayilova Steuervergehen, Unterschlagung, Machtmissbrauch, und illegale Geschäftstätigkeit vor. Die Journalistin wies alle Vorwürfe als absurd zurück. Von dem ursprünglichen Vorwurf der Aufforderung eines Kollegen zum Selbstmord wurde Ismayilova freigesprochen. Vor dem Urteil sagte sie: „My colleagues and I expose corruption and lawlessness. I won't be able to carry out this work while in prison. But the initiative by 100 journalists from around the world getting together to start a global investigative reporting operation made me really happy. Yes, I might be in prison, but the work will continue. Because the work we do is very important. We wrote, informed the community, even if the price for it was arrest and blackmail. But I am still happy that I fulfilled my job. We, journalists, managed to stand for our people and our state. Corruption, not only enriches some people, it also deprives others from opportunities, education, health services, and sometimes even life.[1] BeobachterInnen und MenschenrechtsexpertInnen sehen das Verfahren als politisch motiviert.

Aserbaidschan befindet sich mitten in einer Menschenrechtskrise. Die Anzahl der politischen Gefangenen steigt stetig und kritische JournalistInnen und Oppositionelle werden systematisch unterdrückt, verfolgt und bestraft. Auch Leyla Yunus, eine andere renommierte Bürgerrechtlerin, wurde vor Kurzem zu achteinhalb Jahren Gefängnis verurteilt; Yunus‘ Ehemann erhielt sieben Jahre. Das Land ist laut einem aktuellen Ranking der NGO Reporter ohne Grenzen betreffend Pressefreiheit auf Platz 162 von 180 Ländern. Aserbaidschans Behörden gehen seit Jahren nach immer demselben Muster - Anklage (meist wegen Steuervergehen, Drogenbesitz oder Unterstützung einer terroristischen Organisation), Verfahren, Verurteilung - gegen KritikerInnen vor.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Das Außenministerium der Vereinigten Staaten hat das Verfahren gegen Ismayilova öffentlich verurteilt und zeigte sich über das Urteil schwer bestürzt. "We urge the government of Azerbaijan to release Ms. Ismayilova and others incarcerated in connection with exercising their fundamental freedoms", heißt es in einer offiziellen Stellungnahme. "We also call on the government of Azerbaijan to adhere to its international obligations to protect and promote human rights and fundamental freedoms of all its citizens.“[2]                       

 

Hat auch das Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres eine Stellungnahme zu der Verurteilung von Khadija Ismayilova abgegeben?

 

2)    Falls nein: Weshalb nicht?

 

3)    Ist seitens des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres eine Stellungnahme zu erwarten?

 

4)    Wird diese Stellungnahme ebenfalls die Freilassung von Khadija Ismayilova fordern?

 

5)    Welche konkreten Forderungen stellen Sie an die aserbaidschanische Regierung?

 

6)    Im Dezember 2014, bereits nach der Verhaftung von Ismayilova, verkündeten Sie anlässlich des internationalen Tages der Menschenrechte, dass Sie sich „weiterhin mit aller Kraft für Menschenrechte einsetzen“ [3] werden.

 

Wie sieht dieser Einsatz „mit aller Kraft“ in Bezug auf Khadija Ismayilova aus und wird dieser über eine offizielle Stellungnahme hinausgehen?

 

7)    Werden Sie betreffend die Inhaftierung von kritischen JournalistInnen wie Ismayilova und Yunus ein direktes Gespräch mit der Regierung Aserbaidschans suchen?

 

8)    Im September 2014 sprachen Sie bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Außenminister Aserbaidschans über die dortige Menschenrechtslage und bedauerten, dass Baku im Vorfeld des Besuchs einer begleitenden österreichischen Journalistin die Einreise verweigert hatte. Sie erklärten auch, dass dieser Fall nur einer von vielen sei, in denen internationale JournalistInnen in ihrer Arbeit behindert werden würden.

 

Welche konkreten Bemühungen gingen seit Ihrem Besuch in Aserbaidschan 2014 seitens des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres aus, um die dortige Menschenrechtslage und insbesondere die Lage von kritischen JournalistInnen zu verbessern?

 

9)     Werden Sie einen zukünftigen Besuch der aserbaidschanischen Regierung ablehnen sollte österreichischen JournalistInnen erneut die Einreise verwehrt werden oder akzeptieren Sie diesen Umstand?

 

10)  Welche Initiativen kann und wird Österreich setzen um kritische JournalistInnen in Aserbaidschan, einem Land, das Mitglied von OSZE und UNO ist, zu unterstützen?



[1] http://www.azadliq.org/content/article/27218180.html

[2] http://www.state.gov/r/pa/prs/ps/2015/09/246534.htm

[3] http://www.bmeia.gv.at/das-ministerium/presse/aussendungen/2014/12/kurz-religioese-gewalttaten-sind-alarmsignal/