7545/J XXV. GP

Eingelangt am 21.12.2015
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Anfrage

 

der Abgeordneten Georg Willi, Mag.a Christiane Brunner, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend Kontrolle der Abgasminderungseinrichtungen von Kraftfahrzeugen

 

Die LandesumweltreferentInnenkonferenz hat bei ihrer Tagung im Mai 2015 in Pörtschach am Wörthersee auf Antrag des Landes Wien folgenden Beschluss gefasst (Hervorhebung durch die Anfragesteller):

 

Die LandesumweltreferentInnenkonferenz hält fest:

Abgasminderungseinrichtungen bei Kraftfahrzeugen stellen ein wesentliches Element in der Luftreinhaltung dar.

Aufgrund der leicht zugänglichen Methoden, in die Motorsteuerung einzugreifen (vgl. die vielfältigen Angebote im Internet zum Chip-Tuning), liegt nahe, dass von diesen Angeboten auch Gebrauch gemacht wird.

Der Herr Bundesminister für Verkehr, Infrastruktur und Technologie wird ersucht,  gemeinsam mit dem Herrn Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft folgende Themen kritisch zu hinterfragen:

·         „Ist die derzeit gepflegte Praxis der Abgasüberprüfung von Diesel-Kfz geeignet, um die Funktionsfähigkeit der Abgasnachbehandlungssysteme von Diesel-Kfz hinreichend zu überprüfen?

·         Wurden auf österreichischen Straßen bereits Fahrzeuge registriert, bei denen verbotenerweise in das Motormanagement bzw. in die Abgasnachbehandlung eingegriffen wurde mit dem Ergebnis massiv erhöhter Luftschadstoffemissionen?

·         Wenn ja, existieren Informationen, die eine Quantifizierung hinsichtlich der Auswirkungen auf Flottenemissionen erlauben und damit eine qualitative Einschätzung des Handlungsbedarfs?

·         Welche konkreten Schritte werden gegen solche verbotenen Manipulationen gesetzt?“

Die LandesumweltreferentInnenkonferenz ersucht den Herrn Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft in der Folge um Berichtlegung.“

 

Die dahinterliegende Problemstellung ist folgendermaßen zu umreißen:

Der Verkehr verursacht zB im Jahr 2013 (Bezugsjahr der letzten veröffentlichten Bundesländer-Luftschadstoffinventur des Umweltbundesamtes vom November 2015) 56 % der österreichischen Stickoxid/NOX-Emissionen sowie 20% der Feinststaub PM2.5-Emissionen und 18% der Feinstaub PM10-Emissionen. Ein großer Teil davon entfällt auf den Straßenverkehr. Die Gesamtemissionen des Straßenverkehrs werden neben dem Verkehrsaufkommen vor allem durch die Emissionen der Einzelfahrzeuge bestimmt, die durch Verordnungen der EU-Kommission reguliert werden („Euro-Klassen“), derzeit aktuell ist für PKW die Emissionsklasse EURO 6.

Emissionsreduktionen werden bei Diesel-Kfz im Wesentlichen durch die Motorsteuerung, den Einsatz von geschlossenen Dieselpartikelfiltersystemen sowie Einheiten zur Stickoxidreduktion unter Zudosierung einer Harnstofflösung bewirkt (selektive katalytische Reduktion „SCR“). Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass ein gegenüber früheren Euro-Klassen niedrigeres Emissionsniveau von modernen Kraftfahrzeugen nur im Fall funktionstüchtiger Abgasnachbehandlungssysteme möglich ist, andernfalls steigen die Emissionen der Fahrzeuge massiv an.

Dieser Zusammenhang erfordert zur Sicherstellung der Wirksamkeit der emissionsmindernden Maßnahmen auch die Möglichkeit einer adäquaten Überprüfung von Fahrzeugen, zB im Rahmen der wiederkehrenden Überprüfung gem. §57a des Kraftfahrgesetzes (KFG BGBl 1967/ 267 idgF) oder der Prüfung an Ort und Stelle gem. §58 KFG.

Zu bezweifeln ist, ob die derzeit (Prüf- und Begutachtungsstellenverordnung BGBl. II Nr. 78/1998) vorgeschriebene Prüfmethode der Trübungsmessung im Abgas von Dieselfahrzeugen als Hinweis auf die Partikelemissionen (Stickoxide werden bei Diesel-Kfz gar nicht überprüft!) den technischen Anforderungen bei modernen Kraftfahrzeugen hinreichend entspricht.

Das gilt umso mehr, als u.a. über Internetvertriebe Gerätschaften einfach und zu sehr geringen Kosten zu erwerben sind, die manipulierend in die emissionsmindernde Hard- und Software der Fahrzeuge eingreifen. Dabei geht es beispielsweise um

a)    Geräte, die die Harnstoffzugabe für die Stickoxidreduktion ausschalten („Adblue – Emulator“) oder reduzieren, mit dem Vorteil geringerer Betriebskosten.

b)    Außerdem wird verbreitet über Chiptuning in das Motormanagement eingegriffen, um z.B. die Leistung zu erhöhen, was regelmäßig Veränderungen des Verbrauchs und/oder des Emissionsverhaltens zur Folge hat.

c)    Auch das Entfernen bzw. Deaktivieren von Dieselpartikelfiltern zur Leistungssteigerung bei geringerem Verbrauch wird offen angeboten (siehe zB www.dpf-deaktivieren.at).

d)    Ebenso wird die Deaktivierung der Abgasrückführung und sogar die Deaktivierung von Katalysator/Lambdasonde kommerziell angeboten.

Hinsichtlich der Emissionen an Stickoxiden und Partikeln bewirken diese (verbotenen und wettbewerbsverzerrenden) Manipulationen massive Verschlechterungen.

Im Hinblick auf

·         die gravierende Gesundheits- und Umweltbelastung durch die erwähnten Schadstoffgruppen

sowie auf

·         die wegen europarechtswidrig zu hohen Emissionen und Immissionen bestehenden Auseinandersetzungen mit der EU-Kommission (vgl. zB Pilotverfahren …), die letztlich bis zu Strafzahlungen der Republik Österreich führen könnten,

wäre

1.    zügigstmögliche Befassung mit den im LandesumweltreferentInnenkonferenz-Beschluss vom Mai 2015 aufgeworfenen Fragen,

2.    zügigstmögliche Beantwortung bzw Berichtslegung und

3.    zügigstmögliches entsprechendes Tätigwerden

geboten.

 

Da bei den entsprechend manipulierten Fahrzeuge auch die Konformität mit der Typisierung nicht mehr gegeben ist, müssten auch aus diesem Titel entsprechende Kontrollen und vor allem entsprechende Maßnahmen (Strafen, Zulassungsentzug) getätigt werden.

Da Anbieter entsprechender Manipulations-Dienste auch Leistungen für Produkte aus dem Landmaschinen- und Baumaschinen-Segment anbieten (zB für in „New Holland“-Modellen verbaute Steuergeräte), wären über den Bereich der PKW und LNF hinaus auch in diesem Kraftfahrzeug-Segment entsprechende Kontrollen und gegebenenfalls Sanktionen erforderlich.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    „Ist die derzeit gepflegte Praxis der Abgasüberprüfung von Diesel-Kfz geeignet, um die Funktionsfähigkeit der Abgasnachbehandlungssysteme von Diesel-Kfz hinreichend zu überprüfen?“

2)    Wenn ja, auf welche konkreten

a) Analysen,

b) Studien,

c) Fachmeinungen innerhalb des Ressorts,

d) Fachmeinungen außerhalb des Ressorts

stützt sich Ihre Einschätzung?

3)    Wenn nein, auf welche konkreten

a) Analysen,

b) Studien,

c) Fachmeinungen innerhalb des Ressorts,

d) Fachmeinungen außerhalb des Ressorts stützt sich Ihre Einschätzung

und welche Konsequenzen

e) haben Sie daraus bereits gezogen

f) werden Sie daraus bis wann konkret ziehen?

 

4)    „Wurden auf österreichischen Straßen bereits Fahrzeuge registriert, bei denen verbotenerweise in das Motormanagement bzw. in die Abgasnachbehandlung eingegriffen wurde (zB: Ausschalten oder Reduzieren der Harnstoff-Zugabe, leistungserhöhendes „konventionelles“ Chiptuning, Entfernen bzw Deaktivieren von Dieselpartikelfiltern, Deaktivierung der Abgasrückführung, Deaktivierung von Katalysator/Lambdasonde) mit dem Ergebnis erhöhter Luftschadstoffemissionen?“

 

5)    „Wenn ja: existieren Informationen, die eine Quantifizierung hinsichtlich der Auswirkungen auf Flottenemissionen erlauben und damit eine qualitative Einschätzung des Handlungsbedarfs?“

6)    Wenn ja:

a) Wieviele manipulierte Fahrzeuge waren dies je Kalenderjahr in den Jahren 2010 bis 2015,

b) bei welchen Überprüfungen auf welcher Rechtsgrundlage wurden diese Fahrzeuge registriert,

c) welche Fahrzeugkategorien (insbesondere: einspurige Kfz, PKW, LNF, landwirtschaftliche Zugmaschinen) waren in welcher Zahl betroffen,

d) welche konkreten Manipulationen (zB: Ausschalten oder Reduzieren der Harnstoff-Zugabe, leistungserhöhendes „konventionelles“ Chiptuning, Entfernen bzw Deaktivieren von Dieselpartikelfiltern, Deaktivierung der Abgasrückführung, Deaktivierung von Katalysator/Lambdasonde) und welche konkrete Erhöhung welcher Luftschadstoffemissionen wurde dabei maximal sowie wie im Durchschnitt je Kalenderjahr festgestellt?

7)    Wenn nein – warum konnten trotz der, siehe Anfragebegründung, offensichtlich verbreiteten und zu geringen Kosten zB über das Internet oder regionale „Vertriebspartner“ erhältlichen Manipulations-Bauteile oder -Programme keine derart ausgerüsteten Fahrzeuge registriert werden?

 

8)    „Welche konkreten Schritte wurden und werden gegen solche verbotenen Manipulationen gesetzt?“

Wir ersuchen neben einer generellen Antwort insbesondere um die konkrete Benennung entsprechender behördlicher Bescheide, Erlässe, Rundschreiben und dergleichen samt Geschäftszahl und Datum.

9)    Falls konkrete Schritte gesetzt wurden – welchen Erfolg hatten diese Schritte, und auf welche konkreten

a) Analysen,

b) Studien,

c) Fachmeinungen innerhalb des Ressorts,

d) Fachmeinungen außerhalb des Ressorts

stützt sich Ihre Angabe dazu?

10) Falls keine konkreten Schritte gesetzt wurden – warum nicht?

11) Wer außer Ihnen könnte bzw müsste derartige konkrete Schritte setzen?

 

12) Gibt es konkret anwendbare Sanktionen auf Basis österreichischer Gesetze a) für Anbieter von Manipulationen (zB: Ausschalten oder Reduzieren der Harnstoff-Zugabe, leistungserhöhendes „konventionelles“ Chiptuning, Entfernen bzw Deaktivieren von Dieselpartikelfiltern, Deaktivierung der Abgasrückführung, Deaktivierung von Katalysator/Lambdasonde), b) für Besitzer entsprechend manipulierter, im öffentlichen Straßenverkehr zugelassener und verwendeter Kfz?

13) Wenn ja, welche?

 

14) Welche konkreten Maßnahmen haben Sie wann gesetzt bzw. veranlasst, um die Konsequenzen daraus zu ziehen, dass durch Manipulationen wie Ausschalten oder Reduzieren der Harnstoff-Zugabe, leistungserhöhendes „konventionelles“ Chiptuning, Entfernen bzw Deaktivieren von Dieselpartikelfiltern, Deaktivierung der Abgasrückführung, Deaktivierung von Katalysator/Lambdasonde die Konformität der entsprechend manipulierten Fahrzeuge mit ihrer Typisierung nicht mehr gegeben ist?

15) Falls Sie keine konkreten Maßnahmen gesetzt bzw. veranlasst haben: Warum im Einzelnen nicht?

 

16) Welche Maßnahmen haben Sie wann gesetzt bzw. veranlasst, um emissionsrelevante Manipulationen an der Motorsteuerung von Land- und/oder Baumaschinen a) zu kontrollieren, b) zu sanktionieren?

17) Falls keine konkreten Maßnahmen gesetzt wurden – warum nicht?

18) Wer außer Ihnen könnte bzw müsste derartige konkrete Maßnahmen setzen?