7616/J XXV. GP

Eingelangt am 15.01.2016
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Anfrage

der Abgeordneten Peter Pilz, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres

betreffend österreichische Splittergranaten in Saudi-Arabien

BEGRÜNDUNG

Am 12. Dezember 2014 kam es zu einer großangelegten Operation saudischer Sicherheitskräfte mit rund 100 Mitgliedern der Special Security Forces des saudischen  Innenministeriums in der Stadt al-Awamiya. Dabei wurden fünf Zivilisten getötet und zahlreiche weitere verletzt, 50 Wohnhäuser, 21 Geschäfte und 70 Autos  beschädigt und zum Teil zerstört.

Dabei führten die Einsatzkräfte auch Granaten vom Typ HE-DP92 mit sich. Einwohner von al-Awamiya sammelten nach dem Angriff Granathülsen und nicht verschossene Munition und dokumentierten die Funde mit Fotos. Diese Bilder wurden von der Organisation „Americans for Democracy and Human Rights in Bahrein“ veröffentlicht.

Diese Granate des Typs HEDP92 wurde demnach in al-Awamiya nach dem Einsatz aufgefunden:

Es handelt sich dabei um eine Splittergranate, die von der österreichischen Rheinmetall Waffe Munition Arges GmbH in Schwanenstadt hergestellt wird.

Sie wird etwa im Katalog eines italienischen Waffenhändlers näher beschrieben[1]:

 

 

Demnach handelt es sich um eine Splittergranate mit letaler Wirkung, die auch bis zu 40mm starken Stahl durchdringen kann.

Global Security beschreibt die Granate und ihren österreichischen Hersteller:

40mm High Explosive Dual Purpose (HEDP) Improvement

In 2004 the Marine Corps received funding from the Office of the Secretary of Defense to execute a Foreign Comparative Test (FCT) program on a 40mm lowvelocity, high-explosive, dual-purpose (HEDP) cartridge. The FCT program is designed to take advantage of this foreign technology and couple it with the US improvements in IM-complaint energetics that will provide the warfighter with a safer and more lethal round. The FCT Program initially evaluated several rounds.

The Nico Pyrotechnik/Rhinemetall DM12 is a German-made cartridge was type classified by the Germany Ministry of Defense in 1998. The cartridge uses a coppershaped charge cone inside a pre-fragmented body and a base fuze with a mechanical self-destruct mechanism.

The SNC TEC/ARGES HE-DP92 cartridge is a product of a partnership between the Canadian firm (SNC TEC) and an Austrian company (Armaturen-Gesellschaft M.B.H (ARGES). This cartridge has been type-qualified by several NATO Allies, including the Netherlands Army and Ireland. This design employs a shaped charge warhead with prefragmented steel balls and a base fuze with pyrotechnic self-destruct mechanism.

Auch die Tätigkeitsbeschreibung der RWM Arges zeigt, dass das Unternehmen ausschließlich militärische Produkte herstellt.

Tätigkeitsbeschreibung:
Eingetragener Gegenstand: Entwicklung und Produktion von militärischen Produkten, Übungsmunition und Gefechtsmunition, Handgranaten und 40 mm Munition nach Nato-Standard. Freie Bezeichnung "ARGES" Importländer: Deutschland, Skandinavien, Frankreich, Schweden, Schweiz, USA Exportländer: Fernost, Skandinavien, USA, EU-Raum, Kanada

Im Jänner 2010 genehmigte das BMI den Export von 9000 Stück HE-DP92-Granaten mit dem Kaliber 40 mmm an das saudische Innenministerium. Weder Innenministerin Maria Fekter noch Außenminister Michael Spindelegger hatten einen Einwand gegen die Lieferung an das saudische Regime. Es ist davon auszugehen, dass die katastrophale Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien im Außenministerium hinlänglich bekannt war und damit dort klar war, dass aus diesem Grund der Exportantrag abzulehnen gewesen wäre. Trotzdem kam es zu einer positiven Stellungahme des BMeiA.

Die 9000 Granaten wurden nach Saudi-Arabien geliefert und dort an die Special Forces ausgegeben.

2012 versuchte RWM Arges ein weiteres Mal Granaten nach Saudi-Arabien zu exportieren. Inzwischen war Fekter durch Johanna Mikl-Leitner als Ministerin abgelöst worden. Dieselben Beamten, die 2010 genehmigt hatten, lehnten im Mai 2012 den Antrag, 3000 Stück HE-DP92 nach Saudi Arabien ausführen zu dürfen, auf Basis des Kriegsmaterialgesetzes mit Bescheid ab.

Im Jänner 2014 startete RWM Arges einen dritten Versuch. Eine Voranfrage, 9000 Stück HE-DP92 nach Saudi Arabien ausführen zu dürfen, wurde vom BMI negativ beantwortet. Damit ist klar belegt, dass auch bei Rheinmetall kein Zweifel daran bestand, dass es sich bei den Granaten um Kriegsmaterial handelt.

Die Rheinmetall-Granaten sind nachweislich nach Saudi-Arabien ausgeführt und dort offensichtlich gegen Zivilisten eingesetzt worden. Auch im BMI war 2010 bekannt, was Amnesty International im Jahresbericht über „Antiterrormaßnahmen und Sicherheit“ zusammenfasste:

Unter Berufung auf Sicherheitsbelange und den Kampf gegen den Terrorismus wandten die Behörden eine Vielzahl repressiver Maßnahmen an und unterwanderten damit zaghafte Gesetzesreformen. Die Antiterrorgesetze mit ihren vagen und allgemein gehaltenen Formulierungen wurden benutzt, um die friedliche Wahrnehmung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und andere legitime Handlungen zu unterbinden. Die Sicherheitskräfte hielten sich nicht einmal an diese Gesetze, da sie mit Straffreiheit rechnen konnten. [...]

Amnesty berichtet weiter:

Die Behörden nahmen 2009 mehrere hundert Menschen unter Berufung auf Sicherheitsbelange fest. Tausende Menschen, die bereits in den vergangenen Jahren inhaftiert waren, blieben unter geheim gehaltenen Umständen in Gewahrsam der Behörden.

Dazu kamen 2009:

69 Hinrichtungen

141 Gefangene in Todeszellen

zahlreiche Auspeitschungen...

Das Kriegsmaterialgesetz spricht hier eine klare Sprache. Nach § 3 (1) Z 3 gilt, dass

die Aus- oder Durchfuhr nicht in ein Bestimmungsland erfolgen soll, in dem auf  Grund schwerer und wiederholter Menschenrechtsverletzungen die Gefahr besteht, dass das gelieferte Kriegsmaterial zur Unterdrückung von Menschenrechten verwendet wird.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

 


ANFRAGE

 

1)    In wie vielen Verfahren nach § 1 und 3  KMG auf Bewilligung der Ausfuhr von Granaten der Type HE-DP92  der RMW ARGES GmBH hat seit dem Jahr 2000 das Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten eine Stellungnahme abgeben?

2)    Um welche Zielstaaten und Stückzahlen handelte es sich dabei jeweils, wann wurden die entsprechenden Anträge gestellt und wurde zu den jeweiligen Anträgen eine positive oder eine negative Stellungnahme abgegeben?

3)    Gab es neben diesen Anträgen auch informelle Anfragen im Sinne einer Vorabklärung der Exportmöglichkeit?

4)    Falls ja: wie viele, wann, und um welche Stückzahlen und Zielstaaten ging es dabei jeweils?

5)    Wurde jemals seitens des BMeiA zur Ausfuhr derartiger Granaten nach Saudi-Arabien eine positive Stellungnahme abgegeben, und falls ja wann und betreffend welcher Stückzahl?

6)    War zum Zeitpunkt der positiven Stellungnahmen bekannt, dass es in Saudi Arabien ständig zu schweren und wiederholten Menschenrechtsverletzungen gerade durch die Kräfte des saudischen Innenministeriums kommt?

7)    Warum hat das BMeiA im Jänner 2010 trotz dieser klaren gesetzlichen Bestimmung des § 3 Abs 1 Z 3 KMG keine Einwände gegen den Export von 9000 Splittergranaten an das saudische Innenministerium erhoben?

8)    Hat sich der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten für eine positive Erledigung eines Exportantrags der ARGES eingesetzt?

9)    Wie hat Außenminister Spindelegger 2009/2010 in diesem Zusammenhang die Menschenrechtssituation in Saudi Arabien eingeschätzt?

10)  Wie lautete die positive Stellungnahme des BMeiA im Jahr 2010?

11) Seit wann ist dem BMeiA bekannt, dass die ARGES-Granaten gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt werden?

12) War die Fortsetzung der Lieferung von Kriegsmaterial an Saudi-Arabien Thema im Zuge der Verhandlungen über die Einrichtung des „KAICIID-Dialogzentrums“ in Wien?

13) Zu welchen weiteren Lieferungen von Kriegsmaterial an Saudi-Arabien hat das BMeiA seit dem Jahr 2000 eine positive Stellungnahme abgegeben?

14) Zu welchen Lieferungen von Kriegsmaterial an Saudi-Arabien hat das BMeiA seit dem Jahr 2000 eine negative Stellungnahme abgegeben?



[1] http://www.angelopodesta.com/cataloghi/infantry_and_law_enforcement.pdf