8572/J XXV. GP

Eingelangt am 08.03.2016
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Ing. Norbert Hofer

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Justiz

betreffend Einstellung eines Ermittlungsverfahrens betreffend schwersten sexuellen Missbrauch und Kinderpornographie

 

Frau Gertraud Maria Antonia S. hat am 2. Juli 2013 Anzeige gegen ihren Großvater, Adolf H., wegen schwersten sexuellen Missbrauchs beim LKA Oberösterreich erstattet. Im Zuge des Verfahrens mit der Aktenzahl 48 Bl 19/15a-7 wurde bekannt, dass auch die Tante des Mädchens, Frau Dr. Eva-Maria H. zwischen ihrem 2. und 10. Lebensjahr regelmäßig durch Adolf H. oral und anal missbraucht wurde. Die beiden Frauen wurden während des Verfahrens psychologisch betreut. Von Frau Gertraud Maria Antonia S. wurde ein psychologisches Gutachten erstellt, da ihre Aussagen durch „Flashbacks“ ausgelöst wurden. Dieses Gutachten bestätigte, dass ihre Aussagen in jedem Fall glaubhaft seien. Weiters sagte Frau Gertraud Maria Antonia S. auch aus, dass ihr erinnerlich sei, dass mit einer Sofortbildkamera kinderpornographische Fotos gemacht worden seien. Der sexuelle Missbrauch, im Zuge dessen auch Fesselungen verwendet wurden, fand immer während des Mittagsschlafes mit dem Großvater statt.

Neben dem Großvater beschuldigen die beiden Frauen auch die Großmutter, von den Vorkommnissen gewusst und diese vertuscht zu haben und sogar „Schmiere gestanden“ zu haben. Die beiden Beschuldigten leugnen die Tat. Sie bestreiten weiters, jemals eine Sofortbildkamera besessen zu haben. Ebenso wie die Tatsache, dass Gertraud Maria Antonia S. gemeinsam mit ihrem Großvater Mittagsschlaf gehalten habe. Beide Tatsachen werden aber sowohl von den Eltern der jungen Frau, Dr. Andreas S. und Dr. Gertraud S., als auch von der Tante, Dr. Eva-Maria H., bestätigt und bezeugt.

Die Staatsanwaltschaft hat das Strafverfahren mit der Begründung eingestellt, dass die Erinnerungen von Gertraud Maria Antonia S. nur Flashbacks seien und es keine körperlichen Verletzungen gegeben habe. Die Zeugenaussage von Dr. Eva-Maria H., im Zuge derer sie ausführte, von ihrem Vater (dem Großvater der anzeigenden Gertraud Maria Antonia S.) rund 1000 Mal vergewaltigt worden zu sein, ist in keinster Weise gewürdigt worden.

Des Weiteren hat die Staatsanwaltschaft trotz Hinweisen auf die Polaroid-Sofortbildkamera und die mit dieser angefertigten Fotos kinderpornographischen Inhalts, keinerlei Hausdurchsuchung angeordnet. Dies mit der Begründung, dass das Hausrecht der Beschuldigten höher zu bewerten sei, als das Sicherstellen von Beweismitteln bei einer Straftat gegen Unmündige, die mit 5 bis 15 Jahren Haft geahndet wird.

Mit Beschluss vom 23. April 2015 des Landesgerichtes Eisenstadt wurde durch den Präsidenten des Landesgerichts Dr. Karl Mitterhöfer als Vorsitzenden, sowie die Richterinnen Mag. Birgit Falb und Dr. Karin Lückl als weitere Senatsmitglieder der Antrag auf Fortführung des Strafverfahrens abgewiesen.

In diesem Beschluss führt das Gericht aus, dass, als Korrektiv für die ausschließlich in die Kompetenz der Staatsanwaltschaft fallende Verfahrenseinstellung, die Einstellungsentscheidung der Staatsanwaltschaft nach dem klaren Willen des Gesetzgebers lediglich einer Missbrauchskontrolle unterworfen werden soll. Die Staatsanwaltschaft habe eine nahezu exklusive Entscheidungskompetenz (Seite 10 und 11 des Einstellungsbeschlusses). Daher sei Rechtsschutz im Sinne einer Missbrauchskontrolle nur in dem Maß sachgerecht, als die Staatsanwaltschaft den Rahmen bzw. die Grenzen der freien Beweiswürdigung und damit das pflichtgemäße Ermessen überschreitet (Seite 11 des Einstellungsbeschlusses).

Weiters wird auf Seite 12 des Einstellungsbeschlusses dargelegt, dass eine willkürliche oder missbräuchliche Beweiswürdigung durch den Staatsanwalt nicht vorgenommen wurde.

Auf Seite 12 und 13 des Einstellungsantrages erklärt der Dreiersenat, dass der Fortführungswerberin durchaus einzuräumen ist, dass die von ihr im Antrag dargestellten und besprochenen Beweismittel allenfalls auch eine andere Interpretation der Beweisergebnisse zuließen. Allein die Tatsache, dass die Beweisergebnisse auch einen anderen Rückschluss zuließen, bzw. auch in einer anderen Weise interpretierbar sind, rechtfertige keine Abänderung der Entscheidung der Staatsanwaltschaft. Dies wäre nur möglich, wenn eine Beweiswürdigung als geradezu willkürlich zu qualifizieren wäre.

Nach Ansicht des Opfers erfolgte jedoch eine willkürliche Beweiswürdigung durch die Staatsanwaltschaft, weil die Aussagen des Opfers über den Mittagsschlaf, die Sofortbildkamera und das Fesseln von glaubhaften Zeugen bestätigt worden sind. Dies wurde von der Staatsanwaltschaft in keinster Weise berücksichtigt. Die Staatsanwaltschaft hat nur jene Dinge gewürdigt, die eine Einstellung des Verfahrens ermöglichen, insofern ist von einer missbräuchlichen Beweiswürdigung auszugehen.

Es macht den Anschein, als ob sich Staatsanwaltschaft und Gericht komplizierterer Strafverfahren durch vorzeitige Einstellung entledigen möchten, um sich dadurch eine Arbeitserleichterung zu verschaffen.

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterzeichnenden Abgeordneten an den Bundesminister für Justiz folgende

 

Anfrage

1.    Liegen bezüglich Staatsanwalt Mag. Christian Petö bis dato Beschwerden vor und wenn ja, welche?


2.    Liegen bezüglich des Gerichtspräsidenten Dr. Karl Mitterhöfer, sowie der Richterinnen Mag. Birgit Falb und Dr. Karin Lückl Beschwerden vor und wenn ja, welche?

3.    Wie viele Strafverfahren wurden in den Jahren 2008 bis 2014 im Durchschnitt pro Staatsanwalt eingestellt?

4.    Wie viele Strafverfahren wurden in den Jahren 2008 bis 2014 durch Staatsanwalt Mag. Christian Petö eingestellt?

5.    Wie vielen Anträgen auf Fortführung eines Strafverfahrens in Österreich wurde in den Jahren 2008 bis 2014 pro Dreiersenat stattgegeben?

6.    Wie viele Anträge auf Fortführung eines Strafverfahrens in Österreich wurden in den Jahren 2008 bis 2014 pro Dreiersenat abgewiesen?

7.    Wie vielen Anträgen auf Fortführung eines Strafverfahrens wurden in den Jahren 2008 bis 2014 durch den Dreiersenat Dr. Karl Mitterhöfer, Mag. Birgit Falb und Dr. Karin Lückl am Landesgericht Eisenstadt stattgegeben?

8.    Wie viele Anträge auf Fortführung eines Strafverfahrens wurden in den Jahren 2008 bis 2014 durch den Dreiersenat Dr. Karl Mitterhöfer, Mag. Birgit Falb und Dr. Karin Lückl am Landesgericht Eisenstadt abgewiesen?

9.    Werden beim Landesgericht Eisenstadt im Verhältnis mehr Strafverfahren eingestellt als im restlichen Österreich?

10. Wie hoch ist die Durchschnittszahl der eingestellten Strafverfahren im Hinblick auf Sexualdelikte in Österreich pro Staatsanwalt und wie hoch ist sie im Landesgericht Eisenstadt?

11. Sind Sie ebenfalls der Ansicht, dass bei schweren fortgesetzten Sexualdelikten mit einer Strafdrohung von 5 bis 15 Jahren Haft, bei Vorliegen von kinderpornographischem Bildmaterial, das Hausrecht Beschuldigter höher einzustufen ist, als der Opferschutz und daher keine Hausdurchsuchung beim Täter durchgeführt werden darf?

12. Welche Maßnahmen werden Sie als Bundesminister für Justiz bzw. das Ressort, setzen, dass in Zukunft bei Missbrauchsfällen, bei denen auch kinderpornographisches Material angefertigt wurde, Hausdurchsuchungen durchgeführt werden und diese nicht als „nicht erfolgsversprechend“ wie auf Seite 14 des Beschlusses über die Einstellung der Fortführung des Strafverfahrens willkürlich abgetan wird?

13. In diesem Strafverfahren wurde das Opfer bezüglich seiner Aussagefähigkeit einer mehrtätigen psychologischen Untersuchung durch eine Psychologin unterzogen. Die beiden Beschuldigten wurden keiner psychiatrischen Untersuchung durch einen Sachverständigen unterzogen. Ist es bei Missbrauchsfällen üblich, dass die Beschuldigten bei einem Strafverfahren keiner psychiatrischen Untersuchung zugeführt werden, die schwersttraumatisierten Opfer aber psychologisch getestet werden?

14. Welche Maßnahmen werden Sie als Bundesminister für Justiz setzen, dass in Zukunft bei Missbrauchsfällen jedenfalls die Täter einer psychiatrischen Untersuchung zugeführt werden?

15. Der Dreiersenat spricht auf Seite 11 des Einstellungsbeschlusses von einer nahezu exklusiven Entscheidungskompetenz durch den Staatsanwalt und sieht in seiner eigenen Tätigkeit nur eine Art Missbrauchskontrolle. Ist man im Ressort ebenfalls der Ansicht, dass ein, durch den Staatsanwalt gesetztes Fehlverhalten (Nichtvornahme einer Hausdurchsuchung, Nichtbestellung eines psychiatrischen Gutachters bezüglich der Täter, Nichtberücksichtigung der Aussage des 2. Opfers, mehrfache Nichtberücksichtigung von Zeugenaussagen) nicht durch den Dreiersenat korrigiert werden kann,  und der Staatsanwalt somit ohne ein korrigierendes Korrektiv durch den Dreiersenat quasi „Narrenfreiheit“ hat?

16. Auf den Seiten 12 und 13 des Beschlusses über die Einstellung des Strafverfahrens, erklärt der Dreiersenat, dass die im Antrag dargestellten und besprochenen Beweismittel auch eine andere Interpretation der Beweisergebnisse zulassen würden.

Auf Grund dieser Formulierung ist klar ersichtlich, dass der Staatsanwalt auch problemlos das Verfahren hätte fortsetzen können. Es erhebt sich die Frage, wieso der Staatsanwalt, wenn der Sachverhalt auch eine andere Interpretation zulässt (nämlich die Verfolgung der Täter), das Strafverfahren eingestellt hat. Der Staatsanwalt hat die Interessen des Staates, der Allgemeinheit und die Opferinteressen wahrzunehmen, nicht die Interessen der Beschuldigten. Es liegt der Verdacht nahe, dass sich der Staatsanwalt lediglich eine Arbeitserleichterung durch das Schließen eines Aktes verschaffen wollte.

Sind diesbezüglich disziplinäre Maßnahmen gegen Staatsanwalt Mag. Christian Petö vorgesehen, und wenn ja, welche?

17. Sind Sie als Bundesminister für Justiz oder die Experten Ihres Ressorts der Ansicht, dass es gerade bei Sexualdelikten deren Dunkelziffer bekanntlich sehr hoch ist und die ohnehin äußerst selten zur Anzeige gebracht werden, generalpräventiv sinnvoll ist, ein Strafverfahren einzustellen, wenn die Beweismittel auch nach Ansicht des Dreiersenates durchaus ausreichen, um das Verfahren fortzusetzen?

18. Sind Sie als Bundesminister für Justiz oder die Experten Ihres Ressorts der Ansicht, dass keine willkürliche oder missbräuchliche Beweiswürdigung durch die Staatsanwaltschaft vorliegt, wenn auf Seite 12 des Beschlusses über die Abweisung des Antrages auf Fortführung des Strafverfahrens vom Dreiersenat behauptet wird, dass die Staatsanwaltschaft die Aussagen des Opfers genauestens überprüft hat, und sich dabei für die Anklagebehörde begründete Zweifel ergeben haben, dass die Schilderungen des Opfers aus ihren Flashbacks auf tatsächlich Erlebtem basieren und auf Seite 13 des oben genannten Antrages widersprüchlich dargelegt wird, dass das Opfer bereits durch einen Sachverständigen aus dem Gebiet der Aussageverlässlichkeit begutachtet wurde, und ihr seitens der Staatsanwaltschaft ohnedies die Aussageverlässlichkeit nicht abgesprochen wurde, und des weiteren Dr. Eva-Maria H. bei ihrer Aussage in der kontradiktorischen Einvernahme vom 10. 9. 2014 ebenfalls auf Seite 11 (6 HR 11/14b) angibt, durch den Beschuldigten (an die 1000 Mal) im Alter von 2 bis 10 Jahren anal und oral vergewaltigt worden zu sein?

19. Welchen Sinn hat die Verlängerung der Verjährungsfrist bei schwersttraumatisierten unmündigen Missbrauchsopfern, wenn der Staatsanwalt in seiner Einstellungsbegründung vom 23.2.2015 (9 St 134/13d) auf Seite 7 darlegt, dass weitere aussichtsreiche Ermittlungsschritte bei den bereits seit mehr als 14 Jahre zurückliegenden Taten nicht zielführend sind,

anstatt eine Hausdurchsuchung zur Sicherung von kinderpornographischem Material durchzuführen und die Glaubwürdigkeit der Beschuldigen durch mehrfache Zeugenaussagen in Frage zu stellen?

20. In der Einstellungsbegründung vom 23.2.2015 (9 St 134/13d) hält der Staatsanwalt auf Seite 7 fest, dass es zu keinen körperlichen Verletzungen der Opfer gekommen sei. Ist es Ihrer Ansicht nach unbedingt erforderlich, dass es bei schwerem sexuellen Missbrauch mit Unmündigen immer zu schweren körperlichen Verletzungen kommen muss, um ein Strafverfahren fortführen zu können?


21. Gerade bei länger zurückliegenden Missbrauchsfällen kann in vielen Fällen oft nur durch Zeugenaussagen und Aussagen der Missbrauchsopfer der Missbrauch nachgewiesen werden. Sind Sie als Bundesminister für Justiz oder die Experten Ihres Ressorts der Ansicht, dass die Aussagen von zwei Missbrauchsopfern und mehreren, die Glaubwürdigkeit der Beschuldigten erschütternde Zeugenaussagen, für den Ausgang eines Missbrauchsverfahrens irrelevant seien?