8616/J XXV. GP

Eingelangt am 14.03.2016
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Anfrage

 

der Abgeordneten Wolfgang Pirklhuber, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

betreffend Glyphosat - (K)ein Gift auf unserem Acker

BEGRÜNDUNG

 

Glyphosat ist das weltweit am häufigsten eingesetzte Unkrautbekämpfungsmittel. Es ist ein nicht-selektives Blattherbizid mit systemischer Wirkung, das über grüne Pflanzenteile aufgenommen wird. Es wird gegen einkeim- und zweikeimblättrige Unkräuter im Acker-, Wein- und Obstbau, beim Anbau von Zierpflanzen, auf Wiesen, Weiden und Rasenflächen sowie im Forst verwendet.

Zahlreiche Studien geben seit Jahren Hinweise auf die Gefahren, die von dem giftigen Präparat ausgehen können. Wissenschaftliche Erkenntnisse in Bezug auf beispielsweise Oberflächen- und Sickerwässer und damit nachfolgend in Bezug auf das Grundwasser legen schon lange eine Neubewertung der Glyphosatanwendung nahe. Glyphosat wurde im Urin der Menschen nachgewiesen, im Brot und jüngst in zahlreichen deutschen Biersorten. Die Internationale Agentur für Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat das weltweit am häufigsten eingesetzte Pestizid bereits im März 2015 als ‚wahrscheinlich krebserregend‘ eingestuft[1]. Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) wurde im Verfahren der Neubewertung mit der Bewertung des gesundheitlichen Risikos des Wirkstoffes und einer Beispielformulierung beauftragt und kam zu der Einschätzung, dass von Glyphosat kein krebserzeugendes Risiko für den Menschen zu erwarten ist[2].


96 WissenschaftlerInnen, darunter Epidemiologen, Toxikologen, Statistiker und Molekularbiologen aus 25 Ländern kritisieren in einem offenen Brief an EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis die Bewertung der deutschen Behörde und der EFSA als `wissenschaftlich inakzeptabel´, mit `schwerwiegenden Mängeln behaftet´ und `in die Irre führend´.[3]

Die jetzige Zulassung des Total-Herbizids Glyphosat (Handelsname u.a. ‚Roundup‘) in der EU läuft im Sommer 2016 aus.

Trotz der wissenschaftlichen Erkenntnisse hat die Europäische Kommission  angekündigt, die Zulassung dieses höchst umstrittenen Pflanzengifts im März für weitere 15 Jahre beschließen zu wollen. Da es offenkundig keinen eindeutigen Stand der Wissenschaft zur Einstufung des Risikos von Glyphosat gibt, bzw. grobe Mängel in der Bewertung von Glyphosat durch das deutsche BfR dargelegt wurden, fand in der Sitzung des Ständigen Ausschusses für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit (SCoPAFF) am 7. Und 8. März 2016 keine Abstimmung über die erneute Genehmigung des Wirkstoffes Glyphosat statt.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

 

1)    Hat die österreichische Vertretung im Ständigen Ausschuss für eine Vertagung über die erneute Genehmigung des Wirkstoffes Glyphosat gestimmt?

a.    Wenn ja, wieso?

b.    Wenn nein, wieso nicht?

 

2)    Für die Annahme eines Antrages im Ständigen Ausschuss bedarf es einer sogenannten Qualifizierten Mehrheit. Diese ist erreicht, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

·        55 % der EU-Länder - also 16 von insgesamt 28 Ländern - stimmen zu;

·        diese Länder müssen gleichzeitig mindestens 65 % der Gesamtbevölkerung der Union vertreten

Ist es richtig, dass die Enthaltung bei einer Abstimmung, für die Annahme eines Antrages im Ständigen Ausschuss, die gleiche Auswirkung wie eine Ablehnung hat?

a)    Wenn nein, bitte begründen Sie diese Sichtweise


Unter http://tvnewsroom.consilium.europa.eu/event/environment-council-march-2016/arrival-and-doorstep-at-rupprechter9 sind Sie mit der Aussage zur anstehenden Zulassungverlängerung von Glyphosat zu hören:

„Das ist eine rein fachliche Beurteilung, die jetzt von den zuständigen Fachexperten wahrgenommen wird, da hat die politische Ebene eigentlich keine Vorgaben zu geben, die fachliche Beurteilung, die Empfehlungen der Kommission, ist hier relativ klar, dass es keine Gefährdung gibt, von diesem Produkt und ich sehe keine Notwendigkeit, hier einzugreifen“ (…) „aber ich denke, dass hier die Kommission, die EFSA und vor allem das deutsche Bundesinstitut , das hier die Referenzexpertise gemacht hat, gut gearbeitet haben.“

Auf Nachfrage ob die Bewertung des IARC keine weiteren Diskussionen bedingen oder begründen, unter den Landwirtschaftsminsitern, antworten Sie: „Ich glaube einfach, dass das zuständige Referenzinstitut, auf das wir uns hier basieren, das deutsche Bundesinstitut, hier fachlich gute Arbeit geleistet hat“.

3)    Halten Sie Ihre hier geäußerte Einschätzung, dass es keine Gefährdung durch Glyphosat gibt, nach wie vor für richtig?

 

4)    Ist Ihnen bekannt, dass zu den Mitgliedern der BfR-Kommission für Pflanzenschutzmittel und ihre Rückstände, Dr. Ivana Fegert, von BASF SE, Ludwigshafen und Dr. Frank Pierre Laporte, von der Bayer CropScience in Lyon, Frankreich gehören[4]?

a.    Wenn ja, wie bewerten Sie dies in Bezug auf eine unabhängige wissenschaftliche Bewertung durch das BfR?

 

5)    Ist Ihnen die Stellungnahme von 96 WissenschaftlerInnen, darunter Epidemiologen, Toxikologen, Statistiker und Molekularbiologen aus 25 Ländern bekannt, die in einem offenen Brief an EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis die Bewertung der deutschen Behörde und der EFSA als `wissenschaftlich inakzeptabel´, mit `schwerwiegenden Mängeln behaftet´ und `in die Irre führend´ bezeichnen.[5]?

Hat diese Bewertung Auswirkung auf Ihre Einschätzung der Arbeit des BfR als „fachlich gut“?

a)    Wenn ja, welche?

b)    Wenn nein, warum nicht?

 

6)    Halten Sie die Entscheidung der EFSA, die Empfehlung des BfR hinsichtlich des onkogenes Potenzials ohne Änderung zu akzeptieren und weiter zu leiten, für fachlich gut?

a.    Wenn ja, warum?


b.    Wenn nein, was schlussfolgern Sie daraus?

 

Nur durch die Einhaltung der guten wissenschaftlichen Praxis, also Untersuchungen de lege artis, unter Kenntnis des aktuellen Forschungsstandes und der angemessenen Methoden, sowie die kritische Überprüfung von Ergebnissen, kann der Anspruch der Wissenschaftlichkeit erfüllt werden. Zu dieser unabhängigen und wissenschaftlichen Arbeitsweise verpflichtet sich auch die EFSA auf ihrer Website[6] und in ihren policies[7]. Die EFSA hat nach Artikel 30 Absatz 4 der Verordnung 178/2002 EG des Weiteren im Falle einer substanziellen Divergenz in wissenschaftlichen Fragen auf diese einzugehen und die strittigen Punkte auszuräumen oder darzustellen.

7)    Stufen Sie die Sichtweise des BfR und der IARC in Bezug auf das onkogene Potential, sprich ob Glyphosat krebserregend ist, als substanzielle Divergenz ein?

a.    Wann ja, hat die EFSA Ihrer Ansicht nach die strittigen Punkte ausgeräumt oder dargestellt?

b.    Wenn nein, hat die EFSA ihre Verpflichtung nach VO 178/2002, Art. 30 wahrgenommen?

 

Bei Beantragung der (Wieder)-Genehmigung von Pestizidwirkstoffen in der EU müssen als Teil des Dossiers die Berichte und Zusammenfassungen der Ergebnisse von Karzinogenitätsstudien entsprechend den OECD Testrichtlinien Nr. 451 oder 452 (OECD 2009a, OECD 2009b) eingereicht werden. Die Monsanto Europe S.A reichte im Mai 2012 ein Dossier, im Auftrag der Glyphosate Task Force (GTF), ein. Hier wurde die Schlussfolgerung gezogen, dass Glyphosat „kein onkogenes Potenzial“ habe  (GTF, S. 525). Das BfR stimmte in seinem Bewertungsbericht zur Wiedergenehmigung  (Renewal Assessment Report, RAR) dieser Schlussfolgerung zu, indem es feststellte, dass „eine Klassifizierung und Kennzeichnung als Karzinogen vom RMS als nicht angemessen betrachtet wird“ (RAR, Volume 1. S. 65).

Obwohl die fünf Krebsstudien an Mäusen, die Teil des Dossiers/RARs sind, allesamt einen dosisabhängigen, statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen der Glyphosat-Dosierung und Tumorentwicklung bei Mäusen zeigen, was normalerweise die Einstufung von Glyphosat als "krebserregend bei Tieren" zur Konsequenz haben müsste, empfiehlt das BfR Glyphosat nicht als krebserregend einzustufen.

Das BfR begründet diese abweichende Schlussfolgerung, die ja konträr zu der vordergründigen Evidenz der Versuchsdaten ist, mit Zweifeln an der biologischen Relevanz der statistischen Befunde, und verweist auf z.B. Infektionen, die die Krebsbefunde verzerren sowie (indirekt) auf grundlegende Zweifel an der Qualität der Daten, zumindest was die mitlaufenden Kontrollen betrifft.


8)    Erfüllen die fünf Krebsstudien an Mäusen, die Teil des Dossiers/RARs sind, aus Ihrer Sicht die Vorgaben der VO 107/2009, bzw. sind dies valide und aussagekräftige Studien, welche die Abwesenheit einer krebserzeugenden Wirkung schlüssig belegen?

9)    Werden Sie Vorsichtsmaßnahmen in Bezug auf Glyphosat ergreifen oder unterstützen, um die öffentliche Gesundheit auf hohem Niveau zu schützen, wie es Artikel 7(1) der Verordnung 178/2002, auf den im Artikel 13(2) der Verordnung 1107/2009 explizit verwiesen wird, vorsieht und zwar „in bestimmten Fällen, in denen nach einer Auswertung der verfügbaren Informationen die Möglichkeit festgestellt wird, wissenschaftlich aber noch Unsicherheit besteht“?

 

a.    Wann ja, was konkret werden sie unternehmen?

b.    Wenn nein, wieso nicht?

 

10) Ist Ihnen die Studie, Glyphosate-based herbicides reduce the activity and reproduction of earthworms and lead to increased soil nutrient concentrations[8], bekannt?

 

11) Wurde diese Studie im Rahmen des aktuellen Zulassungsverfahrens von Glyphosat berücksichtigt?

 

12) Halten Sie die Ergebnisse dieser Studie für eine Bewertung im Rahmen des Zulassungsverfahrens für relevant?

a)    Wenn ja, welche Handlungen werden Sie setzen?

b)    Wenn nein, weshalb nicht?

 

13) Werden Sie die Vertretung Österreichs im Ständigen Ausschuss anweisen, im Sinne des Vorsorgeprinzipes, gegen eine Zulassungsverlängerung von Glyphosat zu stimmen?

a.    Wenn nein, weshalb nicht?



[1] http://monographs.iarc.fr/ENG/Monographs/vol112/mono112-09.pdf

 

[2]http://www.bfr.bund.de/de/fragen_und_antworten_zur_bewertung_des_gesundheitlichen_risikos_von__glyphosat-127823.html#topic_195588

 

[3] http://www.zeit.de/wissen/umwelt/2015-11/glyphosat-offener-brief.pdf

 

[4]http://www.bfr.bund.de/de/mitglieder_der_bfr_kommission_fuer_pflanzenschutzmittel_und_ihre_rueckstaende-189320.html

 

[5] http://www.zeit.de/wissen/umwelt/2015-11/glyphosat-offener-brief.pdf

 

[6] http://www.efsa.europa.eu/de/about/values , abgerufen am 1.3.2016

[7] http://www.efsa.europa.eu/de/about/corporatedocs , abgerufen am 1.3.2016

[8] http://www.nature.com/articles/srep12886