8926/J XXV. GP

Eingelangt am 13.04.2016
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Anfrage

 

der Abgeordneten Sigrid Maurer, Alev Korun, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres

betreffend Stipendien für studierende Schutzberechtigte

BEGRÜNDUNG

 

"[…] Wir brauchen junge, motivierte, qualifizierte Menschen – so können wir Österreich weiterbringen." [1] Das gilt auch für hochqualifizierte Menschen, die als Asylwerber_innen, Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte  in Österreich leben und ein Studium beginnen, fortsetzen und abschließen oder ihren akademischen Grad nostrifizieren wollen. Leider sehen sich diese Menschen noch mit großen Schwierigkeiten konfrontiert – auch wenn inzwischen drei Jahre vergangen sind, seit Sie diesen Satz gesagt haben.

 

Studierende haben keinen Anspruch auf Bedarfsorientierte Mindestsicherung (BMS) und Studienbeihilfe kann nur während eines ordentlichen Studiums beantragt werden. Diese Regelungen stellen insbesondere für qualifizierte Asylwerber_innen, subsidiär Schutzberechtigte und Asylberechtigte Hürden dar, da ihnen dadurch von vornherein die finanzielle Absicherung des Lebensunterhalts verunmöglicht wird.[2]

Zum einen wird qualifizierten Asylwerber_innen, subsidiär Schutzberechtigten und Asylberechtigten zum Nachweis der Gleichwertigkeit oft die Absolvierung von Prüfungen im Rahmen eines Vorstudienlehrgangs vorgeschrieben. Während des Vorstudienlehrgangs sind sie außerordentliche Hörer_innen und damit nicht berechtigt, Studienbeihilfe zu beantragen. Andererseits haben sie auch keinen Anspruch auf BMS.[3]

Ähnliches gilt für Teilnehmer_innen der MORE-Initiative der Österreichischen Universitätenkonferenz, die Asylwerber_innen und Asylberechtigten die unbürokratische Aufnahme an österreichischen Universitäten als außerordentliche Hörer_innen ermöglicht.[4]

Bekanntermaßen ist die BMS in den Bundesländern unterschiedlich geregelt. Eine Nachfrage der Österreichischen Universitätenkonferenz beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom 10. September 2015 darüber, ob Teilnehmer_innen der MORE-Initiative weiterhin BMS beziehen dürfen, hat folgende Auskunft mit Stand 16. September 2015 ergeben: In Niederösterreich, der Steiermark und Wien kann die BMS weiter gewährt werden, solange diese dem Arbeitsmarkt in vollem Ausmaß zur Verfügung stehen (Vormerkung beim AMS notwendig). Die Steiermark sieht ein Beschäftigungsausmaß von 20 Wochenstunden als ausreichend. In Kärnten, Oberösterreich, Salzburg und Vorarlberg ist die Weitergewährung nicht möglich. Aus dem Burgenland und Tirol gab es keine Auskunft.

Anspruch auf Familienbeihilfe haben bei einem Studium nur Asylberechtigte (unter 24 Jahren), nicht aber subsidiär Schutzberechtigte und Asylwerber_innen. Beim Besuch des Vorstudienlehrgangs wird Asylberechtigten die Familienbeihilfe für maximal zwei Semester gewährt.[5] Ein weiteres Problemfeld besteht rund um Nostrifizierungen.

Mit dem Liese-Prokop-Stipendium des Österreichischen Integrationsfonds gibt es ein Instrument, das bei entsprechender Adaptierung Grundlage dafür sein könnte, die genannten Hürden für qualifizierte Asylwerber_innen, subsidiär Schutzberechtigte und Asylberechtigte zu beseitigen und ihre rasche und damit erfolgreiche Integration durch ein Studium oder die Nostrifikation zu unterstützen. 

Der Österreichische Integrationsfonds (ÖIF) wurde 1960 vom UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR und der Republik Österreich unter dem Namen "Flüchtlingsfonds der Vereinten Nationen" gegründet. Die Fluchtbewegung aus Ungarn des Jahres 1956 hatte deutlich gemacht, dass Österreich zur Betreuung von Flüchtlingen einen entsprechenden institutionellen Rahmen braucht. Im Rahmen des Liese-Prokop-Stipendiums werden laut Eigendefinition seit 2004 sozial bedürftige Studierende mit Migrationshintergrund, die keine Studienbeihilfe erhalten, unterstützt.[6] Seit dem Wintersemester 2013/14 wird das Liese-Prokop-Stipendium nicht nur an ordentliche Studierende, sondern auch an Teilnehmer_innen des Vorstudienlehrgangs und an jene, die sich im Prozess der Nostrifikation befinden, vergeben.[7]

Konkret werden auf der Website Ihres Ressorts und auf der Website und in Aussendungen des ÖIF folgende Voraussetzungen genannt, um sich für ein Liese-Prokop-Stipendium bewerben zu können:

- Staatsbürgerschaft eines Drittstaats

- Soziale Bedürftigkeit

- Lebensmittelpunkt dauerhaft in Österreich

- Kein Anspruch auf Studienbeihilfe

- Ordentliches Studium an einer österreichischen Universität oder Teilnahme am Vorstudienlehrgang oder Nostrifikation ihres Studiums an einer österreichischen Universität

- Beginn des Studiums vor Vollendung des 30. Lebensjahres

Darüber hinaus wurde in der Kommunikation anlässlich der Verleihung der Liese-Prokop-Stipendien in den letzten Jahren immer wieder betont, dass es sich bei den Stipendiat_innen um „engagierte“ Studierende handle. Aus den veröffentlichten Kriterien für die Zuerkennung ist nicht abzuleiten, worauf sich „engagiert“ bezieht.[8]

Laut Auskunft des ÖIF wurden 2015 34 Stipendien vergeben, 20 davon und somit rund 60 Prozent an asylberechtigte und subsidiär schutzberechtigte Menschen. Der ÖIF unterstützt die Stipendiat_innen mit 300 Euro monatlich für die Studiengebühren oder Nostrifikationskosten. Bis 2013 erhielten Stipendiat_innen noch 500 Euro pro Monat. Darüber hinaus werden Ihnen zusätzliche Weiterbildungsworkshops und Vernetzungstreffen angeboten. Laut Auskunft des ÖIF wird derzeit ein „möglicher Ausbau des Stipendiums angesichts der gestiegenen Flüchtlingszahlen“ geprüft.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE

 

1)    Wie viele Bewerbungen für Liese-Prokop-Stipendien gab es seit dem Wechsel des ÖIF in den Zuständigkeitsbereich Ihres Ressorts und wie viele Bewerbungen waren jeweils erfolgreich (mit der Bitte um eine Aufstellung gegliedert nach Jahr, Anzahl der erfolgreichen/nicht-erfolgreichen Bewerbungen)?

 

2)    Wie viele Bewerbungen für Liese-Prokop-Stipendien gab es vor dem Wechsel des ÖIF in den Zuständigkeitsbereich Ihres Ressorts und wie viele Bewerbungen waren jeweils erfolgreich (mit der Bitte um eine Aufstellung gegliedert nach Jahr, Anzahl der erfolgreichen/nicht-erfolgreichen Bewerbungen)?

 

3)    Wie hoch sind die Mittel, die bisher im Rahmen des Liese-Prokop-Stipendiums vergeben wurden (mit der Bitte um eine Aufstellung gegliedert nach Jahr und Anzahl der Empfänger_innen)?

 

4)    Wie hoch sind die Mittel, die 2016 im Rahmen des Liese-Prokop-Stipendiums vergeben werden sollen, d.h. wie hoch ist der Liese-Prokop-Stipendientopf dotiert?

 

5)    Welche Anzahl potenzieller und auch geeigneter Bewerber_innen legen Sie der Dotierung des Liese-Prokop-Stipendientopfs zugrunde?

 

6)    Wie hoch müsste der Topf dotiert sein, um den Bedarf für alle potenziellen Empfänger_innen zu decken?

 

7)    Werden die Mittel für das Liese-Prokop-Stipendium erhöht werden?

 

a.    Wenn ja, um welchen Betrag werden die Mittel jährlich erhöht werden?

 

b.    Wenn ja, bis wann wird der Ausbau des Stipendienprogramms vollzogen sein, d.h. wann ist mit der Vergabe der ersten Stipendien nach dem Ausbau zu rechnen?

 

c.    Wenn nein, warum nicht?

 

8)     Wer entscheidet über die Vergabe der Stipendien (mit der Bitte um genaue namentliche Darstellung der Zusammensetzung der Vergabekommission)?

 

9)     Auf wie viele Personen treffen die o.g. Kriterien zur Zuerkennung eines Liese-Prokop-Stipendiums zu?

 

10)  Wird allen Personen, die diese Kriterien erfüllen, ein Liese Prokop-Stipendium zuerkannt?

 

a.    Wenn ja, entspricht die Zahl der bisherigen Stipendiat_innen jener, die Anspruch auf ein Stipendium gehabt hätten?

 

                                  i.    Wenn nein, wie erklären Sie sich, dass Personen, denen ein Liese-Prokop-Stipendium an sich zusteht, sich nicht darum bewerben?

                                ii.    Wenn nein, ist es ihr Ziel, dass alle, die für ein Liese-Prokop-Stipendium in Frage kommen, auch eines erhalten?

                               iii.    Wenn nein, welche Schritte unternehmen Sie, um die Bekanntheit des Liese-Prokop-Stipendiums im Kreis der geeigneten Kandidat_innen zu steigern?

 

b.    Wenn nein, nach welchen zusätzlichen Kriterien wird über die Zuerkennung der Stipendien entschieden (mit der Bitte um Beilage des schriftlichen Kriterienkatalogs)?

 

11)  Welches Kriterium zur Zuerkennung des Liese-Prokop-Stipendiums verbirgt sich hinter der Formulierung „engagiert“? Soll damit lediglich dem Umstand Rechnung getragen werden, dass es Engagement benötigt, um ordentlich zu studieren, an einem Vorstudienlehrgang teilzunehmen und den Prozess der Nostrifikation voranzutreiben? Oder verbirgt sich hinter der Formulierung „engagiert“ ein nicht kommuniziertes Kriterium?

 

a.    Wenn ja, wie lautet dieses Kriterium?

 

b.    Wenn nein, hätte auf die tautologische Formulierung „engagiert“ auch verzichtet werden können?

 

12)  Soll die Dotation der individuellen Stipendien im Zuge des Ausbaus von derzeit 300 Euro pro Monat erhöht werden?

 

a.    Wenn ja, auf welchen Betrag soll die Dotation des Stipendiums erhöht werden?

 

b.    Wenn nein, warum nicht?

 



[1] Sebastian Kurz anlässlich der Verleihung von Liese Prokopp-Stipendien am 20. März 2013.

[2] Thomas G. Lang: Gesetzliche Grundlagen zu Flüchtlingen und Studium. Gutgemeinte Angebote treffen auf die Tücken der österreichischen Gesetzeslage, in: OEAD-News Nr. 1/98, Oktober 2015, S. 42

[3] Ebd.

[4] http://uniko.ac.at/projekte/more/ (abgerufen am 16. 3. 2016)

[5] Thomas G. Lang a.a.O.

[6] Das Stipendium wurde 2004 bis Ende 2013 in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Inneres vergeben. Seit dem Übergang der Integrationsagenden in das Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres wird das Stipendium in Kooperation mit diesem verliehen. (OTS des ÖIF vom 21. 3. 2014)

[7] OTS des ÖIF vom 20. 6. 2013

[8] Siehe z.B. OTS des ÖIF vom 6. 10. 2014, 21. 3. 2014, 20. 3. 2013, 18. 10. 2012, 16. 4. 2012.