9737/J XXV. GP

Eingelangt am 06.07.2016
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Sigrid Maurer, Eva Mückstein, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft

betreffend Mobbing gegen Ärzt_innen an medizinischen Universitäten

BEGRÜNDUNG

 

Die Süddeutsche Zeitung berichtet in der Ausgabe vom 23. Dezember 2015 über Ärzt_innen des Allgemeinen Krankenhauses Wien (AKH), die über Mobbing, Erpressung und Korruption klagen. Bemerkenswert darin die Aussagen des Rektors der medizinischen Universität Wien (MedUni Wien), Markus Müller:

„[…] Markus Müller ist erst seit zwei Monaten im Amt, davor war der Internist Vizerektor für Forschung. Er ist ein freundlicher Mann und hat sicherheitshalber seinen Pressechef dabei; der öffentliche Druck in den vergangenen Tagen, nachdem Adelheid Ends Geschichte die Runde gemacht hat, war unangenehm. Müller gibt sich zweiflerisch, kritisch.

 

Es sei kein Zufall, dass das Drama "Professor Bernhardi" vom Österreicher Arthur Schnitzler verfasst worden sei, in dem es "um das systematische Mobbing eines Mediziners" geht. Aufgrund der "Pragmatisierung", also der Verbeamtung zahlreicher Professoren, seien Dienstvergehen "kaum zu ahnden". Österreich sei traditionell paternalistisch, hierarchisch, manche Klinikchefs legten ein abgehobenes, ja "gottähnliches Verhalten" an den Tag. Die "Patientenkeilerei" in der Sonderklasse müsse ein Ende haben. Und ja, es sei in der Vergangenheit zu "Übertretungen" gekommen, was er bedauere. Starke Worte.

 

Er wolle vieles anders machen, sagt Müller. Mit einem Gesetz für ein neues Dienstrecht, neue Arbeitszeiten, höhere Gehältern, das 2016 in Kraft tritt, sei ein Anfang gemacht. Er habe Konfliktmanager eingesetzt, seine eigene Verfügbarkeit sei "niederschwellig". Aber ja, die Bedingungen für Ärzte seien schlecht in Österreich. Kein Wunder, dass etwa 40 Prozent der Studenten eines Jahrgangs das Land verließen. […]“[1]

Auch das ORF Radio Ö1 berichtet von der Klage einer Thorax-Chirurgin des AKH gegen die MedUni Wien und die Republik Österreich:

„Eine Ärztin, Spezialistin auf dem Gebiet der Thorax-Chirurgie, hat die Medizinische Universität Wien und die Republik Österreich auf Schadenersatz von 240 000 Euro geklagt. Sie sei beruflich kaltgestellt und gezielt vom Operationsprogramm im AKH ausgeschlossen worden. Derzeit darf die Ärztin nicht arbeiten, bezieht aber ihr volles Grundgehalt. Brisant ist der Prozess auch deshalb, weil nicht nur dieser Einzelfall, sondern ein "System AKH" vor Gericht verhandelt wird.“[2]

 

Außerdem berichteten Ö1 und andere Medien darüber, dass sich seit dem o.g. Bericht vom November 2015 bereits „an die 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemeldet hätten“, die sich auch gemobbt fühlen.[3]

Zuletzt wurde bekannt, dass im „Mobbing-Prozess gegen Republik und MedUni Wien“ der „Chirurgin E. […] die von Beklagtenseite angeführte Verjährung […] vom Gericht zurückgewiesen [wurde].[4] 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Wie viele Schadenersatzklagen von Mediziner_innen an Medizinischen Universitäten (Universitätskliniken) (in der Folge: MedUnis respektive Uni-Kliniken) wegen Mobbings und/oder Diskriminierung bzw. mit Mobbing- und/oder Diskriminierungshintergrund sind derzeit bzw. waren in den einzelnen Jahren seit 2004 (seit der Teilrechtsfähigkeit der Universitäten) anhängig?

 

2)    Wie viele arbeitsrechtliche Verfahren gab es seit 2004 und wie viele sind derzeit anhängig?

 

3)    An welchen MedUnis gab es seit 2004 solche Verfahren und wie viele jeweils?

 

4)    An welchen MedUnis sind derzeit solche Verfahren anhängig und wie viele jeweils? 

 

5)    Wie viele der Klagen sind Amtshaftungsklagen, wie viele sonstige zivilrechtliche Klagen?

 

6)    In welchen Einrichtungen (Universitätskliniken/Fächern) sind/waren die Kläger_innen tätig?

 

7)    Wie viele von diesen Verfahren wurden von der Republik bzw. den MedUnis verloren?

a.    Wie viele von diesen Verfahren wurden von der Republik bzw. den MedUnis gewonnen?

b.    Wie viele von diesen endeten mit einem Vergleich?

 

8)    Wie viele Anwaltskanzleien beschäftigen die MedUnis zur Abwehr solcher Klagen?

a.    Wer sind die Kanzleien?

b.    Welche Summe an Honoraren wurde seit 2004 jährlich an diese Kanzleien bezahlt?  

c.    Welche Summen wurden von den einzelnen MedUnis seit 2004 insgesamt überwiesen (mit der Bitte um Auflistung getrennt nach den MedUnis)?

 

9)    Im Falle von Verfahren, die von der Republik bzw. den MedUnis verloren wurden oder die in einem Vergleich geendet haben: Wie hoch waren die zu leistenden Schadenersatzbeträge?

 

10) Wurden Regressforderungen an die Mobber_innen bzw. Diskriminierenden gestellt?

 

11) Wie hoch waren die Einnahmen aus diesen Regressforderungen und auf welchen Budgetansätzen/Haushaltsposten wurden diese in den einzelnen Jahren seit dem Jahr 2004 verbucht?

 

12) Übernimmt der Bund auch die Kosten für die anwaltliche Vertretung (und Schadenersatzverpflichtungen) allfälliger Nebenintervient_innen?

a.    Geschieht dies konkret im Fall der in der Begründung genannten Chirurgin, Adelheid End?

 

13) In wie vielen der o.g. arbeitsrechtlichen Verfahren wurde die Republik durch die Finanzprokuratur vertreten und in wie vielen Verfahren durch andere Rechtsvertreter_innen?

 

14) Wie viele einschlägige Aufforderungsschreiben (Schadenersatz, Mobbing, Diskriminierung) wurden seit 2004 an die Finanzprokuratur gerichtet?

a.    Wie viele davon wurden abgelehnt?

b.    Wie viele davon wurden gerichtsanhängig?

 

15) Wie viele Disziplinarverfahren wurden in Beachtung des Mobbingverbots in § 43a des Beamten-Dienstrechtsgesetzes (BDG) und der Diskriminierungsverbote (vgl. § 7b Abs. 6 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinStG) u.a.) wegen Mobbings bzw. Diskriminierung in den einzelnen Jahren eingeleitet?

16)  Sind Ihnen Fälle bekannt, in denen Mobbingbetroffene von den jeweiligen MedUnis„dienstfrei“ gestellt wurden?  

 

17) Wie viele solcher Dienstfreistellungen gab es seit 2004 an den einzelnen MedUnis?

a.    Wie viele solcher Dienstfreistellungen sind derzeit aufrecht? Wie hoch ist die Summe der jährlichen Aufwendungen (seit 2004) für diese Dienstfreistellungen bzw. das Weiterbezahlen der betr. Gehälter?

 

18) Sind Ihnen Fälle sogenannter „weißer Elefanten“ an Uni-Kliniken bekannt? Das sind Personen, die zwar nicht offiziell dienstfrei gestellt wurden, trotzdem aber keine oder keine ihrer Qualifikation entsprechende Tätigkeit ausführen können.

  

19) Wie viele solcher „weißer Elefanten“  gibt es jeweils an den einzelnen MedUnis?

a.    Wie viel betragen in Summe die jährlichen Aufwendungen für diese Personen seit 2004?

 

20) Wie viele Anträge wegen Mobbings bzw. Diskriminierung wurden in den einzelnen Jahren seit dem Jahr 2004 an Gleichbehandlungsstellen (Arbeitskreise für Gleichbehandlung) und Schiedskommissionen der MedUnis bzw. an den Bundesgleichbehandlungskommissionen eingebracht?

a.    Wie viele sind derzeit anhängig?

 

21) Wie viele Fälle von Mobbing und Diskriminierung sind Ihnen bzw. Ihrem Haus offiziell bzw. inoffiziell (direkt) bekannt bzw. bekannt gemacht worden?

 

22) Wird im Rahmen der Dienstaufsicht die Entwicklung der Anzahl der Fälle von Mobbing und Diskriminierung beobachtet und Aufzeichnungen hierüber geführt?

 

23) Wie viele Selbstmordfälle getrennt nach Ärzten/Ärztinnen und nichtärztlichem Personal sind in den einzelnen Jahren an den MedUnis seit 2004 bekannt geworden (unabhängig von der Ursache)?

a.    An welchen Kliniken und in welchen Fächern?

b.    Wie viele davon stehen in Zusammenhang mit einer außergewöhnlichen Belastung (bis hin zu Mobbing)?

 

24) Gibt es Analysen der Ursachen von Krankenständen (in Hinblick auf Mobbing) und in Folge von Mobbing krankheitsbedingten oder “freiwilligen” Frühpensionierungen?

a.    Bei wie vielen Ärzt_innen wurden Krankheiten bzw. Frühpensionierungen durch Mobbing-Belastungen bekannt?

 

25) Sind Maßnahmen geplant um Fälle von Mobbing und Diskriminierung in Zukunft hintanzuhalten?

a.    Wenn ja, welche?



[1] Süddeutsche Zeitung vom 23. Dezember 2015, S. 3

[2] Ö1 Morgenjournal vom 9. November 2015

[3] Ö1 Mittagsjournal vom 11. November 2015 und Ö1 Morgenjournal vom 9. Dezember 2015.

[4] Heute vom 1. 6. 2016, S. 11; s. auch OTS Nr. 66 von Purkarthofer PR vom 30. Mai 2016.