57/KOMM XXV. GP

 

Kommuniqué

der Enquete-Kommission zum Thema „Würde am Ende des Lebens“

Die Enquete-Kommission zum Thema "Würde am Ende des Lebens" hat in ihrer Sitzung vom 17. September 2014 einstimmig beschlossen, die auszugsweisen Darstellungen der öffentlichen Anhörungen als Kommuniqué zu veröffentlichen.

 

Am 25. November 2014 fand die zweite öffentliche Anhörung statt, deren auszugsweise Darstellung angeschlossen ist.

 

Wien, 2014 11 25

                     Ulrike Königsberger-Ludwig                                              Mag. Gertrude Aubauer

                                    Schriftführerin                                                                             Obfrau


 

Parlament Österreich

 

 

 

Enquete-Kommission

 

„Würde am Ende des Lebens

 

Bild des Parlamentsgebäudes

 

Auszugsweise Darstellung

(verfasst vom Stenographenbüro)

 

5. Sitzung

Dienstag, 25. November 2014

10.08 Uhr – 15.08 Uhr

NR-Saal

 

 

 

In der 4. Sitzung (gleich im Anschluss an die 3. Sitzung) am 7. November 2014 wurden Geschäftsordnungsfragen geklärt.

 

 

 

5. Sitzung: 25. November 2014

Referate

ad I.:

Dr. Karl Bitschnau, MAS                                                                                   3

Univ.-Prof. Dr. Herbert Watzke                                                                         5

Prim. Dr. Elisabeth Pittermann-Höcker                                                          8

Ao. Univ.Prof. Dr. Andreas Khol                                                                   10

Rudolf Edlinger                                                                                              12

ad II.:

Dr. Karlheinz Wiesinger                                                                                 32

Prof. Mag. Peter Braun                                                                                   33

Mag. Eringard Kaufmann, MSc                                                                      35

Mag. Marianne Karner                                                                                    37

Markus Mattersberger, MMSc, MBA                                                             39

ad III.:

Alexandra Lueger, DGKP                                                                               53

Marianne Pichler                                                                                             54

 

Beginn der Sitzung: 10.08 Uhr

Obfrau Mag. Gertrude Aubauer eröffnet die Sitzung, begrüßt die anwesenden Referentinnen und Referenten, die Gäste im Saal sowie alle, die die Sitzung via Livestream mitverfolgen – und gibt einleitend die Themenblöcke der heutigen Sitzung bekannt.

I. Status quo der Hospiz- und Palliativversorgung und Bedarfsanalyse;

II. Konkretisierung der Erfordernisse in Ausbildung und Praxis;

II. Begleitung zu Hause.

Sodann leitet die Obfrau zum ersten Themenblock über.

I. Status quo der Hospiz- und Palliativversorgung und Bedarfsanalyse

Obfrau Mag. Gertrude Aubauer erteilt als erstem Referenten Dr. Bitschnau das Wort.

Impulsreferate

Dr. Karl Bitschnau, MAS (Vizepräsident des Dachverbandes Hospiz Österreich): In Österreich sind derzeit 1 800 hauptamtliche und 3 300 ehrenamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen tätig. In über 290 Hospiz- und Palliativeinrichtungen kümmern sie sich um schwer kranke und sterbende Menschen und ihre Angehörigen; damit sind wir international gesehen im guten Mittelfeld. Unsere in Österreich geborene Idee der abgestuften Hospiz- und Palliativversorgung hat in mehreren Nachbarländern Nachahmer gefunden.

Allerdings hat das Ganze einen Schönheitsfehler: Von den sechs Bausteinen der Spezialversorgung ist nur ein Baustein mit einer Regelfinanzierung unterlegt. Das macht auch das aus, was ich jetzt Ihnen schildern werde, und zwar, wie unsere Versorgungslandschaft aussieht. Wenn man das Versorgungsangebot genauer anschaut, sieht man, dass das ein bisschen ausschaut wie ein „Fleckerlteppich“ – nämlich mit zahlreichen Löchern. Ich will das kurz beschreiben.

Am deutlichsten sind auf diesem „Teppich“ die ehrenamtlichen Teams zu erkennen, denn sie sind überall in Österreich breit gestreut vertreten. Per Ende 2013 waren in Österreich 156 Hospizteams aktiv. Die Budgets zur Finanzierung dieser Teams werden zu großen Teilen durch die Bevölkerung in Form von Spenden aufgebracht. Laut Bedarfsschätzung brauchen wir in allen Bundesländern weitere Hospizteams.

Deutlich sind auf diesem „Teppich“ auch die Palliativstationen zu erkennen: Ende 2013 standen auf den 36 Palliativstationen 307 Betten zur Verfügung. Im Hinblick auf die Bedarfszahlen fehlen weitere 129 Betten.

Der nächste Farbtupfer auf diesem „Fleckerlteppich“ sind die mobilen Palliativteams, von denen Ende 2013 44 Teams im Einsatz waren. Im Vergleich zum Bedarf fehlen auch da noch 18 Teams. Zudem leben viele mobile Palliativteams in finanzieller Unsicherheit und müssen aufgrund der mangelnden Finanzierung mit zu wenig Personal arbeiten.

Ganz große Löcher gibt es bei den stationären Hospizen: Ende 2013 existierten in Österreich 87 Hospizbetten – das ist nur ein Drittel des geschätzten Bedarfes; es sind weitere 192 Betten notwendig. Stationäre Hospize gibt es bis jetzt nur in Niederösterreich, der Steiermark und in Salzburg.

Nachholbedarf gibt es ebenfalls bei den Palliativkonsiliardiensten – da gehen wir von einem Fehlbedarf von 81 Teams aus – und bei den Tageshospizen; diese gibt es erst in vier Bundesländern.

Neben diesen genannten spezialisierten Einrichtungen sind Hospiz und Palliative Care aber auch in der Regelversorgung angekommen: zum Beispiel in den Pflegeheimen, in jenen 10 Prozent aller Pflegeheime, die am Projekt Hospizkultur und Palliative Care in Alten- und Pflegeheimen teilgenommen haben, aber auch überall dort, wo sich das Personal im Sinne von Hospiz und Palliative Care weitergebildet hat.

Ganz am Anfang der Entwicklung steht die Hospiz- und Palliativversorgung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Die Bedarfsschätzung geht davon aus, dass rund 1 000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene jährlich zu versorgen sind. Das Konzept ist bereits akkordiert – allein, auch da fehlt die Finanzierung.

Kurz zusammengefasst: Der „Teppich“, den wir da in Österreich haben, ist bunt – und er soll auch bunt bleiben, aber wir müssen es unbedingt zu unserem Ziel machen, die Löcher spätestens bis 2020, also bis in fünf Jahren, zu stopfen, sprich: Hospiz- und Palliativversorgung muss für alle, die es brauchen – unabhängig von Alter und Wohnort –, erreichbar, leistbar und zugänglich sein; wie das ja auch dem Regierungsprogramm zu entnehmen ist.

Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir aus den Fehlern und Versäumnissen der vergangenen Jahre lernen. Ich möchte nur daran erinnern: Bereits 2006 wurde davon gesprochen, dass 2007 die Finanzierung geregelt sein soll – wir haben inzwischen das Jahr 2014.

Hospiz Österreich fordert daher folgende abgestufte Vorgangsweise:

In den nächsten Monaten arbeiten alle Bundesländer unter Berücksichtigung der vorliegenden Bedarfszahlen Stufenpläne zur Umsetzung von Hospiz und Palliative Care aus, wie diese 2020 aussehen sollen. Die Planung erfolgt auf Augenhöhe und gemeinsam mit den Landesverbänden beziehungsweise mit den landeskoordinierenden Einrichtungen.

Noch vor dem Sommer 2015 werden die Pläne der Bundesländer hier im Parlament zur Kenntnisnahme und zur Diskussion vorgelegt.

Um den Fortschritt auch sichtbar zu machen – den es dann hoffentlich auch gibt –, berichten die Bundesländer dem Parlament jährlich über den aktuellen Stand. Bis zum Jahr 2020 sind die Versorgungsziele überprüfbar erreicht.

Aus den Erfahrungen seit der Parlamentarischen Enquete 2001 wissen wir, dass wir aber gleichzeitig folgende Hürden aktiv in Angriff nehmen müssen, damit wir wirklich substanzielle Fortschritte erzielen.

Erstens: Die Zuständigkeit Bund/Länder und die Zuständigkeit Sozialministerium/Gesundheitsministerium werden endlich geklärt. Diese Unklarheiten sind nichts Neues, davon war auch schon 2001 die Rede. In der Vergangenheit hat das, dass man hin und her verwiesen wird, immer in die Sackgasse geführt.

Zweitens: Die zuständigen Personen und Gremien setzen sich aktiv für die Umsetzung der Ziele ein.

Drittens: Die Finanzierung der einzelnen Bausteine wird rasch und verbindlich geklärt, damit die bestehende Versorgung gesichert wird – denn viele leben mit einer sehr unsicheren Finanzierung – und damit der Ausbau auch tatsächlich erfolgen kann.

Viertens: Es ist zu klären, welche Versorgungsleistungen für Palliativpatientinnen und ‑patienten künftig durch die Sozialversicherung abgedeckt werden.

Fünftens: Dort, wo es dazu rechtlicher Anpassungen bedarf, zum Beispiel beim ASVG, werden diese auch vorgenommen.

Und schließlich sechstens: Die Einrichtungen der Grundversorgung werden in der Betreuung von Patienten mit palliativem Versorgungsbedarf zum Beispiel durch Projekte, durch Schulungsmaßnahmen unterstützt.

Wenn all dies, was ich gerade gesagt habe, in gemeinsamer Kraftanstrengung gelingt, dann können wir davon ausgehen, dass wir 2020 eine sehr gute Versorgung von Palliativpatientinnen und -patienten in Österreich haben werden.

„Würde am Ende des Lebens“ ist keine Floskel, die „Würde am Ende des Lebens“ buchstabiert sich für die Betroffenen in konkreten und spürbaren Unterstützungsangeboten.

Wir tragen Verantwortung! – Danke.

*****

Univ.-Prof. Dr. Herbert Watzke (Leiter der Klinischen Abteilung für Palliativmedizin, AKH Wien): In der mir zur Verfügung stehenden Zeit möchte ich auf die Erfordernisse in der medizinischen Ausbildung in Palliativmedizin eingehen und dabei darlegen, wo wir derzeit stehen, und natürlich auch darauf eingehen, wo wir eigentlich stehen sollten. Ich werde zuerst die Ausbildung der Medizin-Studierenden an unseren Universitäten kurz beleuchten und dann auf die ärztliche Ausbildung in den Spitälern und Lehrpraxen eingehen.

Die Ausbildung der Medizin-Studierenden hat sich in Österreich in den letzten zehn Jahren grundlegend geändert. So kann jetzt jede Medizinische Universität völlig eigene Lehrpläne erstellen; bundeseinheitlich spezifizierte oder strukturelle inhaltliche Vorgaben gibt es nicht mehr in dem Ausmaß, wie das früher üblich war. Dennoch ist die Palliativmedizin in allen Lehrplänen der öffentlichen österreichischen Universitäten enthalten.

Sie ist – ähnlich wie in Deutschland – als sogenannte Querschnittsmaterie vertreten. Das heißt, Palliativmedizin tritt im Curriculum immer dann in Erscheinung, wenn es thematisch erforderlich und passend ist – wie zum Beispiel in jenen Studienabschnitten, in denen medizinische Ethik unterrichtet wird oder auch Symptome wie Schmerzen oder Atemnot behandelt werden, oder wo das Gesundheitssystem insgesamt und der Bedarf an Palliative Care besprochen wird, aber auch dann, wenn es um das Führen schwieriger ärztlicher Gespräche mit krebskranken oder sterbenden Patienten geht – eines der wohl essenziellsten Elemente überhaupt in der medizinischen Ausbildung.

Diese palliativmedizinischen Lehrinhalte sind an Österreichs Universitäten größtenteils verpflichtend zu absolvieren und sind auch Gegenstand entsprechender Prüfungen. Da sind wir in Österreich, glaube ich, ganz gut aufgestellt, auch wenn es natürlich immer noch Verbesserungspotenzial in jede Richtung gibt.

Was die ärztliche Fachausbildung nach abgeschlossenem Studium betrifft, so wird diese in Österreich gegenwärtig – wie Sie vielleicht gehört haben – einer grundlegenden Reform unterzogen. In diesem Reformprozess ist es gelungen, die Palliativmedizin als verpflichtenden Ausbildungsinhalt in vielen medizinischen Spezialfächern unterzubringen, wie zum Beispiel in der Ausbildung zum Allgemeinmediziner, also zum Hausarzt, oder auch in der Ausbildung zum Facharzt, beispielsweise für innere Medizin. Ich denke also, dass die Palliativmedizin insgesamt für die heranwachsende Generation aus den Bereichen Studium und Ärzteausbildung ein fixer Bestandteil des Denkens, Fühlens und Handelns sein wird, was uns allen, glaube ich, zugutekommen wird.

Damit bin ich leider auch schon am Ende der guten Nachrichten.

Die erste schlechte Nachricht ist die, dass die neue ärztliche Ausbildung nächstes Jahr, also 2015, beginnen wird, sie sechs Jahre dauern wird und wir somit zumindest bis zum Jahre 2021 warten müssen, bis die in Studium und Ausbildung neu geschulte Ärztegeneration tätig sein wird. – Ich glaube nicht, dass wir so lange warten können und sollen. Natürlich ist es völlig unbestritten, dass man auch ohne eine derartige Spezialausbildung bei entsprechender persönlicher Haltung und entsprechendem persönlichen und fachlichen Engagement als Arzt/Ärztin sterbende, schwerkranke Menschen bis zu ihrem Tod begleiten kann. Das haben Tausende Mediziner vor uns bewiesen.

Was allerdings passiert, wenn man dies mit dem Hintergrund einer spezifischen Ausbildung in Palliativmedizin tut, zeigt eine Studie, die im Jahre 2010 in den USA veröffentlicht wurde. Diese möchte ich Ihnen hier jetzt kurz erläutern.

In dieser Studie hat man den Krankheitsverlauf von Patienten mit einer fortgeschrittenen Krebserkrankung und einer geschätzten Überlebenszeit von zwölf Monaten untersucht. Die Hälfte der Patienten hatte eine standardisierte palliativmedizinische Betreuung durch Palliativmediziner und durch palliativmedizinisch ausgebildete Pflegende, also durch ein Palliativteam, bekommen. Die andere Hälfte wurde konventionell behandelt.

Was ist dabei herausgekommen? – Nach einer Beobachtung von insgesamt 150 Patienten zeigte sich folgendes eindrucksvolles Bild: Die Patienten, die palliativmedizinisch betreut wurden, hatten eine signifikant höhere Lebensqualität, genau das, was Palliative Care immer sagt, dass ihr großes Ziel ist, sie starben signifikant weniger auf Intensivstationen, was, glaube ich, auch unser aller großes Ziel ist, nämlich im fortgeschrittenen Sterbeprozess nicht dort zu sterben, sie waren signifikant weniger depressiv und sie haben – was niemand erwartet hätte – bei guter Lebensqualität auch signifikant länger gelebt. Durch die Vermeidung von unnötigen Intensivstationsaufenthalten verursacht diese Form der Betreuung außerdem auch geringere Kosten für das Gesundheitswesen, wie andere Studien deutlich gezeigt haben.

Aufgrund dieser beeindruckenden Wirksamkeit von Palliative Care und Palliativmedizin als medizinischem Teil dieser Versorgung fordern, ausgehend von den Krebsmedizinern, immer mehr medizinische Fachgesellschaften in den USA und in Europa die Umsetzung dieser Studienergebnisse in die Praxis und damit unter anderem auch die Schaffung einer spezifischen palliativmedizinischen Ausbildung für Ärzte.

Viele Länder haben das inzwischen umgesetzt; in Europa sind es 15. Dazu gehören unter anderen England, Irland, Deutschland, Finnland, Norwegen, aber auch unsere Nachbarländer Tschechien, Slowakei, auch die Länder Rumänien und Georgien. Österreich ist leider nicht darunter.

Ich fordere deshalb hier alle jene, in deren Entscheidungsbereich diese Umsetzung liegt, auf, umgehend eine derartige Zusatzausbildung zu etablieren.

Diese Ausbildung sollte auf die bereits existierenden, rein theoretischen ärztlichen Diplomkurse, die jetzt schon angeboten werden, aufbauen. Sie muss zusätzlich aber einen entsprechenden Praxisteil in Palliativeinrichtungen aufweisen und muss für alle medizinischen Fächer zugänglich sein, die mit der Betreuung von Schwerkranken und Sterbenden zu tun haben, allen voran die Allgemeinmedizin.

In anderen europäischen Ländern, wie etwa Deutschland, ist das bereits umgesetzt und ist dort auch durch die Krankenversicherung abgedeckt. In Deutschland haben bislang mehr als 8 000 Ärztinnen und Ärzte eine derartige Zusatzausbildung absolviert, die auch die Grundlage für die Verrechnung mit den Kassen ist.

Es ist hoch an der Zeit, dass das auch in Österreich geschieht.

Lassen Sie mich am Ende meiner Ausführungen noch einmal zurückkommen auf die erwähnte Studie, die gezeigt hat, was Palliative Care eigentlich gemacht hat, dass sie die Studienergebnisse mit der besseren Lebensqualität erzielt hat.

Man musste im Rahmen dieser Studie ein Protokoll abarbeiten, wobei man den Patienten alle vier Wochen sehen und über seine Symptome wie Schmerz und Atemnot befragen und das auch mit ihm besprechen musste. Und dann musste man ihn therapieren. Ganz oben auf dieser Liste ist aber ein ganz eigenartiges und wichtiges Faktum gestanden: Man musste mit den Patienten besprechen, was diese über ihre Krankheit wissen und was sie denken, wie ihr Leben weitergehen wird. Diese Besprechung des Lebensendes war ein essentieller Bestandteil dieser Studie und wahrscheinlich auch der wirksame Bestandteil dieser Betreuung.

Wie wichtig so eine Besprechung des Lebensendes ist, möchte ich an einem Beispiel einer Patientin, die ich vor Jahren betreut habe, kurz erläutern.

Diese Dame war eine Patientin, die schon zehn Jahre lang eine Brustkrebserkrankung hatte, war im Alter von 60 Jahren, wurde schon ein Jahr lang in unserer Ambulanz betreut, und ihr Problem war, dass die Erkrankung in die Lunge gestreut hat. Ein Lungenflügel war dadurch nicht mehr funktionsfähig. Als sie zu einer Besprechung zu mir in die Ambulanz kam, war durch Flüssigkeit außerhalb der Lunge, durch einen Erguss die anderen Seite der Lunge so weit zusammengedrückt, dass sie nur mehr schwer atmen konnte.

Die Patientin ist noch zu Fuß gekommen, war kognitiv völlig in Ordnung, konnte gut reden, gut verstehen und alles mitdenken. Ich saß neben ihr auf der Untersuchungsliege, sie saß neben mir, ich machte einen Ultraschall und sah, dass die Lunge von diesem Erguss sehr zusammengedrückt war. Ich sagte dann zu ihr: Es ist ganz klar, wo Ihre Atemnot herkommt, der eine Lungenflügel, das wissen Sie ja, funktioniert eigentlich nicht mehr, und der andere ist jetzt durch die Flüssigkeit so weit zusammengedrückt, dass auch er nicht funktioniert, und wir müssen jetzt dort eine Nadel setzen und diese Flüssigkeit ablassen.

Sie sagte darauf zu mir: Müssen Sie diese Flüssigkeit ablassen? Muss man diesen Eingriff machen? – Ich antwortete: Den Eingriff muss man nicht machen! – Sie fragte: Was würden Sie dann machen? Ich antwortete ihr: Ich würde Ihnen die Morphin-Therapie, die Sie haben, noch erhöhen, Morphine wirken gut gegen Atemnot, wie Sie schon erfahren und erlebt haben, das würde ich einfach machen! – Daraufhin sagte sie: Und wenn das auch nicht hilft? – Ich antwortete Ihr: Dann würden wir die Opioide über die Vene zuführen. Über 24 Stunden käme eine höhere Dosis, die dann noch einmal wirkt! – Ihre Frage war dann: Was machen Sie, wenn das auch nicht wirkt und meine Atemnot unerträglich wird?

Ich war also mitten in einer Besprechung ihres Lebensendes, einfach so, in 5 Minuten.

Dann sagte ich zu ihr: Wenn das so ist, dann können wir in Österreich aufgrund der gesetzlichen Lage, die in diesem Land existiert, Ihnen anbieten, dass wir Sie in einen Tiefschlaf versetzen. Sie würden zwar an diesem Tiefschlaf nicht sterben, aber Sie würden während dieses Tiefschlafes versterben. Wenn Sie das wollen, würden wir dann das machen.

Während ich das sagte, begann sie zu weinen. Ich habe mir gedacht, ich habe schon Hunderte solcher Gespräche geführt, und jetzt war ich doch zu forsch im Vorgehen, habe sie verletzt, und sagte zu ihr stammelnd: Es tut mir leid, wenn ich Sie jetzt mit meinem Reden überfordert oder gar verletzt habe! – Aber Sie sagte unter Tränen: Ich weine nicht, weil Sie mich verletzt hätten, sondern weil ich so glücklich bin, dass ich jetzt weiß, dass ich nicht ersticken muss!

Ich glaube, wir alle müssen wissen, wie unser Leben zu Ende geht, wir alle müssen und wollen wissen, was unsere nächsten Tage bringen, die wir planen. Wir sollten akzeptieren, dass wir alle dann, wenn wir sterben, genau wissen wollen, wie es uns gehen wird und was uns erwartet.

Dafür brauchen wir ausgebildete Mediziner, die das mit den Patienten besprechen. Und die sollten wir rasch ausbilden! – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall.)

*****

Prim. Dr. Elisabeth Pittermann-Höcker (Fachärztin für Innere Medizin): Meine Vorredner waren so brillant und haben ein derartiges Wissen, dass ich ihnen kein Gegenüber bieten kann, und so gehe ich ein bisschen auf meine Erfahrung, sowohl aus meiner Tätigkeit als Ärztin als auch aus meiner Arbeit in der Gesundheitspolitik, ein – und will dann einen kurzen Umriss geben, wie es bei uns überhaupt zur Palliativ- und Hospizbewegung kam, die in Österreich noch gar nicht so lange vorhanden ist.

Die letzten Jahrzehnte führten zu großen Fortschritten in der Medizin und damit zu ökonomischen Folgen und massivem Druck auf Patienten, auf Angehörige und auf im Gesundheitswesen Tätige, insbesondere Ärzte. Im gleichen Zeitraum wurden auch Menschen in jüngerem Alter pensioniert. Man redet dabei überwiegend von ASVG-Versicherten. Das frühe Pensionsantrittsalter gibt es aber auch bei denen, die irgendwo anders beschäftigt sind.

Seit den neunziger Jahren gibt es eine Defizitbeschränkung. Da im österreichischen Gesundheitssystem mehrere Zahler agieren, gibt es immer das Bestreben, die Kosten zum anderen oder zum Klienten zu verschieben.

In früheren Jahren wurden Patienten, die ein Jahr im Spital lagen, „ausgesteuert“. Es gab auch da Gleichere, die das umgehen konnten. Für nicht Gleichere fielen hohe Kosten an. Zum Beispiel kamen die Patienten, wie man es damals nannte, in die „Versorgung“. Das Verfahren, mit dem man einen „Procuratio-Fall“ vom Spital in ein Pflegeheim brachte, hieß Asylierungsverfahren, denn nur dann, wenn dieses lief, erhielt auch das Spital den Mehraufwand vom Sozialhilfeträger abgegolten.

Gleich wie man es nennt, Pflege ist für die öffentliche Hand immer billiger, da sie so weit wie möglich vom Klienten und Lebenspartner – unter Einbeziehung des Vermögens – überwiegend selbst getragen werden muss.

Gab es noch bis in die siebziger Jahre Österreicher ohne soziale Krankenversicherung, für die im Spital exorbitante Kosten anfielen, wurde unter Bundesministerin Dr. Leodolter die Finanzierung so abgeändert, dass die Kosten noch immer hoch, aber nicht so rasch existenzvernichtend waren. Gleichzeitig stieg die Zahl der sozialversicherten Österreicher auf weit über 90 Prozent, und die anderen wurden über andere Wege versichert.

Bessere hygienische und soziale Bedingungen führten zu längerer Lebenserwartung. Viele Erkrankungen konnten beherrscht beziehungsweise deren Verlauf abgemildert werden. Mehr Menschen arbeiteten in Gesundheitsberufen. Es gibt bessere Medikamente und Medizinprodukte, und in vielen Gegenden waren Spitäler wegen ihres Beitrags zur Infrastruktur erwünscht. In diesen Jahren entstand dann der KRAZAF zur Kostenlenkung. Die Krankenkassen zahlten einen bestimmten Beitrag pro Spitalstag – und Schwerkranke, die bessere Überlebenschancen hatten als früher, kosteten dann mehr.

Während zum Beispiel in Wien noch Anfang der siebziger Jahre Menschen in Pflegeheimen laut Aussagen des damaligen Gesundheitsstadtrates Dr. Stacher durchschnittlich zirka zwei Monate in Heimpflege verbrachten und dann starben, wurde mit zunehmender Verbesserung deren Lebensdauer verlängert. Da es sich um Sozialhilfeleistungen handelte, waren die Kosten für die Familien oft beträchtlich. Da Stacher nicht wollte, dass das für die Familien existenzbedrohend ist, er für Humanität in Medizin und Pflege stand, wollte er keinesfalls, dass Nachkommen, um leben zu können, sich den Tod ihrer Angehörigen wünschten – und schaffte damals in Wien den Regress für die direkte Linie ab.

Da ab den siebziger Jahren die Schul- und Studiengebühren wegfielen, es etliche Unterstützungen gab und die Familienbeihilfe bis zum 27. Lebensjahr bezahlt wurde, studierten mehr junge Menschen Medizin. Die Infrastruktur wurde verbessert. Der Kampf gegen das Sterben vor der Zeit war erfolgreich. Dass andere Gesundheitsberufe nicht ebenfalls viel mehr Menschen ausbildeten, lag nicht am Desinteresse, sondern an den Kosten der Ausbildungsplätze und standespolitischen Überlegungen.

Zur Kostenwahrheit und um die Krankenkassen krisensicherer zu machen, wurde in den neunziger Jahren statt des KRAZAF auf LKF-Finanzierung gesetzt, womit sich, wie zu erwarten, die Aufenthaltsdauer verringerte, die Aufnahmeraten aber steigerten. Da der Ambulanzbereich auf den Kosten von 1992 eingefroren war, wurden ambulante Therapien in stationäre oder tagesklinische Bereiche versetzt.

Wer dies nicht tat, hielt keinem Kostenvergleich stand.

Verschiedene Umschichtungen der medizinischen Therapie bewirkten, dass in manchen Abteilungen weniger operiert und die Patienten eine kürzere Verweildauer hatten. So wurde auch die medizinische Onkologie in diesen Abteilungen angeboten. Wenn der Therapie der Erfolg versagt blieb, fanden die Patienten oft keine Aufnahme mehr und konnten medizinisch und pflegerisch oft schwer daheim versorgt werden.

In Großbritannien gab es schon lange Hospize für Schwerkranke ohne Aussicht auf Heilung und Besserung. Um diesen Patienten, die bei der LKF, aber auch schon vorher schwerer Berücksichtigung fanden, zu helfen, wurden in Österreich ähnliche Hospiz- und Palliativeinheiten gegründet, die selten mit Krankenhäusern verbunden waren, und wenn, dann gab es auch da eine Beschränkung der Aufenthaltsdauer.

Diese Einrichtungen haben von Beginn an wertvolle Arbeit im Dienste schwerleidender Menschen geleistet. Auch für ihre Angehörigen waren sie enorm wichtig. Die Kostenfrage war und ist ein Wermutstropfen.

Ich möchte an dieser Stelle an die Rede der ehemaligen Frau Landeshauptmann Klasnic bei unserer ersten Sitzung erinnern, wo sie den Vergleich Wien und Salzburg gebracht hat. Es war für mich immer das Erschütternde, dass Menschen oft am Ende ihres Lebens nicht die entsprechende Betreuung haben konnten, weil sie dafür aufkommen mussten. Das war der Grund, warum ich diese lange Einführung gemacht habe, wie sich das alles weiterentwickelt hat.

Ich selbst war dann in Wien einige Zeit für den Gesundheitsbereich verantwortlich, und unter sehr großen Anstrengungen gelang es mir, zwei Institutionen mit Spitälern zu verbinden. Das war die Caritas Socialis mit dem Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern und das Geriatriezentrum am Wienerwald mit dem Krankenhaus Lainz, sodass die dort betreuten Patientinnen und Patienten nicht mehr bezahlen mussten, als sie bei einem regulären Spitalsaufenthalt verrechnet bekommen hätten.

Wir haben damals auch eine Studie gemacht. Und über diese Förderung konnten wir auch eine ambulante Palliativ- und Hospizbetreuung machen. Auch diese war sehr erfolgreich.

Mit dem Schaffen der klinischen Palliativabteilung an der Wiener Universitätsklinik haben wir endgültig den Anschluss an die Schulmedizin geschafft und können hoffen, dass es in dieser Hinsicht in Österreich positiv weitergeht, dass die Menschen, die es benötigen, wirklich diese Betreuung bekommen: aber auf Kosten eines Spitalsaufenthaltes – und nicht auf Kosten der privaten Kasse! Das ist unumgänglich nötig.

Der Druck, die Kosten der letzten zwei Lebensjahre, besonders die der letzten zehn Wochen vor dem Tod zu senken, ist steigend. Das wird immer mehr von Gesundheitsökonomen angesprochen. In einigen EU-Ländern gibt es daher schon die „Tötung auf Verlangen“, wobei das Verlangen nicht immer sicher ist.

Wir müssen alles tun, diese Menschen zufriedenstellend zu behandeln. Es ist die Palliativbetreuung personell aufwendiger, aber nicht bei den Medikamenten, und sie ist das Humanste. Wir müssen die Menschen auf ihrem letzten Lebensweg wirklich entsprechend gut begleiten. Es stimmt jedes Wort meines Vorredners, dass diese Patienten dann besser, länger und glücklicher leben. Es ist die Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, dass diese Menschen in diesem Sinne leben.

Weil wir heute noch immer den Fall der Amerikanerin bringen, die sich selbst getötet hat: Ja haben wir das Gesundheitswesen in Amerika hinterfragt? Hätte diese Frau überhaupt ein Anrecht auf schmerzstillende Therapie gehabt? Teddy Kennedy, der das Gleiche hatte, hat seine Zeit gelebt. – Diese Frau aber hätte wahrscheinlich null Hilfe gehabt, hätte ihre Familie belastet, hätte Schmerzen gelitten.

Das können wir nicht tun! Der Staat ist verantwortlich dafür, dass Menschen, die für dieses Land gelebt und gearbeitet haben und leider früh schwer erkrankten, in jeder Hinsicht bestens betreut werden, wobei natürlich ihre Kinder auch eine Zukunft haben müssen.

Daher müssen wir gemäß den Bedürfnissen der Menschen – wir können nicht alles voraussagen, wir wissen nicht alle Fortschritte und alle Rückschritte, die uns treffen werden – Sorge dafür tragen, dass wir in diesem Land in ausreichendem Maße Palliativ- und Hospizversorgung zur Verfügung stellen und dass die Kosten dafür nicht höher sind, als dies bei einer „normalen“ Krankheit der Fall ist. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall.)

*****

Ao. Univ.-Prof. Dr. Andreas Khol (Präsident des Österreichischen Seniorenrates): Dank dem Nationalrat für die Durchführung dieser Enquete-Kommission! Es hat Tradition in diesem Haus, dass grundlegende ethische Fragen langfristiger beraten werden, und ich freue mich, dass der Vorschlag von Landeshauptmann Niessl und mir ins Regierungsprogramm eingegangen ist, wo wir diese Enquete-Kommission vorgeschlagen haben, und dass der Nationalrat diese Enquete-Kommission jetzt durchführt.

Als Seniorenvertreter wurde ich alarmiert und auf die Situation aufmerksam gemacht durch die Lektüre deutscher Zeitungsberichte über die deutsche Diskussion, aber auch durch Berichte über die Sterbeziffern in den Niederlanden und in Belgien. In den Niederlanden sind im Jahre 2012 10 Prozent der Todesfälle durch aktive Sterbehilfe, also durch „Töten auf Verlangen“, zustande gekommen. Eine unglaubliche Ziffer!

Im vergangenen Jahr wurde in Belgien die „Tötung auf Verlangen“ von Kindern eingeführt! Das lässt mir kalten Schauer über den Rücken jagen. Ich bin also dankbar, dass wir uns diesem Thema – Würde am Ende des Lebens – zuwenden. Das ist die Kehrseite der Geburt in Würde, des Lebens in Würde: Auch das Sterben in Würde gehört dazu.

Was uns als Seniorenvertreter und mich persönlich auch alarmiert, sind die Berichte erfahrener Onkologinnen und Onkologen über Szenen, die sich in Krankenhäusern in den finalen Phasen einer Erkrankung abspielen; da steht die freie Selbstbestimmung des Menschen zum Tod ebenso infrage wie die freie Selbstbestimmung, zu Entscheidungen zu gelangen.

Es kann nicht so sein, dass es in Österreich – oder in einem anderen Land – möglich ist, dass auf Menschen in ihrem letzten Lebensabschnitt Druck ausgeübt wird – sei es von Erben, sei es von Betreuungspersonen, sei es von anderen –, eine Entscheidung in Richtung: Stimmen Sie doch zu, wir drehen ab!, zu treffen. – Das kann nicht sein, das darf nicht sein, und das ist unser Anliegen als Seniorenvertreter, dass diese freie Selbstbestimmung des Menschen bis zum Ende dauert!

Ich denke, dass wir heute schon sehr viel gehört haben, das ermutigend ist. Österreich war in der Schmerzmedizin und in der Sterbebegleitung immer bahnbrechend, und wir sollten da, wo wir stehen, weitermachen. Ich kann das Programm, das Herr Bitschnau für die Hospizbewegung dargelegt hat, den Stufenplan bis zum Jahr 2020, nur rückhaltlos und voll unterstützen. Das ist wichtig, und es ist auch wichtig, den flächendeckenden Rechtsanspruch hier zu verankern.

Ich bin aber auch sehr angetan beziehungsweise beeindruckt von Herrn Professor Watzke, und zwar darüber, was er über die Ausbildung zum Palliativmediziner gesagt hat. Ich denke, dass die Enquete-Kommission diese Anregung, die in seinem Referat zum Ausdruck kam, aufnehmen sollte, dass also die Palliativmedizin als besonderer Ausbildungsgegenstand in der Rechtsordnung verankert werden muss. Ich glaube auch, dass wir nicht sechs Jahre warten können.

Das bedeutet also volle Unterstützung auch für das, was Herr Professor Watzke gesagt hat: Information des Menschen, Information darüber, was ihm bevorsteht, Information darüber, was er zu erwarten hat, was er noch tun kann. – Das zur Palliativ- und Schmerzmedizin.

Ich glaube, dass es da Rechtsansprüche geben muss, und in Übereinstimmung mit Frau Primaria Pittermann möchte ich sagen, dass unser System der fast lückenlosen Sozialversicherung – die Menschen in unserem Land sind zu 99 Prozent sozialversichert – auf diesem Gebiet Rechtsansprüche zu erfüllen haben soll, dass es also nicht eine Frage des Geldes sein darf, wie man am Ende des Lebens lebt.

Was ich aber auch hinzufügen möchte, ist die Frage der Vorsorgevollmacht. Ich glaube, dass die eminenten Juristen, die dieser Enquete-Kommission angehören und die auch Praktiker sind, eine bessere und leichtere Zugänglichkeit für die Vorsorgevollmacht ausarbeiten sollten.

Ich bin auch der Meinung, dass die Patientenverfügung – die leider Gottes nur 18 000 Menschen in diesem Land haben; das sind die letzten Zahlen – erstens voll informiert den Menschen zur Verfügung stehen soll, zweitens dass die Kosten dafür von der Krankenkasse zu bezahlen sind und drittens dass es auch bei den Stellen der Gebietskrankenkassen und den lokalen Stellen der vielen Krankenkassen, die wir haben, ärztliche Beratung geben und auch die Unterschriftsleistung möglich sein muss. Die Patientenverfügung soll im Rahmen der Elektronischen Gesundheitsakte auf der E-Card vermerkt sein, damit behandelnde Ärzte in extremis sofort wissen: Da ist die E-Card, da steht die Patientenverfügung, und wir wissen, was der Menschen im Vollbesitz seiner Kräfte verfügt hat.

Das sind die Punkte, die ich als Vertreter der älteren Generationen hier an diesem Rednerpult darlegen möchte, und ich bitte die Enquete-Kommission, diese Punkte – Hospizbewegung, Rechtsansprüche auf Palliativversorgung, Hospizversorgung ebenso wie die Frage der Ausbildung zum Palliativmediziner – zu berücksichtigen und auch zu sehen, wie wichtig die Fragen der Patientenverfügung und der Vorsorgevollmacht sind.

Auch eine Reform der Sachleistungen bei der Pflege ist überfällig und gehört in diesen Bereich hinein.

Hier kann ich nur die verantwortlichen Minister aufrufen, das schon in der Regierungserklärung in Aussicht gestellte Reformprogramm möglichst schnell dem Hohen Haus vorzulegen. (Beifall.)

*****

Rudolf Edlinger (Vizepräsident des Österreichischen Seniorenrates): Ich begrüße die Tatsache der heutigen Anhörung im Rahmen der Enquete-Kommission zum Thema „Würde am Ende des Lebens“ und möchte einige Gedanken dazu äußern – nicht als Fachmann, ich bin weder medizinisch ausgebildet noch intensiv damit beschäftigt, sondern als ein Mensch, der unter uns lebt, der mit Vorgängen konfrontiert ist und der in seiner Funktion als Mitglied des Seniorenrates eine Generation vertritt, die sich in verstärktem Maße mit solchen Fragen beschäftigt.

Die Auseinandersetzung mit dem Tode, dem eigenen oder dem eines nahestehenden Menschen, erzeugt oftmals Angst, Hilflosigkeit und Trauer. Aber Sterben ist ein unvermeidbarer Teil des Lebens, und jeder – das weiß ich aus der Erfahrung und von mir selbst – reagiert anders, weil die Auseinandersetzung mit diesem Thema zutiefst emotional und auch abhängig von den individuellen Lebenseinstellungen jedes Einzelnen ist. Unterschiedliche Auffassungen sind daher legitim und unvermeidlich.

Die Frage, wie jemand aus dem Leben scheiden möchte, ist meiner Meinung nach nur sekundär ein Rechtsproblem, vor allem ist es kein parteipolitisches, aber sehr wohl ein gesellschaftspolitisches Problem, das Ethik und Moral einer Gesellschaft widerspiegelt. Die Gesellschaft darf sich dabei aber nicht nur quasi als Reglementator verstehen, sondern sie ist verpflichtet, jene Rahmenbedingungen zu schaffen, die der Würde des Menschen in einer schwierigen Phase seines Lebens entsprechen.

Ich möchte dazu vier Bemerkungen machen; ich bin mit sehr vielem, das meine Vorredner gesagt haben, einverstanden, daher nur einige persönliche Bemerkungen.

Erstens: An oberster Stelle steht meiner Überzeugung nach die unantastbare Selbstbestimmung jedes Einzelnen; diese sicherzustellen, ist nicht immer einfach, weil es dabei auch darum geht, jedwede Einflussnahme von Dritten, aus welchen Motiven auch immer, zu verhindern. Niemand darf durch Druck zu Entscheidungen veranlasst werden, die er möglicherweise gar nicht will.

Zweitens: Es wäre daher wünschenswert – und da teile ich vor allem die Meinung meines Vorredners –, sich möglichst frühzeitig mit dem Unvermeidbaren auseinanderzusetzen. Jeder sollte ohne unmittelbare Veranlassung entscheiden, wie er möchte, dass mit ihm umgegangen werden soll, wenn er nicht mehr in der Lage sein sollte, selbständig darüber zu entscheiden. Dafür gibt es die Instrumente der Patientenverfügung beziehungsweise der Vorsorgevollmacht. Diese sind allerdings – wie bereits Herr Dr. Khol gesagt hat – breiten Bevölkerungsschichten nicht bekannt beziehungsweise auch zu aufwändig und zu teuer.

Ich sehe es als Aufgabe der Gesellschaft, dies durch gezielte Information zu verändern.

Drittens: Ich war persönlich erstmals vor 50 Jahren hautnah mit dem Sterben konfrontiert. Meine Mutter litt an Krebs und befand sich im Endstadium. Wir waren einander eng verbunden, wie das bei vielen Kriegskindern – ich bin Geburtsjahrgang 1940 – der Fall war, und ich war die ganze Zeit bestrebt, alles zu tun, was ihr Leben verlängert hätte. Aber die letzten Wochen waren furchtbar. Sie musste ihr Ende erleiden und erdulden. Ich bin kein besonders gläubiger Mensch, aber ich habe in diesen Tagen oftmals den lieben Gott gebeten, meine Mutter zu erlösen. – In Würde zu sterben, damit hatte dies absolut nichts zu tun.

Der Stand der Medizin ist heute ein anderer als vor 50 Jahren. Palliativmedizin und Hospizversorgung machen es möglich, dass ein ähnliches Schicksal wie das meiner Mutter anders erlebt werden kann.

Der Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung ist notwendig, um den Zugang für alle, die dies wollen und brauchen, zu ermöglichen. Ziel muss es sein, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es jedem ermöglichen, die letzte Lebensphase in Würde zu verbringen beziehungsweise in Würde sterben zu können – ohne Schmerzen und nicht alleingelassen.

Deshalb ist es notwendig, eine umfassende Verfügbarkeit von mobiler und stationärer Hospizbetreuung und ein flächendeckendes Netz an Palliativversorgung sicherzustellen. Das ist eine Zielsetzung, an der eigentlich niemand rüttelt – aber die Finanzierung ist nicht gesichert. Was mich sehr betrübt, ist, dass wir uns zwar alle einig sind, dass wir das brauchen, dass aber in der öffentlichen Diskussion gerade die Sparwelle in Richtung Einsparungen im Sozial- und Gesundheitsbereich sozusagen auf der Tagesordnung steht.

Wir müssen schon wissen, was wir eigentlich wollen. Das betrifft alle Abgeordneten, alle Politiker und natürlich auch die Länder – ich saß ja einmal an beiden Tischen, und als ehemaliger Bundesminister fielen mir eine Menge Argumente ein, warum ich keine zusätzlichen Kosten übernehmen kann, und als ehemaliger Landesfinanzreferent eine Menge Argumente, warum das Land keine übernehmen kann.

Aber ohne konkrete Maßnahmen gibt es keine Zielerreichung – in Würde sterben, aber auch in Würde leben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin davon überzeugt – diese Bemerkung mache ich sehr bewusst –, dass der jetzige gesetzliche Rahmen ausreicht, um negative Entwicklungen auszuschließen. Ich halte eine verfassungsmäßige Verankerung, wie da und dort angedeutet, für entbehrlich.

Ich möchte abschließend eine Frage stellen, bei der ich mir selbst nicht klar darüber bin, wie ich sie beantworte: Wie soll ich, wie soll jemand reagieren, wenn es medizinisch keine Hoffnung auf Genesung gibt und wenn jemand für sich selbst beschließt, sein Leben beenden zu wollen? Auch eine solche Entscheidung ist legitim.

Ich frage mich: Was ist humaner und würdevoller: selbstbestimmt wie die Dame in Amerika im Kreise der Familie zu sterben, in die Schweiz reisen zu müssen wie Herbert Fux oder vom Fenster zu springen wie Ludwig Hirsch?

Ich frage Sie. Ich weiß keine Antwort. – Ich danke Ihnen. (Beifall).

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Diskussion

Obfrau Mag. Gertrude Aubauer leitet nun über zur Diskussion und erteilt als erster Rednerin Abgeordneter Mag. Steinacker das Wort.

Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): „Wir müssen immer lernen, zuletzt auch noch sterben lernen.“

Dieses Zitat von Marie von Ebner-Eschenbach drückt etwas aus – nämlich das Lernen bis zum Lebensende. Für das Sterben, meine Damen und Herren, gibt es keine Gebrauchsanweisung, kein Skript, kein Drehbuch, kein Rezept, das Sie irgendwo nachlesen können. Sterben ist etwas ganz Individuelles, und Sterben kommt auf uns alle zu. Es ist Bestandteil unseres Lebens, und es ist Ausdruck der Einzigartigkeit jedes einzelnen Menschen – wie es ihm dabei geht und wie er persönlich dieses Sterben erlebt.

Wir setzen uns hier damit auseinander, das ist ein ganz wichtiges Thema, und ich danke allen – den ExpertInnen von der letzten Kommissionssitzung, den ExpertInnen, die heute hier sind – für diese offene Diskussionsbereitschaft und die vielen hochinteressanten Beiträge. Sie, Herr Professor Watzke, haben zuvor gesagt, dass die Information darüber wichtig ist, wie wir den Menschen in diesen letzten Stunden, in diesen letzten Tagen Informationen geben, um Entscheidungen zu treffen – das glaube ich auch. Doch Gewissheit, wie es dann ist, haben wir natürlich nicht. Daher ist diese Kommunikation, die Sie pflegen, einer der ganz wesentlichen Schritte und von uns aus jedenfalls zu unterstützen.

Entscheidend für die Würde sind die Menschlichkeit, die achtsame Zuwendung und die liebevolle wie auch professionelle Betreuung, die jeder Einzelne erlebt. Kein Mensch soll sich einsam und verlassen fühlen, wenn es am Lebensende um sein Sterben geht. Ich unterstütze mit all meiner Kraft die Hospiz- und Palliativversorgung, und ich bitte Sie, dort bereichsübergreifende Lösungen für die Finanzierung und die Zuständigkeiten zu finden. Wir werden das im Parlament unterstützen.

Die Diskussionen darüber können am Ende nicht bedeuten und in den Satz münden: Wir brauchen dafür mehr Geld! – Es gilt, die vorhandene Infrastruktur zu verbessern, es gilt, gemeinsam effizienter und kostengünstiger zusammenzuwirken, und es gilt auch, Kommunikation und Information wechselseitig in den verschiedenen Organisationen zu unterstützen.

Ich danke Ihnen, Herr Dr. Bitschnau, für Ihre Vorschläge zu diesem Sechs-Punkte-Stufenplan; ich glaube, da ist vieles enthalten. 2020 ist nicht mehr weit, aber es ist auch nicht sehr nah, aber wir müssen jedenfalls rasch handeln.

Ich finde mich ganz intensiv wieder bei den Worten von Professor Andreas Khol und Rudolf Edlinger zum Thema Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht. Als Justizsprecherin der ÖVP ist es mir natürlich ein Anliegen, ganz besonders in diesem Bereich zu wirken und dafür zu sorgen, dass der Zugang dazu wirklich einfach gestaltet und den Menschen klar wird, dass sie autonom über diese Themen, über ihre Rechte verfügen können, zu einem Zeitpunkt, in dem sie noch darüber nachdenken und entscheiden können.

Die Würde des Lebens gilt bis zuletzt. Sie muss unantastbar bleiben, und sie darf nicht durch falsch verstandene Hilfe aufgeweicht werden. Alle Menschen haben ein Recht auf würdevolles Sterben. Jedes Kommissionsmitglied, jeder Experte hat das bisher in seinen Redebeiträgen ausgeführt. Ich unterstreiche es noch einmal: Es gilt, Leiden zu lindern und ein Sterben in Geborgenheit und mit Respekt zu ermöglichen.

Meine Damen und Herren! An dieser Stelle darf ich als Abgeordnete des Nationalrates den Menschen danken, die in Trägerorganisationen wie Caritas, Rotes Kreuz, der Vinzenz Gruppe, der Hospizbewegung und vielen anderen Organisationen tätig sind, aber auch jenen Menschen – den vielen Familienmitgliedern und den Ehrenamtlichen –, die die Pflege zu Hause machen.

Diese Menschen sind die wahren Helden unserer Gesellschaft, und sie sind Vorbild für gelebte Nächstenliebe. Ich danke ihnen dafür. (Beifall.)

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Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Ich möchte zu Beginn allen Expertinnen und Experten herzlich Danke sagen für die Impulsreferate, die uns einen sehr guten Überblick über die Situation der Palliativversorgung und der Hospizbetreuung in Österreich gegeben haben. Ich bin der Meinung, die Politikerinnen und Politiker sind aufgerufen, diese Fakten ernst zu nehmen und aufbauend auf diesen Fakten auch die weiteren Schritte zu setzen.

Die Würde des Menschen ist unantastbar, hat meine Vorrednerin gesagt, und das stimmt natürlich: Die Würde des Menschen ist unantastbar, und wir müssen uns speziell auch mit der Würde am Ende des Lebens auseinandersetzen. Ich bin froh darüber, dass diese Enquete-Kommission das tut. Ich weiß aber auch, wie schwierig dieses Wort, diese Würde tatsächlich für jeden zu begreifen und zu verstehen ist.

Bei der ersten Expertenrunde hat Herr Chalupka von der Diakonie einen sehr eindrucksvollen Beitrag geleistet zur Frage: Was ist die Würde? Was ist die Würde für jeden Einzelnen? Was bedeutet die Würde für jeden Einzelnen? Und ich denke, das muss man bei der Diskussion immer auch im Auge behalten, was denn für jeden Einzelnen Würde ist.

Dass dabei, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, geschätzte Expertinnen und Experten, natürlich ein wesentlicher Teil ist, dass man die letzten Tage seines Lebens möglichst schmerzfrei verbringen kann, ist keine Frage. Dass dazu auch gehört, dass man sein Lebensende möglichst so gestalten kann, wie man es sich wünscht, ist auch unbestritten, und dass dabei die Palliativmedizin und auch die Hospizbewegung ganz wichtige Begleitmaßnahmen sind, ist auch unumstritten. – Wir haben das heute von den Experten und Expertinnen eindrucksvoll gehört.

Ich kann mich den Ausführungen des Herrn Dr. Bitschnau anschließen, der gesagt hat: Palliativmedizin muss unabhängig von Ort und Einkommen garantiert werden! – Ich glaube, da sind wir alle einer Meinung. Es darf vor allem auch nicht, wie Frau Dr. Pittermann gesagt hat, zur Armutsfalle werden – für niemanden, speziell auch nicht für Frauen. Und das muss – davon bin ich auch überzeugt – verankert sein. Es muss Palliativstationen geben, wo Menschen tatsächlich ihre letzten Tage verbringen können. Und es sollte in Zukunft auch mobile Palliativteams geben. Das ist alles unbestritten, und alle Parlamentsfraktionen sind diesbezüglich auch einer Meinung.

Wir haben es auch heute schon gehört: Schwierig wird es aber dann, wenn es um die Finanzierung geht, wenn es darum geht, wer welche Aufgaben in der Palliativversorgung, in der Hospizbewegung übernehmen soll. Deshalb sind alle Politikerinnen und Politiker aufgefordert, diese Fragen tatsächlich zu klären.

Es wird äußerst wichtig sein, wenn wir eine flächendeckende Palliativ- und Hospizversorgung garantieren wollen, dass sich alle, die in diesem Bereich arbeiten, zusammensetzen und tatsächlich Finanzierungslösungen finden. Dazu gehören die Länder, der Bund, aber auch die Sozialversicherungsträger. Das wird von ganz großer Bedeutung sein. Wir sollten uns tatsächlich Zeitpläne geben, denn wenn wir sagen: Wir machen es!, dann wird es wie bei der Enquete-Kommission 2001 wieder nicht zu Ende gedacht.

Kollege Jarolim hat es beim letzten Mal gesagt. Wenn wir es nicht schaffen, ist diese Enquete leider tatsächlich gescheitert. Deswegen müssen wir uns am Ende der Enquete tatsächlich einen Zeitplan geben, wie wir diese Finanzierung sicherstellen können.

Meiner Auffassung nach ist aber auch noch eine andere Frage zu stellen, nämlich: Wie wird Hospiz in Zukunft aussehen? Wo soll sie angesiedelt werden? Soll sie weiterhin Sozialhilfe bleiben, oder gibt es andere Finanzierungsmöglichkeiten? Soll sie in Krankenhäusern sein? Soll sie bei Pflegeheimen angesiedelt sein? – Auch das sind Fragen, wo man sich tatsächlich überlegen muss, wo denn die Hospizbetreuung am besten angesiedelt ist.

Ebenso ist mir ganz besonders wichtig, wie auch Herr Dr. Watzke bereits gesagt hat, darauf hinzuweisen, dass der Palliativgedanke in der Medizin durchgehend verankert werden muss. Sie haben das ja sehr eindrucksvoll geschildert, wie Ärztinnen/Ärzte Menschen, die die letzten Tage leben, betreuen, wie sie auch das Gespräch mit den Angehörigen und den Patientinnen und Patienten selbst suchen. Und ich denke mir, so wie Sie das gesagt haben, das muss durchgehend angesiedelt sein. Palliativmedizin, der Palliativgedanke muss meiner Meinung nach in der gesamten Medizin verankert werden.

Ein Weiteres, was mir als Behindertensprecherin der SPÖ beim Palliativgedanken sehr wichtig ist, ist das Thema Selbstbestimmung. Ich weiß, dass dieses Thema auch im Zusammenhang mit der Würde des Menschen am Ende des Lebens sehr kontroversiell diskutiert wird. Und ich möchte schon sagen, dass die palliative Medizin ganz besonders auch von der Selbstbestimmung des Menschen geprägt sein muss. Auch am Lebensende muss das garantiert sein.

Wir haben es schon gehört: Mit der Patientenverfügung, mit der Vorsorgevollmacht gibt es in Österreich Instrumente, mit denen man einigermaßen gut für sein Lebensende vorsorgen kann. Trotzdem muss es da aus meiner Sicht noch viel mehr Rechtssicherheit geben, das muss leichter zugänglich sein, und es muss vor allem auch für die Ärztinnen und Ärzte im Bereich von Patientenverfügung und von Vorsorgevollmacht Rechtssicherheit geben, denn auch da orte ich einfach noch Handlungsbedarf,

Noch ein letzter Gedanke zur Selbstbestimmung, die ich schon angesprochen habe. Selbstbestimmung ist ein Grundwert eines jeden Menschen, eines jeden Staatsbürgers. Selbstbestimmung ist ein ganz wichtiger Teil des eigenen Lebens, die, wie ich meine, auch am Ende des Lebens zu gelten hat.

Herr Dr. Khol hat gesagt: Man soll in den letzten Lebensphasen keinen Druck auf Menschen ausüben. Da bin ich hundertprozentig Ihrer Meinung, Herr Dr. Khol. Trotzdem denke ich mir, dass man auch am Ende des Lebens selbst bestimmen darf, wie man aus dem Leben scheidet, wie auch Herr Edlinger gesagt hat, ob es würdevoller ist, wenn man sich aus dem Fenster stürzt oder eben sein Lebensende selbst bestimmt.

Man muss wirklich ganz genau schauen, was Selbstbestimmung am Lebensende bedeutet. Ja, das stimmt, Frau Dr. Pittermann, auch ich bin überzeugt davon, dass der Staat die Verantwortung für den Menschen hat, und wir sollen alles daransetzen, dass man seine letzten Lebenstage schmerzfrei verbringen kann, dass es Hospizbegleitung gibt. Ich stelle mir aber für mich auch die Frage – und damit möchte ich schließen –, weil ich noch keine Antwort für mich selbst gefunden habe, wieweit der Staat in meine Selbstbestimmung als Staatsbürgerin/Staatsbürger eingreifen darf oder wieweit auch am Lebensende meine eigene Selbstbestimmung gehen darf.

Auch diese Fragen sollten wir in dieser Enquete-Kommission klären. – Danke. (Beifall.)

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Abgeordnete Mag. Daniela Musiol (Grüne): Wir haben schon in den einleitenden Beiträgen sehr schön gesehen, dass man, wenn man über dieses Thema spricht, sehr schnell einerseits aufgrund der Expertise, die man vielleicht erlernt, die man wo nachgelesen hat, aber auch aufgrund der Erfahrung, die man gemacht hat, bestimmte Wege verfolgt und bestimmte Standpunkte einnimmt.

Ich danke allen RednerInnen, die bisher gesprochen und auch diesen schönen Bogen zwischen Politischem, Gesellschaftspolitischem, aber auch sehr Persönlichem eingebracht haben, sei das jetzt der Sohn, der nach 50 Jahren über den Tod seiner Mutter spricht, oder der Arzt, der eine Situation schildert, wo er in seiner Rolle als Arzt nicht sicher wahr, ob er das Richtige gesagt hat oder nicht.

Das ist genau die Situation, in der alle Menschen in Österreich sind, wenn sie mit dem Thema Sterben, mit dem Thema Tod, mit dem Thema Trauer konfrontiert sind. Und egal, wie viel Expertise man angesammelt hat, wie viel man sich damit auseinandergesetzt hat, es kann auch immer wieder passieren, dass man dann wieder vor einer Situation steht, wo man sich denkt: Mhm, habe ich da jetzt das Richtige getan? Habe ich da jetzt die richtige Entscheidung getroffen?

Das macht es auch so schwierig, finde ich, bei all diesen Themen, die sich in diesem Feld bewegen, Gesetze zu schaffen – abseits von ethischen Fragen, abseits von persönlichen Erfahrungen. Abseits von Parteipolitik, glaube ich, geht es. Das heißt, wir haben hier, wenn wir über die Frage Sterbehilfe sprechen, wenn wir über die Frage sprechen, was erlaubt oder verboten sein soll, eine Fülle an Wertehaltungen, teilweise auch religiösen Haltungen, ethischen Haltungen, aber natürlich auch individuellen Erfahrungen, die vor uns liegen, die wir uns vielleicht auch gegenseitig mitteilen, die es dann aber schwierig machen, zu sagen: Okay, und wir finden jetzt einen Weg, der für alle gelten soll!

Was natürlich auch immer mitschwingt, ist die Angst, wenn wir dann einen Weg finden, und das haben wir auch bei anderen Gesetzen, dann könnte es passieren, dass eine bestimmte Gruppe oder bestimmte Menschen nicht davon umfasst sind. Das macht es schwierig, wenn es darum geht, ob man etwas erlaubt oder verbietet. Nicht schwierig, finde ich, ist es, wenn es darum geht, Rahmenbedingungen zu schaffen.

Ich bin Familienpolitikerin, ich bin die Familiensprecherin der Grünen und, verzeihen Sie mir jetzt einen Vergleich, der vielleicht ein bisschen schräg wirkt, ich beschäftige mich als Familienpolitikerin nicht nur, aber überwiegend mit dem Beginn des Lebens, damit, dass Kinder auf die Welt kommen. Und auch da führen wir Diskussionen darüber, welche Rahmenbedingungen wir schaffen müssen, damit alle Kinder in Österreich die gleichen Chancen bekommen, die gleiche Möglichkeiten, die gleichen Ausbildungschancen bekommen. Wir von den Grünen und auch andere fordern einen Rechtsanspruch zum Beispiel auf Kinderbildungseinrichtungen, also auf den Kindergarten.

So, und wenn wir uns das jetzt sozusagen bezogen auf unser Thema anschauen, dann fordern wir das eigentlich auch für das Ende des Lebens, nämlich einen Rechtsanspruch darauf, dass alle Menschen nach ihren individuellen Vorstellungen und selbstbestimmt ihren Weg gehen können, einen Weg, der ohnedies schwierig ist.

Sie alle arbeiten regelmäßig mit Menschen, die gerade erfahren, dass ihr letzter Tag naht, dass Schmerzen auf sie zukommen werden, wenn sie nicht schon da sind. Und was man wirklich ganz frei von Parteipolitik und Ethik entscheiden kann, ist, dass man Rahmenbedingungen schafft, die alle dabei unterstützen, am Ende in Würde diesen Weg zu gehen, und zwar nicht nur die Betroffenen, sondern auch die Angehörigen. Es ist ja nicht nur eine Frage derer, die den Schmerz erleiden müssen, sondern es ist auch eine Frage derer, die unterstützen, die begleiten. Auch das professionelle Umfeld ist schon genannt worden, Rechtssicherheit für die ÄrztInnen, aber natürlich auch Rechtssicherheit für sämtliches medizinisches Personal.

Rechtsanspruch bedeutet, dass man ein Anrecht darauf hat und dass dann auch das Geld fließen muss. Wir von den Grünen fordern ja den Rechtsanspruch für einen Kindergartenplatz hauptsächlich deshalb, weil wir sagen: Dann wird erreicht, dass genug Ressourcen in die Hand genommen werden, damit die benötigten Plätze geschaffen werden. – Und das Gleiche gilt auch für den Palliativbereich, für den Hospizbereich.

Vielen Dank, Herr Edlinger, für dieses launige Rollenspiel, sozusagen Bund/Land. Ich hätte schon eine Antwort, was das gemeinsame Argument sein könnte. So läuft es nur leider nicht, also so viel Realpolitikerin bin ich schon und so viele Erfahrungen habe ich leider mittlerweile auch schon gemacht. Aber eigentlich könnten sich ja die Verantwortlichen auf Bundesebene und die Verantwortlichen auf Landesebene denken: Okay, wir haben ein gemeinsames Ziel. Und jetzt schauen wir, wie wir es gemeinsam umsetzen! – Ich weiß, das klingt jetzt vielleicht ein bisschen naiv. Aber ich glaube, wenn man sozusagen diese naiven Ziele aus den Augen verliert, dann sollte man auch möglichst schnell aus der Politik aussteigen. Ich bin noch in der Politik, also behalte ich mir diese naiven Ziele.

Darauf wird zu achten sein: Wie schaffen wir es, sozusagen eine Kompetenzklarheit herzustellen, und wie schaffen wir es, dass alle Beteiligten diesen Rechtsanspruch dann auch tatsächlich umsetzen?

Zum Thema Ausbildung. Ich finde, das haben Sie sehr schön klargelegt, Herr Professor Watzke, indem Sie gesagt haben: Jeder will genau wissen, was ihn erwartet, was uns erwartet. – Wenn wir uns aber anschauen, wie unsere Gesellschaft grundsätzlich mit den Themen Sterben und Trauer umgeht, dann sehen wir, dass wir da natürlich sehr weit weg davon sind, dass man sehr offen darüber sprechen kann, was einen erwarten wird. Dann darf man aber von MedizinstudentInnen oder angehenden Medizinern auch nicht erwarten, dass die das automatisch machen. Sie müssen sozusagen darauf gestoßen werden. Ich sage das jetzt einmal so „brutal“. Sie müssen sich damit auseinandersetzen, sie müssen darauf gestoßen werden, dass es irgendwann einmal im Zuge ihrer Ausbildung dazu kommen könnte, dass sie genau solche Gespräche zu führen haben.

Und auch da wieder der Vergleich mit dem Kindergarten: Mir reicht es nicht, wenn wir uns darauf verständigen, dass wir 2021 einen Rechtsanspruch auf den Kindergarten machen, denn das heißt, die Kinder, die jetzt den Kindergartenplatz brauchen, bekommen ihn nicht. Und genau so reicht es den Menschen nicht, die 2021 auf Ärzte treffen, die diese Ausbildung gemacht haben, denn die leben dann nicht mehr, wenn sie jetzt schon krank sind.

Also vor diesem Hintergrund ist Eile geboten. Ich bin guter Dinge, dass wir hier gemeinsam tatsächlich gute Diskussionen führen werden. Aber ich möchte schon auch noch einmal meinen Finger auf die Wunde legen. Gute Diskussionen reichen nicht, wir haben das im Jahre 2001 gesehen. Es ist ein wichtiger Teil, auch in der Öffentlichkeit dieses Thema zu positionieren, Diskussionen darüber zu führen. Aber mindestens genauso wichtig wie die Diskussionen sind dann die konkreten Umsetzungen. Und wir Grüne sind da sicher im Boot, wenn die konkreten Umsetzungen bedeuten, dass hier Rahmenbedingungen geschaffen werden, die das Kriterium Selbstbestimmtheit und Individualität berücksichtigen. (Beifall.)

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Fragen von Bürgerinnen und Bürgern

Obfrau Mag. Gertrude Aubauer: Inzwischen haben 636 Bürgerinnen und Bürger per Mail ihre Anliegen an die Enquete-Kommission gesendet, ihre Wünsche, ihre Sorgen. Ich möchte mich bei ihnen allen sehr herzlich bedanken und daher auch Fragen der Bürger an die anwesenden Experten richten.

Erste Frage: Es gab in der Mehrzahl der Briefe vor allem den Wunsch, Hospiz und Palliativversorgung generell zur Verfügung zu haben, und zwar auch – das berührt ja besonders – für schwerstkranke Kinder.

Daher die Frage an Herrn Dr. Bitschnau: Warum kann man Kinder nicht in die allgemeine Versorgung integrieren? – Herr Dr. Bitschnau ist jetzt nicht hier; gut, wir vertagen das.

Ein anderer großer Themenkomplex ist: Gerade ältere Menschen wollen ja niemandem zur Last fallen. Das kommt in vielen Briefen zum Ausdruck. Sie machen sich Sorgen, den Jungen viel Geld zu kosten. In einem Brief heißt es: Muss ich ein schlechtes Gewissen haben, wenn ich leben will?

Frage an den Präsidenten des Seniorenrates: Herr Präsident Dr. Khol, wie ist solchen Ängsten zu begegnen? Was sagen Sie diesen besorgten Briefeschreibern?

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Dr. Andreas Khol (Präsident des Österreichischen Seniorenrates): Ich weise die Menschen darauf hin, dass sie sich ja durch ihre Lebensleistung und durch ihre Beitragsleistung zur Sozialversicherung einen Anspruch erworben haben, den wir zu honorieren haben, und dass auch der Generationenvertrag natürlich ein zweiseitiger Vertrag ist.

Schlechtes Gewissen sollte niemand haben, sondern es sollte im vollen Bewusstsein, dass die Würde des Menschen eben auch Rechte begründet, gehandelt werden.

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Obfrau Mag. Gertrude Aubauer: Ein großer Bereich in den Briefen umfasst auch den Themenkomplex Einsamkeit.

Bürgerinnen und Bürger – so sehe ich das – schreiben geradezu Hilferufe. So heißt es: Niemand will/kann mir zuhören!

Herr Vizepräsident Edlinger, wie sind da Ihre Erfahrungen unter den Senioren? Wie sehen Sie das? Wo könnten wir da ansetzen?

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Rudolf Edlinger (Vizepräsident des Österreichischen Seniorenrates): Die Gefahr der Vereinsamung besteht natürlich, je älter man wird. Alle Freunde, alle Bekannten sind möglicherweise entweder schwer krank oder bereits verstorben. Und je älter man wird, desto schwieriger wird es, neue soziale Kontakte zu knüpfen. Daher ist es eine der Aufgaben auch der Seniorenorganisationen, nicht nur im politischen Bereich tätig zu sein, sondern auch im gesellschaftlichen Bereich. Alle Seniorenorganisationen bieten Veranstaltungen, Zusammenkünfte, wo eben Menschen miteinander in Kontakt kommen, was eben einen Beitrag zur Verringerung von Einsamkeit leisten soll.

Das ist ein permanentes Problem, weil ja täglich andere älter werden, das heißt, das ist ein Problem, das nie endet und eine permanente Aufgabe auch für die Seniorenorganisationen ist. Aber ich glaube, dass wir das nach bestem Wissen und Gewissen recht gut machen.

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Dr. Andreas Khol (Präsident des Österreichischen Seniorenrates: Ich möchte das unterstreichen und darauf hinweisen, dass die Wohlfahrtsorganisationen wie zum Beispiel das Hilfswerk – ich bin überzeugt, auch die Volksfürsorge – Besuchsdienste anbieten. Ich kenne Personen, die freiwillig tätig sind und Besuche machen. Und ich glaube, diese Freiwilligentätigkeit, die ja auch in unseren Vereinigungen gefördert und organisiert wird, ist sehr, sehr wichtig.

Rudolf Edlinger hat gesagt, die Leute machen nicht nur Politik bei uns, sondern sind auch in den Vereinigungen, weil sie Gesellschaft erleben wollen.

Ich drehe das um: Die Leute nehmen die Politik in Kauf, aber deswegen werden sie nicht Mitglied bei uns, sondern bei uns werden sie Mitglied wegen dieser Gemeinschaft. Wir haben sehr, sehr viele übrig gebliebene Ehepartner, weniger Männer, aber mehr Frauen. Und die kommen zu unseren Vereinigungen, weil sie dort genau das erfahren, was festgestellt wurde: neue Bekannte, neue Gemeinschaft und auch eine gewisse Solidarität. Und das ist sehr wichtig.

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Obfrau Mag. Gertrude Aubauer: Herr Dr. Bitschnau, ich würde Sie ersuchen, auch eine Frage unserer Bürger zu beantworten, und zwar: In sehr vielen Briefen kommt der Wunsch zum Ausdruck, dass schwerstkranken Kindern besser geholfen wird.

Warum kann man Kinder nicht in die allgemeine Versorgung integrieren?

Was sind da die besonderen Erfordernisse?

Dr. Karl Bitschnau, MAS (Vizepräsident des Dachverbandes Hospiz Österreich): Die Kinder sind weitgehend in die allgemeine Versorgung integriert, aber das ist dasselbe wie generell mit dem Thema schwerkranke und sterbende Menschen: Der Großteil der Versorgung erfolgt in der allgemeinen Regelversorgung, das darf man nicht vergessen. Wir gehen davon aus, dass es 80 bis 95 Prozent der Patienten sind, aber dann gibt es immer noch einen Teil besonderer Problematiken, spezifischer Problemstellungen, und da braucht es eine Spezialversorgung. Das gilt für die Kinder wie für die Erwachsenen, also ganz spezielle Konstellationen. Es ist nicht so, dass alle Erwachsenen, die schwer krank sind, in die Palliativversorgung kommen, sondern ein spezieller Teil mit spezifischen Fragestellungen.

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Obfrau Mag. Gertrude Aubauer: Es liegt mir eine Vielzahl an Wortmeldungen vor. Ich werde so wie vorhin schon bei den Abgeordneten 3 Minuten Redezeit einstellen.

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Mag. Franz Karl (Vizepräsident des Österreichischen Seniorenrates): Als Vertreter des Seniorenrates kann ich mich natürlich den Äußerungen der Frau Dr. Pittermann, des Herrn Professors Khol und im Wesentlichen auch jenen des Herrn Kollegen Edlinger anschließen, wenn ich auch bemerken möchte: Natürlich ist Selbstmord etwas, was nicht straffällig oder sonst irgendwas ist, aber man soll nicht beim Selbstmord helfen, denn sonst sind wir gleich bei der Sterbehilfe.

Ich möchte jetzt drei Punkte erwähnen.

Der erste Punkt – ich möchte ihn visionär formulieren –: Die Palliativversorgung muss eine Krankenkassenleistung werden. Ich weiß um die Situation des Budgets, aber das ist so wichtig, meine Damen und Herren, da wird man halt einmal eine Straße weniger bauen, weniger Bauernförderung geben oder die ÖBB einbremsen und dieses Geld umschichten müssen. Ich weiß, dass das eine heftige Forderung ist, aber es geht darum, das Wesentliche in den Vordergrund zu stellen.

Zweitens: Palliativmedizin bei Kindern. Als Vater eines Sohnes, der mit vier Jahren an Muskelschwund verstorben ist, ist mir das ein besonderes Anliegen. Also in diesem Bereich geschieht, glaube ich, noch viel weniger als in der alterspalliativen Medizin; da muss wirklich ein Fortschritt erzielt werden.

Der dritte Punkt: das Sterben. Ich möchte zu Hause sterben, und ich glaube, die meisten Menschen möchten zu Hause sterben.

Als Erstes möchte ich die Frage stellen, ob es Untersuchungen gibt – das ist ein teurer Spaß, das kann sich ja nicht jeder leisten –, was eine Woche Palliativversorgung zu Hause kostet. Das ist natürlich unterschiedlich, es kommt darauf an, welche Maschinen man braucht und so weiter, aber trotzdem, es müsste ja so etwas wie eine Durchschnittszahl geben.

Meine Damen und Herren, wir reden immer von Gleichheit, aber nichts ist gleicher und nirgends ist man gleicher als im Tod!

Schlusssatz: Man muss das Unmögliche fordern, um das Mögliche zu erreichen. (Beifall.)

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MMag. Christof Eisl (Geschäftsführer der Hospiz-Bewegung Salzburg): Wir betreiben in Salzburg als Hospiz-Bewegung Salzburg ein Tageshospiz, und ich möchte mit einem Zitat eines Gastes von uns beginnen:

Ich habe so viele Leute kennengelernt und die Erfahrung, ich habe einen ganz lieben Mann und alles, aber wenn du mit einem Gleichgesinnten redest, ist das anders, als wenn du einem Mann allerweil vorjammerst, der sich für dich hinuntertut und Sorgen hat – das willst du dann gar nicht –, und so geht es einem dann viel besser. – Zitatende.

Die bisherigen Ausführungen zeigen es: Tageshospize sind weitgehend Missing Links in unseren Vorstellungen. Wir haben in Österreich vier sehr unterschiedlich gestaltete Tageshospize in vier Bundesländern. Wir ÖsterreicherInnen wissen, was stationäre Versorgung ist, wir wissen, was mobile Betreuung ist, aber: Was ist teilstationäre Versorgung, was ist ein Tageshospiz, was leistet das, was sind dessen Zielsetzungen?

In einem gleicht es sich mit anderen Versorgungsstrukturen: Es geht um bestmögliche Linderung belastender Symptome. Es geht um Lebensqualität, die sich am individuellen Verständnis und Bedürfnis des schwer kranken Besuchers/der schwer kranken Besucherin orientiert.

Ja, darin unterscheidet es sich auch schon wieder: Wir sprechen in Tageshospizen von „Gästen“ oder „BesucherInnen“. Menschen, die zu uns kommen, kommen zu uns ins Tageshospiz als Gast. Sie kommen tagsüber, sind sonst in der häuslichen Betreuung. Und dieses Tagsüber-betreut-Werden unterstützt die häusliche Betreuung, entlastet die Angehörigen und stärkt die Selbständigkeit der Personen. Das heißt, sie entscheiden eigentlich jeden Tag von Neuem, ob sie kommen oder nicht kommen, sie entscheiden, was sie an Angebot nutzen und was nicht.

Diese Selbständigkeit wird zudem gefördert durch Information und Ermutigung bei Entscheidungen und Willensbekundungen. Durch vorausschauende Betreuungsplanung wird der Verbleib zu Hause gefördert, und die Angehörigen werden ganz wesentlich entlastet. Sie können an diesen Tagen etwas unternehmen, das sie sonst, wenn sie 24 Stunden, also rund um die Uhr da sein müssen, nicht können. Und dann geht es auch um Gemeinschaft, um die Gemeinschaft gleichermaßen Betroffener, wie das Eingangszitat eindrücklich belegt. Menschen finden hier Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, kommen heraus aus der Isolation des Krankenbettes.

Durch das intensive Miteinander von PalliativärztInnen, PalliativpflegerInnen, aber auch ehrenamtlichen HospizbegleiterInnen gelingt es, unnötige Krankenhausaufenthalte zu vermeiden. Der Betreuungsansatz ist überzeugend, das hat eine Studie von UMIT im letzten Jahr gezeigt, und trotzdem wird deutlich, dass in Österreich Tageshospize ein Schattendasein führen. Aufgrund des fehlenden Verständnisses dafür, was da wirklich geleistet wird, ist die Finanzierung großteils noch auf Spenden angewiesen.

In Salzburg haben wir an vier Tagen in der Woche offen. Es gibt Tageshospize, die es sich nur leisten können, einen Tag pro Woche zu öffnen. Es gibt Tageshospize, wo die BesucherInnen den Krankentransport ins Tageshospiz selbst finanzieren müssen. Es gibt Unterschiede in der ärztlichen Präsenz; da wird gespart, weil man es sich nicht leisten kann. Das heißt aber auch, dass Menschen, die schwerer erkrankt sind, die mehr ärztlicher Unterstützung bedürfen, dieses Angebot nicht in Anspruch nehmen können.

Wichtig für die Inanspruchnahme der Tageshospize ist, dass es keine finanzielle Hürde gibt. Wichtig ist, dass das Miteinander von allen Berufsgruppen und das enge Miteinander mit Ehrenamtlichen geleistet wird.

Wir sehen, im deutschsprachigen Raum haben Tageshospize leider keine gute Kultur. Wir bekommen derzeit Anfragen aus Deutschland, wo man draufkommt, dass das doch ein wichtiger Baustein wäre.

Wir sehen auch, dass dort, wo Geld vorhanden ist, der Aufbau rascher vonstattengeht, und wir wissen, dass die Versorgungsstrukturen rascher umgesetzt werden, wenn entsprechende öffentliche Gelder vorhanden sind.

Mein Appell: Vergessen Sie bei Ihrer Planung nicht auf Tageshospize, auch wenn Sie den meisten noch fremd sind. (Beifall.)

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Erich Borovnyak (Leiter Caritas Hospiz): In meiner Funktion im Vorstand des Dachverbands Hospiz Österreich leite ich die Hospiz- und Palliativeinrichtungen der Caritas der Erzdiözese Wien. Mein Anliegen heute sind stationäre Hospize.

Nach wie vor fehlen stationäre Hospizbetten in Österreich. Derzeit gibt es österreichweit nur neun stationäre Hospize beziehungsweise Hospizstationen in Pflegeheimen mit insgesamt 87 Betten in drei Bundesländern. Sechs von neun Bundesländern bieten noch keine stationären Hospize oder Hospizbetten an. In einem Bundesland wird gerade eines geplant. Das heißt, erst ein Drittel der notwendigen Hospizbetten sind österreichweit verfügbar.

Es gibt seit Jahren enormen Bedarf an Langzeiteinrichtungen, also stationären Hospizen, in denen Menschen auch mehrere Monate lang bis zu ihrem Lebensende betreut werden können. Palliativstationen wurden als palliativmedizinische Einrichtungen über die LKFin den Krankenhäusern bundesweit geregelt und finanziert – als einziges Angebot in der gesamten spezialisierten abgestuften Hospiz- und Palliativversorgung.

Hospizbetreuung am Lebensende muss auch in stationären Hospizen für alle Menschen, die sie brauchen, erreichbar, zugänglich und leistbar sein. Das setzt einen Rechtsanspruch auf stationäre Hospizbetreuung und ein klares bundesweites Finanzierungsmodell für stationäre Hospize voraus.

Zugang zur Hospizversorgung in all ihren Formen muss künftig so selbstverständlich sein, wie es der Zugang zur Regelversorgung heute ist. – Danke schön. (Beifall.)

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MMag. Bernd Wachter (Generalsekretär Caritas Österreich): Zunächst möchte ich mich für diese Initiative des Nationalrates auch im Namen meiner Organisation, der Caritas Österreich, die ich hier vertrete, ganz herzlich bedanken, auch für die Stellungnahmen und die sehr sensible und hoch qualifizierte Diskussion, die ich jetzt miterleben durfte. Die bisherigen Beratungen und die vorangegangenen Impulsreferate zeigen sehr deutlich, dass es in Österreich eine bundesweite flächendeckende Hospiz- und Palliativversorgung braucht, die für alle Menschen, die sie benötigen, zugänglich und leistbar ist.

Der Handlungsbedarf ist groß, denn derzeit sind lediglich die palliativmedizinischen Einrichtungen in Krankenhäusern, also ganz konkret die Palliativstationen, bundesweit geregelt. Das ist aber letztlich nur ein Teilbereich. Alle anderen Angebote – ob mobile Palliativteams, mobile Hospizteams in Zusammenarbeit mit geschulten und begleitenden freiwilligen Tageshospizen oder stationäre Hospize – sind in jedem Bundesland anders organisiert. In manchen Bundesländern gibt es sehr viele, in anderen nur Teile der Angebote.

Neun verschiedene Modelle, neun verschiedene Unsicherheiten und neun verschiedene Finanzierungsmuster – das kann so nicht bleiben! Es braucht – und ich wiederhole hier schon Gesagtes, weil es zentral und wichtig ist – die Verankerung eines Rechtsanspruches auf Betreuung durch Hospiz- und Palliativeinrichtungen. Zum Zweiten braucht es die Einigung auf eine österreichweit gesicherte Regelfinanzierung für alle Angebote der abgestuften Hospiz- und Palliativversorgung. Und zum Dritten braucht es die umfassende Integration von Hospizkultur und Palliative Care in die Grundversorgung, das heißt in Pflegeeinrichtungen, in Krankenhäusern bis hin zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendheilkunde.

Zum Schluss und meines Erachtens ein ganz entscheidender Punkt: Internationale Studien, die auch schon angesprochen wurden, belegen, dass gute Angebote an Palliative Care und Hospizarbeit wesentlich dazu beitragen, dass Spitalsaufenthalte oder auch nicht notwendige Rettungseinsätze vermieden werden können. Auf der anderen Seite führen die Hospizangebote, insbesondere die mobilen Palliativteams, dazu, dass die Lebensqualität der Patienten steigt und die Angehörigen entlastet werden. Somit treffen sich der volkswirtschaftliche Nutzen und die notwendige menschlichere Behandlung durch eine gute Palliativ- und Hospizversorgung – eine, wie Ökonomen sagen würden, Win-win-Situation, die aber nur dann gewährleistet werden kann, wenn Bund, wenn Länder, wenn Gemeinden und Krankenkassen an einem Strang ziehen. Darum bitte ich – wir alle könnten irgendwann Betroffene sein. (Beifall.)

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Dr. Martina Kronberger-Vollnhofer, MSc (Leiterin MOMO – Mobiles Kinderhospiz, Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde): Ich melde mich zu Wort als Kinderhospiz-Beauftragte des Dachverbandes Hospiz Österreich, als Kinderärztin, Kinderonkologin, Kinderpalliativmedizinerin, als Leiterin des mobilen Kinderhospizes MOMO in Wien, als Mutter, vor allem aber im Namen all jener Kinder und Familien, die betroffen sind und die sich von dieser und von den folgenden Sitzungen sehr viel erwarten.

Die Enquete-Kommission arbeitet zum Thema „Würde am Ende des Lebens“ – ich möchte mit Ihnen über die „Würde am Anfang des Lebens“ reden; über die Würde dann, wenn Kinder nämlich durch Probleme rund um die Geburt einen schwierigen Start ins Leben haben, mit einer schweren Erkrankung geboren werden oder im Laufe ihrer Kindheit an lebensverkürzenden, lebensbedrohlichen, chronischen und fortschreitenden Krankheiten erkranken oder einen Unfall mit schweren Beeinträchtigungen überleben, über die Würde dann, wenn auch das Sterben eines Kindes immer wieder Thema wird.

Der Alltag dieser Familien ist mitunter geprägt durch eine sehr aufwendige 24-Stunden-Pflege, geprägt von Schmerzen, durchwachten Nächten, von Verabreichung künstlicher Ernährung – fallweise betreuen die Familien heimbeatmete Kinder –, von zahlreichen Spitalsaufenthalten und immer wieder den Sorgen und der Angst, plötzlich auftretende Komplikationen bewältigen zu müssen, und das häufig – und das ist ein großer Unterschied zur Erwachsenen-Hospizbetreuung – über Jahre, oft auch über Jahrzehnte.

Wir alle sind uns einig, dass kein lebensbedrohlich erkranktes Kind mit seinem Schicksal alleingelassen werden soll und dass diese Kinder gemeinsam mit ihren Eltern und Geschwistern in Anbetracht der schwierigen Situation aufgrund der schweren Erkrankung einen Anspruch auf Leben in Würde haben. Das kann möglich werden unter Vorhaltung auch einer individuellen Palliativversorgung im kindgerechten Umfeld, am selbst gewählten Ort, natürlich in enger Kooperation – weil es sich um schwierige Erkrankungen handelt – mit den Spezialisten in Spitälern, mit sozialpädagogischen Einrichtungen und mit Kolleginnen und Kollegen im niedergelassenen Bereich.

Die Realität sieht leider anders aus. Speziell im häuslichen Bereich fühlen sich die Familien häufig im Stich gelassen, hilflos und auch überfordert.

Die Auseinandersetzung mit Krankheit, Tod und Trauer trifft die Eltern in einer Zeit, die üblicherweise von Träumen und Wünschen für die Kinder und die Familie für die Zukunft geprägt ist. Die Sorgen und Ängste, die aufwendige Pflege, die psychische und nicht zuletzt auch körperliche Erschöpfung der Eltern lassen wenig Zeit für Sozialkontakte oder Freunde, und auch finanzielle Belastungen treten in den Vordergrund, weil in den seltensten Fällen beide Eltern einer Arbeit nachgehen können. Letztendlich sind auch die gesunden Geschwister in die zweite Reihe gedrängt, entwickeln Schuldgefühle und haben oft keine Zukunft. Sie versagen in der Schule, weil sich niemand um sie kümmern kann. Sie müssen wie die Eltern „funktionieren“.

Daher liegt es eigentlich auf der Hand, dass diese Familien eine umfassende Betreuung und Versorgung benötigen. Dazu braucht es multiprofessionelle, für Kinder ausgebildete und qualifizierte Palliativteams, die sich zusammensetzen aus Ärztinnen und Ärzten, aus Pflegenden, aus PsychologInnen, aus SozialarbeiterInnen, PhysiotherapeutInnen, ErgotherapeutInnen, PädagogInnen, Seelsorge – Ehrenamt –, um die wichtigsten, aber sicher nicht alle aufzuzählen.

Diese Betreuung muss gemäß internationalen Standards für Kinderpalliativversorgung flächendeckend und kostenlos zur Verfügung stehen. Das muss ein Recht sein, und zwar sowohl im mobilen Bereich als auch im stationären Bereich. Von dieser Umsetzung sind wir in Österreich leider sehr weit entfernt. In nur zwei Bundesländern, nämlich in Niederösterreich und seit November dieses Jahres auch in der Steiermark, gibt es eine Finanzierung für mobile Palliativteams. In allen anderen Bundesländern gibt es entweder keine Angebote, oder sie sind auf Eigeninitiativen zurückzuführen und ausschließlich durch Spenden finanziert.

Es gibt für ganz Österreich bisher nur drei definierte Kinderpalliativbetten, und zwar im Thermenklinikum Mödling an der Kinderabteilung, und die Auslastung ist sehr hoch. Wir arbeiten mit der Abteilung eng zusammen und wissen daher: Das hat eine große Erleichterung gebracht. Es gibt in Österreich kein stationäres Hospiz für Kinder. Es gibt zu wenige Entlastungseinrichtungen, und es gibt keine flächendeckende Finanzierung, die zugunsten der kleinen Bundesländer, die ja auch niedrigere Patientenzahlen haben, unbedingt länderübergreifend gewährleistet werden muss.

Obwohl bereits im Jahr 2012 im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit ein Expertenkonzept erstellt wurde, in dem der österreichweite Bedarf und auch die notwendigen Strukturen abgebildet und verankert sind, ist speziell die mobile Kinderpalliativversorgung zu einem Spielball zwischen Bund und Ländern, zwischen Sozial- und Gesundheitsressorts geworden. Die, die auf der Strecke bleiben, sind die Betroffenen, die sich häufig als Bittsteller am Rande der Gesellschaft wiederfinden.

Letzte Woche wurde international, aber auch in Österreich 25 Jahre Kinderrechtskonvention gefeiert. Die vier Grundprinzipien, die in der Kinderrechtskonvention verankert sind, umfassen unter anderem das Recht auf Leben, Überleben und Entwicklung und das Verbot der Diskriminierung und damit verbunden das Recht auf Versorgung und Teilhabe am Leben.

Wir können den betroffenen Familien ihr Schicksal nicht nehmen, aber es ist unsere gesellschaftliche und vor allem auch menschliche Pflicht, sie auf ihrem schweren Weg zu begleiten, zu unterstützen, ihnen die Strukturen zu bieten, die in Anbetracht der schweren Erkrankung ihres Kindes ein Leben, aber auch ein Sterben in Würde ermöglichen.

Ich möchte mit einem Zitat von Janusz Korczak schließen, einem polnischen Kinderarzt, der schon vor 100 Jahren zu den Rechten des sterbenden Kindes publiziert hat:

„Es ist eine Verdrehung der Gerechtigkeit, dass einige nicht vergessen werden, andere aber doch.“

Ich appelliere an Sie, lassen Sie uns bitte die Kinder und die Familien, die unsere Unterstützung so dringend brauchen, nicht vergessen! Danke. (Beifall.)

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Mag. Leena Pelttari (Geschäftsführerin Dachverband Hospiz Österreich): Ich spreche heute zu Ihnen als Geschäftsführerin des Dachverbandes Hospiz Österreich. Hospiz und Palliative Care ist ein Menschenrecht. Viele internationale Organisationen fordern weltweit die Regierungen auf, Hospiz und Palliative Care flächendeckend umzusetzen und Finanzierung bereitzustellen.

Die jüngste Forderung hat die Weltgesundheitsorganisation WHO im Mai dieses Jahres in eine Resolution an alle Mitgliedstaaten, damit auch an Österreich, gerichtet. Meine internationale Tätigkeit bestätigt mir immer wieder, dass wir in Österreich mit unserer Hospiz- und Palliativarbeit im guten Mittelfeld liegen. Wie wir heute bereits mehrmals gehört haben, ist die Entwicklung der Hospiz- und Palliativversorgung aber sehr unterschiedlich, je nachdem, wo man in Österreich zu Hause ist.

Wie können wir es gemeinsam schaffen, dass jeder Bürger/jede Bürgerin die Unterstützung und Betreuung bekommt, die er/sie in der letzten Lebensphase braucht – erreichbar, leistbar und zugänglich, so wie es im Kapitel 07 des aktuellen Regierungsprogrammes steht? Die wichtigste Voraussetzung dafür ist meiner Meinung nach die Klärung der Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherungen, wie es bereits seit 2008 in einer zwischen dem Bund und den Ländern beschlossenen Artikel 15a-Vereinbarung und auch im Regierungsprogramm steht.

Ich zitiere jetzt das aktuelle Regierungsprogramm: „Um das Ziel einer gesicherten Verfügbarkeit von mobiler und stationärer Hospizbetreuung, auch für Kinder, zu erreichen, soll entsprechend der Bedarfserhebung des österreichischen Bundesinstitutes für Gesundheit (ÖBIG) eine gemeinsame Finanzierung durch Bund, Länder und Sozialversicherungen entwickelt werden.“

Wir müssen es gemeinsam schaffen, kreative, ressortübergreifende, Bund und Länder umfassende Lösungen zu finden. Es ist von enormer Wichtigkeit, dass wir verbindliche Vereinbarungen treffen. Dann werden wir alle – Sie und ich, wir alle –, wenn wir es brauchen, gut betreut und gut begleitet das letzte Stück unseres Lebensweges gehen. (Beifall.)

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Professor DDr. Hans Popper (Direktor a.D. Oberösterreichische Gebietskrankenkasse): Ich war bis vor wenigen Jahren Direktor der Gebietskrankenkasse in Oberösterreich und bin seitdem im ehrenamtlichen Einsatz als Hospizmitarbeiter im stationären Bereich wie auch im ambulanten Bereich zu Hause. Ich spreche nicht für die Krankenkasse und auch nicht für den Landesverband, sondern erlaube mir, Ihnen meine Meinung zu sagen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die beste Prävention gegen oft verzweifelte Selbsttötungen, oft verzweifeltes Verlangen danach, getötet zu werden, besteht in einer umfassenden, qualitätsvollen, leistbaren, erreichbaren und mit Rechtsanspruch versehenen Palliativ- und Hospizbetreuung zu Hause und im stationären Bereich. Wir brauchen – das ist meine tiefe Überzeugung – keine Verankerung in der Verfassung, wir brauchen keine rechtlichen Instrumentarien, sondern wir brauchen eine hohe Organisationsdichte mit diesen Diensten, die in vielen Bereichen schon angelegt ist. Denken Sie an den ambulanten Bereich: Da haben die Krankenkassen bereits einiges geleistet.

Was aber dezidiert fehlt, ist eine Kassenleistung für die stationären Aufenthalte in den stationären Hospizen oder im Tageshospiz.

Lieber Professor Khol, zweitens denke ich, dass die Kassen sich davor hüten beziehungsweise davor bewahrt werden sollten, die Kosten für die Errichtung einer Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht zu übernehmen. Es wäre fatal, würde sozusagen auf diesem Weg Druck auf die Patienten ausgeübt werden, therapiebegrenzende Maßnahmen zu veranlassen. Die Kassen sollten das um Gottes Willen nicht tun müssen! Vielleicht könnte man andere Formen der Organisation, auch der Kostensenkung finden, um den Zugang zu derartigen Maßnahmen zu erleichtern.

Drittens, denke ich, fehlen uns bei dem abgestuften Hospiz- und Palliativplan ganz dezidiert Ausgestaltungen und Definitionen dessen, was man unter Qualität verstehen kann. Worin besteht die Qualität einer palliativen Betreuung? Wie könnte man Qualität denn messen, und was ist daher zu tun?

Also nicht nur die Prozesse zu definieren und die Strukturen festzulegen, sondern sich auch darüber auszutauschen, was inhaltlich bei palliativen Patienten zu geschehen hat. Vielen Dank fürs Zuhören. (Beifall.)

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A.o. Univ.-Prof. Dr. Andreas Khol (Präsident des Österreichischen Seniorenbundes): Da müssen Sie etwas missverstanden haben. Ich bin der Meinung, dass das Beratungsgespräch beim Arzt von der Kasse bezahlt werden soll und dass die Unterschriftsleistung, die ja auch etwas kostet, ebenfalls vergütet werden soll.

Ich glaube, Sie sind Kassen-Mitarbeiter, also Ihnen würde ich nicht meine Patientenverfügung anvertrauen.

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Paul Mensdorff-Pouilly (Kinderkrebshilfe Elterninitiative): Die Würde am Ende des Lebens hat für mich und für meine Familie eine ganz besondere Bedeutung bekommen, denn wir als selbst betroffene Eltern haben erfahren müssen, dass die moderne Medizin, die ja bei der Betreuung von erkrankten Kindern jetzt schon einen hohen Prozentsatz an Heilung ermöglicht, bei der Diagnose Krebs auch ihre Grenzen hat.

Aus dieser Situation heraus haben wir unsere Tochter auf ihrem letzten Weg begleitet. In unserer Arbeit bei der Kinderkrebshilfe und unserem eigenen Projekt „Familien-Lotse“, in Kooperation mit der Kinder-Krebs-Hilfe Elterninitiative und dem St. Anna Kinderspital, wurde uns oft folgende Frage gestellt: Wann habt ihr eigentlich gewusst, wann eure Tochter Mimi sterben wird?

Ohne jetzt ins Detail zu gehen, diese 22 Monate, die wir sie begleiten durften, haben wir keine konkrete Antwort bekommen. Es gibt kein „ab dann“ und „ab jetzt“, denn in der gelebten Realität ist bei einer lebensverkürzenden Erkrankung der Aspekt der palliativen Situation schon mit der ersten Diagnose und dem ersten Diagnosegespräch gegeben. So haben wir es auch erlebt.

In unserer Betreuung im St. Anna Kinderspital haben wir erlebt, dass durch die Anwendung des Prinzips der gesamtheitlichen Betreuung, der Einbindung in die Gespräche aller aktiven behandelnden Ärzte, der internen und externen Pflege und vor allem des psychosozialen Dienstes ein ständig aktualisierter Prozess stattfindet. Alle sind eingebunden, und das erleichtert den Patienten und deren Angehörigen diese Situation und schafft eine real perspektivische Atmosphäre.

Es wird nach diesen Aspekten der medizinischen, biologischen, psychologischen und kulturellen Situation gemeinsam mit den Patienten, bei Kindern vor allem mit den Angehörigen, den Eltern, Schritt für Schritt jede einzelne Maßnahme besprochen, bestimmt und gelebt.

Daraus entsteht eine Kommunikation des Vertrauens, man kann sich sicher fühlen, man ist außerhalb von Ängsten und Sorgen und man hat eine Kultur des Redens, ohne sich erklären oder rechtfertigen zu müssen.

Ein wichtiger Aspekt der Würde des Lebens und der Würde am Ende des Lebens ist, die richtigen Entscheidungen zu finden und auch akzeptieren zu können.

In vielen Gesprächen mit den Personen, die in solche interdisziplinäre Beratungen eingebunden sind, habe ich festgestellt, dass sich kein Einziger in irgendeiner Art und Weise anmaßen würde, ein Regulativ einzufordern. Diese interdisziplinäre Maßnahme entwickelt auch, wenn der Weg zur palliativen Betreuung geht, jeden einzelnen Schritt und jede einzelne Möglichkeit.

Ich selber habe durch viele Erlebnisse und Erzählungen in meiner Arbeit als Vorstand in der Kinderkrebshilfe gesehen, dass ich mir selbst auch nicht anmaßen würde, in dieser Situation eine Entscheidung zu empfehlen. Ich kann nur jeden, auch alle Anwesenden, bitten, dies auch so zu tun.

Die Betreuung ist nach wie vor sehr spitalsbezogen. Aus unserer Sicht  – auch aufgrund meiner Erlebnisse – entspricht sie nicht mehr in allen Bereichen den Anforderungen.

Diese von mir beschriebene ganzheitliche Betreuung im St. Anna Kinderspital, die auch die notwendige Unterstützung der gesamten Familie und des Umfeldes beinhaltet, ist aber im intra- und extramuralen Bereich nur möglich, weil sie durch Spenden finanziert wird und durch die unermüdliche Arbeit der Kinder-Krebs-Hilfe Elterninitiative überhaupt angestoßen wurde.

Durch die vielen Schicksalsschilderungen, die ich erlebt habe, habe ich sehr, sehr viel Positives erkennen können und ein Fazit daraus gezogen. Die aktive Arbeit in der palliativen sowie kurativen Betreuung funktioniert nur dann, wenn sich der intramurale Bereich, die behandelnden Spezialärzte, die mobilen Dienste, die externen Betreuungen und die niedergelassenen Ärzte auf Augenhöhe und im fachlichen Wissen interdisziplinär austauschen. Nur dann erfahren die Angehörigen und die Betroffenen eine Erleichterung.

Dies ist aber nicht strukturiert und auch nicht vorhanden, es kann nur am Beispiel des St. Anna Kinderspitals angedeutet werden. Für mich ist wichtig, dass so etwas, wenn es implementiert wird, auch gemonitort wird und Strukturen und Institutionen bestehen, die dem Austausch der Informationen dienen.

Meiner Überzeugung nach ist es auch wichtig, dass wir die betroffenen Kinder und Erwachsenen und deren Angehörigen nicht allein lassen und ihnen auch dementsprechend zuhören. – Danke. (Beifall.)

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Univ.-Prof. Dr. Christoph Gisinger (Institutsdirektor und ärztlicher Leiter im Haus der Barmherzigkeit: Hohe Politik! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich bin Arzt, Geriater, Geschäftsführer der Haus-der-Barmherzigkeit-Gruppe, die Pflegeheime, Pflegekrankenhäuser, ein Hospiz und Behinderteneinrichtungen betreut, und ich bin auch Professor für Geriatrie an der Donauuniversität Krems.

Hier wurde schon wiederholt die Situation geschildert: Was ist zu tun und wie reagiert man, wenn ein Betroffener sagt, ich will so nicht leben? Es wurde auch heute schon auf verschiedenen Ebenen dazu Stellung genommen, wie man an diesem „So“ arbeiten kann, denn es geht immer um das „So“. Aus meiner Erfahrung sagt niemand: Ich will einfach nicht leben!, sondern es geht immer um die Umstände.

Die Diskussionen und Beträge heute gingen vor allem um die Qualifikation der Menschen, die diese Betreuung ausüben, um Ausbildungsfragen und Fragen der Verfügbarkeit entsprechender Personen und Teams mit der richtigen Qualifikation. Die zweite Diskussionsebene beinhaltete strukturelle Erwägungen.

Ich möchte in aller Kürze die Systemfrage ansprechen. Wenn wir über Palliativmedizin reden, so entsteht in unserem Kopf immer die Idee eines 40- bis 70-jährigen Menschen im Endstadium einer Krebserkrankung, aber mehr als 50 Prozent der Menschen, die sterben, sind über 80 Jahre alt, und somit braucht jeder eine Palliativbetreuung. Wenn wir an dieses „So“ denken, gibt es zwar gute Strukturen und – noch viel zu wenig, aber immer mehr – gut ausgebildetes Personal, aber es macht schon einen Unterschied, in welcher Systemlogik man letztlich betreut wird.

Bei der palliativen Geriatrie, bei den Menschen, die im höheren Alter sterben, ist es so, dass sie zunächst eine sehr unwürdige, demütigende Situation durchleben müssen. Sie werden amtlich für arm, für mittellos erklärt, damit die Solidargemeinschaft letztlich dafür sorgt, dass sie in Pflegeeinrichtungen sterben. Immer mehr Menschen sterben in Pflegeeinrichtungen, immer weniger in Krankenhäusern – und aufgrund des fehlenden familiären und sozialen Umfeldes auch immer weniger zu Hause. Diese Systemproblematik, auf die ich noch ein weniger deutlicher zu sprechen kommen möchte, diese Bestimmung des Eigenregresses – wenn gesagt wurde, der Regress wurde abgeschafft, so war das immer nur der Angehörigenregress, aber nicht der Eigenregress – führt dazu, dass die Menschen vielleicht ihr Wochenendhaus an die Kinder verschenken, sich technisch arm machen oder gemacht werden, damit dann über die Mittel der Sozialhilfe letztendlich dafür gesorgt wird, dass sie entsprechend betreut werden können und diese Betreuung bezahlt werden kann.

Nebenbei bemerkt: Die Sozialversicherung, die für soziale Sicherheit sorgen soll, verabschiedet sich ja in dieser Situation fast vollständig von ihrer Verantwortung. Wir haben Systeme, die vielleicht vor 150 Jahren ihre Berechtigung hatten. Die soziale Krankenversicherung geht ja von der Hypothese aus, man ist schwer krank, dann ist man es immer nur kurz – und nach ein paar Wochen geheilt oder tot. Also das ist nicht mehr den heutigen Realitäten entsprechend. Die soziale Krankenversicherung geht also von völlig falschen Erwägungen aus.

Die Trennung zwischen dem, was als Akuterkrankung oder als Akutfall anerkannt und bezahlt wird und was als Pflegefall gilt, ist völlig willkürlich. Da gibt es überhaupt keine echten sachlichen Definitionen und Abgrenzungen, keine wissenschaftlich fundierten Definitionen und Abgrenzungen, sondern das sind rein normative Festlegungen, was wer bezahlt, hat aber mit den Bedürfnissen der Kranken und mit der Würde am Ende des Lebens, vor allem von älteren Menschen, nichts mehr zu tun. Ich glaube, gerade hier in diesem Haus wäre das eine wichtige Thematik, die diskutiert werden sollte.

Unser System dieser Trennung zwischen Sozialsystem und Gesundheitssystem, der Trennung zwischen ambulanter Krankenfinanzierung und stationärer Krankenfinanzierung stimmt nicht mehr und trifft auch nicht mehr auf die Realitäten der Menschen heute zu. Verkompliziert – darauf will ich gar nicht näher eingehen, nur so nebenbei bemerkt – wird das Ganze auch noch durch die Zuständigkeiten, die nicht nur inhaltlich, sachlich völlig willkürlich und unsachgemäß sind, sondern auch dadurch, dass jeweils die verschiedenen Gebietskörperschaften zuständig sind: für das eine der Bund, für das andere das Land.

Aber die Leidtragenden sind die über 80-jährigen Menschen, die sterben und die letztlich in einer völlig unwürdigen Situation dieses Gezerre – wer zahlt was, was ist Krankenbehandlung, was nicht, was sind Heilmittel, was nicht, was ist eine freiwillige Leistung der Sozialversicherung, was nicht? – aushalten müssen.

Abgesehen von den verschiedenen Aspekten der Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der Ausbildung und der Strukturen geht es auch darum, dieses System letztlich wirklich zielgruppengerecht zu reformieren, um würdevolle Situationen für ältere Menschen am Ende des Lebens zu schaffen. – Danke schön. (Beifall.)

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Sektionschef Dr. Gerhard Aigner (Bundesministerium für Gesundheit): Danke, Herr Professor Khol, für Ihre Richtigstellung betreffend das Gespräch mit Herrn Popper, weil ich sonst möglicherweise dem gleichen Irrtum erlegen wäre; ich will aber trotzdem kurz zu den Kosten der Errichtung einer Patientenverfügung etwas sagen. Bei sämtlichen Krankenkassen gibt es die Honorarposition eines ausführlichen vertieften ärztlichen Gespräches. Was geht der Errichtung einer Patientenverfügung voran, wenn nicht ein ausführliches vertieftes ärztliches Gespräch? – Ich glaube, das könnte man mit einigem guten Willen auch in den Verhandlungen Kasse und Ärztekammer bereits mit dieser Position abdecken.

Ansonsten gibt es in diesem Land – ich schaue die Wiener Pflege- und Patientenanwältin Pilz an – Patientenanwaltschaften, die die Patientenverfügungserrichtung kostenlos anbieten, einige Länder tun das nicht. Damit bin ich bei all den Vorrednern, die gemeint haben, die Länder seien da auch in der Pflicht. Möglicherweise findet einmal die Fortsetzung im alten Reichsratssitzungssaal statt, weil hier Länder und Bund gefordert sind.

Herrn Watzke danke ich für das Lob für die Ärzteausbildung. Das Thema ist natürlich auch in der Pflegeausbildung ganz groß geschrieben. Die Ärztekammern bieten wirklich gute Fortbildung an, auch auf dem Gebiet der Palliativmedizinfortbildung. Vielleicht ist es möglich mit einem – ich werde mich dann an den Kammeramtsdirektor wenden – bestimmten Angebot an FB-Punkten, das heißt, Ärzte, die diese Fortbildung absolvieren, haben sozusagen ein Zuckerl, das tun, das noch zu intensivieren, bis in ein paar Jahren unsere Ausbildungsreform greifen wird. – Ich habe mein Ziel erreicht. Danke schön. (Beifall.)

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Dr. Christiane Druml (Vorsitzende der Bioethikkommission): Ich denke, dass betreffend Akzeptanz und Bedarf für Palliativmedizin und Hospizwesen in Österreich weitgehend Konsens vorhanden ist. Auch wir von der Bioethikkommission werden diesem Thema reichlich Platz in unserer Stellungnahme widmen; dies vor allem unter den Aspekten der Solidarität und Fürsorge sowie auch der Verteilungsgerechtigkeit.

Was ich aber gerne kurz anführen möchte – und da spreche ich auch als Vizerektorin einer Medizinischen Universität –, ist das Thema Forschung und Ausbildung. Wir haben dankenswerterweise an unserer Universität eine Professur für Palliativmedizin. Dies ist aber nicht an anderen Medizinischen Universitäten der Fall. Es ist schon klar, dass diese Professuren teuer sind. Aber ich glaube, man könnte da auch andere Wege der Finanzierung gehen. Warum nicht eine Stiftungsprofessur, vielleicht von den Krankenkassen oder wem auch immer dafür vorsehen, dass Forschung und auch eine weitere Ausbildung der Lehrenden gegeben sind? – Das ist ganz wichtig, und das vor allem über den onkologischen Teilbereich hinaus, einfach flächendeckend.

Wichtig ist uns auch, dass einerseits der Nachwuchs an den Universitäten vorhanden ist, aber andererseits die Palliativmedizin nicht ausschließlich im Rahmen eines eigenen Faches ausgeübt wird. Das heißt, ich halte mich hier an die Meinung des Präsidenten der Ärztekammer Wechselberger, die er ja auch in einer der letzten Ausgaben der „ÄrzteZeitung“ geäußert hat, dass es immanent im Wesen des Arztes ist, sich auch mit dem Tod zu befassen, einen sterbenden Menschen zu begleiten, zu betreuen und zu behandeln. Insofern bin ich persönlich nicht für eine Schaffung eines eigenen Facharztes für Palliativmedizin. Ich denke, das sollten wir auch noch im Einzelnen genauer diskutieren.

Damit bin ich schon am Ende meiner Ausführungen und danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall.)

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Univ.-Prof. Dr. Herbert Watzke (Leiter der Klinischen Abteilung für Palliativmedizin, AKH Wien): Wenn ich kurz auf Frau Dr. Druml rezipieren darf: Ich habe nie gesagt, dass es um ein Entweder-oder geht, sondern es geht um ein Miteinander. Es gibt eine breite palliativmedizinische Ausbildung und zusätzlich eine Spezialisierung. Aber so, wie Sie das dargestellt haben, dass das eine das andere ausschließen würde, das ist nicht der Fall, auch nicht die Intention der Österreichischen Palliativgesellschaft.

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Obfrau Mag. Gertrude Aubauer dankt allen Referentinnen und Referenten für ihre Ausführungen, lädt zu einer Erfrischung in die Säulenhalle ein und unterbricht die Sitzung.

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(Die Sitzung wird um 12.10 Uhr unterbrochen und um 12.48 Uhr wieder aufgenommen.)

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II. Konkretisierung der Erfordernisse in Ausbildung und Praxis

Obfrau Mag. Gertrude Aubauer nimmt die unterbrochene Sitzung wieder auf, eröffnet den neuen Themenblock und erteilt zum ersten Impulsreferat Herrn Dr. Wiesinger das Wort.

Impulsreferate

Dr. Karlheinz Wiesinger (Ärztlicher Leiter, Caritas Socialis Hospiz Rennweg): Im Jahre 2013 sind in Österreich etwa 80 000 Menschen verstorben; 40 000 – die Hälfte davon – in Spitälern, Krankenhäusern, etwa 20 000 zu Hause und 13 000 in Pflegeheimen. Dem gegenüber stehen Ergebnisse von Umfragen, in denen etwa drei Viertel der Bevölkerung aussagen, sie möchten gerne am Lebensende zu Hause betreut werden.

Die Caritas Socialis kommt diesem Wunsch gerne nach: einerseits durch die Betreuung durch mobile Palliativteams in Wien, und wenn die Betreuung zu Hause nicht mehr möglich ist, dann auch durch die Betreuung auf unserer Palliativstation am Rennweg. Das kann oft eine hilfreiche Alternative sein.

Auch in unseren Langzeitpflegeeinrichtungen in den Pflegeheimen der Caritas Socialis stehen seit vielen Jahren Palliative-Care-Angebote zur Verfügung. Das alles ist aber auch nur deswegen möglich, weil wir etwa ein Viertel bis ein Drittel unserer Ausgaben über Spenden finanzieren können.

Daran hat man sich in der Palliativszene aber auch ein Stück weit gewöhnt. Wenn man versucht, den Ansatz für Finanzierung zu diskutieren, und dann auf die Spendenbereitschaft der Bevölkerung hingewiesen wird, dann wirkt das manchmal nicht ganz würdevoll und vielleicht auch etwas zynisch.

Die Leistungen, die in Palliative Care erbracht werden, müssen unbedingt Eingang in den ASVG-Leistungskatalog finden. Es braucht schon längst einen Rechtsanspruch darauf für jeden von uns in Österreich.

Um diese Leistungen anbieten zu können, braucht es Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die gut ausgebildet sind. Wir erleben in der Palliative Care einen breiten, interdisziplinären Ansatz. Wir haben Berufsgruppen aus der Pflege, aus der Medizin, ich möchte auch gerne Sozialarbeiter erwähnen, Experten aus der Physiotherapie, Psychotherapie und Ergotherapie, Ernährungsspezialisten, Seelsorger – und nicht zu vergessen auch viele Ehrenamtliche, die unsere Arbeit unterstützen und auch eine Ausbildung brauchen.

Für uns Ärztinnen und Ärzte bedeutet das, dass wir neben der kommunikativen Kompetenz auch die Bereitschaft zu ethischen Diskussionen am Lebensende zeigen, das heißt Diskussionen über Ernährung am Lebensende, Diskussionen in Pflegeeinrichtungen, ob noch einmal ins Krankenhaus transportiert werden soll oder nicht, Diskussionen über Antibiotikatherapien am Lebensende.

Die Bereitschaft, über all das zu diskutieren, muss vorhanden sein, und es braucht eine hohe fachliche Expertise in palliativer Schmerztherapie, in Symptomkontrolle und den Techniken, die wir dazu anwenden, wie etwa Schmerzpumpen – all das, was man in der „normalen“ Ärzteausbildung nicht lernt – und der Umgang mit hochwirksamen Substanzen und Dosen, die wir aus der „normalen“ Medizin kaum kennen. Diese Ausbildung muss theoretisch, aber auch praktisch stattfinden.

Ein Anliegen ist mir die frühzeitige Einbeziehung von Palliative Care in Krankenhäusern. Frühzeitig bedeutet, dass auch ein schnelleres Organisieren möglich ist, um wertvolle Zeit für Patienten zu sparen, damit sie früher entlassen werden können. Auch da können unter Umständen lange Aufenthalte und teure Spitalskosten reduziert werden. Üblicherweise sind dafür palliative Konsiliardienste vorgesehen. In Wien gibt es 5 Teams in 21 landesfondsfinanzierten Spitälern; das entspricht einem Ausbaugrad von 24 Prozent Ende 2013; 76 Prozent fehlen noch.

Um zu Hause besser betreuen zu können, gibt es mobile Palliativteams. Dafür gibt es Förderungen, aber keine Vollfinanzierungen. Abermals helfen da Spendengelder. In Wien sind derzeit 8 Teams von drei Trägern tätig. Ein Vollausbau wäre dann gegeben, wenn 14 Teams in Wien tätig sein könnten.

In der Betreuung Hochbetagter in Pflegeheimen kann durch eine vorausschauende Planung – Thema: Vorsorgedialog –, optimale Schmerztherapie, Symptomkontrolle und durch die Bereitschaft, sich mit ethischen Fragestellungen, den Angehörigen und auch den Bewohnern auseinanderzusetzen, sehr oft vermieden werden, dass BewohnerInnen am Lebensende in Krankenhäuser eingewiesen werden. Ein Vermeiden von Transporten und ein würdevoller Rahmen ermöglichen, dass bei uns in der Caritas Socialis etwa 80 Prozent der BewohnerInnen auch im Pflegeheim gut betreut versterben dürfen.

Lassen Sie mich kurz zusammenfassen: Es ist heute schon viel gesagt worden. Ich möchte ganz gerne bei dem von Karl Bitschnau erwähnten „Fleckerlteppich“ beginnen. Es gibt gute und bewährte Strukturen in der Palliative Care, leider aber nicht flächendeckend und auch nicht in ausreichender Zahl. Die Finanzierung hängt sehr oft an Spendengeldern. Leistungen aus der Palliative Care müssen aus dem ASVG heraus finanziert werden, es braucht aber auch einen Rechtsanspruch darauf.

Palliative Care, frühzeitig angeboten, erhöht die Lebensqualität und verlängert auch die Lebenszeit, wie Professor Watzke bereits aus einer Studie zitiert hat.

Das Vorhandensein von Palliative Care in Pflegeheimen ist ein Gradmesser für den Umgang unserer Gesellschaft mit unseren alten Menschen. 10 Prozent der Pflegeheime in Österreich haben bereits an dieser Initiative „Hospiz und Palliative Care in Pflegeheimen“ teilgenommen; da fehlen dann noch 90 Prozent in ganz Österreich.

Sehr geehrte Abgeordnete, ich möchte Sie ganz gerne einladen: Besuchen Sie doch Einrichtungen der Palliative Care! Kommen Sie zu uns ins Hospiz am Rennweg und sehen Sie sich die Arbeit an, die wir dort tun! Überzeugen Sie sich von der Wichtigkeit und der Wirksamkeit unserer Angebote! Sprechen Sie mit Betroffenen, sprechen Sie mit Angehörigen und erkundigen Sie sich, was diese dazu sagen! Nutzen Sie unser aller Expertise und Ihre politische Kraft, um nachhaltig Rahmenbedingungen zu verbessern für eine würdevolle letzte Zeit, für eine würdevolle letzte Lebensphase.

Das kommt unseren Alten, unseren Eltern und eines Tages auch uns und unseren Kindern zugute. – Herzlichen Dank. (Beifall.)

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Prof. Mag. Peter Braun (Direktor St. Virgil, Salzburg): Es riecht hier im Saal etwas nach einer neuen Offensive. Ich hoffe, dass das hält und dass das nicht allzu schnell wieder verfliegt. Wir haben in den letzten 25 Jahren in Österreich einige Fortschritte gemacht. Der Eindruck, dass in vielen Regionen und Einrichtungen bewundernswerte Arbeit geschieht, hat einen wesentlichen Ausgangspunkt in der von einigen Pionieren heftigst vorangetriebenen Aus- und Weiterbildung in diesem Bereich.

Über dieses Thema werde ich jetzt sprechen. Stellvertretend möchte ich hier auf die großen Verdienste des Dachverbandes Hospiz Österreich verweisen, der immer diese Ausbildung zentral in den Mittelpunkt gerückt hat.

Einige Stichworte über notwendigen Entwicklungsbedarf in der Aus- und Weiterbildung.

Zur Ausbildung zum Thema Palliativmedizin verweise ich auf das Statement von Herrn Universitätsprofessor Dr. Watzke.

Ich komme zur Berufsgruppe, die im Umfeld des Sterbens am meisten eingebunden ist: Das sind die Pflegenden, die diplomierten Gesundheits- und KrankenpflegerInnen, beziehungsweise jetzt dann auch die PflegerInnen mit Bachelorabschluss, die sich in ihrer Ausbildung jetzt schon intensiv mit Palliative Care auseinandersetzen – 60 Unterrichtseinheiten in der bisherigen Diplomausbildung, mehr als 30 in den aktuellen Bachelor-Ausbildungsangeboten.

Zu hoffen ist, dass die sehr gute Tradition in der Neukonzeption der Ausbildung der Gesundheits- und Pflegeberufe fortgeführt wird. Das ist für mich eine der wichtigsten Stellschrauben für Qualitätsentwicklung.

Bei den anderen Professionen, die im multiprofessionellen System Palliative Care – wenn auch in geringerer Zahl – tätig sind, die sogenannten psychosozial-spirituellen Berufe, von den Psychologen über die Seelsorger, Sozialarbeiter bis zu den Physiotherapeuten et cetera, kommt das Thema Sterben und Tod, die Begleitung in der letzten Lebensphase, standardmäßig nicht in der Ausbildung vor.

Diese Berufsgruppen sind auf Weiterqualifizierung in diesem Bereich angewiesen, und angesichts der demographischen Entwicklung, der Zunahme der Todesfälle und der damit verbundenen Steigerung der Anzahl von PalliativpatientInnen in den nächsten 20 Jahren um zirka ein Drittel wächst auch in einigen dieser Berufsgruppen Gott sei Dank das Bewusstsein für Fortbildung in diesem Bereich.

Zum Bereich Fort- und Weiterbildung kann ich Folgendes sagen: Eine wesentliche strukturbildende Maßnahme waren und sind sicherlich die Initiativen zur berufsbegleitenden wissenschaftlichen Fort- und Weiterbildung in Palliative Care. Diese haben mit ihrer multiprofessionellen Orientierung im deutschen Sprachraum Vorbildwirkung.

Der Einstieg sind die zweisemestrigen interprofessionellen Basislehrgänge, die in fast allen Bundesländern angeboten werden. Mittlerweile haben über 3 000 Personen diese Lehrgänge absolviert. Da nehmen Personen teil, die in der Grundversorgung oder in der spezialisierten Hospiz- und Palliativversorgung tätig sind. Nach der von ÖBIG und dem Bundesministerium für Gesundheit vor Kurzem veröffentlichten Aktualisierung des Plans zur abgestuften Hospiz- und Palliativversorgung sind alle MitarbeiterInnen in der spezialisierten Palliativversorgung zur Teilnahme an diesem Lehrgang verpflichtet. Das sollte seitens der Bundesländer in den Budgets Berücksichtigung finden.

Auf diesem Basislehrgang bauen in Österreich zwei Universitätslehrgänge in Palliative Care auf: der Lehrgang der Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt in Wien und der von Paracelsus Medizinische Privatuniversität mit dem Dachverband Hospiz Österreich und St. Virgil angebotene Lehrgang in Salzburg. Diese können mit dem Titel „Akademischer Experte in Palliative Care“ oder mit dem Master abgeschlossen werden. Bis jetzt sind es bereits über 200 MasterabsolventInnen. In den Ausbildungen geschieht vor allem zweierlei: die Vermittlung von Basiswissen, interprofessionellen Kompetenzen und Haltungen auf der einen Seite. Und bei denen, die mit dem Master abschließen, eine Qualifizierung für Leitungsfunktionen in diesem Bereich und zu feldorientierter wissenschaftlicher Forschung.

Seitens des Bundes bedarf es da in Zukunft für die konzeptionelle und didaktische Weiterentwicklung dieser Lehrgänge einer nennenswerten finanziellen Unterstützung für die Trägereinrichtung und – in Ergänzung – die Einrichtung eines Fonds für Stipendien für Studierende, die keine finanzielle Erstattung von ihrem Dienstgeber erhalten.

Zur Weiterbildung für Ehrenamtliche. Auch da ist viel geschehen. Ehrenamtliche HospizbegleiterInnen werden nach dem Curriculum von Hospiz Österreich durch 80 Unterrichtseinheiten Theorie und 40 Stunden Praktikum für ihre Aufgabe befähigt. Im Jahr 2013 hat Hospiz Österreich ein Aufbaucurriculum für ehrenamtliche Kinderhospizbegleitung entwickelt, und es gibt auch ein Curriculum für Trauerbegleitung seitens der Bundesarbeitsgemeinschaft Trauerbegleitung. Die Lehrgangskosten sind für die Ehrenamtlichen eigentlich relativ gering. Sie betragen zwischen 450 € und 800 € pro TeilnehmerIn. Die Ehrenamtlichen sind übrigens auch zu acht Stunden Weiterbildung im Jahr verpflichtet.

Die öffentliche Unterstützung dieser bedeutsamen Arbeit ist in den Bundesländern sehr unterschiedlich und bedarf neuer Impulse. Hier darf ich alle Wienerinnen und Wiener einladen, sich dafür zu engagieren, dass auch in Wien diese Fortbildung unterstützt wird, denn da lässt Wien bisher völlig aus.

Mein vorletzter Punkt betrifft die Integration von Hospizkultur und Palliative Care in Alten- und Pflegeheimen. Dieses Programm ist angesprochen worden und dass bis jetzt von 800 Heimen etwa 10 Prozent an diesem Projekt teilgenommen haben. Kern des Projektes ist ein Organisationsentwicklungsprozess im Heim und darin integriert eine Fortbildung für bis zu 80 Prozent aller MitarbeiterInnen, die in diesem Heim arbeiten. Pro Schulung werden je 20 Personen genommen, und zwar nach einem Curriculum Palliative Geriatrie, das sind viereinhalb Unterrichtstage. Je nach Größe der Einrichtung kostet die Durchführung des Projektes 35 000 € bis 70 000 € pro Altenheim. Es bedarf weiterer öffentlicher Anreize für die Heime, dieses Projekt möglichst bald in Angriff zu nehmen.

Schlussbemerkung: Mit bedarfsgerechten Investitionen in die Palliativversorgung lassen sich recht schnell wesentliche Verbesserungen erreichen, mit der Entlastung teurer Alternativversorgung unnötige Folgekosten einsparen und mehr Sicherheit für alle Beteiligten schaffen. Etwa 5 Prozent der Mittel, die für Hospiz- und Palliativversorgung aufgebracht werden, sollten in Weiterbildungsmaßnahmen fließen. Natürlich geht es bei der Palliativversorgung um Geld, aber es geht eben nicht nur um Geld – das haben wir heute Vormittag schon gehört –, sondern es geht auch um Zeit für die Sterbenden und um Geduld mit ihnen.

Leider trägt unsere Gesellschaft kräftige Spuren einer Kultur in sich, die alles beschleunigt, ungeduldig ist und nach Nützlichkeit selektiert. Das beginnt am Lebensbeginn und endet am Lebensende mit dem wachsenden Gefühl bei älteren Menschen, nicht mehr da sein zu sollen oder anderen zur Last zu fallen.

Das lässt sich, geschätzte Damen und Herren, verändern. – Danke schön. (Beifall.)

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Mag. Eringard Kaufmann, MSc (Generalsekretärin der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation): Die ÖAR – Dachorganisation der Behindertenverbände begrüßt die Diskussion zur Würde am Ende des Lebens und dankt für die Einladung, die Erfordernisse und Ausbildung hier zu konkretisieren.

Die ÖAR ist Interessenvertretung der Menschen mit Behinderungen, in der mehr als 400 000 Menschen mit Behinderungen organisiert sind. Die Menschen mit Behinderungen sind eine Personengruppe, der jede fünfte Person in Österreich angehört.

Vorweg darf ich auf die ausführliche Stellungnahme verweisen, die wir übermittelt haben. – Ein bisschen abweichend vom Thema möchte ich aber noch einen Punkt besonders herausstreichen, der in der Gruppe der Menschen mit Behinderungen in der letzten Zeit große Sorge, Beunruhigung und auch Empörung hervorgerufen hat.

Es wird hier in einer sehr wertschätzenden Art und Weise darüber diskutiert, wie Würde am Ende des Lebens sichergestellt werden kann. Einerseits ist das Ende des Lebens nicht immer so klar auszumachen. Gerade in der Biographie von vielen Menschen mit Behinderungen finden sich viele Phasen, die das Ende des Lebens gewesen sein könnten. Das andere ist, dass parallel zu dem Prozess über Sterben in Würde die Würde mitten im Leben, nämlich durch wirtschaftliche Einschränkungen und Rückbauten, dramatisch infrage gestellt ist. Schon heute ist es so, dass viele Menschen mit Behinderungen – dazu gehören auch viele Menschen mit chronischen Krankheitsverläufen, etwa Krebserkrankungen, oder auch Organtransplantierte – in manifester finanzieller Not leben. Durch die Erschwernis des Zugangs zum Pflegegeld wird das noch erhöht werden.

Und nun zum eigentlichen Thema, zur Absicherung der Würde. Nicht nur am Ende des Lebens ist die Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen einzufordern. Die darin enthaltenen Rechte wurden im Hinblick auf Lebenssituationen mit oft gravierenden Beeinträchtigungen formuliert. Das sind Situationen, wie sie auch häufig am Ende des Lebens vorkommen.

Ziel der UN-Konvention ist es, in solchen Situationen Lebensqualität zu ermöglichen. Die UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen stellt Inklusion und das soziale Modell der Behinderung ins Zentrum. Das bedeutet einen radikal veränderten Ansatz gegenüber dem gängigen medizinischen Modell der Behinderung und verändert daher auch Anforderungen an Aus- und Weiterbildungen. Die Veränderungen betreffen vor allem die Grundhaltung im Umgang mit Menschen mit Behinderungen, Beeinträchtigungen, wie sie aber auch am Ende des Lebens auftreten. Inklusion bedeutet, dass nicht die Defizite eines Menschen, sondern seine Ressourcen und seine Möglichkeiten im Zentrum stehen.

Das soziale Modell der Behinderung betrachtet nicht persönliche Eigenschaften als Behinderung, sondern versteht diese Behinderungen als ein soziales Phänomen, das durch Barrieren im Umfeld ausgelöst wird und die Teilhabe behindert. Aus den vielen Beispielen, die bereits angeführt wurden, ist auch klar geworden, welch große Bedeutung gerade diese Phänomene der fehlenden Teilhabe am Ende des Lebens haben.

Da auch in Zukunft eine große Anzahl von Personen das Ende ihres Lebens nicht in speziellen palliativen Abteilungen oder Hospizen verbringen wird, ist es erforderlich, die Kompetenz der Medizinberufe insgesamt für diesen Aufgabenbereich anzuheben und dafür in den Ausbildungen Vorkehrungen zu treffen. Da geht es einerseits um die Gesprächskultur mit den Betroffenen und deren Angehörigen in allen Abteilungen. Diese sollen auf jenes Niveau angehoben werden, das bereits in vielen palliativen Abteilungen und Hospizen gelebt wird.

Andererseits ist es entscheidend, das Recht auf Selbstbestimmung durch umfassende Beratung, Aufklärung und Angebote sowie unterstützte Entscheidungsfindung noch besser abzusichern. Dazu sind Aus- und Weiterbildungen mit zusätzlichen Schwerpunkten neben den palliativmedizinischen Aspekten vor allem zu folgenden Bereichen erforderlich: erstens Gesprächsführung, zweitens Menschenrechte, drittens Barrierefreiheit, viertens Sensibilisierung und Selbsterfahrung sowie interdisziplinäre Zusammenarbeit.

Wichtig ist auch, dass in diesen Aus- und Fortbildungen auch selbst Betroffene und Menschen mit Behinderungen zu Wort kommen, weil diese um vieles mehr dazu beitragen können, Grundhaltungen zu verändern.

Im Rahmen der Gesprächsführung sind im Zusammenhang mit dem möglichen Sterben auch Kriseninterventionstechniken erforderlich. Es ist nicht so klar auszumachen, wann diese Themen im Leben eines Menschen das erste Mal auftreten. Auch alte Menschen, die keine speziellen Erkrankungen haben, werden mit diesem Thema sehr massiv konfrontiert. Es ist bekannt, dass es eine hohe Suizidrate bei alten Menschen gibt.

Wichtig ist auch, dass im Rahmen der Ausbildungen zur Gesprächsführung und Krisenintervention spezielle Phänomene und Bedürfnisse am Ende des Lebens vermittelt werden. Ein besonderer Fokus ist auf die Vermittlung von Wissen und die praktische Anwendung von Kommunikation mit jenen, die sich nicht mehr verbal mitteilen können, zu legen. Ganz entscheidend ist es auch, den Menschenrechten ein besonderes Augenmerk zu widmen. Dieses kann wesentlich dazu beitragen, dass das Selbstbestimmungsrecht von Menschen umfangreicher verstanden und gefördert wird.

Barrierefreiheit ist als Grundkompetenz einzufordern. So kann in absehbarer Zeit erreicht werden, dass die zahllosen Hürden, die den Menschen am Ende des Lebens den Zugang zum Gesundheitswesen erschweren, abgebaut werden. Dazu gehört insbesondere auch das Wissen um notwendige Unterstützungshandlungen, wie sie standardmäßig beispielsweise für Menschen mit Sinnesbehinderungen oder Querschnittslähmungen erforderlich sind.

Ohne Selbsterfahrung und Sensibilisierung bleibt das Grundwissen jedoch nur Theorie. Daher ist es notwendig, in den Ausbildungen Einheiten mit Selbsterfahrung vorzusehen, weil nur so nachhaltiges Lernen ermöglicht werden kann.

Nicht zuletzt ist besonderes Augenmerk auf die Kompetenz zu interdisziplinärer Zusammenarbeit – aber auch zwischen ambulanten und stationären Angeboten – zu richten. Nur so können die komplexen Problemlagen am Lebensende entsprechend begleitet werden.

Auf Basis dieser ergänzenden Qualifikationen kann ein Gesundheits- und Sozialsystem entwickelt werden, in welchem palliative Betreuung integriert ist, die Qualität durch Supervision abgesichert und das Burn-out-Risiko der Betreuenden vermindert werden kann.

So können die Versorgung von Menschen am Ende des Lebens in allen Kontexten verbessert und die Würde am Ende des Lebens abgesichert werden. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall.)

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Mag. Marianne Karner (BIZEPS – Zentrum für selbstbestimmtes Leben): Mein Name ist Mag. Marianne Karner. Ich spreche für BIZEPS, ein Behindertenberatungszentrum, das nach Grundsätzen der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung arbeitet. BIZEPS ist unabhängig von politischen Parteien, von Kirchen und Religionsgemeinschaften.

Zunächst etwas Persönliches: Ich habe eine schwere chronische Erkrankung. Ich bin rollstuhlpflichtig. Ich habe Schmerzen. Ich leide. Und was heißt das? – Ich habe eine schwere chronische Krankheit, die man in meinem Fall wohl nicht wird heilen können, aber ich lebe trotzdem gerne.

Ich brauche zur Fortbewegung meinen Rollstuhl und ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie froh ich war, als ich endlich meinen Rollstuhl bekommen habe. Endlich konnte ich mich wieder außer Haus bewegen, gewann mehr an Mobilität zurück, konnte wieder am gesellschaftlichen Leben teilnehmen; meine Lebensqualität verbesserte sich gewaltig.

Ich habe starke chronische Schmerzen, aber dank entsprechender Medikamente kann ich diese meistens aushalten. Ich leide nicht an meiner Erkrankung, sondern ich leide an der Ablehnung und Diskriminierung durch die offensichtlich Gesunden. Ich will kein Mitleid, keine falschen Zuschreibungen von außen und erst recht keine vorzeitige billige Fahrkarte ins Jenseits.

Ich will ganz einfach leben!

So wie mir geht es auch sehr vielen anderen behinderten, kranken Menschen.

Die Positionen von BIZEPS kurz und bündig:

Gegen aktive Sterbehilfe und gegen assistierte Selbsttötung.

Gegen ein Verfassungsverbot, denn die derzeitige Gesetzeslage reicht aus.

Für den inklusiven Ausbau im Palliativ- und Hospizwesen.

Des Weiteren gibt es noch viele Detailfragen, die noch genauer diskutiert werden müssen, und ich greife jetzt nur drei Beispiele heraus.

Die Errichtung von Patientenverfügungen im Hinblick auf behinderte Menschen beziehungsweise Menschen mit Lernschwierigkeiten ist das erste Beispiel. Es braucht dafür nicht nur sehr viel Zeit und finanzielle Ressourcen, es müssen auch ganz grundsätzliche Überlegungen angestellt werden. Wer führt mit wem Gespräche mit welchem Beratungs- und vor allem mit welchem Interessenhintergrund? Wie können behinderte Menschen vorurteilsfrei beraten und unterstützt werden? Welche Rollen spielen Angehörige und SachwalterInnen? Besteht nicht die Gefahr, dass diese Menschen noch mehr zum Objekt statt zum selbstbestimmten Subjekt gemacht werden?

Ein weiteres Beispiel: Was heißt Hospizbetreuung und Palliative Care für Menschen, die im Widerspruch zur UN-Behindertenrechtskonvention in Großeinrichtungen leben müssen? Was ist mit der Befürchtung, dass in der ganzen Euphorie rund um die Möglichkeiten der Palliativmedizin vorschnell dem „Sterben zulassen“ statt „Leben bis zuletzt ermöglichen“ Vorrang gegeben wird? Gerade behinderten und schwer chronisch kranken Menschen wird vorschnell der Stempel „unheilbar“, „austherapiert“ oder „terminal“ aufgedrückt.

Zugespitzt gesagt: Pflegeheime und Großeinrichtungen dürfen keinesfalls zu Sterbehäusern umfunktioniert werden!

Begriffe wie „Leichte Sprache“, „Inklusion“ und „Barrierefreiheit“ müssen ins Bewusstsein von HospizbetreuerInnen und Palliativmedizinern gelangen. Es muss bereits in den entsprechenden Ausbildungscurricula und im Rahmen von Fortbildungsmaßnahmen darauf eingegangen werden. Es muss zumindest eine verpflichtende Lehrveranstaltung von selbst behinderten und/oder chronisch kranken Menschen geleitet werden. Behinderten Menschen kann man nicht im Lehrbuch, sondern nur im direkten Kontakt begegnen. Es ist unabdingbar, dass Auszubildende deren Perspektive kennenlernen.

Wir möchten Ihnen heute vor allem folgende Botschaften mitgeben: Wir sehen Behinderung grundsätzlich als Vielfalt und Bereicherung für uns und andere. An einer Krankheit und Behinderung muss man nicht unbedingt leiden, man kann mit ihr leben. Im Falle von Schmerzen ist eine entsprechende Therapie zu ermöglichen.

Am Ende des Lebens sollen allen Menschen genügend Unterstützungsangebote zur Verfügung stehen.

Jeder Mensch ist gleich viel wert und hat gleich viel Würde – egal, ob behindert oder nicht behindert, egal, ob krank oder gesund, egal, ob jung oder alt. Das steht auch in der Präambel der UN-Behindertenrechtskonvention. Das gesellschaftliche Klima gegenüber Bürgern und Bürgerinnen, die willkürlich gesetzten Normen und Kriterien – wie „schön“ „leistungsfähig“, „erfolgreich“ – nicht entsprechen, wandelt sich und kippt immer mehr. Das zeigt vor allem ein Blick nach Belgien, den Niederlanden oder nach Deutschland.

Aktive Sterbehilfe und Selbsttötung werden fälschlicherweise mit „Selbstbestimmung“ und „frei verantwortlicher Entscheidung“ gleichgesetzt. Das ist ein großer Irrtum, das zeigt zum Beispiel die historische Aufarbeitung der jahrzehntelangen Entwicklung der Sterbehilfe in den Niederlanden.

„Nichts über uns ohne uns!“ – Dieses Motto der „Selbstbestimmt Leben“-Bewegung ist auch hier von großer Bedeutung. Behinderte Menschen müssen bei der Thematik „Würde am Ende des Lebens“ auf Augenhöhe und viel stärker mit einbezogen werden.

Behinderte und schwer kranke Menschen haben oftmals Erfahrungen in Grenzsituationen gemacht, von denen nicht behinderte und nicht kranke Menschen lernen können. Darüber hinaus ist in den ganzen Diskussionen rund um das Lebensende immer wieder ein Innehalten und die mahnende Erinnerung an das dunkelste Kapitel in der Geschichte Österreichs angebracht.

Die richtige Reihenfolge, selbstbestimmt leben hat Vorrang. Das bedeutet die vollständige und rasche Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, eine barrierefreie und inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Noch immer leiden wir unter alltäglicher Diskriminierung und noch immer gibt es eklatante Menschenrechtsverletzungen. Diese betreffen auch Umstände am Ende des Lebens.

Behinderung und Krankheit wird es in der Menschheitsgeschichte immer geben, aber Barrieren können abgebaut werden, Ängste und Vorurteile sind therapier- und heilbar.

Sehr geehrte Damen und Herren! Menschliches Leben ist immer würdig. Es gibt nur unwürdige Umstände, und diese können wir, diese können Sie, werte Abgeordnete, ändern und verbessern. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall.)

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Markus Mattersberger, MMSc, MBA (Präsident Bundesverband der Alten- und Pflegeheime Österreichs Lebenswert Heim): Vielen Dank für die Möglichkeit, uns betreffend diese Thematik einzubringen. Die Würde des Menschen stellt für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Alten- und Pflegeheime Österreichs einen zentralen Wert dar, die Würde am Ende des Lebens hingegen muss ein klares Versprechen gegenüber unseren Bewohnerinnen und Bewohnern sein, denen wir uns verpflichtet fühlen.

Der Bundesverband der Alten- und Pflegeheime Österreichs Lebenswert Heim vertritt bundesweit von den zirka 880 Pflegeheimen an die 650, wobei es dabei vorwiegend um ältere und hochaltrige Menschen geht, und ich darf, wenn Sie mir das gestatten, auch im Namen aller Pflegeheime sprechen, wo über 40 000, nämlich 42 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine hoch qualifizierte und sehr, sehr anspruchsvolle Arbeit vollbringen und wo im Jahr zirka 73 000 Bewohnerinnen und Bewohner betreut werden. Allein diese Zahl macht schon klar, welche Bedeutung das Thema „Würde am Ende des Lebens“ für die Alten- und Pflegheime Österreichs hat.

Dem Bundesverband ist es ein großes Anliegen, die Würde des Alters, aber auch die Interessen der Angehörigen sowie der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu vertreten. In den einzelnen Pflegeeinrichtungen Österreichs werden gerade im Hinblick auf die Thematik „Würdevolles Leben und Sterben“ unzählige Initiativen und Maßnahmen gesetzt, um den uns anvertrauten Bewohnern und Bewohnerinnen in ihrem letzten Lebensabschnitt ein entsprechend hochqualitatives Leben zu ermöglichen.

Über diese einzelnen Maßnahmen, diese einzelnen Projekte gibt es aber irgendwie auch diese große Klammer – ich bin auch Direktor eines niederösterreichischen Landespflegeheimes, und wir hatten die Möglichkeit, eben Hospiz und Palliative Care in den Pflegeheimen umzusetzen. An dieser Stelle mein Dank an Hospiz Österreich, und zwar sowohl an den Dachverband als auch an die Landesorganisationen, die uns in dieser Phase begleitet haben.

Das ist nicht nur eine Maßnahme zur Organisationsentwicklung, sondern auch zur Persönlichkeitsentwicklung jedes einzelnen unserer Mitarbeiter. In unserem Pflegeheim haben wir 95 Prozent unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geschult, und wir sehen, welch enormen Mehrwert das für die Bewohner, aber auch für uns als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bringt.

Um den hohen Qualitätsanspruch, den auch die Gesellschaft stellt, erfüllen zu können, ist es aber auch erforderlich, entsprechende Strukturen aufzubauen. Das heißt, wir brauchen bauliche Strukturen, wir brauchen entsprechende inhaltliche Strukturen, aber wir müssen auch – darum geht es hauptsächlich – unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter befähigen, sich entsprechend fachlich und sozial einzubringen. Nur durch deren Kompetenz ist es möglich, ein entsprechendes Umfeld zu schaffen, in dem ein Abschied in Würde erfolgen kann.

Die politische sowie gesellschaftliche Debatte sollte sich also nicht primär um die Fragestellung drehen, ob Sterbehilfe legalisiert werden sollte, sondern darum, welche Strukturen wir bereithalten müssen, um ein entsprechend würdevolles und schmerzfreies Leben und Sterben zu ermöglichen.

Schon allein aufgrund unserer reichhaltigen Erfahrungen im Umgang mit Menschen in der letzten Lebensphase können wir festhalten, dass wir sehr oft an Grenzen stoßen. Hier sei dazugesagt, dass es eben auch gerade diese Grenzen sind, die uns dann wieder die Würde aufzeigen, die uns eben auch die Erfordernisse davon aufzeigen – und wir können mit absoluter Sicherheit sagen, dass Palliative Care und Hospizarbeit ein unabdingbares Erfordernis ist, um den Menschen gerecht werden zu können. Vor allem für ältere Menschen liegt da eben die Vermutung sehr nahe, als wenig nutzbringend wahrgenommen zu werden – und damit die leichte Forderung, sich frühzeitig zu verabschieden.

Insbesondere im Hinblick auf unsere älteren Menschen darf die Fragestellung also nicht auf den Nutzen für die Gesellschaft, sondern muss klar auf den Wert in einer Gesellschaft abzielen. Gerade im Umgang mit älteren Menschen erkennen wir die wahren Werte einer Gesellschaft; wir halten uns sozusagen einen Spiegel bezüglich unserer eigenen Wertehaltung vor. Und es ist dann auch nicht eine Frage, wie einzelne Organisationen darauf reagieren, beispielsweise ob sie adäquat darauf reagieren, sondern es ist eine Frage, wie diese Gesellschaft, wie wir als Gesellschaft darauf reagieren, welche Rahmenbedingungen wir tatsächlich zur Verfügung stellen, innerhalb welcher Rahmenbedingungen wir uns als Organisationen – egal, ob stationäre Organisationen oder mobile Organisationen – bewegen und wie wir diese dann entsprechend ausschöpfen können.

Der Bundesverband der Alten- und Pflegeheime Österreichs hält somit fest: „Aktive Sterbehilfe“ beziehungsweise „Tötung auf Verlangen“ wird als unwürdig für unsere älteren Menschen abgelehnt. Insbesondere im Hinblick auf das Erfordernis, nützlich sein zu müssen, könnten sich ältere Menschen gedrängt fühlen, diesen Weg des aktiven Sterbens zu gehen. Ebenso ist es den Angehörigen nicht zumutbar, in solche Entscheidungssituationen gedrängt zu werden.

Vielmehr müssten wir entsprechende Unterstützungsleistungen anbieten und eine entsprechende Begleitung bereitstellen.

Wir sehen als entsprechende Erfordernisse, dass Hospiz und Palliative Care für alle Gesellschaftsschichten gleichermaßen verfügbar sein und aus öffentlichen Mitteln beziehungsweise über die Sozialversicherung finanziert werden müssen. Es wurde vorhin schon angesprochen, dass auch im Bereich der Pflegeheime die Finanzierung nicht über die Sozialversicherung läuft, sondern über die Sozialhilfe beziehungsweise dann über den Eigenregress.

Auch da erwarten wir ganz klare Entscheidungen, dass das abgeändert wird.

Es müssen flächendeckende Strukturen geschaffen werden, die ein würdevolles Leben in der letzten Lebensphase und auch Sterben ermöglichen. „Flächendeckend“ bedeutet für uns, es gibt ein Netz an Pflegeheimen. Dazu braucht es ergänzend noch weitere Strukturen, um, wie bereits oben formuliert, die Bedürfnisse alle Gesellschaftsschichten optimal abzudecken.

Es müssen finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden, um sowohl die haupt- als auch ehrenamtlichen Pflege- und Betreuungspersonen adäquat und interprofessionell auf diese Herausforderung vorbereiten zu können. Wir müssen da sehr, sehr achtsam sein, unsere Mitarbeiter nicht in Situationen zu bringen, die sie überfordern, sondern wir müssen Strukturen bereitstellen, die vermeiden, dass unsere Mitarbeiter ausbrennen, die vermeiden, dass unsere Mitarbeiter in eine emotionale Verarmung geraten.

Wir müssen unsere Mitarbeiter unterstützen und sie wieder herausführen aus solchen Situationen. Deswegen ist eben auch die Verankerung dieser Inhalte von Hospiz und Palliative Care in den verschiedenen Curricula der Gesundheits- und Pflegeberufe, aber auch der Sozialbetreuungsberufe in Theorie und Praxis eindeutig zu unterstützen.

Zudem sollten aber Kampagnen gesetzt werden, welche sich aktiv mit der Thematik Leben im Alter und Sterben befassen. Wir sollten nicht Strukturen schaffen, wo man das Thema des Sterbens so ein bisschen auslagert, quasi im Sinne einer Bad Bank – „Macht ihr das!“ –, sondern es muss eine Frage der Gesellschaft sein, und deswegen sollte die Gesellschaft auch aktiv eingebunden werden.

Gemeinsam mit den Leistungsanbietern sollte die Imagepflege forciert werden, wobei die Leistungen der Einrichtungen unterstrichen werden. Damit kann den Betroffenen ihre Angst genommen und hilfreiche Unterstützung angeboten werden.

Interdisziplinarität soll dabei auch in den stationären Langzeiteinrichtungen eine Selbstverständlichkeit sein; Finanzierungsbarrieren oder sonstige Schnittstellenprobleme müssen beseitigt werden. – Vielen Dank. (Beifall.)

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Diskussion

Obfrau Mag. Gertrude Aubauer leitet sodann über zur Diskussion und erteilt als erster Rednerin Abgeordneter Mückstein das Wort.

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Abgeordnete Dr. Eva Mückstein (Grüne): Ich danke den Expertinnen und Experten für die vielen wertvollen Impulse und Anregungen, die wir mit großer Aufmerksamkeit entgegengenommen haben.

Ich knüpfe da an, wo es um die Ausbildung geht: Ich denke, ebenso klar wie eine regelfinanzierte Hospiz- und Palliativversorgung sollte für uns sein, dass auch die Ausbildung für alle Gesundheitsberufe und für alle Menschen, die in diesem Bereich tätig sind, qualifiziert ist und auch finanziert wird, und auch, dass sie gesetzlich geregelt ist, denn in diesem Bereich braucht man eben auch einen speziellen Umgang mit Menschen und spezielle Kompetenzen.

Ich schließe mich da sehr gerne Frau Kaufmann an, die sagt, nicht nur Basiskompetenzen und ganz bestimmte Haltungen und die Fähigkeit zur Zusammenarbeit sind notwendig, sondern auch ein hohes Maß an Selbstreflexion und auch die Fähigkeit, Ohnmacht zu akzeptieren.

Notwendig ist aber auch, eine hohe Arbeitsbelastung hinzunehmen und vor allem mit Menschen so umzugehen, dass ihr Recht auf Selbstbestimmung tatsächlich gewahrt ist und die speziellen Bedürfnisse von alten, kranken und leidenden Menschen wahrgenommen und auch entsprechend in der Interaktion und in einem einfühlsamen Beziehungsgeschehen umgesetzt werden können.

Ich würde mich freuen, wenn es sich bei dieser Enquete-Kommission um eine neue Offensive handelt, wie heute schon angesprochen wurde. Ich hoffe es sehr.

Letztlich denke ich aber, dass wir schon auch sehr konkrete Schritte setzen sollten, was die Finanzierung anlangt. Wir haben das jetzt mehrmals festgestellt und gehört, und wir kennen es auch aus unserer politischen Arbeit – deswegen ist es auch ein bisschen unangenehm, sozusagen in die Reihe der Politiker hier eingereiht zu werden –, dieses Hin-und-her-Spielen zwischen Finanzierungsverantwortung und Versorgungsverantwortung von Bund, Ländern, Sozialressort und Gesundheitsressort. Es braucht da einen Zusammenschluss! Es braucht die Finanzierung aus einem Topf – und es braucht unbedingt eine Planung und eine Versorgungsstruktur, die alle diese Strukturen miteinbindet und hineinnimmt.

Ja, die Würde des Menschen ist unteilbar. Wir alle wollen diese Würde stärken und achten; es gibt nur unwürdige Umstände. Einer der unwürdigen Umstände ist meiner Ansicht nach unter anderem, dass die Hospizversorgung in Österreich derzeit zu einem großen Teil aus Spenden finanziert werden muss. Ich finde, das ist ein untragbarer, tatsächlich unwürdiger Umstand, der sich so schnell wie möglich ändern sollte.

Ich bleibe vorerst bei diesem Teil und möchte nur noch anhängen, was mir im Bereich Pflege auch sehr wichtig ist. Ich meine, dass wir da noch vor einem ganz großen Problem stehen, nämlich der Frage, ob würdiges Altwerden in Großeinrichtungen überhaupt möglich ist. Ich denke, und ich gehe davon aus, dass wir da eine Entwicklung forcieren sollten ähnlich wie bei der Betreuung von Kindern und Jugendlichen. Diese waren früher auch in Großheimen untergebracht, und daraus haben sich sehr viele Missstände ergeben. Gott sei Dank haben sich diesbezüglich die Zustände geändert. Ich glaube schon, dass es auch für ältere Menschen sehr wichtig sein wird, ihr Lebensende in kleinen Wohneinheiten verbringen zu dürfen. – Danke. (Beifall.)

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Abgeordneter Dr. Franz-Joseph Huainigg (ÖVP): Mich haben besonders die Ausführungen in der Früh von Herrn Professor Watzke berührt, die mir auch die Sicherheit geben, dass niemand leidend, mit Schmerzen verbunden, sterben muss, dass es in der Palliativmedizin immer Wege gibt, um Schmerzen zu nehmen und dadurch auch in Würde zu sterben, und dass man auch nicht ersticken muss. Ich weiß auch, wie das ist, wenn man an Luftknappheit leidet. Dass es in der Palliativmedizin Möglichkeiten gibt, da Abhilfe zu schaffen, bis hin zur palliativen Sedierung, ist ebenfalls sehr beruhigend und gibt außerdem Sicherheit.

Ich möchte auch dieses Gespräch zwischen Arzt und Patient unterstützen, das, wie ich denke, sehr wichtig ist, das aber oft zu kurz kommt. Da sollten die Ärzte mehr geschult werden, mit Patienten zu sprechen, auch was das Lebensende betrifft, und das fällt oft auch Ärzten nicht einfach. Ich habe es selbst erlebt, dass Ärzte im Umgang mit behinderten Menschen überfordert sind – nicht wissen, wie man mit einem Menschen mit Behinderung umgehen soll, wie man mit ihm spricht –, und da braucht es Einschulungen und Weiterbildungen.

Es hat sehr viele Anregungen gegeben. Eine davon war, dass man die Palliativmedizin einerseits interdisziplinär forcieren muss, dass es aber auch eine eigene Facharztausbildung für Palliativmedizin gibt. Das finde auch ich sehr dringend notwendig.

Ebenfalls wichtig ist ein Stufenplan, der wirklich umsetzbar ist und auch bis 2020 umgesetzt wird. Dafür werde ich mich auch einsetzen.

Ebenso werde ich mich dafür einsetzen, dass man die ehrenamtlichen Helfer, die es in großer Zahl gibt und deren Arbeit ich wirklich sehr bewundere und schätze, mehr unterstützt und fördert, und auch die Koordinatoren sollen entsprechend bezahlt werden. Es ist auch wichtig, dass gewährleistet wird, dass das nicht nur von Spenden abhängig ist, sondern auch von sichergestellten Förderungen.

Insofern trete ich dafür ein, dass es ein Recht auf Hospiz- und Palliativmedizin gibt, dass wir das gesetzlich verankern, denn dadurch ist ein Lebensende in Würde gewährleistet, ein selbstbestimmtes Leben bis zuletzt. – Danke. (Beifall).

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Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Vielen herzlichen Dank an die zahlreichen Experten! Bei all diesen Impulsreferaten, die teilweise doch recht unterschiedlich waren, hat sich aber doch eines herauskristallisiert, und zwar: Das, was wir brauchen, ist einerseits eine Sicherstellung der Finanzierung von Hospiz- und Palliativmedizin und andererseits eine Kompetenzvereinheitlichung.

Ich beginne beim Ersten. – Ich weiß, wir leben in finanziell angespannten Zeiten, dennoch glaube ich, dass das Problem der Finanzierung trotz allem zu lösen sein wird. Mit den Kompetenzstreitigkeiten haben wir allerdings in Österreich aufgrund des föderalen Prinzips unsere liebe Not. Das zeigt sich nicht nur im Bereich der Palliativ- und Hospizversorgung. Ich glaube, es wird einer der ganz wesentlichen Punkte sein, dass wir uns diese Finanzierung genau anschauen. Wir haben unterschiedlichste Fördermöglichkeiten; in manchen Ländern gar nicht.

Besonders bedauerlich ist es, dass vor dem Hintergrund der Tatsache, dass wir jetzt für das Ende des Lebens eigentlich schon kein Geld haben, in wenigen Tagen hier herinnen wahrscheinlich beschlossen wird, dass der Zugang zum Pflegegeld erschwert wird. – Ich denke, das ist der falsche Weg, das ist ein Rückschritt.

Gerade in diesen Bereichen müssen wir sehr vorsichtig und sehr sensibel sein. Menschen, die sich selbst nicht mehr helfen können, brauchen eine starke Lobby, und die müssen wir hier gemeinsam sein. Da braucht es einen Schulterschluss. Wir haben schon in der ersten Sitzung hier gesagt, wir brauchen eine Lösung, sonst sind wir gescheitert. Ich appelliere daher noch einmal an die Kollegen, wirklich gemeinsam zu versuchen, die Finanzierung zu schaffen, damit wir zumindest einen Teil der Problematik herausnehmen, um den Menschen das Gefühl zu geben, dass sie sich in Österreich das Sterben leisten können.

Ich weiß, es klingt etwas eigenartig, aber das ist ein Problem, das viele Menschen haben: Angst davor, was passiert, wenn man nicht zufällig durch einen Unfall stirbt, sondern wenn man ein Pflegefall wird, wenn man schwerkrank wird, wenn man Hospiz-Betreuung braucht. Davor haben sehr viele Menschen Angst.

Ich möchte, dass wir alle gemeinsam den Menschen diese Angst nehmen. (Beifall).

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Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Wir diskutieren heute mit Ihnen, mit den Expertinnen und Experten, und da möchte ich mich jetzt auch dem Dank an Sie anschließen, denn es ist alles andere als selbstverständlich, dass die Expertise in dieser Intensität den Parlamentariern zur Verfügung steht. Das ist nämlich viel zu selten der Fall und würde wahrscheinlich noch mehreren legistischen Bereichen gut tun.

Wir haben heute einige Dinge gehört, die Baustellen im Bereich der Palliativ- und Hospizversorgung aufzeigen. Das Modell der abgestuften Hospiz- und Palliativversorgung ist im österreichischen System noch lange nicht so ausgebaut, dass es annähernd dem Bedarf gerecht wird. Vorgaben zur Infrastruktur und Leistungsangebot sind nur dort vorhanden, wo das Thema in den Krankenanstalten angesiedelt ist.

Die palliativmedizinische Versorgungslage für Kinder und Jugendliche ist prekär, darf man, glaube ich, sagen, ohne zu übertreiben.

Eine fixe Finanzierungsregelung für den gesamten Versorgungsbereich fehlt, fixe Angebote wie Tageshospize und mobile Dienste sind überdies nicht in ausreichendem Maße vorhanden, sodass sich als Folge ergibt: Es ist ein Glücksfall für den Bürger, wie es ihm im Bedarfsfall ergeht, je nachdem, wo man zu Hause ist, wie die familiäre Situation ist, in welchem Bundesland man zu Hause ist. Mängel in den Bundesländern sind hier aufs Tapet zu bringen.

Es gibt also für die Politik eine Reihe von Handlungsfeldern – das hat Kollegin Mückstein schon richtigerweise betont –: das Überdenken und das Beseitigen des Kompetenzdschungels, der Dinge verlangsamt und verteuert. Wir brauchen klare Zuständigkeiten, wir brauchen klare Finanzströme. Es braucht ein Bekenntnis zu einer fixen Finanzierungsregelung für alle Einrichtungen – und das mit ehestmöglicher Umsetzung.

Wir brauchen eine Anpassung der Ausbildung aller Berufsgruppen im Gesundheitsbereich und eine Anpassung der Anforderungen an die Praxis, mit einem noch stärkeren Fokus auf das Thema Palliativversorgung.

Und es bedarf einer Stärkung der Entlastungsmaßnahmen für die Betroffenen.

Diese und viele weitere Punkte sind hoffentlich noch nicht am Ende der Diskussion angelangt. Wir brauchen Sie, die geschätzten Expertinnen und Experten, auch weiterhin in dieser Enquete-Kommission. Und es sind alle politischen Mitglieder hier in der Enquete-Kommission sehr gut beraten, wenn sie dem Aufmerksamkeit schenken, was einerseits von Ihnen, die Sie heute hier anwesend sind, aber auch von den Bürgerinnen und Bürgern, die sich online beteiligen und die nach wie vor ihre Anliegen einreichen, eingebracht wird.

Ich freue mich auf eine weiterhin bewegte Diskussion und bedanke mich für die Beteiligung. (Beifall).

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Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Wir haben heute am Vormittag schon darüber diskutiert, dass dieses Thema keine Frage der Generationen ist – das ist auch das, was ich als Kinder- und Jugendsprecherin für besonders wichtig erachte – und auch keine Frage, die ausschließlich Menschen mit Behinderungen betrifft, sondern etwas, was uns alle betrifft.

Deshalb mein Wunsch – und wir haben uns ja eine Zeitplan gegeben und auch inhaltliche Schwerpunkte für die nächsten Sitzungen dieser Enquete-Kommissionen gesetzt –, dass man der Kinder- und Jugendhospiz und der Palliativmedizin in diesem Bereich größeres Augenmerk schenkt. Es gab wirklich tolle persönliche Ausführungen von der Vertreterin der Kinderhospiz MOMO. Ich finde, dass man das hier noch einmal zum Thema machen sollte. Es waren heute SeniorInnenvertreter da, und es sind auch Vertreterinnen und Vertreter von Behindertenverbänden da, aber von Kinder- und Jugendseite leider niemand. Das möchte ich an dieser Stelle als Kinder- und Jugendsprecherin der SPÖ einfordern.

Ich würde gerne einen weiteren Punkt zum Thema machen, weil er meiner Meinung nach bei den Expertinnen und Experten ein bisschen zu kurz gekommen ist. Es gibt ja auch noch andere Stellungnahmen, und wenn wir das jetzt als Paket betrachten – und wir von der SPÖ haben die Selbstbestimmung auch in diesem Bereich als zentrale Forderung aufgestellt –, so muss ich sagen: Wann widmen wir uns auch den Fragen, wo der Wunsch da ist, nicht mehr leben zu wollen? Ich würde auch das gerne diskutieren, weil es jetzt von den Stellungnahmen her noch nicht wirklich proaktiv erwähnt wurde. Darauf bin ich schon gespannt.

Ich möchte noch kurz anmerken: Ich kenne das Hospiz am Rennweg, und zwar aus privaten Gründen, und habe es als Angehörige einer betroffenen Person als sehr positiv erlebt.

Ich habe noch eine Frage an Frau Karner. Sie haben gemeint, dass es ein Irrtum sei, dass, wenn man den Wunsch hat, nicht mehr leben zu wollen, das mit Selbstbestimmtheit oder Selbstbestimmung zu tun hat. Ich würde Ihnen einfach gerne die Frage stellen: warum? – Danke schön. (Beifall).

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Mag. Marianne Karner (Bizeps – Zentrum für selbstbestimmtes Leben): Ich stehe dazu: Es ist tatsächlich ein Irrtum! Man macht sich etwas vor, weil man glaubt, man kann sein Ende selbst bestimmen.

In den Niederlanden gibt es ja schon eine über 30-jährige Geschichte, wie sich die Sterbehilfe entwickelt hat. Das hat ein Journalist wissenschaftlich aufgearbeitet, auch die Argumentationslinien mit eingearbeitet, und es hat sich Folgendes herausgestellt: Es ist scheinbar so, ja, es gehe auch um Selbstbestimmung; das wurde so verkauft.

Tatsächlich haben es aber überwiegend Ärzte oder Angehörige über die Köpfe der Betroffenen hinweg entschieden. – Das ist der springende Punkt!

Der Journalist warnt davor, dass auch wir – und er verfolgt diese Diskussionen in Deutschland und in Österreich – diesen Fehler machen und glauben, es ginge um Selbstbestimmung.

Man muss sagen, das Ganze ist ja ein Prozess: Wenn ich eine Diagnose bekomme, muss ich mir die Zeit geben, einmal abzuwarten und mich darauf einzustellen. Die allermeisten Menschen erschrecken zuerst furchtbar und denken, ich möchte mir das nicht zumuten, ich kann das nicht, das halte ich nicht aus. Aber sie ändern dann meistens ihre Meinung und sind froh über jede Woche, über jeden Monat, über jeden Augenblick, den sie noch leben können.

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Mag. Eringard Kaufmann, MSc (Generalsekretärin der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation): Ausgehend davon, dass es relevant ist, welche Ausbildung die Personen haben, die mit dem Wunsch, zu sterben, konfrontiert sind, habe ich gesagt, dass es wichtig ist, dass es auch um Techniken der Krisenintervention geht.

Ich selbst habe sehr lange im psychosozialen Bereich gearbeitet, war sehr oft mit Personen konfrontiert, die aus diversen Kontexten heraus den Wunsch geäußert haben, nicht leben zu wollen. – Es wurde ohnedies schon erwähnt, dass in einer ganz großen Anzahl von Situationen der geäußerte Wunsch, nicht leben zu wollen, ein Wunsch ist, so nicht leben zu wollen. Es geht in diesen Fällen darum, zu versuchen, mit dieser Person Lebensperspektiven zu erarbeiten. Es ist wichtig, zu beachten, dass nicht jede Person, die sagt, dass sie nicht leben möchte, tatsächlich nicht leben möchte, sondern in den allerallermeisten Fällen ist es so, dass diese Person so nicht leben möchte.

Selbstverständlich gibt es Lebenssituationen – in sehr, sehr schweren Erkrankungsfällen oder am Ende des Lebens von hochbetagten Menschen, die ihr Leben gelebt haben –, wo Menschen keinen Wunsch mehr haben, zu leben. Da geht es darum, dass die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen werden, dass sie ihr Leben so beenden können, wie sie es wollen.

Aber ein assistierter Suizid ist, wie glücklicherweise jetzt auch die Wiener Ärztekammer festgestellt hat, kein Teil einer ärztlichen Begleitung!

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Mag. Sabine Ruppert (Pflegeberaterin und Pflegewissenschafterin): Ich stehe vor Ihnen als Vertreterin einer Berufsgruppe, die bisher eigentlich noch kaum zu Wort gekommen ist, die aber am häufigsten und intensivsten mit der Betreuung von sterbenden Menschen involviert ist, nämlich der KrankenpflegerInnen.

Ich werde drei Punkte ansprechen, die sich vor allem auf die Erfordernisse in der Praxis beziehen, aber natürlich auch dann Veränderungen in der Ausbildung nach sich ziehen.

Als ersten Punkt möchte ich die Selbstbestimmung am Lebensende ansprechen. Häufig wurde hier genannt, dass jeder Patient am Lebensende eine Therapie, wie zum Beispiel eine Chemotherapie, ablehnen kann. Das ist in der Praxis meistens nicht einfach. Das kann ich sagen aufgrund der Erfahrungen, die Pflegepersonen machen.

In der Praxis hängen die Entscheidungen über den Abbruch einer Therapie von den einzelnen Ärzten ab. Wenn Sie zum Beispiel das Pech haben und auf Station A liegen, wird Ihr behandelnder Arzt kaum mit Ihnen über einen Therapieabbruch sprechen oder überhaupt nicht, sondern ordnet weitere kurative Therapien an, obwohl Sie eigentlich nicht mehr weiterleben möchten.

Wenn Sie Glück haben, liegen Sie auf Station B, wo ein diensthabender Arzt über diese Möglichkeiten mit Ihnen spricht.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es müssen die Wünsche und Werte des betroffenen Menschen und die Indikation und der Nutzen der möglichen Therapie ausschlaggebend sein für eine mögliche Therapieänderung von kurativ in palliativ – und nicht die Entscheidungen und Einstellungen des jeweils diensthabenden Arztes.

Menschen haben ein Recht auf Aufklärung, die unter entsprechend würdigen und zeitlichen Rahmenbedingungen ablaufen soll. Daher plädiere ich für einen standardisierten Ablauf in der Betreuung von schwerkranken Menschen, sodass gesichert ist, dass diese gut aufgeklärt sind und ihr Selbstbestimmungsrecht in Anspruch nehmen können. Dazu ist auch eine verpflichtende Implementierung von ethischen Besprechungen in allen Institutionen notwendig, sodass alle Betroffenen, und zwar vor allem die Patienten und Angehörigen, zu Wort kommen können.

Die Menschen in Österreich sollten auch mehr über ihre Optionen am Lebensende beraten werden, wie palliative Sedierung, Patientenverfügung, Therapieabbruch oder Vorsorgevollmacht. Und sie sollten in ihrer Wahl dann unterstützt werden.

Als zweiten Aspekt möchte ich die Würde am Lebensende und das Recht auf palliative Versorgung nennen. Es gibt in Österreich eine ungleiche Behandlung von sterbenden Menschen. Stellen Sie sich ein Krankenhaus vor, das idealerweise über eine Palliativstation verfügt! Dort werden vor allem Krebspatienten betreut, die Therapien gegen ihre Beschwerden erhalten und denen ein Sterben zu Hause ermöglicht wird. Gehen Sie einen Stock höher in diesem Krankenhaus, dann treffen Sie auf einen 90-jährigen alten Mann, der sterbend in einem Gangbett liegt und keinerlei palliative Versorgung erhält. Derartige Situationen sind leider keine Seltenheit!

Menschen, die an einer chronischen Erkrankung, wie etwa Herzinsuffizienz, Rheuma, Asthma oder Nierenversagen leiden und letztendlich auch daran versterben, haben kaum Zugang zu palliativer Versorgung, da diese noch immer zu einem Großteil nur für Krebspatienten zur Verfügung steht.

Daher plädiere ich für eine palliative Grundversorgung in ambulanten und stationären Gesundheitsbereichen, sodass alle schwerkranken Menschen am Lebensende gut versorgt werden.

Ein würdevolles Sterben – Palliativ Care wurde hier schon mehrfach genannt – ist ein Menschenrecht.

Jeder Mensch in Österreich sollte am Lebensende, unabhängig von seiner Grunderkrankung und seinem Alter, die Möglichkeit zu Palliativ Care haben. Palliativstationen, Hospize und mobile Teams sollten weiter ausgebaut werden, und die Expertise für Menschen in sehr komplexen Situationen sollte zur Verfügung stehen.

Zuletzt möchte ich noch die Situation der Pflege ansprechen, und zwar einerseits Erfordernisse in der Praxis, andererseits auch Erfordernisse in der Ausbildung. Wir sind ja in der glücklichen Lage, dass wir 60 Stunden in der Grundausbildung Palliativ Care haben. Leider können wir diese manchmal aufgrund von Strukturproblemen in der Praxis nicht anwenden. Pflegepersonen leisten aber sehr viel in der Betreuung von sterbenden Patienten, sind nahe an ihnen dran, können ihre Bedürfnisse wahrnehmen und wissen auch über die Bedürfnisse der betroffenen Angehörigen Bescheid. Sie können die Folgen von Therapieentscheidungen kontinuierlich beobachten und kennen die Familiensysteme.

Daher appelliere ich an Sie, dass Sie die Kompetenzen der Pflegepersonen stärken und sogar erweitern, zum Beispiel durch Schaffung von Pflegeexperten für Palliativ Care, von sogenannten Advanced Nurse Practitioners.

Es muss auch gesetzlich geregelt werden, dass Pflegepersonen in den Entscheidungsprozess eingebunden werden, wie zum Beispiel in Belgien im Euthanasieprozess. Und Pflegepersonen sollen selbständig von sich aus Palliativteams und Schmerzteams anfordern können.

Abschließend möchte ich noch einmal meine Forderungen zusammenfassen: Es sollten Strukturen geschaffen werden, die an die neuen Entwicklungen des Gesundheitssystems angepasst sind. Dazu gehören die Stärkung der Autonomie der Patienten durch ethische Besprechungen, die Schaffung einer palliativen Grundversorgung und die Stärkung der Kompetenzen der Pflegepersonen. – Herzlichen Dank. (Beifall.)

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Sonja Thalinger, MSc (Landesverband Hospiz Niederösterreich): Ich möchte den Fokus auf die Bedeutung der multiprofessionellen Zusammenarbeit bei der Versorgung von Hospiz- und PalliativpatientInnen richten.

Die multiprofessionelle Zusammensetzung ist eine unverzichtbare Grundlage der Hospiz- und Palliativ-Care-Teams und ist bereits im Ausbildungskontext immer wieder zu berücksichtigen. Es braucht in der Aus- und Weiterbildung Zeit und Raum, um das Miteinander der unterschiedlichen Berufsgruppen auch wirklich einzuüben, um gemeinsam die palliative Haltung zu entwickeln und zu festigen. Dazu gehören MedizinerInnen, Pflegepersonen, SozialarbeiterInnen, SozialpädagogInnen, PsychologInnen, TherapeutInnen, SeelsorgerInnen und auch unsere ehrenamtlichen MitarbeiterInnen.

Ich beziehe mich auf die Äußerungen von Professor Braun und möchte die Verbindlichkeit der multiprofessionellen Basislehrgänge für alle Mitarbeiter in der spezialisierten Versorgung hervorheben. Dieser verpflichtende Auseinandersetzungs- und Befähigungsprozess ist Grundvoraussetzung für eine gelebte Haltung der Multiprofessionalität. Dies sollte auch bei den künftigen Ausbildungsreformen berücksichtigt werden.

In der praktischen Umsetzung wird sichtbar, dass die Komplexität der Betreuungen immer zunimmt – und das bedeutet, dass auch dort, wo Hospiz- und Palliativversorgungen bereits gut ausgebaut sind, im Moment sehr stark sichtbar wird, dass der Bedarf an sozialer Arbeit und psychologischer Begleitung zunimmt.

Auch der kürzlich vorgestellte Vorsorgedialog lebt vom und mit der Multiprofessionalität – der Vorsorgedialog als Instrument zusätzlich oder in Ergänzung zur Patientenverfügung und zur Vorsorgevollmacht. Ganz interessant ist, dass dieser Vorsorgedialog aus einem Bedürfnis der Mitarbeiter in den Pflegeheimen heraus entstanden ist, die an der Umsetzung von Hospizkultur und Palliative Care gearbeitet haben. Da ist die multiprofessionelle Zusammenarbeit unbedingt notwendig.

Als letzten Punkt meiner Ausführungen möchte ich das Expertenwissen unserer MitarbeiterInnen als Qualitätskriterium benennen. Bei unseren ehrenamtlichen MitarbeiterInnen – wir haben es schon gehört – haben wir in Österreich acht Stunden an Weiterbildung festgelegt.

Im Bereich der hauptamtlichen MitarbeiterInnen fehlt uns das derzeit noch und es braucht dann auch die verbindliche Umsetzung. Damit ExpertInnen auch wirklich ExpertInnen bleiben können, braucht es Investitionen in diese Weiterbildungsmaßnahmen. – Herzlichen Dank. (Beifall.)

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Dr. Stephanie Merckens (Institut für Ehe und Familie; IEF): Wir haben heute immer wieder gemerkt – auch in der Auseinandersetzung mit den Anforderungen und auch Lücken in der Versorgung merken wir das –, wie wichtig die Koordination der verschiedenen Dienste ist, insbesondere der mobilen, stationären, aber auch jene in Fragen der sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche, Finanzierungshilfen und der Betreuung der Angehörigen.

Eine ganz große Schlüsselstelle kann da ein engagierter Hausarzt darstellen – und tut dies auch schon. Ich möchte an dieser Stelle sagen: Dieser Dienst ist besonders wichtig, diese Koordinierung ist wichtig und sollte diesbezüglich auch eine höhere Wertschätzung erfahren, auch im Tarif der finanziellen Abgeltung.

Mein zweiter Punkt ist ein ganz anderer. Er greift jenen Punkt auf, den Sie, Frau Vorsitzende, angesprochen haben, nämlich die Sorge sehr vieler Menschen, am Ende ihres Lebens anderen zur Last zu fallen. Ich möchte hier anknüpfen an das, was auch der Präsident des Seniorenrates, Herr Dr. Khol, gesagt hat; er hat es mit dem Generationenvertrag ausgedrückt. Hingewiesen hat er eigentlich auf dieses durchaus gegenseitige Angewiesen-Sein, das wir alle und auch alle Generationen haben.

Ich unterstütze hier auch besonders das Beispiel, das Frau Mag. Karner uns hier gegeben hat. Ich möchte das unterstützen und unterstreichen, nämlich mit einer persönlichen Erfahrung, die sich vor allem heute und hier an jene wendet, um die es immer primär geht, nämlich um die kranken und/oder mit schmerzvollen Behinderungen gequälten Menschen.

Ich lebe – und Sie alle kennen das – ein relativ hektisches, selbstbestimmtes Berufsleben, in dem ich durchaus einigen auf die Nerven gehe und ja, meinen Angehörigen auch immer wieder zur Last falle. Dennoch war es mir immer wieder möglich, aus diesem Berufsleben herausgerissen zu werden und als temporäre Pflegerin mit schwerstkranken Menschen in Kontakt zu treten. Es ist und war für mich immer besonders beeindruckend, mit welcher Würde und Dankbarkeit diese Menschen unsere zwar motivierte, aber sicher meist nicht perfekte Sorge angenommen, ja sogar über sich ergehen haben lassen.

Vieles hat sich in dieser Erfahrung für mich relativiert und wurde wieder dem richtigen Stellenwert zugeordnet. Besonders wichtig war jener Moment und jenes Gespräch mit einer sehr schwer behinderten Frau, die sich an mich wendet und dann sagt, sie bedankt sich so, dass es uns Pflegerinnen gibt – ich war temporäre Pflegerin, möchte ich dazusagen. Zwar innerlich überzeugt, aber doch etwas schnell habe ich dann darauf geantwortet: Ja, aber was wären wir denn ohne euch? Die Antwort bleibt mir bis heute unvergesslich, denn diese Frau, die höchste Sorge und Hilfe gebraucht hat, sagt mir ganz klar: Ja, das wissen wir eh, was wir euch geben können; wir wissen eh, dass ihr uns braucht!

Für dieses so starke Vorbild und für dieses so berechtigte Selbstbewusstsein kann ich nur meinen ganz tiefen Dank aussprechen. (Beifall.)

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Susanne Walpitscheker (Österreichischer Seniorenbund): Zu allererst möchte ich mich dafür bedanken, dass der Nationalrat diese Initiative so breit, so offen aufsetzt und sich auch die Zeit nimmt. Ich möchte mich auch bedanken bei den Expertinnen und Experten, die sich hier heute schon den ganzen Tag viel Zeit nehmen und uns viel Neues mitgeben. Ich denke, jeder kann sich da etwas Neues mitnehmen.

Wir haben heute mehrfach gehört, die Würde des Menschen ist unantastbar. Ich denke, dass uns in der Auseinandersetzung mit diesem Thema klar sein muss: Nein, die Würde des Menschen ist leider antastbar – und sie ist auch schnell angetastet. Ich denke, dass wir uns, wenn wir uns dem Thema von dieser Seite nähern, von Anfang an bewusst sein sollten, wie schnell man die Würde des Menschen antasten kann, es uns dann leichter fällt, auf Augenhöhe, wertschätzender und bewusster miteinander umzugehen.

Wir haben heute schon gehört, dass auch im Hospizbereich viele Freiwillige tätig sind. Wenn wir über die Würde am Ende des Lebens sprechen, dann ist uns schnell klar, davon sind ganz viele Seniorinnen und Senioren betroffen. Aber sie sind nicht nur die Sterbenden, sie sind auch die Angehörigen, die Hinterbliebenen, die Begleitenden und eine sehr große Gruppe der Freiwilligen. Ich würde Sie bitten, dass am Ende dieser Enquete-Kommission ein Punkt steht, nämlich, dass die Lehrgangskosten für diese Freiwilligen in ganz Österreich gefördert werden können, damit wir dieses Potenzial holen und diese Menschen nicht am Weg unterwegs verlieren.

Ein Punkt, der mir bisher abgeht, ist der Hinweis auf die zunehmende Zahl der demenziellen Erkrankungen. Die Situation verändert sich am Ende des Lebens doch deutlich, wenn entweder der Sterbende oder auch der Angehörige eine demenzielle Erkrankung aufweist. – Wir werden dafür Lösungen finden und Ideen haben müssen.

Dazu war ursprünglich ein Nationaler Aktionsplan gegen Demenz für Ende dieses Jahres geplant, aber, wie ich höre, kommt er erst Ende nächsten Jahres, was ich sehr bedaure und sehr schade finde. In diesen Nationalen Aktionsplan, der dann wohl kommen wird, sollte man doch auch diese Situation am Ende des Lebens aufnehmen.

Letzter Punkt: die pflegenden Angehörigen. Wie vor allem die Abgeordneten wissen, gibt es das Kompetenzzentrum für die Qualitätssicherung in der häuslichen Pflege, das bisher von sich aus häuslich Gepflegte besucht, das ab nächstem Jahr auch die Angehörigen selbst anrufen können. Ich würde darum bitten, dass dieses Kompetenz-Team, das sehr fleißig unterwegs ist, mit einer Informationsmappe betreffend Vorsorgevollmacht ausgestattet wird.

Wenn diese Information schon aufsuchend und zu Hause stattfindet, dann sollte auch die Vorsorgevollmacht, die Information zu Hospizdiensten in der Region und zum Beispiel die Information zu den Lehrgängen mit eingepackt sein. Auch Angehörige, wenn sie nicht ohnehin freiwillig arbeiten, bilden sich gerne in zertifizierten Kursen weiter. – Ich danke Ihnen. (Beifall.)

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Dr. Sigrid Pilz (Wiener Patienten- und Pflegeanwältin): Es ist hier jetzt so oft die Patientenverfügung irgendwie als Ausweg aus einem Dilemma, das uns alle hier beschäftigt, genannt worden. Als Patientenanwältin bin ich täglich damit beschäftigt, dass Menschen eine Patientenverfügung errichten wollen.

Dabei erleben wir, dass Ärzte und Ärztinnen, die diesen medizinischen Teil abdecken, manchmal selbst nicht genau wissen, was man in eine Patientenverfügung so hineinschreiben kann; und dann kommen die Patienten mit Dokumenten, die eigentlich nicht so wirklich geeignet sind als verbindliche und damit auch sozusagen sichere Abfassung.

Das Zweite: Schauen Sie hin, es erreicht nur einen Bruchteil der Bevölkerung, nämlich aufgrund all dieser Barrieren, aber auch aufgrund der Angst der Menschen. Viele sagen: Was soll ich jetzt mit 40 Jahren, 50 oder auch 70 Jahren da jetzt hineinschreiben: Ich will nicht an Schläuchen hängen; gebt mir am Schluss Medikamente, damit es schnell geht?! – Es ist also auch wichtig, darüber aufzuklären, was man in eine Patientenverfügung alles nicht hineinschreiben kann.

Ich glaube, die Patientenverfügung, so wichtig und gut sie ist, rettet uns nicht aus der Not, in der wir uns befinden. Ich plädiere als Patientenanwältin auch dafür, dass man die Vorsorgevollmacht mehr in den Blick nimmt. Da liegen die Latten noch viel höher, die ist noch viel teurer und noch schwieriger für die Menschen zu errichten. Eine Vorsorgevollmacht kombiniert mit einer Patientenverfügung und dann einem Vorsorgedialog, das wäre vielleicht der „Gold-Standard“, aber davon sind wir weit weg.

Wir sind auch mit einem Dilemma konfrontiert. Ich habe erst kürzlich mit einem Kreis der Patientenanwälte über einen Fall diskutiert, wo eine anorektische Patientin in der Patientenverfügung, schon unterschrieben vom Arzt, ablehnt, dass im Falle, dass ihre Krankheit zum Tod führt, medizinische Maßnahmen ergriffen werden. Da sind wir in einer Debatte, die wir hier noch gar nicht geführt haben, nämlich, was in so einer Patientenverfügung alles drinstehen kann.

Zum Schluss: Es gibt auch viele Ärzte, die die Patientenverfügung nicht beachten, wenn es dann so weit ist. Ich war im Rahmen meiner Antrittsbesuche in den verschiedenen Spitälern Wiens konfrontiert mit einem ärztlichen Direktor, der mir gesagt hat: Frau Pilz, kommen Sie mir nicht mit den Patientenverfügungen, das ist in unserem Haus nicht üblich! – Ich habe dann den Träger über diese Haltung informiert. Aber obwohl er dann zurückgerudert ist und gesagt hat, ich hätte ihn offensichtlich völlig falsch verstanden –  was sicher nicht der Fall war –, so ist es eine Kultur in diesem Haus offensichtlich, die eben dazu führt, dass eine Patientenverfügung nicht gesucht oder diese nicht berücksichtigt wird.

Das Wort Demenz ist jetzt sehr spät gefallen, obwohl es uns sehr beschäftigen muss. Viele Menschen, die nicht einsichts- und urteilsfähig sind, sollten trotzdem hinsichtlich ihres Patientenwillens berücksichtigt und möglichst auch in einer empathischen Weise geachtet werden. So haben sich Angehörige eines alten Herrn an mich gewandt. Der hatte einen Oberschenkelhalsbruch und hat sich natürlich, als er ins Spital zur Versorgung kam, beim Röntgen gegen die Behandlung gewehrt, weil er nicht einsehen konnte, was passierte.

Daraufhin haben die Ärzte gesagt, er will nicht. Es war Freitag Nachmittag. Dann ist er übers Wochenende schmerzbehandelt worden. Am Montag hat man das Gericht verständigt; dieses hat eine Sachwalterschaft angeregt. Es ist alles superschnell gegangen, aber es wurde Donnerstag, bis Folgendes passiert ist: Ein dislozierter Sachwalter hat entschieden, was man ohnehin schon gewusst hat: Der alte Herr wird operiert! Und er wurde operiert.

Es geht mir auch um die Würde vor dem Ende des Lebens, und da kann viel, viel Zeit, viel, viel Leben unter schwierigen Bedingungen für alte Menschen der Fall sein. Auch damit müssen wir uns beschäftigen. – Danke. (Beifall.)

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Dr. Christian Stelzer (palliativ tätiger niedergelassener Arzt): Was in Österreich in den letzten 25 Jahren an palliativer und Hospizarbeit aufgebaut wurde, ist wirklich einmalig; und ich habe wirklich das Glück, von Anfang an mit dabei gewesen sein zu dürfen; als nämlich im Krankenhaus Göttlicher Heiland die Palliativstation St. Raphael eröffnet wurde und ich eingeladen wurde, ehrenamtliche Bereitschaftsdienste zu leisten.

In der Zwischenzeit gibt es so viele Menschen, die vom Hospizteam zu Hause begleitet werden; das sind im letzten Jahr mehr als 10 Prozent der Sterbenden gewesen. Aber eines hat sich kaum geändert: die Ehrenamtlichkeit, die Unbezahltheit und die Arbeit, die auf freiwilligen Spenden basiert. Ich glaube, das ist nach so einer langen Zeit schon relativ erstaunlich; denn wenn wir uns den Beginn des Lebens anschauen, so halten wir eine Entbindung, bei der Mitarbeiter freiwillig dabei sind, für absolut unmöglich.

Es ist auch unvorstellbar, dass Patienten mit Diabetes oder einer Krebserkrankung von freiwilligen Mitarbeitern behandelt werden. Deshalb ist es absolut an der Zeit, zu überlegen, welche Strukturen wir implementieren können, welchen gemeinsamen Schulterschluss zwischen Ländern, Ärztekammern, Krankenversicherungen es geben muss, um sterbende Menschen nicht mehr, so wie ich es noch in meiner Turnuszeit erlebt habe, in ein Extrazimmer zu schieben, sie nicht abzuschieben, sondern in die Mitte der Gesellschaft zu holen.

Da möchte ich auf etwas hinweisen, das ich in den letzten 15 Jahren ebenfalls selber miterleben durfte, nämlich die Implementierung des Wiener Drogenkonzeptes. Auch da geht es um eine Randgruppe von Menschen, nämlich um die Drogenkranken, die durch die Substitutionstherapie in die Mitte der Gesellschaft geholt wurden.

Zu Beginn meiner ärztlichen Tätigkeit hat man diese Arbeit freiwillig gemacht; das wurde nicht bezahlt, nicht honoriert. Der eine hat es gemacht, der andere nicht. Inzwischen sind 75 Prozent der Wiener Drogenkranken in diesem Substitutionsprogramm, und gar nicht so wenige konnten auf diese Art sozial re-integriert werden.

Es wurde da eine Zusammenarbeit auf den Weg gebracht, die wirklich sehr erfolgreich gelaufen ist. Ich denke, das zeigt uns, dass wir auch andere „Randgruppen“ – und es scheint mir, dass Schwerkranke und Sterbende noch immer zu einer „Randgruppe“ unserer Gesellschaft gezählt werden – in die Mitte unserer Gesellschaft holen können. Und dazu gehört auch, dass wir einen Schulterschluss machen und uns ein gemeinsames Finanzierungsmodell überlegen.

Zum Schluss möchte ich Sie Anteil haben lassen an einer Erfahrung, die ich vor einigen Tagen machen durfte. Da gibt es ein Ehepaar mit einem Kind; ich kenne diese Familie seit Jahren. Dieses fünfjährige Kind hat eine äußerst seltene Stoffwechselerkrankung – wieder in einer Untergruppe, die es nur einige Male in ganz Europa gibt. Der Bub hat sich zweieinhalb Jahre lang normal entwickelt, hat aber dann eine Entwicklungsverzögerung gehabt und erlernte Fähigkeiten wieder verloren.

Es begann eine Odyssee durch verschiedene Spezialabteilungen, bis man dann die Krankheit Niemann-Pick diagnostiziert hat. Jetzt hat sich das Kind Pseudomonas, einen Krankenhauskeim geholt, hat eine schwere Bronchitis. Daher haben die Eltern entschieden, dass die Therapie zu Hause erfolgen soll, und ich wurde gebeten, diesem Kind die Infusionen zu Hause zu geben.

Ich bin zu dieser Familie gekommen. Der Spezialrollstuhl mit dem Kind ist mitten in der Wohnküche gestanden, umgeben von Infusionsständern, vom Sauerstoffkonzentrator, von einem Tischchen mit Infusionen, Nadeln und Spritzen, und um ihn die Eltern: die Mutter, die sich vor eineinhalb Jahren hat karenzieren lassen, um das Kind pflegen zu können, und der Vater, der sich immer wieder über Wochen und Monate freistellen lässt, um seine Frau zu unterstützen.

Es war unglaublich, diese Hingabe, diese Liebe, diese Fürsorge der Eltern zu sehen, und den kleinen Fabian, fünf Jahre alt, der eine Entwicklungsstufe von zwei Jahren hat, der mich mit großen Augen anschaut, denn die Mutter hat ihm vorher gesagt: Wenn es gelingt, zu Hause die Infusion zu geben, dann muss er nicht ins Krankenhaus. Mithilfe der Mutter, die sich mittlerweile wie eine diplomierte Krankenschwester eingelernt hat, ist es gelungen, das auf Anhieb zu tun; und ich habe gesehen, wie um die Lippen dieses Kindes ein Lächeln huscht: Er kann zuhause bleiben, muss nicht ins Spital!

Als ich weggegangen bin, hatte ich das Gefühl, dass dieser kleine Bub mir eine Botschaft mit auf den Weg gegeben hat, und diese Botschaft lautet: Macht etwas, damit schwerkranken Kindern, damit Kindern mit seltenen Erkrankungen das Leben erleichtert wird!

Diese Bitte möchte ich jetzt an alle hier weitergeben: Machen wir einen gemeinsamen Schulterschluss – und ermöglichen wir Schwerkranken, Sterbenden, dass sie im häuslichen Umfeld bleiben können, mit einer hoch professionellen Zuwendung – zwischen Palliativstationen, palliativ tätigen Ärzten, Hospizteams und niedergelassenen Ärzten!

Am Ende seines Lebens hat ein Mensch nichts lieber, als in seiner vertrauten Umgebung zu bleiben und von seinen Angehörigen und vertrauten Menschen umgeben zu sein. Dazu wird manchmal auch ein Hausarzt gezählt, der die Geschichte dieser Menschen seit vielen, vielen Jahren kennt und sehr dankbar über die hoch qualifizierte Unterstützung der Hospiz- oder Palliativteams ist. – Danke schön. (Beifall.)

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III. Begleitung zu Hause

Obfrau Mag. Gertrude Aubauer leitet über zum dritten Themenblock und ersucht Frau Lueger bzw. Frau Pichler um ihr Impulsreferat.

Impulsreferate

Alexandra Lueger, DGKP (vom Dachverband Hospiz Österreich nominierte Pflegende): Danke für die Einladung und für die Möglichkeit, Ihnen heute einen Einblick in die Arbeit eines mobilen Palliativteams zu geben! Sie sehen, ich stehe nicht alleine vor Ihnen, an meiner Seite steht Frau Mara Pichler, Angehörige einer Patientin, die wir betreut haben. Wir möchten gerne gemeinsam einen Bericht aus der Praxis bringen.

Es geht um eine 53-jährige Patienten mit einem Glioblastom; das ist ein bösartiger Gehirntumor. Kontakt aufgenommen wurde durch die Krebshilfe mit der Bitte, dass wir uns beim Gatten melden, weil einfach Bedarf an spezieller Palliativbetreuung besteht. Es kam dann zum ersten Telefonat, in dem der Gatte den Zustand zu Hause schilderte. Die Patientin wurde damals vom Gatten und von der Tochter gemeinsam mit Freundinnen betreut; es gab noch keine professionelle Unterstützung. Die Patientin war sehr selbstbestimmt, schon etwas wesensverändert und lehnte bis dahin sämtliche professionelle Unterstützung ab.

Unser erstes Telefonat war sehr eindrucksvoll. Wir haben den Gatten zuerst eine Zeit lang reden lassen, dann hat meine Kollegin folgende Fragen gestellt: Was können wir für Sie tun? Was brauchen Sie? Wie geht es Ihnen? – Dann war Stille am Telefon, und irgendwann hat dann der Gatte der Patientin gesagt: Seit einem Jahr bin ich mit meiner Gattin unterwegs, war in vielen verschiedenen Krankenhäusern und Stationen, und noch kein einziges Mal hat mich irgendjemand gefragt, wie es mir geht und was ich brauche! – Ich glaube, das ist eine Stärke von Palliative Care, dass wir nicht nur den Patienten sehen, sondern auch die Angehörigen.

Im Laufe dieses Telefonats kam es zur Vereinbarung, dass der Gatte zu uns in den Stützpunkt kommt, um einmal abzusprechen, wie wir die Unterstützung leisten können, um die Patientin noch ein bisschen außen vor lassen zu können.

Wie die Betreuung dann wirklich vonstattengegangen ist, dazu möchte ich das Wort gerne an die Tochter übergeben.

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Marianne Pichler (vom Dachverband Hospiz Österreich nominierte Angehörige): Nachdem meine Mutter „austherapiert“ war, fühlten wir uns einfach total überfordert. Wir waren allein, wir waren hilflos, wir hatten keine Anlaufstelle und wir hatten Angst vor der Pflege, die kommen wird. Wir wussten, was passieren wird, aber wir wussten nicht, wie, wir wussten nicht, wie wir damit umgehen sollen, und wir fühlten uns einfach völlig hilflos. Ein paar Tage, nachdem wir durch die Krebshilfe Kontakt zum Palliativteam bekommen haben, kamen sie zu uns nach Hause mit Tipps, mit Nummern von Pflegepersonal mit 24-Stunden-Hilfe, von Sozialarbeitern, bezüglich Pflegegeld. Sie blieben ständig mit uns in Kontakt, sie fragten uns, wie es uns damit geht.

Meine Mutter hat, kurz bevor sie bettlägerig geworden ist, noch einen letzten Ausflug mit Freundinnen gemacht, und da war es zum Beispiel so, dass eine Schwester vom Palliativteam angerufen und mit den Freundinnen geredet hat. Sie hat ihnen gesagt, worauf sie achten müssen, wie das vonstatten gehen kann, damit das meiner Mutter noch ermöglicht wird. Einmal hatte sie eine Entzündung am Finger und konnte nicht mehr zu einem Arzt gehen, da kam natürlich sofort jemand vom Palliativteam und hat sich das angeschaut, hat uns die Sorgen genommen. Sobald wir nur irgendwelche Bedenken hatten, konnten wir einfach anrufen. Wir wussten, wir sind unterstützt, und wir hatten ein Netz hinter uns, das wir vorher einfach nicht hatten – und ohne das wir die ganze Situation nie durchgestanden hätten.

Für mich war auch etwas anderes sehr wichtig: Es wurde Kontakt zu anderen Angehörigen hergestellt, die einen ähnlichen Fall hatten, und ich konnte mich auch mit einer Tochter austauschen. Ich fühlte mich verstanden, es war einfach wirklich wichtig, und all diese Tipps und all diese Hilfe hatten wir dank des Palliativteams. (Beifall.)

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Alexandra Lueger, DGKP (vom Dachverband Hospiz Österreich nominierte Pflegende): Die Betreuung dieser Patientin hat elf Wochen gedauert, in denen es zu acht Hausbesuchen und 19 Telefonaten, tagsüber und auch in der Nacht, in unserer telefonischen Rufbereitschaft, gekommen ist, und die Patientin ist dann ganz ruhig zu Hause in Begleitung ihres Gatten verstorben.

Ein Palliativmediziner, ein Kollege von uns, sagt immer: Patienten und Angehörige bekommen einen ganz großen Rucksack mit schweren Steinen, den sie den Berg hinauftragen müssen! – Wir alle können ihnen den Rucksack nicht abnehmen und ihn für sie tragen, aber wir können sie ein Stück weit begleiten und einige Steine herausnehmen.

Ich glaube, das ist unsere Aufgabe. Die Bereitschaft von Angehörigen, Patienten zu betreuen, ist oft riesengroß, aber dazu braucht es einfach professionelle Unterstützung: medizinische, pflegerische, sozialrechtliche und spirituelle. Und das ist gelebte Palliative Care. (Beifall.)

Obfrau Mag. Gertrude Aubauer dankt den Referentinnen dafür, dass sie über ihre Erfahrungen berichtet haben, leitet über zur Diskussion über und erteilt Abgeordnetem Rasinger das Wort.

Diskussion

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP) nimmt zu den letzten beiden Redebeiträgen Stellung und führt aus:

Ich bin Hausarzt, bin seit 30 Jahren damit beschäftigt, Menschen bei den letzten Zentimetern ihres Lebens zu helfen. Ich würde mich nicht als Palliativmediziner bezeichnen, dazu fehlt mir die Ausbildung, und ich habe auch viel Respekt vor dem, was da geschieht. Ich bin auch als Politiker der Meinung, da müssen wir wirklich mehr tun, vor allem bei der Finanzierung und dass vieles auch in der Ausbildung möglich wird.

Ich will hier einen Aspekt einbringen, der mir wichtig erscheint, weil ich das selbst bei zwei Patienten erlebt habe. Alle, die am Patienten tätig sind – alle, denn das ist letztendlich Teamarbeit –, brauchen in ihrer Ausbildung, Fort- und Weiterbildung Elemente der Schmerztherapie, der Palliativmedizin.

Was man besser machen könnte, möchte ich an einem Beispiel zeigen. Ich betreue eine Familie, ein Kind, das mit vier Jahren beim Schlittschuhlaufen durch das Eis gebrochen und seither apallisch ist; es wird zu Hause von seiner Mutter betreut.

Die Mutter war in der Ordination nicht auffällig – bis sie eine sehr unerklärliche Depression und Blutarmut hatte, und da erst ist ihr Martyrium herausgekommen: Sie musste bei der Krankenkasse ständig diverse Anträge für Bewilligungen einreichen; die Krankenkasse erteilt eine Bewilligung für Spezialwindeln, eine Bewilligung für Kanülen und so weiter. Alle sieben bis 14 Tage muss dieser Bewilligungszirkus gemacht werden.

Wir haben das für diese Mutter übernommen – und es hat sich herausgestellt, das war auch für uns als Ordination fast unerträglich.

Als Politiker würde ich schon sagen, es wäre gescheiter, wenn der Herr Doktor Rasinger mit einem Case-Manager von der Krankenkasse vor Ort feststellt, was gebraucht wird – Spezialwindeln, Kanülen und so weiter –, und die Krankenkasse stellt das von sich aus zu. Das wäre gescheit und würde viel Zeit und Wege sparen. – So viel zum Stichwort Bewilligung.

Der zweite Punkt, in dem wir uns verbessern müssen, ist, dass es oft gar nicht möglich ist oder es erschwert wird, diverse Schmerzmittel zu verschreiben. Es ist sehr schön und nett, dass es tolle Schmerzmittel gibt, aber es ist nicht einzusehen, warum Tapentadol, Dronabinol, Targin – ich nenne sie beim Namen – nicht bewilligungsfrei sind. Sie werden ja nicht vom Patienten missbräuchlich oder zum Spaß genommen.

Wenn es heißt, es gibt irgendwelche Alternativen und man muss sich mit irgendeinem Chefarzt streiten, der das praktisch zu einer „Gnade“ macht, dann ist das meiner Meinung nach nicht sinnvoll und verleidet letztendlich vielen die Beschäftigung mit diesen Patienten. Das finde ich ganz falsch, denn unser Ziel muss es sein, diesen Patienten am Ende des Lebens besonders viel Zuwendung zu geben, und dafür müssen wir uns einsetzen.

Allerletzter Punkt: Am Ende des Lebens wollen die Patienten – so erlebe ich es seit 30 Jahren als Hausarzt – primär gar nicht in ein Hospiz gehen. Ich finde die Hospize wichtig, aber der wichtigste Punkt ist für die Patienten, zuhause bleiben zu können. Sie sagen: Herr Doktor, machen Sie alles, damit ich zuhause bleiben kann!

Da darf man auch als Arzt oder Betreuer nicht die Nerven verlieren und muss ihnen zur Verfügung stehen, auch rund um die Uhr. Oft geht es um Fragen, die für einen Arzt relativ banal sind, wie leichte Atemnot. Für die Angehörigen ist das entsetzlich, sie sagen: Er bekommt keine Luft! Er erstickt! Was soll ich tun?

Das heißt, jemanden im Back-up-System zu haben, der hilft – und das ist meistens der Hausarzt –, ist für die Patienten und für die Angehörigen – das ist ganz wesentlich – eine sehr wichtige Sache. Das müssen wir ermöglichen, indem wir zum Beispiel auch mit den Krankenkassen in Diskussion treten – so wie wir auch die Versorgung am Ende des Lebens anders bewerten, es ist kein Hausbesuch wie bei einer Angina. (Beifall.)

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Abgeordnete Mag. Daniela Musiol (Grüne) hält fest, dass Betroffene zum Teil nicht oder sehr spät von unterstützenden Stellen erfahren und wissen – und möchte von Frau Pichler und Frau Lueger wissen, was sie PolitikerInnen empfehlen würden, damit das Wissen um diese Angebote in der Öffentlichkeit mehr Verbreitung findet.

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Marianne Pichler (vom Dachverband Hospiz Österreich nominierte Angehörige): Für uns als Angehörige war das Problem, dass die Ärzte von der Neurologie, bei denen wir zuvor waren, überhaupt nicht mit uns kooperiert haben, sie haben keine Hilfestellung geleistet und uns nicht aufgezeigt, welche anderen Möglichkeiten wir haben – wie zum Beispiel das Palliativteam. Das wussten wir nicht, und wenn die Ärzte von der Neurologie mehr mit anderen zusammengearbeitet hätten, wie eben mit dem Palliativteam, mit der Krebshilfe, dann wäre das für uns viel einfacher gewesen, denn dann hätten wir schon dort vor Ort – da hatten wir immer die Gespräche, dort mussten wir monatlich hin – erfahren, dass es eben so etwas wie ein Palliativteam gibt.

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Alexandra Lueger, DGKP (vom Dachverband Hospiz Österreich nominierte Pflegende): Wir können im Grunde genommen von jedem angefordert werden. Wir werden angerufen von Hausärzten, von anderen Krankenhäusern, von Angehörigen, von Patienten selbst. Die Realität ist aber, es läuft oft über Mundpropaganda, und wir sehen schon, dass wirklich viel Bedarf da wäre und wir nicht gefunden werden.

Viele sagen, sie haben sich im Internet umgeschaut, um herauszufinden, was jetzt gut wäre, und da sind wir dann auch zu finden. Tatsächlich ist es aber so, dass oft viel zu spät – zu spät ist es nie –, dass man jedenfalls schon viel früher unterstützend und hilfreich sein könnte.

Öffentlichkeitsarbeit wäre sicher sehr sinnvoll.

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Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) möchte von Frau Lueger wissen, ob diese im Rahmen ihrer Tätigkeit auf Angehörige gestoßen sei, die Hospizkarenz und Pflegekarenz in Anspruch genommen haben.

Zum anderen sollte man auch darüber sprechen, wie man die Öffentlichkeitsarbeit erfolgreicher gestalten könnte; ob man etwa verpflichtende Gespräche einführen sollte.

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Alexandra Lueger, DGKP (vom Dachverband Hospiz Österreich nominierte Pflegende): Die Hospizkarenz wird vielfach angenommen, dafür sind wir sehr dankbar, auch im Namen der Angehörigen. Tatsache ist aber, dass es natürlich finanziell oft für Angehörige nicht möglich ist, über längere Zeit zu Hause zu bleiben. Es gibt zwar Aufwandsentschädigungen, aber praktisch nur ab einem gewissen Familieneinkommen; das ist aber – wenn zum Beispiel Kinder da sind und so weiter – für viele nicht möglich.

Zum Thema Öffentlichkeitsarbeit. Ich glaube, im Grunde genommen ist es schwierig, denn solange man das nicht braucht, schaut man nicht hin – und das ist ja eigentlich auch gut so. Wo wir wirklich ansetzen müssen, das sind, wie Frau Pichler gesagt hat, die Krankenhäuser. Das ist nicht die Öffentlichkeit, sondern betrifft Professionisten und Stellen, an denen Patienten über lange Zeit betreut werden, an denen irgendwann die Entscheidung getroffen wird, dass es nicht mehr um einen kurativen Ansatz geht, sondern um Palliativbetreuung, und dann sollen diese Professionisten an uns verweisen.

Das ist auch ein Auftrag an uns selbst, dass wir wirklich schauen, dass wir immer wieder Kontakt aufnehmen. Was die breite Öffentlichkeit betrifft: Solange man es nicht braucht, schaut man nicht hin – und das ist wahrscheinlich auch gut so.

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Dr. Karlheinz Wiesinger (Ärztlicher Leiter CS Hospiz Rennweg): Ich glaube, dass Palliative Care nicht erst bei den letzten Atemzügen beginnen darf, sondern schon ab einer Diagnose einer unheilbaren Erkrankung mitgedacht werden soll – nicht als Konkurrenz zu Behandlern, zu Onkologen, sondern als weiterer Weg. Das erleichtert auch unsere Arbeit. Ich habe begonnen, im Pflegeheim zu arbeiten, und ich hatte immer die Schwierigkeit, wie ich mich vorstellen soll: Ich bin Palliativmediziner – das verwirrt ältere Leute. Ich bin Schmerztherapeut – nein, das bin ich ja nicht ausschließlich. Es fehlt so ein bisschen der richtige Begriff, und es verbreitet oft Schrecken – oje, es ist schon so spät, jetzt kommt der Palliativmediziner!

Ich meine also, dass wir viel früher in den Prozess hineinkommen sollten.

Ich unterstreiche auch, dass Öffentlichkeitsarbeit wichtig wäre, aber Betroffene von unheilbaren Erkrankungen und Angehörige gehören bei Beginn der Chemotherapie, der Bestrahlung, der Arbeit der Onkologie einfach auch dem Palliativmediziner vorgestellt.

Es gibt Onko-Boards, aber nicht in allen Krankenhäusern. Die palliativen Konsiliardienste gehören zugezogen. Das muss frühzeitig geschehen, aber nicht als Konkurrenz, sondern als Erweiterung des Angebotes.

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Alexandra Lueger, DGKP (vom Dachverband Hospiz Österreich nominierte Pflegende): Ich sehe das definitiv auch so. Tatsache ist bei uns, dass es einfach unter anderem an den Kapazitäten scheitert. Und das ist dann vielleicht doch ein Aufruf, sozusagen dieses Betreuungsgut, das es jetzt gibt, zu vergrößern. – Ja, das ist ein kleiner Appell.

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Mag. Eringard Kaufmann, MSc (Generalsekretärin der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation): Ich möchte das auch noch insofern bestätigen, als ich glaube, dass die Entscheidung zwischen palliativer und kurativer Behandlung eine ist, die Menschen kennen sollten, sobald sie mit gravierenden Erkrankungen konfrontiert sind.

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Waltraud Kocaget (Geschäftsführerin der Hospizbewegung Burgenland): Ich bin Geschäftsführerin der Hospizbewegung Burgenland, bin gleichzeitig auch Mitglied im Dachverband Hospiz Österreich.

Die Hospizbewegung ist aus ehrenamtlichem Engagement entstanden. Das Ehrenamt bleibt ein wichtiger Grundpfeiler in der Hospiz- und Palliativversorgung. Im Jahre 2013 hatten wir 3 300 Hospizbegleiter und Hospizbegleiterinnen. Über 11 000 Menschen wurden in ganz Österreich begleitet.

Ehrenamtliche begleiten betroffene Menschen und ihre Angehörigen, wo immer diese sind: zu Hause, im Krankenhaus oder im Pflegeheim. Sie sind diejenigen, die da sind. Für die Begleiteten bringen sie ein Stück Alltag, für die Angehörigen Entlastung – ein Wissen, ein bisschen mehr Wissen über Sterben, Tod, wie es sein könnte.

Ehrenamtliche HospizbegleiterInnen erhalten für ihre Arbeit keine finanzielle Unterstützung und keine Entlohnung. Dennoch ist Ehrenamt nicht kostenfrei. Ehrenamtliche benötigen Koordination, Weiterbildung und Ausbildung, Angebote einer Supervision – und einen Ort, wo sie sich zum Austausch treffen können.

Österreich ist das einzige Land, wo die Ehrenamtlichen ein landesweites Curriculum zur Ausbildung HospizbegleiterInnen haben. All das garantiert für die Hospizmitarbeiter und ‑mitarbeiterinnen sowie Patienten und Angehörigen einen hohen Qualitätsstandard. All das kostet zwar wenig, braucht aber eine finanzielle Förderung. Die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben den Vorteil, sich frei von Leistungsdruck und Zeitfenstern um den Sterbenden kümmern zu können. Sie erfahren viele Wünsche, Sorgen, Hoffnungen und Ängste der Betroffenen. Sie brauchen eine Organisation und das Gefühl, einen Ansprechpartner zu haben.

Ich selbst bin nicht nur diejenige, die viele Hospizteams im Burgenland leitet, sondern ich bin auch diejenige, die gleichzeitig am Sterbebett dabei ist, bei den letzten Stunden dabei ist. Ich bin dankbar für diese Arbeit. Ich bin gesegnet dafür, dass ich das tun darf. Ich selbst bin auch gesegnet, dass ich im Hospiz Rennweg meine Schwiegermutter begleiten durfte, wo sechs Kinder aus allen Ländern angereist sind, auch 13 Enkelkinder.

Wir selbst machen auch „Hospiz macht Schule“, wo wir in die Schulen gehen und schon bei der Jugend ein Bewusstsein schaffen, wie man mit Sterben umgeht. Aber selbst habe ich eine 15-jährige Tochter und einen 21-jährigen Sohn, und wir haben eine Großmutter gehabt, die uns viel Würde im Leben gezeigt hat.

Aber sie hat gegen Ende meiner Tochter Ohrringe geschenkt, Perlenohrringe, die ich heute in meiner Handtasche habe, und sie hat zu ihr gesagt: Das Universum braucht sie nicht, stecke du sie in deine Ohren! Das hat meine Tochter gemacht.

Ich selbst durfte mitschreiben. Sie sagte: Nimm das Buch heraus! Sie selbst war ehrenamtliche Mitarbeiterin von Beginn an in Wien, sie selbst hat gesagt: Nimm das Buch heraus und schreibe mit! Du wirst es an deine Mitarbeiter weitergeben können! Es waren Erfahrungen sowohl für meine Kinder, eine Oma so zu sehen, als auch für mich. Ich glaube, zwei Werte haben noch immer Tradition, und das sind Herz und Gefühl. – Danke. (Beifall.)

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Birgit Meinhard-Schiebel (Interessengemeinschaft pflegender Angehöriger): Gleich am Anfang muss ich mich einmal umdrehen und sagen: Ja, ich bewundere pflegende Angehörige sehr wohl, glaube nur trotzdem, wir alle müssen uns mit dem Lebensrisiko Pflege rechtzeitig auseinandersetzen und dürfen nicht sagen: Vielleicht ist es doch besser, wir schauen nicht hin! – Das halte ich für extrem gefährlich.

Die Interessengemeinschaft pflegender Angehöriger, die ich heute hier vertrete, vertritt insgesamt zirka 500 000 bis 700 000 Menschen in Österreich. Das ist eine Zahl, die man nicht einfach unter den Tisch fallen lassen kann. Und viele von ihnen tun das bis zuletzt.

Für die Rahmenbedingungen betreffend palliative Versorgung und Pflege zu sorgen, das ist die Aufgabe der Politik – und das umso mehr, als viele dieser pflegenden Angehörigen im Verborgenen leben. Wir kennen sie nicht, sie zeigen sich nicht, aber sie tun das nicht, weil sie keine Lust haben, sondern weil sie schlicht und einfach keine Zeit haben.

Die Aufgabe der Politik ist es auch, die Betroffenen, die so schwer zu erreichen sind, nach ihren ganz persönlichen Bedürfnissen zu fragen, und zwar nicht nur diejenigen, die Zugang zu dieser Enquete und die Möglichkeit gehabt haben, sich zu äußern, nein, wir müssen Menschen fragen, was sie tatsächlich in dieser Situation brauchen.

So wichtig ein Pflegefonds und gesetzliche Maßnahmen sind, wie die Hospizkarenz, wie die Pflegekarenz, sind sie für viele pflegende Angehörige weder ein Trost noch eine Hilfe, weil sie schlicht und einfach nicht an diese Instrumente herankommen. Wir haben derzeit zum Beispiel seit der Einführung der Pflegekarenz, seit 1. Jänner 2014, zirka 700 Anträge bei einer Zahl von 500 000 bis 700 000 pflegenden Angehörigen.

Da gerade sie in dieser Extremsituation kaum in der Lage sind, sich selbst Unterstützung zu holen, ist die Frage, die sich an uns stellt: Wie können wir diese Menschen erreichen und wie können wir ihnen helfen? Sagen Sie mir nicht, dass die Politik sich nicht am Einzelnen orientieren kann und das sogenannte Allgemeinwohl im Auge haben muss! – Das ist das Allgemeinwohl! Hunderttausende Menschen sind betroffen, und jeden kann es jederzeit treffen, weil wir alle sterben müssen.

Wir kommen nicht darum herum, die vielen Lücken zu schließen. Wir kommen nicht darum herum, Palliativversorgung zu einer selbstverständlichen Leistung im System zu machen, die allen offensteht. An erster Stelle steht der Rechtsanspruch, an zweiter Stelle unser aller Verpflichtung, das für alle erreichbar zu machen.

Wer hier von Unfinanzierbarkeit oder Sparmaßnahmen spricht, rechnet volkswirtschaftlich falsch. Und die Menschenrechte hat er auch nicht aufmerksam gelesen. – Danke. (Beifall.)

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Karin Böck (Pflegedienstleiterin Caritas Wien): Viele Menschen wünschen sich, zu Hause zu sterben. Dies erfordert einen hohen Grad an familiärer und sozialer Organisation, an Betreuung, an Dasein-Können und vieles, vieles mehr. Es erfordert ein Angebot an mobiler Hospiz- und Palliativbetreuung, in der Pflegende, ÄrztInnen, SozialarbeiterInnen, TherapeutInnen, SeelsorgerInnen und ehrenamtliche MitarbeiterInnen sind.

Als ich das so gehört habe, ging mein Herz auf, denn ich bin Pflegedienstleiterin, aber ich arbeite nach wie vor in der Praxis und weiß, warum ich in der Praxis arbeite – um wahrnehmen zu dürfen, was es wirklich bedeutet, in Familien zu kommen und draußen zu stehen.

Wenn Karl Bitschnau heute schon gesagt hat, dass 18 mobile Palliativteams in Österreich fehlen, dann macht mich das sehr nachdenklich.

In Wien betreuen wir mit unseren mobilen Hospiz- und Palliativteams zwischen 120 und 140 schwerkranke Menschen. Täglich melden sich Betroffene und Angehörige und suchen eine Betreuung und eine Begleitung auf dem letzten Lebensweg. Nicht immer haben wir die Kapazität, unmittelbar in eine Betreuung einzusteigen, auch wenn dies aus unserer Sicht sofort notwendig wäre. Wir melden uns bei den Familien dann, wenn wir die Kapazitäten haben und es möglich wäre. Nicht sehr oft, aber immer wieder kommen wir zu spät mit unserem Angebot – ein sehr schmerzliches Erlebnis für die Angehörigen, aber auch für uns als Betreuungsteam.

So geht es auch anderen palliativen Mobilteams in Österreich, weil der flächendeckende Ausbau der mobilen Hospiz- und Palliativversorgung heute – mehr als zehn Jahre nach dem Beschluss – noch nicht erreicht ist.

In Vertretung jener Menschen und Familien, die jetzt unsere Unterstützung brauchen, bitte ich Sie um ein schnelles und verbindliches Handeln bei der Umsetzung des in den ÖBIG-Strukturqualitätskriterien definierten Ausbaus der abgestuften Hospiz- und Palliativversorgung. – Danke. (Beifall.)

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Dr. Elisabeth Doenicke-Wakonig (praktische Ärztin und Palliativärztin): Ich arbeite in Niederösterreich als praktische Ärztin und bin auch seit Jahren als Palliativärztin in einem mobilen Palliativteam tätig.

Die palliativmedizinische Versorgung kann zurzeit von den Hausärzten und von den mobilen Palliativteams nicht ausreichend angeboten werden. Erstens liegt das in meinen Augen an den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln. Aufwändige Betreuungen, die von uns Hausärzten erfolgen, werden nicht entsprechend honoriert. Wieviel, glauben Sie, bekommt ein Hausarzt für eine Visite von der Wiener Gebietskrankenkasse inklusive Fahrzeit rückerstattet? – 42 Euro! Eine Visite bei einem Palliativpatienten ist aber nicht in 15 Minuten erledigt.

Zeit wird benötigt, um die familiäre Situation wahrzunehmen, Symptome zu erkennen, wenn möglich, zu behandeln und somit dem Betroffenen Sicherheit zu geben.

Zweitens: Es fehlt an ausgebildeten KollegInnen, die auch bereit sind, unter den gebotenen Bedingungen in diesem Bereich tätig zu sein. In Bezug auf die Ausführungen von Professor Watzke möchte ich betonen, dass es gelingen muss, den Bereich der Hospiz- und Palliativversorgung für meine Kolleginnen und Kollegen attraktiver zu machen. Sonst werden wir in Anbetracht des drohenden Ärztemangels zu wenig Ärzte haben, die bereit sind, an dieser spezialisierten Versorgung mitzuarbeiten.

Ein weiteres Beispiel ist auch die Fortbildung. Möglichkeiten und Erneuerungen wie zum Beispiel in der Schmerztherapie müssen erlernt werden. Eine ausreichende Schmerztherapie zu erhalten, ist leider nicht immer möglich. Ich wurde erst vor Kurzem zu einem 84-jährigen Patienten gerufen, der sich aufgrund seiner unerträglichen Schmerzen, die nicht behandelt wurden, aus lauter Verzweiflung mit einer Pistole in den Kopf geschossen hat. Er überlebte. Er überlebte diese Situation noch zwei Monate, aber dann unter der entsprechenden guten Schmerztherapie. Aus den Gesprächen mit den Angehörigen wurde rasch klar, dass bei einer entsprechenden Schmerztherapie ein Suizidversuch nie stattgefunden hätte.

Aufgrund fehlender Ressourcen im mobilen Bereich, das heißt fehlender Unterstützung für die Betroffenen, werden PatientInnen in stationäre Einrichtungen transferiert, obwohl sie das nicht möchten und es auch nicht erforderlich wäre.

Eine palliativmedizinische Versorgung, die PatientInnen und Angehörigen ausreichend Sicherheit gibt, braucht eine entsprechende Personalausstattung und vermeidet somit auch Kosten im stationären Bereich.

Nur in Zusammenarbeit mit Hausärzten kann eine optimale Betreuung von Hospiz- und PalliativpatienInnen gewährleistet werden. Die mobilen Teams haben hierbei den Kernauftrag der Beratung. Eine ständige Erreichbarkeit palliativmedizinischer Expertise gibt dem gesamten Betreuungsfeld die nötige Sicherheit, um so lange wie möglich im vertrauten Umfeld zu sein.

Abgesehen von der Finanzierung ist die notwendige 24-Stunden-Rufbereitschaft mit den derzeit vorhandenen Teamgrößen arbeitsrechtlich überhaupt nicht möglich. Denn bedenken Sie: Das Sterben hält sich nicht an die vorgeschriebenen Zeiten von 8 Uhr bis 15 Uhr. Es ist individuell.

Somit sind auch die eventuell auftretenden medizinischen Herausforderungen individuell. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall.)

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Karin Fürst (Fachliche Leitung für Gesundheit, Familie und Soziales; Hilfswerk Österreich): Das Hilfswerk betreut im Rahmen der Hauskrankenpflege in ganz Österreich durchschnittlich 30 000 Klienten im Jahr. Ich spreche für all jene Klienten, die im Laufe der Pflege und Betreuung während der Hauskrankenpflege aufgrund der Multimorbidität und einer zusätzlichen Krebserkrankung palliative Versorgung benötigen und oftmals die Mithilfe von Hospiz- oder Palliativteams oder ehrenamtliche Betreuung nicht akzeptieren, sondern von ihren Pflegefachkräften der Hauskrankenpflege weiterbetreut werden wollen.

Die Pflege im häuslichen Bereich hat im Gesamtkonzept von Palliative Care einen besonderen Stellenwert. Sie ist die Schnittstelle von Betroffenen, ihren Angehörigen und den anderen Professionen. Die Begleitung, Betreuung und Fürsorge der Erkrankten und ihren Angehörigen ist Aufgabe der Pflege. Um eine hohe Lebensqualität der Betroffenen zu erreichen, müssen starre Pflegekonzepte durch individuelle Anpassung an die Bedürfnisse des Patienten ersetzt werden. Die Begleitung und Auseinandersetzung mit den Lebensfragen sind oft unumgänglich.

Palliative Care braucht Zeit und die notwendigen Ressourcen, Zeit und Raum für Gespräche, gerade auch im extramuralen Pflegebereich, Zeit und Raum, den es in der Regelversorgung derzeit noch nicht gibt.

Die Fort- und Weiterbildung für die Mitarbeiter im Langzeitpflegebereich, insbesondere bei der häuslichen Versorgung, muss forciert und gefördert werden. Finanzielle Rahmenbedingungen für Besprechungen des multiprofessionellen Teams gehören ebenfalls in die Regelversorgung. Palliative Care kennt eigene Methoden. Pflegetherapeutische Maßnahmen, die über normale Pflegekonzepte hinausgehen, müssen bei Palliativpatienten in der häuslichen Versorgung im Rahmen der Regelversorgung ihren Stellenwert erhalten. Aber das benötigt Zeitressourcen, die es derzeit noch nicht gibt.

Die Angehörigenbetreuung ist ein integraler Teil der Palliativpflege zu Hause. In der letzten Lebensphase brauchen auch die Angehörigen Unterstützung und Begleitung. Aufklärung, Beratung und psychologische Unterstützung sind dabei wichtig.

Auch über den Tod hinaus benötigen die Angehörigen Hilfestellung zur Trauerbewältigung, im Speziellen auch von ihrem Team der Hauskrankenpflege. Auch diese Form der Betreuung ist im extramuralen Bereich im Rahmen der Regelversorgung derzeit noch nicht abgedeckt. Mit zunehmender Schwere der Erkrankung steht oftmals bei Betroffenen der Wunsch nach fürsorglicher Behandlung im Vordergrund.

Fürsorge ist als die ärztliche und pflegerische Antwort auf das Hilfsbegehren des autonomen Patienten zu verstehen. Es ist daher auch als Auftrag an uns als Gesellschaft, aber im Speziellen auch an die Politik zu sehen, auch finanzielle Rahmenbedingungen zu schaffen, damit diese Fürsorge auch im häuslichen Bereich in der Regelversorgung gelebt werden kann. – Ich danke Ihnen. (Beifall.)

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Peter Hacker (Geschäftsführer des Fonds Soziales Wien): Als Geschäftsführer des Fonds Soziales Wien bin ich Vertreter des Landes Wien – das zur Frage, warum Vertreter der Länder nicht hier sind. Wir sind hier, also ich bin jedenfalls hier, und zwar ganz offiziell für die Stadt Wien.

Wir vom Fonds Soziales Wien finanzieren auch eine Reihe von mobilen Leistungen in Wien und haben diese Anstrengungen in den letzten zehn Jahren vervierfacht, fast verfünffacht.

Frau Pichler hat mich motiviert, mich zu Wort zu melden, weil sie in einem ganz kleinen, winzigen Nebensatz etwas gesagt hat, das ich sonst heute den ganzen Tag über nicht gehört habe, worauf aber, glaube ich, sehr dringend hingewiesen werden muss, wenn wir über die Frage diskutieren, wer jetzt eigentlich zuständig ist: Länder, Bund oder Sozialversicherungen?

Frau Pichler hat in einem Nebensatz gesagt, dass dann die Diagnose gekommen ist: austherapiert. Ja, sie hat das Wort „austherapiert“ verwendet. Und was sie nicht wissen kann, ist, dass das für mich ein Reizwort ist. Da geht es mir wie dem Pawlowschen Hund, auf dieses Wort reagiere ich, denn „austherapiert“ ist keine medizinische Definition, ist nicht die Diagnose auf der Grundlage von medizinischer Wissenschaft, sondern ist ein technischer Begriff, der sich im ASVG wiederfindet, wo der Gesetzgeber den Sozialversicherungen nicht nur die Möglichkeit, sondern wahrscheinlich auch die Pflicht eingeräumt hat, festzustellen, dass die Behandlung eines Patienten mit Unterstützung der Sozialversicherung zu Ende ist.

Diese Möglichkeit gibt es, damit sind wir permanent konfrontiert, in allen Fragestellungen der Pflege und Betreuung von alten Menschen. Wir haben herzzerreißende Diskussionen über die Frage der sogenannten Procuratio-Fälle: Wie soll man vorgehen, wenn jemand im Spital liegt und „austherapiert“ ist? Die Sozialversicherung sagt, dass die Spitalsbehandlung zu Ende ist.

Wir haben weniger ein Problem in der Diskussion zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherungen, sondern wir haben meiner Meinung nach ein Systemproblem, weil wir neben dem Sozialversicherungssystem ein System haben, das aufbauend auf den Definitionen von Pflegegeld, aber auch unterstützt durch Definitionen wie „austherapiert“ im ASVG die Türe aufmacht, dass die Menschen für sich selbst verantwortlich sind. Und diese Selbstverantwortung ist in den Grundsatzdefinitionen des Pflegegeldes ja auch niedergeschrieben – gleich in den ersten zwei Paragraphen steht, dass das Pflegegeld den Menschen unterstützen soll, sich selbst die notwendige Pflege und Betreuung zu organisieren.

Dort haben wir das permanente Problem – auf dieses Thema mache ich bei Enqueten zum Thema Pflege und Betreuung, Finanzierung von Pflege und Betreuung aufmerksam und möchte es daher auch hier machen –, das systematische Problem, das keine Frage von Bund, Ländern und Sozialversicherungen ist, sondern wir switchen um und sagen: Die Sozialversicherung kümmert sich auf der Grundlage der Gesetze um Unterstützungsleistungen, welcher Art auch immer, und dann beginnt eine Phase, wo die Menschen für sich selbst verantwortlich sind, und manchmal funktioniert das und manchmal auch nicht.

Wir finanzieren Hospizleistungen, weil wir der Meinung sind, es ist notwendig, dass es sie gibt. Gar keine Frage, wir unterstützen da viel zu wenig, wir teilen uns das auch mit der Sozialversicherung. Die Sozialversicherung ist der Meinung, sie ist eigentlich nicht zuständig, denn wenn „austherapiert“ ist, ist die Sozialversicherung nicht zuständig.

Und auf dieses Problem stoßen wir nicht nur in der Frage Hospiz- und Palliativbereich, sondern permanent auch in der Frage Rehabilitation, Zugang zu Rehabilitation, Unterstützungsleistung für alte Menschen, wenn sie aus den Spitälern entlassen werden sollen und nachfolgende Rehabilitationen davon abhängig sind, ob sie wieder in den Arbeitsprozess eingegliedert werden können, was in der Regel bei Pensionisten nur mehr sehr schwer möglich ist.

Das ist eigentlich aus meiner Sicht das Kernproblem bei der Frage, wie wir die Basis schaffen können, dass Hospiz- und Palliativbewegungen eine bessere Form der Unterstützung bekommen. Wir müssen meiner Meinung nach über diesen Grundsatz intensiv diskutieren und nehmen daher diese Gelegenheit wahr, das hier zu tun.

Manche, die mich kennen, wissen, dass ich früher Drogenkoordinator war. Daher war es für mich natürlich unterhaltsam, an mein früheres Leben erinnert zu werden. Als wir vor 20 Jahren ein Drogenkonzept geschrieben haben und in diesem Drogenkonzept Substitutionsbehandlung niedergeschrieben haben in Wien, hat es nicht nur im Wiener Landtag, sondern auch hier in diesem Haus eine Reihe von heißen moralischen, ethischen Diskussionen gegeben über die Frage: Kann denn das ernsthaft gemeint sein, dass man Drogenabhängige behandelt, indem man ihnen Drogen gibt?

Herr Abgeordneter Rasinger war einer der Fürkämpfer in der politischen Debatte und hat gesagt: Die moralische Frage kann sich nicht stellen, wenn es um Behandlung geht!

Sie haben mich daran erinnert, indem Sie das Thema zitiert haben, und deswegen traue ich mich noch eine Schlussbemerkung zum eigentlichen Auslöser dieser Enquete zu sagen: Ich glaube, dass moralische Fragestellungen ein ganz hohes Gut sind, vor dem man den Hut ziehen muss, aber manchmal auch eine schlechte Triebfeder, um Rahmenbedingungen gesetzlich festzuschreiben. – Das war jedenfalls so in der Substitutionsbehandlung, in der ganzen Drogenpolitik.

Ich glaube, dass bei der Frage, welche Rechte die Menschen haben, um einen würdevollen Abgang aus diesem Leben zu machen, der Gesetzgeber vor allem eine Schutzfunktion hat. – In diesem Sinne ein herzliches Dankeschön. (Beifall.)

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Obfrau Mag. Gertrude Aubauer dankt für alle Beiträge und für die „wertvollen Anregungen“, aus denen „alle viel lernen konnten“.

Die Obfrau fasst zusammen:

Es gibt klare Aufträge an die Politik, nämlich die Lücken in Hospiz- und Palliativversorgung zu schließen. Zum Beispiel für Kinder gibt es derzeit österreichweit nur drei ausgewiesene Palliativbetten.

Es braucht bestmögliche Voraussetzungen auch für die Betreuung zu Hause, ein gutes Zusammenwirken der Institutionen, bei der Ausbildung auch mehr Mittel, unter anderem für die ehrenamtliche Ausbildung.

Es wurden ein Schulterschluss und ein Hospiz- und Stufenplan urgiert.

Auch hinsichtlich einer sicheren Finanzierung sei die Politik gefordert.

In der nächsten öffentlichen Sitzung am 16. Dezember 2014 werde man das angehen: Finanzierungsfragen und das Zusammenspiel zwischen Bund und Ländern; im Jänner gehe es dann weiter mit Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht.

 

 

Die Obfrau lädt alle Bürgerinnen und Bürger ein, ihre Stellungnahmen bis 31. Jänner 2015 per Mail zuzusenden – und erklärt die 5. Sitzung der Enquete-Kommission für geschlossen.

Schluss der Sitzung: 15.08 Uhr