63/KOMM XXV. GP

 

Kommuniqué

der Enquete-Kommission zum Thema „Würde am Ende des Lebens“

Die Enquete-Kommission zum Thema "Würde am Ende des Lebens" hat in ihrer Sitzung vom 17. September 2014 einstimmig beschlossen, die auszugsweisen Darstellungen der öffentlichen Anhörungen als Kommuniqué zu veröffentlichen.

 

Am 16. Dezember 2014 fand die dritte öffentliche Sitzung statt, deren auszugsweise Darstellung angeschlossen ist.

 

Wien, 2014 12 16

                     Ulrike Königsberger-Ludwig                                              Mag. Gertrude Aubauer

                                    Schriftführerin                                                                             Obfrau


 


Parlament Österreich

 


Enquete-Kommission

 

„Würde am Ende des Lebens

 

Bild des Parlamentsgebäudes

 

Auszugsweise Darstellung

(verfasst vom Stenographenbüro)

 

 

7. Sitzung

Dienstag, 16. Dezember 2014

10.04 Uhr – 14.45 Uhr

NR-Saal

 

In der 6. Sitzung (gleich im Anschluss an die 5. Sitzung) am 25. November 2014 wurden Geschäftsordnungsfragen geklärt.

 

7. Sitzung: 16. Dezember 2014

Referate

ad I:

MMag. Martin Staudinger                                                                                3

Hon. Prof. Dr. Gerhard Aigner                                                                        5

Eva-Maria Kernstock, MPH                                                                             6

Dr. Martina Kronberger-Vollnhofer, MSc                                                       8

DGKS Anneliese Gottwald                                                                             10

Mag. Alexander Bodmann                                                                              12

Ing. Otto Knapp, MSc                                                                                     13

Dr. Johann Baumgartner                                                                               15

ad II.:

DGKS Klaudia Atzmüller                                                                               33

Peter Hacker                                                                                                   34

Mag. Christina Aigner                                                                                    38

Bundesrat a.D. Ludwig Bieringer                                                                 39

Dr. Harald Seiss                                                                                             39

Dr. Johannes Zahrl                                                                                        42

ad III.:

Mag. Michael Opriesnig                                                                                 52

 

Beginn der Sitzung: 10.04 Uhr

Obfrau Mag. Gertrude Aubauer eröffnet die Sitzung der Enquete-Kommission „Würde am Ende des Lebens“, bei der es um das Thema Möglichkeiten zum Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung geht.

Die Obfrau begrüßt die Anwesenden im Sitzungssaal sowie die Zuseherinnen und Zuseher via Livestream – und spricht sodann die Situation schwerstkranker Kinder an, für die die Versorgung erst im Aufbau befindlich sei. Und zum „Fleckerlteppich“ der Hospiz- und Palliativversorgung in Österreich: Es fehlen, so die aktuelle Bedarfsschätzung des Gesundheitsministeriums bis zum Jahre 2020, 321 Betten, 237 mobile Teams und 6 Tageshospize im Hospiz- und Palliativbereich; das bedeute einen Versorgungsgrad von nur mehr 48 Prozent.

Die letzte große parlamentarische Enquete, die einen diesbezüglichen Ausbau gefordert habe, habe im Jahre 2001 stattgefunden; es habe zwar in der Zwischenzeit Verbesserungen gegeben, aber, so die Obfrau: „Zögern wir nicht; es ist Zeit für die weitere Umsetzung!“

Hospiz- und Palliativversorgung gehören zu den menschlichsten Errungenschaften der Medizin, aber sicher nicht zu den teuersten.

Sodann leitet die Obfrau zum ersten Themenblock über.

I. Möglichkeiten zum Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung

Obfrau Mag. Gertrude Aubauer erteilt als erstem Referenten Herrn MMag. Staudinger das Wort.

Impulsreferate

MMag. Martin Staudinger (Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz): Das Thema dieser Sitzung der Enquete-Kommission ist, wie schon erwähnt, die Frage, wie wir mit Unterstützung einer guten palliativen und auch einer Hospizversorgung würdevoll sterben können.

Wenn gesagt wird, es gibt da einen „Fleckerlteppich“ in Österreich, dann heißt das, dass einiges noch fehlt, das heißt allerdings auch, dass es einiges, sehr vieles schon gibt. Wir haben Zahlen, wonach es durchaus in allen Bundesländern in unterschiedlicher Ausprägung stationäre Hospize gibt, mobile Hospizteams, mobile Palliativteams, aber auch, dass Sterben Alltag ist: sowohl im Akutspitalbereich als auch in Pflegeheimen. Da ist es, glaube ich, wichtig, abgesehen von speziellen stationären und mobilen Hospiz- und Palliativteams sowohl im Akutbereich als vor allem auch bei den Pflegeheimen – es befinden sich zirka 70 000 Menschen in Pflegeheimen – integrierte Hospiz- und Palliativversorgung anzubieten.

Für uns vom Sozialministerium ist das insofern ein Thema, als wir das Thema Pflege bundesweit mitverantworten. Ich möchte allerdings kurz die kompetenzrechtliche Lage skizzieren. Wir sind nach der Vereinbarung zwischen Bund und Ländern und nach der Pflegegeldreform vollständig für die Geldleistung – nämlich das Pflegegeld als erste Säule im Pflegesystem – zuständig. Das heißt, wir zahlen den Pflegebedürftigen mit dem Pflegegeld diese Geldleistung aus und haben damit den ersten Schritt erfüllt. Die konkrete Pflegesituation der Pflegebedürftigen – von der familiären Betreuung durch Angehörige über mobile Dienste, Tageszentren, 24-Stunden-Betreuung und Pflegeheime, ein Betreuungsmix – soll möglichst frei und selbständig durch die Betroffenen gewählt werden können; das ist auch ein Versorgungsmix, der sich mitunter entwickelt, je nachdem, wie sich die Pflegebedürftigkeit entwickelt.

Am Ende, in den letzten Monaten, Wochen, Tagen des Lebens stellt sich dann vor allem die Frage nach einer optimalen Palliativ- oder Hospizkultur beziehungsweise ‑versorgung, der Pflege, Betreuung, aber vor allem auch Begleitung der Betroffenen und auch deren Angehöriger. Da ist es vor allem die Aufgabe von Ländern und Gemeinden, genauso wie bei der Versorgung der mobilen Dienste – egal, ob Selbsterbringung oder Beauftragung von Organisationen, von denen heute viele hier sind – und dem Ausbau von Pflegeheimen konkret den Bedarf festzustellen: Wo ist was an stationären und mobilen Einrichtungen notwendig? – Das tun die Länder, aber sehr, sehr unterschiedlich.

Was kann da die Rolle des Sozialministeriums sein? – Wir haben das Thema schon vor einiger Zeit aufgegriffen, mit dem Pflegefonds, der im Unterschied zum Pflegegeld als direkte Geldleistung an die Betroffenen Länder und Gemeinden im Aufbau von Pflegedienstleistungen unterstützen soll, und dazu gehört auch der Ausbau von mobilen Palliativ- und Hospizteams. Das haben wir durch die Novelle des Pflegefonds ermöglicht. Das heißt, im Rahmen der Millionen – nächstes Jahr werden es schon 300 Millionen € sein –, die wir Ländern und Gemeinden zur Verfügung stellen, können diese auch diesen Bereich ausbauen.

Derzeit ist es so: Wir schreiben nichts vor, wir können als Bund zentral auch nicht vorhersehen, in welcher Region genau welcher Bedarf da ist. Das ist im Pflegefondsgesetz nicht vorgesehen, das obliegt den Ländern und Gemeinden selbst, denn wichtig ist es, wie ich glaube, vor allem wohnortnah festzustellen, wo Bedarf ist, und auch wohnortnah eine Versorgung sicherzustellen.

Die Länder haben das auch in Anspruch genommen. Wir haben Zahlen, wonach 2013 in der Höhe von 5 Millionen € genau solche Ausbauten von mobilen Hospiz- und Palliativteams abgerechnet wurden, was nicht heißt, dass das alles war. Es kann auch sein, dass viel mehr gemacht wurde, aber das ist das, was wir feststellen können, was abgerechnet wurde. Das heißt, der Pflegefonds wirkt, das Geld, das wir zur Verfügung stellen, wirkt, und da wird doch einiges ausgebaut.

Ich glaube, Herr Sektionschef Aigner wird dann die Abgrenzung zum Gesundheitssystem erklären, weil wir die Frage, die für die Menschen im Vordergrund eigentlich nicht wichtig sein sollte, leider auch diskutieren müssen: Wer trägt welche Finanzierungsverantwortung? Da ist natürlich abzugrenzen, was in der Finanzierungsverantwortung des Gesundheitsbereichs ist, zwischen Sozialversicherungen, zwischen Ländern, und was im Pflegebereich, der von der Dienstleistungserbringung her eben Ländersache ist.

Wir vom Sozialministerium möchten weiterhin den Pflegefonds zur Verfügung stellen, um das, was für die Länder im Pflegebereich abzurechnen ist, auch mitzufinanzieren. Wir sind auch offen für die Diskussion, wie man den Pflegefonds – auch im Hinblick auf die Finanzausgleichsverhandlungen, bei denen wir alle, wie ich glaube, noch mehr auf eine konkrete zusammenhänge Aufgaben- und Ausgabenorientierung achten wollen – weiter konkretisieren und schärfen kann, um diese Mittel möglicherweise noch stärker zweckgewidmet für den weiteren Ausbau sicherzustellen. – Danke schön. (Beifall.)

*****

Hon. Prof. Dr. Gerhard Aigner (Bundesministerium für Gesundheit): Es wurde angekündigt, ich werde hier ein bisschen über Kompetenz sprechen. Ich werde da keine verfassungsrechtliche Vorlesung halten, weil ich glaube, dass alle, die hier im Raum anwesend sind, an sich vertraut sind mit der Abgrenzung der Palliativversorgung als Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung und der Aufgabe der Länder, die für Pflegeheime, für soziale Aufgaben die Verantwortung tragen.

Es ist schon sehr lange her – es war 1992 –, als auf Initiative des Gesundheitsressorts dem Verfassungsgerichthof eine Regierungsvorlage vorgelegt wurde, mit der Fragestellung, in wessen Kompetenz denn nun die Materie von Pflegeheimen falle. Es war damals die Überlegung, vielleicht auch Pflegeheime gleich den Krankenanstalten in den Artikel 12 der Verfassung zu rücken. Der Verfassungsgerichtshof hat geantwortet, Pflegeheime seien ausschließlich Landessache im Sinne des Artikel 15. Allerdings ist – auch das darf ich eingangs sagen – die Zuständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung, die Kosten der Palliativversorgung als Teil einer Heilbehandlung, als Aufgabe der Heilbehandlung zu tragen, unabhängig vom Ort, an dem Palliativversorgung stattfindet.

Damit wurde aus meiner Sicht genug darüber gesprochen, wer wofür zuständig ist. Ich will meine Aussagen eigentlich in folgende Richtung lenken: Das Thema Würde am Lebensende und die Frage, wie unsere Gesellschaft mit Menschen, die ihre letzten Monate, Wochen, Tage, Stunden verbringen, umgeht, sind meiner Überzeugung nach eine ganz, ganz große Herausforderung, anhand derer unsere Republik demonstriert, dass der Föderalismus doch funktioniert. Es kann wohl nicht sein, dass – weil eben da der eine, dort der andere zuständig ist – zwar theoretisch nahezu alle Probleme gelöst sind, in der Praxis aber dann doch ein nicht unbeträchtlicher Teil der Bevölkerung zumindest subjektiv das Empfinden hat, dass da einiges zu verbessern ist.

Damit will ich zu einer jener Aussagen kommen, die ich hier heute treffen wollte: Ich glaube, es muss niemand in diesem Land die Welt/das Rad völlig neu erfinden. Wir haben Zuständigkeiten des Bundes, mehrerer Ministerien, der gesetzlichen Krankenversicherung, wir haben weite Bereiche, in denen die Länder die Verantwortung tragen, vielleicht auch die Gemeinden anzusprechen sind, und Ideen, Konzepte, die auch im Laufen sind, sind vorhanden. Also in meiner Wahrnehmung dieses Themas geht es eigentlich vielmehr darum, Lücken zu schließen, dem künftigen Bedarf rechtzeitig Rechnung zu tragen.

Die Gesundheit Österreich GmbH ist rund um Zielsteuerung, Österreichischer Strukturplan Gesundheit seit Jahren damit beauftragt, jährlich den Blick in die Zukunft zu richten, Bedarf zu ermitteln, um eben dann den Verantwortungsträgern in der Politik zu sagen, bis dahin werde man dort und dort dieses und jenes brauchen, und das dann in die diversen Unterlagen – ich habe schon den Österreichischer Strukturplan Gesundheit erwähnt – Eingang finden zu lassen.  Nochmals: Das Rad neu zu erfinden, halte ich für überzogen; es geht darum, Lücken rechtzeitig zu erkennen und auch rechtzeitig zu schließen, und da geht es auch um finanzielle Mittel. Das fordert Politik, das fordert Verantwortung in Ministerien und auch in Ämtern der Landesregierungen.

Etwas Zweites, das ich zur Würde am Lebensende hinsichtlich der Finanzierung einbringen möchte, sind Akutkrankenanstalten. Ich kann mich bisweilen des Eindrucks nicht erwehren, dass das Scheitern der Versorgung Sterbender zu Hause und des Versuchs, würdevolles Sterben zu Hause zu ermöglichen – wir alle reden vom „besten würdevollen Sterben zu Hause“; es findet allzu oft trotzdem im Spital statt –, nicht unbedingt ein Fehler des Systems ist.

Ich glaube, sagen zu können, diesbezüglich gibt es bisweilen eine etwas überzogene Forderungshaltung von Menschen, die Schwierigkeiten haben, das Sterben eines Angehörigen zu akzeptieren, die der Meinung sind, die Medizin muss bis zur letzten Minute alles können, und die sich dann weniger darum sorgen, den Sterbenden die letzten Stunden zu Hause verbringen zu lassen, sondern den Notarzt oder die Rettung rufen – ich kann das den Leuten nicht verargen, es sind Laien, es sind Verzweifelte, die nicht hinnehmen wollen, dass der/die Angehörige dahinscheidet –, damit aber möglicherweise ein Szenario entwickeln und noch Druck aufbauen und bei Ärzten, beim Sanitätspersonal den Eindruck erwecken: Wenn ihr jetzt nichts macht, dann zeige ich euch an!

Das steht zumindest im Raum. Ich habe dank meiner Tätigkeit im Ministerium nicht allzu selten Gelegenheit, vor Rettungspersonal Vorträge, Seminare zu halten, und die Antwort, die ich von Teilnehmern dort bekomme, ist: Wir trauen uns nicht, man konfrontiert uns mit Haftung; wir nehmen also den Patienten mit!

Ich glaube, da ist sehr viel Bewusstseinsbildung notwendig, auch in der Bevölkerung, dass es nicht unbedingt etwas bringt, ja vielleicht sogar den Sterbeprozess nur verlängert, wenn ein Sterbender um jeden Preis für seine letzten Stunden noch der Spitzenmedizin zugeführt wird, mit deren Hilfe dann aus den gleichen Haftungssorgen heraus im Spital noch einen Tag lang Dinge gemacht werden, die toll sind, die medizinische Spitzenleistungen sind, aber das Sterben eigentlich nur um 24 Stunden verlängern.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und freue mich auf die Diskussion. – Merci beaucoup. (Beifall.)

*****

Eva-Maria Kernstock, MPH (Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheitswesen): Ich bin diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester und habe fast 20 Jahre lang im Krankenhaus gearbeitet und sehr viele Menschen auf ihrem letzten Weg begleitet. Das ist das, was ich einbringe – neben meinem Zugang zu Public Health und meiner Tätigkeit bei der Gesundheit Österreich GmbH.

Hospiz- und Palliativversorgung bedeutet ganzheitliches Vorgehen für geschätzte 12 000 bis 16 000 betroffene Erwachsene und etwa 1 000 Kinder und Jugendliche in Österreich. Ganzheitliches Vorgehen bedeutet, dass Patienten und Patientinnen, Angehörige und in Gesundheitsberufen Tätige gemeinsam agieren. Diese integrative Herangehensweise ist eine Herausforderung im fragmentierten Gesundheitswesen und erklärtes Ziel der Gesundheit Österreich GmbH.

Die GÖG schafft Grundlagen für informierte Entscheidungen zur Strukturplanung in allen Gesundheitsversorgungsbereichen bis hin zum Pflege- und Sozialbereich. 2014 wurde die Broschüre zur Hospiz- und Palliativversorgung für Erwachsene überarbeitet, diese ist auf der BMG-Homepage und auch auf der GÖG-Homepage abrufbar. Dort sind die derzeit aktuellen Bedarfsschätzungen und Zahlen bis zum Jahre 2020 zu erfahren.

Die GÖG stimmt in Kooperation mit allen beteiligten Gesundheitsdienstleistern und Stakeholdern Qualitätskriterien ab und unterstützt in den Versorgungsprozessen. Derzeit ist ein Leitfaden für das medizinische Personal in der Grundversorgung in Erarbeitung. Dieses medizinische und pflegerische Personal ist im Umgang mit den sterbenskranken Menschen ganz besonders gefordert.

Mit jährlichen Monitoringberichten zum aktuellen Versorgungsangebot schafft die GÖG Transparenz bezüglich der Umsetzung und Entwicklungen in diesem Bereich; der nächste Bericht ist für Ende Jänner 2015 geplant.

Schon der Österreichische Krankenanstalten- und Großgeräteplan hat die Palliativmedizin mit grundsätzlichen Regelungen vor der Jahrtausendwende thematisiert. Diese Regelungen wurden dann im Laufe der Jahre erweitert, präzisiert und im Jahr 2006 auch in den Österreichischen Strukturplan Gesundheit aufgenommen, auch wenn damit weder Zuständigkeiten noch Finanzierungsfragen abschließend geklärt werden konnten.

Der Ausbaustand beziehungsweise Umsetzungsgrad von bedarfsnotwendigen Kapazitäten im Palliativ- und Hospizbereich ist regional höchst unterschiedlich. Im Bereich der akutstationären Angebote für Erwachsene sind derzeit lediglich etwa 75 Prozent umgesetzt, obwohl in diesem Bereich bereits eine verbindliche Regelfinanzierung nach LKF-Modell existiert. Der Ausbau im mobilen Bereich wird zwar vorangetrieben, letztlich kann derzeit nur durch die massive Unterstützung von Freiwilligen für immerhin zirka 12 Prozent der am Wohnort Versterbenden eine Palliativbetreuung ermöglicht werden.

Auch da ist der Ausbaustand in den Bundesländern sehr unterschiedlich. Die Gesamtkosten für bestehende Einrichtungen für Erwachsene lagen im Jahr 2011 bei insgesamt rund 87 Millionen €. Schätzungsweise werden diese Kosten 2013 bereits bei rund 100 Millionen € liegen, und bei einem Vollausbau aller Segmente bis zum Jahr 2020 gehen wir von mindestens 150 Millionen €, wahrscheinlich sogar von 190 Millionen € aus.

Für die Zielgruppe der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist die Versorgung – im Gegensatz zur Hospiz- und Palliativversorgung für Erwachsene –  erst im Aufbau. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt benötigen, wie schon erwähnt, rund 1 000 Kinder und Jugendliche zwischen 0 und 18 Jahren in Österreich spezialisierte Versorgung.

Die Pflege und Betreuung sterbenskranker Kinder bringt andere beziehungsweise erweiterte Anforderungen als bei den Erwachsenen mit sich. Die reguläre abgestufte Versorgung kann nicht ohne Weiteres auf diese Personengruppe übertragen werden. Auch für diesen Bereich konnte die GÖG in Kooperation mit allen beteiligten und betroffenen Einrichtungen ein Konzept erstellen, welches 2013 publiziert wurde.

Derzeit gibt es pädiatrische Palliativbetten im stationären Bereich lediglich in der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde am Landeskrankenhaus Mödling. In Kärnten wird das Kinderhospiz Sonnenmond geplant; die Station Sonnenschein im LKH Salzburg ist auf Kinderonkologie spezialisiert und zum Teil auch in der Palliativversorgung aktiv.

Weiters stehen österreichweit mobile beziehungsweise ambulante pädiatrische Palliativ- und Hospizangebote – allerdings zum Teil nur für onkologische Erkrankungen – zur Verfügung: in Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg und Wien, sowie weitere ehrenamtliche Hospizteams für Kinder in Vorarlberg, Niederösterreich, Salzburg und Wien.

Entlastungsangebote stehen in Niederösterreich und im Burgenland zur Verfügung, in Wien gibt es die Mobile Kinderkrankenpflege MOKI, wie in allen anderen Bundesländern, die auch sterbenskranke Kinder und Jugendliche betreuen. Neben der palliativen Grundversorgung, die in Krankenhäusern und Spezialambulanzen erfolgt, werden daher folgende spezielle Angebote benötigt: zirka 9 bis 12 mobile Kinderpalliativteams, ebenso viele mobile Kinderhospizteams, stationäre Kinderhospize in zwei bis drei Einrichtungen und pädiatrische Palliativbetten in allen Abteilungen für Kinder- und Jugendheilkunde.

Angaben zu den aktuellen Kosten für die oben erwähnten, erst punktuell bestehenden Unterstützungsangebote in ihrer Gesamtheit liegen derzeit noch nicht vor. Die laufenden Gesamtkosten nach Vollausbau bis zum Jahr 2020 werden aktuellen Schätzungen zufolge in einer Größenordnung von etwa 17,5 Millionen € liegen.

Wir von der Gesundheit Österreich GmbH werden uns auch weiterhin bemühen, einen Beitrag zur gesamthaften Planung und Qualitätsverbesserung im Bereich der Palliativ- und Hospizversorgung zu leisten. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall.)

*****

Dr. Martina Kronberger-Vollnhofer, MSc (Kinderhospiz MOMO): In den letzten Sitzungen haben wir sehr viel über die Wichtigkeit, den Stellenwert und den notwendigen Bedarf von Hospiz- und Palliativversorgung auch bei Kindern und Jugendlichen in Österreich gehört, und es ist ein deutlicher Konsens zu spüren, dass diese Themen jetzt nicht nur wieder einmal aufgezeigt werden sollen, sondern dass ein wirklich großes Interesse besteht, diese auch einer Umsetzung zuzuführen.

Ich darf Ihnen auch versichern, dass sich betroffene Familien, mit denen ich bei meinen Hausbesuchen immer wieder auch über diese Enquete-Kommission spreche, wirklich sehr, sehr ernst genommen und wertgeschätzt fühlen und sich auch sehr viel von den Empfehlungen der Enquete-Kommission für die Zukunft erwarten.

Um jetzt ein sinnvolles und leistbares Paket zu schnüren, darf man sich nicht nur auf emotionaler und menschlicher Ebene im Klaren sein, dass wir das brauchen, sondern es geht immer auch um Zahlen, um Fakten und auch um Ziele, und diesen möchte ich mich gern anhand von vier Fragen, die ich mir gestellt habe, nähern.

Die erste Frage, wir haben sie vorhin schon gehört, lautet: Wie viele Kinder und vor allem welche Kinder brauchen in Österreich eine Palliativversorgung? – Es gibt europäische Standards, die im Jahre 2007 publiziert wurden, diese sind als IMPaCCT-Papier international anerkannt und betreffen Kinder und Jugendliche, die entweder an einer sogenannten lebensverkürzenden Erkrankung leiden, das heißt an Erkrankungen, die ganz sicher zu einem vorzeitigen Tod führen, oder an lebensbedrohlichen Erkrankungen; diese können die Erkrankung überleben, aber die Wahrscheinlichkeit, daran zu sterben, ist durchaus gegeben.

Die Frage, um wie viele Kinder und Familien es sich handelt, ist etwas schwieriger zu beantworten. Wir haben uns in Österreich auf eine Zahl von 1 000 betroffenen Familien in Österreich geeinigt, und die nachfolgenden Zahlen beziehen sich auf diese.

Wenn wir uns an den europäischen Zahlen, die aus Großbritannien und aus Deutschland vorliegen, orientieren, dann müssen wir vermutlich doch mit einer höheren Anzahl rechnen, und vor allem sehen wir auch aus dem Ausland, dass es ein stetiges Steigen der Zahl dieser Kinder aufgrund der Fortschritte der Medizin gibt.

Welche Angebote braucht es, um der Versorgung dieser Kinder gerecht zu werden? – Es braucht eine individuelle, umfassende, ganzheitliche Palliativ- und Hospiz-versorgung: in einem kindgerechten Umfeld an einem selbst gewählten Ort, natürlich in enger Kooperation mit Spezialisten in Krankenhäusern, mit KollegInnen im niedergelassenen Bereich und sozialpädagogischen Einrichtungen.

Da aber – und das ist wirklich etwas ganz Spezielles im Kinder- und Jugendbereich – das ganze Familiensystem betroffen ist, und zwar auf allen vier Ebenen – körperlich, psychisch, sozial und spirituell –, bedarf es auch eines multiprofessionellen Ansatzes für die Betreuung dieser Kinder: das bedeutet qualifizierte, für Kinder ausgebildete Palliativteams bestehend aus ÄrztInnen, Pflegenden, PsychologInnen, TherapeutInnen aller Art, PädagogInnen, der Seelsorge – und nicht zu vergessen, ganz wichtig, dem Ehrenamt. Und diese Betreuung muss ebenfalls entsprechend der nationalen, aber auch internationalen Standards flächendeckend, rund um die Uhr und kostenlos zur Verfügung stehen.

Was gibt es, und wie wird es finanziert? – Da stecken wir leider Gottes in Österreich wirklich noch in den Kinderschuhen und sind sehr weit von einer Umsetzung entfernt. Für mobile Palliativ- und Hospizteams gibt es, wie vorhin schon erwähnt, in nur zwei Bundesländern, nämlich in Niederösterreich und in der Steiermark, eine öffentliche Finanzierung; in allen anderen Bundesländern gibt es diese Angebote entweder gar nicht, oder wenn doch, dann basieren sie auf Initiativen von engagierten Menschen und Trägerorganisationen und sind allesamt rein spendenfinanziert.

Bei den Palliativbetten gibt es für ganz Österreich nur drei definierte Betten im Thermenklinikum Mödling, ebenfalls in Niederösterreich; in acht Bundesländern fehlen diese. Gemäß den Erhebungen des Dachverbandes Hospiz Österreich gibt es kein stationäres Kinderhospiz, es gibt gute Kinderentlastungsangebote, aber auch da zu wenige – und das, obwohl sich die Empfehlungen zum Ausbau und zur finanziellen Unterstützung dieser Teams sowohl in der Pflegefonds-Novelle als auch im Regierungsprogramm finden.

Ich darf aus der Pflegefondsgesetz-Novelle zitieren: „Priorität bei der Umsetzung innovativer Maßnahmen hat weiters die Kinderhospiz- und Kinderpalliativbetreuung. Auch diese Angebote können über den Pflegefonds abgerechnet werden.“

Aktuell wurden beispielsweise die Anträge der beiden Wiener Einrichtungen durch den FSW abgelehnt.

Und im Regierungsprogramm lesen wir: „um das Ziel einer gesicherten Verfügbarkeit von mobiler und stationärer Hospizbetreuung, auch für Kinder, zu erreichen, soll entsprechend der Bedarfserhebung des österreichischen Bundesinstitutes für Gesundheit (…) eine gemeinsame Finanzierung durch Bund, Länder und Sozialversicherungen entwickelt werden“.

Nun zum vierten Punkt: Was sind unsere Ziele? Wo wollen wir hin? – Wenn wir diese Einigung von Bund und Ländern, von Gesundheits- und Pflegefonds und den Sozialversicherungsträgern bezüglich einer Regelfinanzierung schaffen, dann könnten Ziele bezogen auf mobile Palliativ- und Hospizteams erreichbar sein, dass wir in der Zeit von 2016 bis allerspätestens 2020 eine öffentliche Regelfinanzierung ohne Ablaufdatum sowohl der bestehenden Teams, die momentan spendenfinanziert arbeiten müssen, als auch der noch aufzubauenden Teams haben. Dabei müssen wir speziell zugunsten der kleinen Bundesländer und der kleinen Patientenzahl unbedingt auch länderübergreifend denken, auch um Kosten zu sparen.

Palliativbetten soll es in allen Kinderabteilungen geben, ein Ziel wären bis zum Jahre 2016 flächendeckend zumindest in jedem Bundesland insgesamt 20 Betten, langfristiges Ziel wären 40 Betten in ganz Österreich. Es sollte an zwei Standorten ein stationäres Kinderhospiz geben, und ich denke, wenn die öffentliche Finanzierung der laufenden Kosten zugesichert ist, dann könnten wir 2015/2016 den ersten Standort aufbauen. Ich glaube, bis zum Jahre 2020 sollten wir beide Kinderhospize in Betrieb genommen haben.

Zum Schluss kommend: Palliative Care bedeutet die umfassende Versorgung des schwer kranken Kindes und seiner Familie, und ich zitiere eine Mutter, bei der die Extremsituation zum Normalzustand geworden ist: Neben einer hoch qualifizierten und auf Lebensqualität ausgerichteten Versorgung umfasst dies insbesondere, da zu sein, zuzuhören, zu reden und sich Zeit zu nehmen.

Auch das muss bei einer Finanzierung berücksichtigt werden, wenn wir durch die öffentliche Hand finanziert werden, und das muss weiter möglich sein, ohne auf die Uhr zu schauen.

Über die zu erwartenden Kosten wird Johann Baumgartner später noch sprechen, aber man muss sich nicht fürchten, die pädiatrische Palliativversorgung ist keine teure Versorgung, sie nützt Synergien, sie arbeitet vernetzt mit Krankenhäusern und dem niedergelassenen Bereich, und insbesondere die häusliche Palliativ- und Hospizversorgung bedeutet unter anderem eine Reduktion von teuren Krankenhausaufenthalten. Auch die Lebensqualität der gesamten Familie verbessert sich, dies zeigt sich beispielsweise in der Stabilität der psychischen und physischen Gesundheit von Eltern und Geschwistern und hilft somit auch langfristig, Kosten zu sparen.

Würde am Ende des Lebens bedeutet auch, in Würde mit einer schweren Erkrankung zu leben, dazu zählt auch der Zugang zu Palliativ- und Hospizversorgung in all ihren Formen, der so selbstverständlich sein muss wie der Zugang zur Regelversorgung und nicht weiterhin Privatsache sein darf! – Danke vielmals für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall.)

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DGKS Anneliese Gottwald (Diakonie Österreich): Ich bin Anneliese Gottwald, ich habe bei den Johannitern in Wien, die Mitglied der Diakonie Österreich sind, ein mobiles Palliativteam in Niederösterreich aufgebaut, ich war früher im Krankenhaus Göttlicher Heiland, im Hospiz St. Raphael, tätig und beschäftige mich mit Palliative Care und Hospizwesen lebensbegleitend in der Pflege.

Zu den Möglichkeiten des Ausbaus der Hospiz- und Palliativversorgung in Österreich: Die Hospiz- und Palliativversorgung in Österreich ist nicht flächendeckend verfügbar und nicht ausreichend öffentlich finanziert. Das Stufenmodell zu einer Hospiz- und Palliativversorgung in Österreich des ÖBIG aus dem Jahr 2004 ist aber ein gutes Basiskonzept, um in Österreich Menschen jeden Alters, die die Hilfe durch Palliative Care benötigen, diese auch zukommen zu lassen. Man muss das Rad sicher nicht neu erfinden, es gibt viele gute Konzepte, man muss die Umsetzung forcieren – und schon sind wir einen Schritt weiter.

Die Diakonie Österreich fordert daher:

Punkt eins: Rechtsanspruch auf Palliativversorgung, verankert in der Krankenversicherung, finanziert durch die öffentliche Hand. Alle Personen, die eine Hospiz- und Palliativversorgung benötigen, sollen diese auch bekommen. Ein Rechtsanspruch in der Krankenversicherung hält das Recht auf Versorgung fest und bietet damit Kranken und Sterbenden die Sicherheit auf Unterstützung in schwierigen Zeiten; der Faktor Zeit ist in dieser Phase des Lebens ein eminent wichtiger.

Punkt zwei: Klare Zuständigkeiten in der Finanzierung. Gesundheits- und Sozialsektor müssen eine gute Kooperation und Vernetzung zwischen den Sektoren finden; eine Finanzierung aus beiden Ressorts muss möglich sein.

Punkt drei: Integration von Hospiz- und Palliativversorgung in die Langzeitpflege. Eine Verbindung von Palliativversorgung und Langzeitpflege ist aus der Sicht der Praxis unumgänglich. Auch da gibt es bereits gute Konzepte in Österreich, siehe Niederösterreich, wie das flächendeckend gut umgesetzt werden kann.

Auch die Erhöhung der Bettenanzahl in Krankenhäusern, Langzeiteinrichtungen und Hospizen ist erforderlich.

Punkt vier:  Ausbau der mobilen Palliativversorgung. Gemäß dem Grundsatz „ambulant vor stationär“ muss an die flächendeckende Einrichtung von mobilen Palliativteams und Palliativkonsiliardiensten, die als Überleitung vom Krankenhaus nach Hause dienen, gedacht werden. Vor allem der Ausbau der Palliativkonsiliardienste in Wien muss als wirklich wichtig hervorgehoben werden.

Punkt fünf: Hospiz- und Palliativversorgung für Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene und Menschen mit Behinderungen. Da bedarf es ganz spezieller Angebote. Das liegt in guten Händen, wie die Redner vor mir ausgeführt haben.

Punkt sechs: Ausreichende finanzielle Ausstattung für die Organisation und Koordination von Freiwilligennetzwerken wie Hospizteams, die eine Abgeltung der Kosten für Ausbildung und Supervision dringend benötigen.

Punkt sieben: Ausbildung, Weiterbildung, Fortbildung für alle in der Palliative Care tätigen Professionen, für Medizin, Pflege, Sozialarbeit, Psychologie, Seelsorge, müssen nicht nur angeboten, sondern auch in ausreichendem Maße finanziert werden. Es ist unbedingt notwendig, in die Ausbildung in der Pflege, in die Ausbildungsreform, die in den nächsten Jahren kommen soll, Palliative Care einzubinden.

Punkt acht: Aufbau und Ausbau von Ethikberatung in Alten- und Pflegeeinrichtungen und in Organisationen, die chronisch, unheilbar kranke Menschen betreuen. Heute sehen sich viele Menschen vor der Herausforderung, am Ende ihres Lebens über die Durchführung oder den Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen oder über Schmerztherapie mit eventuell lebensverkürzender Wirkung entscheiden zu müssen.

Derartige Entscheidungen setzen medizinisches Wissen, fachliche Expertise und ethische Urteilsfähigkeit voraus. In Akutsituationen ist das sehr oft überfordernd. Ein Instrumentarium, um sich diesen Fragen angemessen stellen zu können, ist frühzeitige interdisziplinäre Ethikberatung in oben genannten Einrichtungen. Auch da sollte ein flächendeckendes Konzept der Ethikberatung und Entwicklung von Organisationsethik in Österreich angedacht werden.

Letzter Punkt: Förderung der Bekanntmachung von Instrumenten zur Unterstützung im Selbstbestimmungsrecht und in der Autonomie des Menschen. Öffentlichkeitsarbeit ist in der Palliative Care unumgänglich; die Finanzierung manchmal sehr schleppend. Der Zugang zur Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung, sowohl die verbindliche als auch beachtliche, und Vorsorgedialog soll mit wenig finanziellem Aufwand für die Betroffenen möglich sein. Und die Beratungsleistung soll für die Experten, die sie leisten, sehr wohl honoriert werden. Eine Erarbeitung von Konzepten betreffend „Palliative Care goes public“ ist auch da wünschenswert.

Die Diakonie Österreich begrüßt die Diskussion um ein würdevolles Sterben und die dazu stattfindende Enquete im Parlament. Die Auseinandersetzung mit Würde, Tod, Selbstbestimmung, Autonomie und Leben am Ende des Lebens in den Expertengremien, in den Medien, somit in der Gesellschaft hilft, das Thema zu enttabuisieren. Dadurch können unsere ethischen Standards in Österreich angehoben werden, und es kann eine palliative Haltung in den Organisationen und in der Gesellschaft entstehen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall.)

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Mag. Alexander Bodmann (Caritas Österreich): Die Zuständigkeiten in der Finanzierung der Hospiz- und Palliativangebote sind derzeit extrem segmentiert, ganz unterschiedlich in jedem einzelnen Bundesland und jedenfalls in keiner Weise abgesichert. Die Hospiz- und Palliativversorgung ist weder im österreichischen Sozialsystem noch im Gesundheitssystem sicher gelandet; sie schwebt noch in der Luft und wartet sozusagen auf eine Landeerlaubnis.

Es ist gut, dass es diese Enquete gibt. Wer, wenn nicht Sie und dieses Hohe Haus, hätte es in der Hand, die „Landeerlaubnis“ zu erteilen, sprich: dieses Problem zu lösen?

Es müssen klare Zuständigkeiten geschaffen werden! Das heißt, wir müssen in unserem Land Klarheit darüber haben, wer für welche Bereiche zuständig ist, wer Verantwortung trägt und wer dann die nötigen Mittel zur Verfügung stellt, damit diese Dienste auf solide finanzielle Beine gestellt werden.

Das Problem oder auch die Herausforderung dabei ist, dass Gesundheit und Soziales gerade in diesem Bereich untrennbar zusammengehören, und das ist eine Herausforderung für die österreichische Realverfassung. Es wäre aber gar nicht so schwer zu lösen, es gibt drei Punkte, und dann hätten wir es schon gelöst.

Erstens: Es muss das Recht auf multiprofessionelle mobile und stationäre Hospiz- und Palliativversorgung für versicherte Personen mit einer nicht heilbaren, vorschreitenden und weit vorgeschrittenen Erkrankung mit begrenzter Lebenserwartung im ASVG verankert werden. Heute ist es so, dass Sozialversicherungsträger nach dem Florianiprinzip handeln, und wenn sie quasi dem stationären Bereich schon ein bissel etwas gegeben haben, dann ziehen sie sich zurück aus dem mobilen Bereich, denn das ist ihres Erachtens dann ohnehin schon im stationären Bereich geregelt.

Das heißt, wenn wir das nicht verankern im ASVG, dass auch die mobile Versorgung ein Rechtsanspruch ist, dann wird es einfach nicht geschehen. Das ASVG hatte bisher die Zielgerade der Heilung, es braucht aber auch die Zielgerade der Palliativversorgung.

Kurz zu den Kosten. Es wird hier immer von Zusatzkosten gesprochen, die durch die Versorgung mit Hospiz- und Palliativdienstleistungen entstehen. Und das stimmt auch, zunächst muss Geld in die Hand genommen werden, aber gleichzeitig, wenn man dieses Thema intelligent und effizient löst, führt das dazu, dass in österreichischen Spitälern Betten nicht mehr falsch belegt werden. Das heißt, wir ersparen uns in der Intensivmedizin letztlich mittel- und langfristig Millionenbeträge, wenn wir dieses Thema insgesamt und im Sinne der Menschen gut lösen.

Es geht also nicht um Lückenschluss, sondern es geht um den Ausbau von mobiler und stationärer Versorgung und dem effizienten Einsatz der Mittel. – Das wäre der erste Punkt.

Der zweite Fokuspunkt betrifft die mobilen ehrenamtlichen Hospizteams, die insbesondere die psychosoziale Begleitung von schwerkranken und sterbenden Menschen sowie ihrer Angehörigen gewährleisten. Nach der gängigen Interpretation des österreichischen Gesundheits- und Sozialwesens sind die Hospizdienste dem Sozialsystem zuzuordnen. Daher muss dort die Finanzierungsfrage systematisch und flächendeckend, das heißt in allen Bundesländern, geklärt werden.

Es war wohl eine gute Idee, in den Pflegefonds auch den Hospizbereich aufzunehmen; bisher scheint allerdings von den Mitteln des Pflegefonds noch nicht allzu viel angekommen zu sein für die Hospizversorgung. Es braucht daher ausschließlich für den Hospizbereich zweckgewidmete Mittel, denn jede/jeder – egal, in welchem Bundesland er/sie beheimatet ist – muss am Ende des Lebens auf gleichwertige und zuverlässige Hospizangebote zurückgreifen können. Und Sie, sehr geehrte Damen und Herren, sollten diese Enquete-Kommission nutzen, um diese Frage bis spätestens zum nächsten Finanzausgleich zu klären.

Drittens: Was wir im Hospiz- und Palliativbereich vermissen – und das könnte die ersten beiden Punkte lösen –, ist eine Gesamtsteuerung und eine Gesamtverantwortung. Es ist gut, dass im Rahmen der Gesundheitsreform Landeszielsteuerungskommissionen und eine Bundeszielsteuerungskommission gegründet worden sind, nur: Das Thema Hospiz und Palliative Care wird in diesen Kommissionen nicht behandelt. Unter Umständen wären diese Kommissionen dafür geeignet, für diese Gesamtsteuerung und diese Gesamtverantwortung einzutreten. Jede andere Systematik bietet sich natürlich auch an.

Jedenfalls sind wir erst am Ziel angelangt, wenn Hospiz und Palliative Care in die gesamte medizinische, pflegerische, psychosoziale und therapeutische Grundversorgung sowie auch in die entsprechenden Ausbildungssysteme integriert ist.

Hospiz und Palliative Care ist mehr als Schmerzbekämpfung – das wissen Sie –, und es darf einfach keine bürokratischen, keine finanziellen Hürden oder Unklarheiten geben.

Der Dachverband Hospiz Österreich sowie die überregionalen Mitglieder Caritas, Österreichisches Rotes Kreuz, Vinzenz Gruppe sowie auch die Österreichische Palliativgesellschaft haben gemeinsam zum Kommuniqué der Enquete-Kommission eine Stellungnahme abgegeben. Beinhaltet in dieser Stellungnahme sind unter anderem eine Finanzierungslösung, wie erläutert, und eben das Ziel der Verankerung dieses Rechtsanspruches auf Betreuung durch Hospiz- und Palliativeinrichtungen für schwer kranke und sterbende Menschen.

Das tatsächliche Problem ist nämlich nach wie vor – das wurde von den Vorrednern sehr gut erläutert –, dass es letztlich einen Mangel an qualitativ hochwertigen Angeboten im Bereich der Palliativ- und Hospizversorgung gibt, und nur mit einem Rechtsanspruch und klaren Statements im ASVG und anderen Gesetzesmaterien wird man zu einem flächendeckenden System kommen.

Sehr geehrte Damen und Herren, zum Schluss möchte ich Ihnen Mut zusprechen. Es ist, wie gesagt, nicht so schwierig zu lösen, Sie brauchen nur an zwei, drei Punkten Änderungen vorzunehmen.

Und ich empfehle Ihnen jetzt kurz vor Weihnachten, noch schnell kalorienreiche Kekse zu backen und die Betroffenen nicht mit ein paar Bröseln nach Hause zu schicken. – Herzlichen Dank. (Beifall.)

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Ing. Otto Knapp, MSc (Volkshilfe Österreich): In meiner Funktion als Geschäftsführer der Volkshilfe Wien mit dem Zuständigkeitsbereich Pflege und Betreuung möchte ich mich zuerst für die Möglichkeit, hier zu sprechen, bedanken. Ich spreche hier nicht nur für die Volkshilfe Wien, sondern auch für die Volkshilfe Österreich.

Zu Ihren Erörterungen zum Thema „Würde am Ende des Lebens“ und zur heutigen Fragestellung der Finanzierung der Hospiz- und Palliativversorgung möchte ich aus der Praxis der Pflege alter Menschen anhand der Erfahrungen der Volkshilfe Wien beitragen.

Die Volkshilfe Wien versorgt jährlich rund 4 000 Wienerinnen und Wiener in mobilen Diensten wie Heimhilfe, Hauskrankenpflege sowie individuelle Betreuung psychisch kranker und dementer Menschen. Sie erbringt circa 1 Million Leistungsstunden pro Jahr, die vom Fonds Soziales Wien finanziert werden. Dabei werden wir auch mit dem Thema Palliativversorgung konfrontiert. Ein mobiles Palliativteam können wir derzeit noch nicht anbieten, aber wir haben ein Konzept erarbeitet und sind bei der Erarbeitung dieses Konzepts auf folgende Fragen gestoßen.

Zuerst die Frage der Rechtssicherheit sowohl für das medizinische Personal als auch für die Angehörigen selbst. Da ist die derzeitige Situation sicher noch ausbaufähig, um da Klarheit zu schaffen. Des Weiteren eine verstärkte Aus- und Weiterbildung für MitarbeiterInnen. Da geht es nicht nur um das Spezialwissen, sondern vor allem auch um eine fundierte Auseinandersetzung mit Fragen der Ethik und deren praktischen Anwendungen im palliativen Bereich.

Bei den ethischen Fragen ist die Selbstbestimmung des Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Durch einen leichteren Zugang zur Patientenverfügung, zur Vorsorgevollmacht wird diese Selbstbestimmtheit sicher unterstützt.

Dann stellt sich auch die Frage von neuen Wegen der Zusammenarbeit. Für Dienstleister wie die Volkshilfe Wien, die ausschließlich mobil tätig ist, ist eine Kooperation mit stationären Hospizeinrichtungen und Palliativeinrichtungen notwendig, um im Bedarfsfall auch rasch darauf zugreifen zu können.

Nicht zuletzt ist die Frage der Finanzierung der Dienstleistung und der Aus- und Weiterbildung in diesem Bereich von wesentlicher Bedeutung. Nur wenn diese Finanzierung österreichweit zufriedenstellend gelöst wird, ist eine flächendeckende Palliativversorgung auf höchstem Niveau möglich. Das haben auch schon meine Vorredner erwähnt.

Unserer Meinung nach ist es wichtig, diese Dienstleistung mit hauptamtlichem Personal sicherzustellen und, wenn möglich, mit Unterstützung von Freiwilligen. Dafür muss aber eine ausreichende Finanzierung langfristig sichergestellt werden.

Die Volkshilfe schließt sich der Stellungnahme des Dachverbandes der österreichischen Hospiz- und Palliativversorgung an. Eine Verankerung eines Rechtsanspruches, die Klärung der Finanzierung sowie die Integration der Hospiz- und Palliativversorgung in die Grundversorgung ist aus unserer Sicht nötig. Jeder schwerkranke, sterbende Mensch sollte auf Wunsch Zugang zu leistbarer professioneller Palliativversorgung haben.

Auch der Ausbau von Unterstützungsangeboten für pflegende und trauernde Angehörigen ist uns ein Anliegen. Der Anspruch auf Hospizkarenz ist bereits geregelt, aber wird derzeit noch selten in Anspruch genommen. Die neuen gesetzlichen Möglichkeiten werden das verbessern, aber möglicherweise ist dieser Anspruch auch durch zusätzliche arbeitsrechtliche Regulierung wie vielleicht flexiblere Arbeitszeitgestaltung, zusätzliche Freizeit in dieser schwierigen Phase zu ergänzen.

Diese Enquete-Kommission hat selbst auf die entsprechende Empfehlung des Europarates aus dem Jahr 1999 verwiesen. In dieser heißt es, dass es der größte Wunsch Sterbender ist, in Frieden und Würde, wenn möglich umgeben von den Angehörigen, gehen zu können. Aus unserer Erfahrung in der Arbeit der Volkshilfe Wien mit alten Menschen möchte ich hinzufügen: wenn möglich im eigenen Zuhause, in der vertrauten Umgebung mit professioneller Begleitung. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall.)

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Dr. Johann Baumgartner (Dachverband Hospiz Österreich): Ich wende mich an Sie als Mediziner, Vertreter von Hospiz Österreich und auch als Koordinator für die Hospiz- und Palliativversorgung in der Steiermark. Ich bin dort in diesem Bereich seit nunmehr 16 Jahren tätig. Ich kenne das Herzblut an der Basis. Ich erkenne das Bemühen in den Verwaltungen, und ich anerkenne auch die viele Arbeit in den politischen Gremien.

Das deklarierte Ziel heißt: Schaffung einer Regelfinanzierung für alle Hospiz- und Palliativeinrichtungen, eben nicht nur für die bereits LKF-finanzierten Palliativbetten. Wir haben diese Regelfinanzierung in den Kompetenzfeldern Gesundheit, Soziales, Sozialversicherungen von Bund und Ländern gesucht – bisher vergeblich. Wenn ich zurückdenke an die sehr hoffnungsfrohen Aktivitäten, darf ich Ihnen einige berichten.

Es gab erfreulicherweise diese Enquete im Jahre 2001 mit diesem schönen Zehn-Punkte-Programm. Es gab die Empfehlung des Europarates, auf die heute noch zurückgekommen wird, wo eindeutig drinnen steht: Etablierung der Palliativmedizin als unverzichtbarer und integraler Teil der Gesundheitsversorgung, die auch in angemessener und ausreichender Weise finanziert werden soll.

Zudem weckten alle Regierungserklärungen seit dem Jahr 2003 Hoffnungen, dass da ein flächendeckender Ausbau zustande kommt. Die 2006 hochqualifiziert besetzte Arbeitsgruppe hat einen wunderbaren Stufenplan für einen Vollausbau bis zum Jahre 2012 erarbeitet.

Es gibt Artikel 15a-Vereinbarungen, in denen sogar seit dem Jahre 2004 regelmäßig von einem prioritären Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung gesprochen wird.

Und zu guter Letzt wurden auch durch die regelmäßigen Aktualisierungen des ÖSG österreichweit Möglichkeiten zum Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung in Aussicht gestellt.

Wirklich beeindruckende Meilensteine trotz der bekannten und nüchternen Fakten des „Fleckerlteppichs“ sowie des Umstandes, dass die LKF-Finanzierung die einzige Regelfinanzierung ist.

Das Ganze zeigt sich auch in der ausgesprochenen Heterogenität in den Bundesländern, im unterschiedlichen Ausbaugrad und – damit verbunden – natürlich in der Ungleichwertigkeit. Nur in wenigen Bundesländern werden die Vorgaben relativ konsequent umgesetzt. Insgesamt besteht Handlungsbedarf. Irgendwie ist mir dabei die Weinbeschaffungsaktion bei der Hochzeit zu Kana eingefallen. Man hätte eigentlich mit einem qualitätsvolleren Wein gerechnet.

Mein Resümee: Der Hospiz- und Palliativbereich braucht verbindliche und überregionale Vereinbarungen, damit österreichweit eine gleichwertige Hospiz- und Palliativversorgung realisiert werden kann.

Nun stelle ich Ihnen einige Kostenaspekte vor, und ich bin davon überzeugt, dass Kosten nicht das Hindernis sind – und auch nicht sein dürfen.

Der österreichweite Vollausbau der Hospiz- und Palliativeinrichtungen für Kinder und Erwachsene inklusive der Länder- und einer Bundes-Koordination bis zum Jahr 2020 würde etwa 210 Millionen € jährlich ausmachen. Wir wissen von der Statistik Austria, dass die Gesundheitsausgaben 2012 etwa 22 Milliarden € betrugen. Das heißt, dass das dann knapp 1 Prozent der öffentlichen Gesundheitsausgaben wären, falls davon ausgegangen wird, dass alles aus dem Gesundheitsbudget bezahlt wird.

Bei einem stufenweisen Ausbau bis zum Jahr 2020 wären – ausgehend von der aktuellen Finanzierung – zirka 17 Millionen € jährlich zusätzlich erforderlich. Wir wissen, dass die Gesundheitsausgaben in Österreich gedeckelt sind und dass die Steigerungsrate jährlich maximal 3,5 Prozent betragen darf. Würde man die 17 Millionen auf die Steigerungsrate umlegen, wären das von dieser Steigerungsrate etwa 2,2 Prozent. Dabei muss man sich auch vor Augen führen, dass – die Schätzungen liegen weit auseinander – ein Gutteil der Gesundheitsausgaben überhaupt bei Menschen in der letzten Lebensphase beziehungsweise im letzten Lebensjahr anfallen.

Zudem muss man – wie schon angesprochen – auch davon ausgehen, dass mit einer guten Hospiz- und Palliativarbeit auch relevante Kostendämpfungs- und Verschiebungseffekte auftreten. Das heißt, dass Palliativmedizin auch einen Teil von Über- und Unterversorgung in der letzten Lebensphase vermindert und ein beträchtliches Substitutionspotenzial hat, das heißt, dass Menschen dadurch tendenziell seltener und kürzer im Krankenhaus und länger zuhause sind.

Anders formuliert: Eine Investition in Hospizarbeit und Palliativmedizin wäre auch ein Beitrag zur Kostendämpfung.

Nun folgen Vorschläge – ich knüpfe dabei an Vorredner an – für den Vollausbau der Hospiz- und Palliativversorgung.

Erstens: Es braucht eine Person oder eine Stelle, die sich darum kümmert, eine sogenannte Koordinationsperson auf Bundesebene. Man sieht, dass die Länder mit einer Koordinationsstelle da deutlich bessere Arbeit machen. Auf Bundesebene muss man diese Koordinationsstelle natürlich auch mit entsprechenden Kompetenzen ausstatten, damit diese Regelfinanzierung und der flächendeckende Ausbau gefördert, aber auch monitorisiert werden können.

Was wären die ersten Aufgaben der Koordinationsstelle? – Diese großen Herausforderungen wurden schon mehrfach angesprochen. Es sind natürlich der Rechtsanspruch, aber auch Zuständigkeiten zu klären. Parallel dazu ist ein überarbeiteter Stufenplan – ausgehend vom vorliegenden – zu erarbeiten.

Als flankierende Maßnahme erachte ich die Einrichtung eines Forums, zum Beispiel im Parlament, als wichtig. In dessen Rahmen würden Vertreter der wesentlichen Akteure jährlich über den Stand der Umsetzung berichten und auch eine notwendige Rückendeckung vom Parlament bekommen.

Es gäbe noch viel zu sagen – vor allem dazu, wie der erste Schritt, die erste Ausbaustufe ausschauen könnte. Dazu gibt es auch ein Handout, das einen sehr detaillierten Vorschlag für einen konkreten Umsetzungsplan aufzeigt.

Zwei Anmerkungen für konkrete Maßnahmen noch in aller Kürze. Am meisten hakt es und der größte Fehlbedarf liegt bei den stationären Hospizen und Palliativkonsiliardiensten. Die Palliativkonsiliardienste könnten relativ gut geregelt und gefördert werden, würde man sie ins Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz verbindlich aufnehmen.

Die typische Mischmaterie zwischen stationären Hospizen, Gesundheit und Sozialem braucht dringend österreichweit verrechenbare Tagessätze, dass auch in den Ländern entsprechende Einrichtungen geschaffen werden.

Zu guter Letzt erlaube ich mir noch eine Anmerkung: Falls es einen Bereich im Gesundheitswesen geben sollte, der über Steuermaßnahmen finanziert werden könnte, dann wäre in diesem Bereich die Erbschaftsteuer dafür prädestiniert.

Im Namen aller Wegbegleiter danke ich Ihnen allen für Ihr offenes Ohr und hoffe auf Ihre Unterstützung, eben Sterbenden und deren Angehörigen die Betreuung, die sie auch brauchen, gleichwertig, leistbar und gerecht zu erhalten. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall.)

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Diskussion

Obfrau Mag. Gertrude Aubauer leitet nun über zur Diskussion und erteilt als erstem Redner Abgeordnetem Mag. Loacker das Wort.

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Was in den vorigen Stellungnahmen aus den Fachorganisationen meines Erachtens gemeinsam hervorgeht, ist die Kritik an der Kompetenzzersplitterung, an der Trennung zwischen Sozialem und Gesundheit und an jener zwischen Bund und Ländern insbesondere. Sektionschef Aigner hat den Föderalismus in seiner Rede relativ positiv gesehen. Das überrascht mich insbesondere aus Sicht des Gesundheitsministeriums. Frau Dr. Kronberger-Vollnhofer hat aber zu Recht länderübergreifende Zusammenarbeit verlangt, Herr Mag. Bodmann auf die Kompetenzzersplitterung verwiesen und Herr Dr. Baumgartner vom „Fleckerlteppich“ und von der „Heterogenität“ in den Bundesländern gesprochen. Das zeigt schon auf, dass wir hier nicht weiterkommen, wenn wir an den zuständigen Ländern und Körperschaften vorbeiarbeiten.

Würden wir nicht wollen, dass von dieser Enquete-Kommission am Schluss nur die Worte und der interessante Diskurs übrig bleiben, und würden wir tatsächlich hin zu einer Regelfinanzierung, die wir auf den Weg bringen, kommen wollen, dann brauchen wir die Vertreterinnen und Vertreter der Länder, die heute eben auch nur zum Teil anwesend sind. Da geht es mir natürlich wie dem Pfarrer in der Kirche: Man schimpft immer mit denjenigen, die da sind. – Bitte nehmen Sie es mir nicht übel! Das ist nicht an Sie gerichtet, sondern an diejenigen, die ausgelassen haben.

Die Mitglieder der Enquete-Kommission haben im Anschluss an die letzte öffentliche Sitzung den Beschluss gefasst, die Bundesländer zur Stellungnahme betreffend den Ausbau und die Weiterentwicklung der Hospiz- und Palliativversorgung einzuladen. Nur sechs von neun Bundesländern haben es überhaupt für notwendig erachtet, dieser Aufforderung zu folgen. Die Antworten gehen vom durchaus detaillierten Auflisten der Aktivitäten und der Möglichkeiten bis zu einem relativ kursorischen: „Ja, wir tun etwas, wir sind dran!“

Darüber dürfen wir nicht hinwegsehen: Es bleibt – Rechnungshofpräsident Dr. Moser hat es am Sonntag in der „Pressestunde“ gesagt – durch diese Kompetenzzersplitterung sehr viel Geld auf der Strecke, das dann nicht bei denjenigen Menschen ankommt, die es ganz dringend brauchen. Es ist kein Platz da und es ist kein Geld da für Machtspielchen im Föderalismuszirkus!

Die Finanzierung erfolgt aus unterschiedlichen Sozial- und Gesundheitstöpfen, aber zu einem Gutteil auch aus Spenden. – Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich sehe das sehr positiv, wenn Menschen eigenes Geld fürs Sozialwesen geben, aber es stimmt bedenklich, würden wichtige Elemente, zum Beispiel Tageshospize, ohne diese Spenden überhaupt nicht zur Verfügung stehen. Das gerät manchmal in Vergessenheit, während wir hier über die öffentlichen Gelder diskutieren. Ohne die zahlreichen Ehrenamtlichen, die in der Hospizarbeit tätig sind, wäre das, was wir heute in der Realität erleben, alles nicht möglich. Diesen Personen gebührt unsere besondere Anerkennung.

Abschließend: Es ist nicht möglich, über die Würde am Ende des Lebens zu sprechen, ohne ernsthaft und zielorientiert an der konkreten Verbesserung der Betreuungsangebote, die den Menschen auf der letzten Etappe seines Lebens begleiten, zu arbeiten. Der Zugang zu diesem Angebot darf nicht davon abhängig sein, ob man gerade zufällig im „richtigen“ Bundesland und in der „richtigen“ Region lebt. Falls wir für Menschenwürde am Ende des Lebens eintreten, bedarf es einer Kraftanstrengung, und da müssen auch die Föderalisten über die eigenen Schatten springen – frei von Ideologie und frei von Entschuldigungen, dem Menschen, seiner Selbstbestimmung und seinen individuellen Wünschen am Ende des Lebens verpflichtet. – Danke schön. (Beifall.)

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Bundesrätin Sonja Ledl-Rossmann (ÖVP, Tirol): Abgesehen von meiner politischen Funktion: Ich bin Diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester und habe über Jahre in der Pflege im Krankenhaus und zuletzt im Pflegeheim – auch als Heimleiterin – sehr viele Menschen begleiten dürfen und dadurch viele Erfahrungen gesammelt. Vor allem eine ist mir sehr wichtig, nämlich: Je besser es gelingt, den Betroffenen und vor allem auch dessen Umfeld, Familie und Angehörige zu begleiten, desto eher ist ein letzter Lebensweg wirklich in Würde möglich. Das ist auch der Grund dafür, dass ich das Thema Hospiz- sowie Palliativbetreuung und -versorgung wirklich aus tiefster Überzeugung heraus vertrete.

Es wurde schon von vielen angesprochen, dass ein gemeinsamer Weg wichtig ist, aber – wie Herr Staudinger im ersten Referat erwähnt hat – man soll auch darauf schauen, was es in manchen Regionen wirklich braucht.

Ich komme aus dem Bundesland Tirol – man hört es –, einem Bundesland, das sich – Gott sei Dank – die letzten Jahre schon genau dieses Thema – mit der Einführung von Pilotprojekten in Bezirken, um zu schauen, was die Menschen da vor Ort brauchen – als Schwerpunkt gesetzt hat. Gerade auch mein Heimatbezirk – ein sehr ländlicher Bezirk – ist einer von jenen. In diesem sehr weit gestreuten Bezirk ist gerade die mobile Palliativ- und Hospizversorgung ein ganz großer und wichtiger Teil.

Nach Pilotphasen besteht immer die Herausforderung, wie man das im ganzen Bundesland umsetzt. Ich bekomme natürlich die Diskussionen rund um die Finanzierung mit, aber es ist auch wichtig, dass man dann diese Schritte im Wissen um eine nachhaltige Finanzierung setzt.

Bei diesem Thema haben wir einen positiven Weg eingeschlagen. Ich hoffe, dass wir auch beim Thema Kinderhospiz noch nachziehen. Ich bin aber auch der Überzeugung, dass man das Rad nicht neu erfinden muss. Ich glaube, dass man den Mut haben muss, über die Landesgrenzen zu schauen, um zu übernehmen, was in anderen Bundesländern schon erfolgreich gelebt wird.

Deswegen ist diese Enquete-Kommission meiner Überzeugung nach ein großer Teil der Bewusstseinsbildung, und zwar auf allen politischen Ebenen, sei es Gemeinde, Land oder Bund, damit alle den gleichen Weg gehen und gleichermaßen der Überzeugung sind, wie wichtig dieses Thema in Zukunft für uns ist. Meiner Auffassung nach wäre es der einzige Schritt, um auch finanziell einen vernünftigen Weg einzuschlagen, würde es von allen Trägern auf allen Ebenen gleich ernsthaft betrieben und mit gleicher Wichtigkeit gesehen.

Es ist für mich aber auch für die Einrichtungen eine Bewusstseinsbildung. Ich glaube, dass alle, die hier gesprochen haben – auch die Expertinnen und Experten –, das als ein ergänzendes Angebot, eine Lücke, die geschlossen werden muss, sehen. Aber im täglichen Leben bekommt man oft einmal mit, dass es leider Gottes von manchen Einrichtungen als Konkurrenz gesehen wird: sei es von mobilen Betreuungen oder stationären. Ich glaube, es ist ein wesentlicher Teil, alle Einrichtungen mit ins Boot zu holen und zu sagen, dass es eine zusätzliche Unterstützung ist, die für die Menschen wirklich wichtig ist.

Der dritte Punkt der Bewusstseinsbildung liegt für mich bei den Betroffenen und den Familien selbst. Da muss man den Weg weitergehen, sodass sie sich auch trauen, Hilfe anzunehmen. Das ist nämlich auch die Basis, um Palliativ- und Hospizbetreuung zu leben. Es hat auch einen Grund, dass es leider Gottes immer wieder zu Situationen kommt – wie sie von Herrn Aigner angesprochen wurden –, in denen Angehörige im letzten Moment den Notarzt rufen; vielleicht nicht deshalb, weil sie sagen, dass sie alles von der Medizin einfordern wollen, sondern für mich ist das oft ein Zeichen der Überforderung, weil sie im letzten Moment nicht mehr wissen, was sie tun sollen. Sie haben Angst, zuschauen zu müssen, ohne dem Menschen aktiv zu helfen.

Das ist meiner Ansicht nach der Schlüssel: Je besser die Palliativ- und Hospizbetreuung funktioniert, je besser man die Menschen daheim begleitet, desto eher ist es möglich, genau solche „Kurzschlussreaktionen“ im letzten Moment zu verhindern, damit der Betreffende nicht doch noch für die letzten 24 Stunden seines Lebens ins Spital gebracht wird.

Ich hoffe, dass wir das Thema auch nach dieser Enquete-Kommission mit der gleichen Wichtigkeit weiterbetreiben. Meiner Überzeugung nach ist das ein wichtiger Schritt für die Menschen in Österreich. Es ist ein wichtiger Schritt für uns alle, denn wir alle wissen nicht, wann uns dieses Thema auch selbst betrifft. – Vielen Dank. (Beifall.)

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Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Diese Enquete-Kommission hat ja das Ziel, zu den genannten Themen unter den Abgeordneten – aber auch insgesamt in der Öffentlichkeit – aufklärend zu wirken, indem wir uns mit den gegebenen Möglichkeiten, der Problemlage und dem möglichen Vorgehen auseinandersetzen. Und genau die Problemlage ist etwas, das wir in Österreich, aber auch in vielen anderen Ländern, so eher nicht in den Vordergrund rücken.

Bei uns gibt es die Selbstverständlichkeit des Unvermeidbaren, nämlich des Sterbens, nicht, sondern das Sterben ist etwas, mit dem wir nicht wirklich gut umgehen können, bei dem man nicht weiß, wie man reagieren soll. Damit kommen natürlich genau solche Fälle, bei denen die Angehörigen letztendlich überfordert sind, nicht wissen, was sie tun sollen, wenn einer ihrer Lieben plötzlich zum Ende des Lebens kommt, immer wieder vor. Wird dann die Rettung angerufen, dann entsteht oft genau die Situation, von der wir eigentlich alle sagen, dass wir sie nicht wollen: dass der Betroffene dann nicht zu Hause in einem Umfeld, das er sich selbst aussucht, stirbt, sondern in einer Krankenanstalt, wie es eigentlich nie geplant war.

Und ich denke, dass wir hier im Rahmen der Enquete-Kommission auch diese Publizität nutzen sollten, um zu zeigen, wie man damit umgehen, was man tun kann und welche Möglichkeiten es gibt – gibt es wirklich nur den Ruf der Rettung? –, und zu erörtern, ob das eine allgemeine Fassungslosigkeit ist und ob man da eine Lösung finden kann. Das ist ganz, ganz wichtig. Wir können sicherlich nur alle gemeinsam schaffen, hier eine entsprechende öffentlichkeitswirksame Information zu liefern.

Folgendes möchte ich jetzt noch, verbunden mit einer entsprechenden Bitte, auch an die Redner der nächsten Runde richten: Ich habe mir seit dem letzten Mal – weil wir uns heute auch mit der Frage, wie finanzieren wir das jetzt überhaupt und was bedeutet eine Finanzierung, auseinandersetzen – die Situation angeschaut, naheliegenderweise in meinem Bundesland, in Wien, und bin draufgekommen, dass es sehr, sehr viele Einrichtungen gibt, die sich mit solchen Themenstellungen auseinandersetzen, dass es nahezu kein Spital gibt, wo es nicht palliativmedizinische Ausbildungen, Spezialisierungen gibt. Nach Studium der Best-Practice-Modelle – oder zumindest jener Modelle, von denen behauptet wird, dass es solche sind – scheint es mir wichtig zu sein, festzustellen, dass wir einerseits Spezialteams brauchen, dass es aber auf der anderen Seite eine Selbstverständlichkeit sein muss, dass in jeder Krankenanstalt, in jeder Pflegeeinrichtung – überall dort, wo Menschen in diese Phase des Sterbens kommen können – eine entsprechende Ausbildung stattfindet und Verständnis dafür vermittelt wird, wie man damit umgeht, und zwar nicht nur beim ärztlichen Personal, sondern auch beim Pflegepersonal, beim nichtärztlichen Personal und auch im gesamten anderen Umfeld – das kann bis zu den Hausarbeitern gehen.

Ich denke, es ist wichtig, dass wir nicht glauben, Palliativmedizin und Sterbebegleitung könne man nur in einzelnen Einrichtungen durchführen. Unsere Aufgabe ist es vielmehr, sicherzustellen, dass – egal, wo auch immer jemand in diese Situation kommt – dort dann entsprechend mit ihm oder mit ihr umgegangen wird und dass wir letztlich auch in den jeweiligen Umfeldern, familiären und Freundesumfeldern aufzeigen, welcher Umgang dann wirklich der für den Betroffenen beste ist, auch der, den er sich möglicherweise mit einer entsprechenden Vollmacht gewünscht hat, und dass wir dies dann auch wirklich umzusetzen, um zu verhindern, dass mögliche Panikattacken, oder was auch immer, eines nicht informierten Umfeldes genau dazu führen, dass das Leben nicht so endet, wie der oder die Betroffene sich das eigentlich vorgestellt hat.

Ich halte es für wichtig, dass wir auch in diesem Bereich zunächst einmal nüchterne Zahlen zusammentragen: Wo gibt es bereits etwas? Wie kann man ein Kompetenzgewirr vielleicht entwirren? Ich glaube, man muss auch berücksichtigen, dass wir hier nicht das gesamte Steuersystem verbessern können, sondern wir brauchen eine rasche Lösung, eine gute Lösung und immer jene Lösung, die im Interesse der Betroffenen ist, und das sind diejenigen, die am Ende des Lebens angekommen sind. – Danke. (Beifall.)

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Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Auch ich versuche, während ich zum dritten Mal hier zuhöre – und Zuhören ist bei diesem Thema extrem wichtig, weil sich so enorm viele Menschen positiv in diesem Bereich einbringen und oft ehrenamtlich, oft unbedankt Leistungen erbringen –, eine Art roten Faden für mich persönlich, aber auch für meine Partei zu gewinnen. Und da fallen mir, weil wir heute vornehmlich über die Finanzen reden, zwei Dinge auf.

Es wird erstens geklagt über die Fragmentierung und zweitens darüber, dass am Ende dann doch keiner zuständig ist. Ein Redner hat gesagt, ein Antrag wurde eingereicht und dann nicht bezahlt, hat also die Anonymität der Ablehnung aufgezeigt. Mir fällt auch auf, dass zum Teil Leute hier nicht anwesend sind, die an der Entscheidung, ob Gelder bezahlt werden oder nicht, oft sehr wohl mitwirken. Das halte ich für einen gewissen Fehler.

Ich glaube, in dieser Diskussion fehlt etwas, nämlich der Hauptwunsch des Patienten. Der ist vielleicht heute nicht so klar herausgekommen. Ich erlebe nach 32 Jahren hausärztlicher Tätigkeit immer, dass der Hauptwunsch des Patienten ist: Herr Doktor, ich möchte zu Hause sterben! – Wir reden immer über Hospiz, ich bin auch ein extremer Verfechter der Hospiz- und Palliativmedizin und ich teile voll deine Meinung, Kollege Jarolim, dass es um allgemeine Bewusstseinsbildung geht, aber auch um Ausbildung und Kompetenz auf allen Levels. Man muss aber die Frage stellen: Wo können wir einen Patienten richtig „zuordnen“?

Am schlechtesten ist es, wenn er im Besenkammerl im Spital stirbt. Das finde ich unwürdig. Ich halte das ganze Thema auch für ein egoistisches Thema, denn ich möchte, dass, wenn ich meinen Willen einmal nicht mehr äußern kann, automatisch das Richtige für mich geschieht – das ist extrem egoistisch. Vor wenigen Monaten haben wir Frau Nationalratspräsidentin Prammer, die verstorben ist, öffentlich verabschiedet, und hinsichtlich ihrer Krankengeschichte wurde öffentlich gesagt, in den letzten Tagen wünschte sie sich, zu Hause zu sein. Das ist genau jener Wunsch, den ich auch immer erlebe. Und dieser Wunsch kann nur erfüllt werden, wenn verschiedene Rahmenbedingungen stimmen.

Wir haben diesbezüglich zunächst einmal das Problem, dass 40 Prozent bis 50 Prozent der Älteren – um diese handelt es sich meistens – keine Angehörigen haben. Wie gehen wir mit denen um?

Zweitens: Was machen wir mit den Problemen, die entstehen, wenn jemand zu Hause sein will und Angehörige hat – wer betreut die Angehörigen? Das können nicht immer hunderttausend verschiedene Dienste sein. Wer hilft, wenn Atemnot eintritt? Wer hilft, wenn die sogenannte Panikattacke kommt, dass Schmerzen auftreten, dass der Patient verwirrt ist et cetera? – Ich glaube, das ist eine extreme Teamarbeit, die aber im Wesentlichen am Hausarzt liegt.

Denn: Wohin wenden sich die Patienten? – An denjenigen, den sie seit ewigen Zeiten kennen. Das bin für meine Patienten ich. Das mache ich gerne. Ich brauche dafür Kompetenz, ich brauche dafür aber auch die Möglichkeit, zu helfen. Ich muss ständig lesen, dass die Schmerzgesellschaften sagen, dass schnell wirksame Schmerzmittel von der Kassa nicht bezahlt werden, weil sie 200 € kosten – ich habe gestern genau nachgesehen –, und die anderen, bis zu deren Wirkung es eben länger, 30 bis 40 Minuten dauert, eben um ein Viertel oder um 75 Prozent billiger sind. Das sind Dinge, die meiner Ansicht nach dem Patienten nicht zumutbar sind, dass man sagt, weil das teuer ist, zahlen wir es nicht. Das wird zwar ständig kritisiert, aber es ändert sich nichts.

Ich habe unlängst einen Brief von einem niederösterreichischen Ehepaar bekommen, die sagen: Herr Doktor, wir können nicht mehr! – Es stellte sich heraus, dass sie ständig einen Antrag stellen müssen für irgendwelche Hilfsmittel, diesen nach St. Pölten schicken müssen, dort wird es bewilligt, die Bewilligung kommt retour, und das spielt sich jede Woche ab. Auf meine Intervention wurde mir vom Generaldirektor ein langer Brief geschickt, worin er sagt: Alles in Ordnung, die Bewilligung wird ab jetzt jeweils für einen Monatsbedarf erteilt! – Es darf doch bitte nicht der Intervention eines Abgeordneten bedürfen, dass man praktischen Hausverstand walten lässt – denn letzten Endes wird es ja ohnehin bewilligt!

Diese Bewilligungsbürokratie ist wirklich schädlich, und ich würde mir wünschen, wenn der Dr. Rasinger Probleme hat mit Bewilligungen für seinen Patienten, dass ich jemanden bei der Gebietskrankenkasse – sagen wir, Herrn Huber – anrufe und sage: Herr Huber, gehen wir gemeinsam zu diesem Patienten und schauen Sie sich bitte an, was dieser braucht – von Astronautenkost bis hin zu Windeln und Lätzchen und so weiter!, und dass die Krankenkasse von sich aus aktiv da hineingeht. Gerade diese Bürokratie, gerade diese oft unsinnige Verweigerungshaltung führt nämlich dazu, dass alle dann sagen: Nein, das tue ich mir nicht an!, und auf geheimnisvolle Art und Weise landet dann der Patient im Spital, wo er 1 100 € pro Tag kostet und eigentlich gar nicht hin will. – Danke. (Beifall.)

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Abgeordnete Dr. Eva Mückstein (Grüne): Es gibt viele Menschen in diesem Land, Expertinnen und Experten, die mit Herzblut und einem ganz großen Engagement in diesem Bereich arbeiten und die auch sehr kompetent sind, sehr viel Fachexpertise in diesen Bereich gesteckt haben und ein gutes, kompetentes Versorgungsnetz aufgebaut haben. Wir brauchen aber auch eine Regelfinanzierung, und wir müssen gewährleisten, dass Menschen am Ende ihres Lebens flächendeckend ohne finanzielle Hürden und in einer gerechten Art und Weise diese Leistungen in Anspruch nehmen können.

Ich schließe mich ganz Herrn Bodmann an, der das sehr schön zusammengefasst hat: Wir brauchen ein Recht, also einen Rechtsanspruch, auf mobile und stationäre Versorgung – dieses Recht muss im ASVG verankert sein –, und wir brauchen flächendeckende Finanzierung auch von ehrenamtlichen Hospizteams, die multidisziplinär zusammengesetzt sind und vor allem auch die psychosoziale Versorgung und Betreuung der sterbenden Menschen übernehmen können.

Mein Kollege Gerald Loacker hat gesagt – und wir betonen das im Parlament immer wieder –: Es gibt ein Grundproblem, nämlich diese Fragmentierung des Versorgungssystems. Bund, Länder und Sozialversicherung spielen je nach Bedarf den Ball hin und her. Die linke Hand weiß oft nicht, was die rechte macht. Wir brauchen eine zentrale Koordinationsstelle, und wir müssen auch dafür sorgen, dass die Finanzierung aus einem Topf erfolgt, also Gesundheits- und Sozialsystem, Gesundheits- und Sozialtöpfe müssen zusammenkommen.

Die Conclusio zum jetzigen Zeitpunkt: Mir ist zu wenig, was die Regierungsparteien signalisieren. Es genügt mir nicht, von Bewusstseinsbildung und Weiterarbeiten, vom Zusammentragen von Zahlen, Einrichten von Arbeitsgruppen und so weiter zu sprechen. Ich denke, wir sind jetzt an einem Punkt angelangt, an dem die Wertschätzung gegenüber den Menschen, die es brauchen, aber auch den Expertinnen und Experten gegenüber, die uns hier ihre Expertise zur Verfügung gestellt haben, erfordert, die ersten ganz konkreten Umsetzungsschritte in die Wege zu leiten, und diesbezüglich würde ich mir verbindliche Zusagen von den Regierungsparteien wünschen. – Danke. (Beifall.)

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Erich Borovnyak, MBA, MA (Leiter Caritas Hospiz): Dass verzweifelte und überlastete Angehörige in den letzten Lebenstagen den Notarzt rufen und es damit in der Regel unweigerlich zu einer Krankenhauseinweisung kommt, liegt unter anderem daran, dass es noch zu wenig mobile Palliativ- und Hospizteams gibt, und wenn es die gibt, dann in den seltensten Fällen mit einer 24-Stunden-Rufbereitschaft. Erst dann ist es auch an den Wochenenden, auch in der Nacht möglich, dass die Familien durch eine kompetente Unterstützung so gestärkt werden, dass die Situation zu Hause noch bewältigbar ist.

Ich vertrete sieben mobile Palliativteams, 13 mobile Hospizteams und ein Tageshospiz der Caritas in Wien und in Niederösterreich. Unsere mobilen Palliativteams sind zu einem guten Teil öffentlich finanziert. Zirka 25 Prozent der Kosten müssen in Wien derzeit aber über Spenden aufgebracht werden. Bei den Hospizteams müssen wir zwischen 25 Prozent und 100 Prozent der Kosten über Spenden finanzieren, je nachdem, in welchem Bundesland diese tätig sind. Auch das Tageshospiz in Wien ist ausschließlich über Spenden finanziert; es gibt keine öffentliche Unterstützung.

Wenn ich die letzten sieben Jahre meiner Tätigkeit Revue passieren lasse, dann darf ich sagen, dass wir sehr viel Lob erhalten, sehr viel Dankbarkeit erfahren und Zuspruch bekommen: von den Betroffenen, deren Angehörigen, aber auch aus dem Umfeld der Krankenhäuser oder Pflegeeinrichtungen. Das treibt uns an, das gibt uns Kraft und bestätigt meine persönliche Überzeugung, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Auch im Kontakt mit öffentlichen Stellen oder auch der Sozialversicherung erhalten wir Zuspruch.

Die Aussagen, die ich am öftesten gehört habe, lauten: Es ist großartig, dass es Ihren Dienst gibt! Es ist wirklich toll, was Sie da machen! Danke für Ihre Arbeit, danke für Ihr Engagement und das Engagement Ihres Teams! Ich würde Sie gern unterstützen! Dann kommt allerdings der bittere Zusatz: Aber wir sind leider nicht zuständig! Wenn ich dann etwas verzweifelt in das Gesicht meiner Gesprächspartnerin/meines Gesprächspartners blicke, dann erhalte ich ganz ausführliche Erklärungen und Erläuterungen, warum das leider so ist.

Meine Gegenüber meinen das immer sehr ehrlich, sehr besorgt und oft auch selbst ohnmächtig. Daher mein Appell an Sie, sehr geehrte Abgeordnete: Wenn Sie, wie ich hoffe, nach Abschluss dieser Enquete-Kommission den Auftrag zur Umsetzung eines Stufenplans zum vollen Ausbau der Hospiz- und Palliative-Care-Versorgung formulieren, bedenken Sie dabei bitte die konkrete Zuständigkeit und Verantwortung, damit wir danach wissen, an wen wir uns wenden können.

Bitte fordern Sie auch Berichte über den Fortschritt des Ausbaus, damit Sie nachsteuern können, wenn der Ausbau zu zögerlich erfolgt. – Danke schön. (Beifall.)

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MMag. Christoph Eisl (Geschäftsführer der Hospiz-Bewegung Salzburg): Die Subvention ist eine freiwillige Leistung! Forderungen sind unangebracht! Es ist kein Geld da! – Dies sind Sätze, die ich im heurigen Jahr gehört habe, und zwar immer dann, wenn es um zusätzliches Geld geht, das die Abdeckung des wachsenden Bedarfs und die geforderte Qualität sicherstellen soll. Wir sind immer wieder zu Bittstellern degradiert, einmal im Jahr, wenn es um Zuschussansuchen geht. Sätze, die wir hören, sind: Für Gesundheit sind wir nicht zuständig, das ist Sache des Landes! Solange die Sozialversicherung ihre Verantwortung übernimmt, zahlen wir nichts mehr! Dafür sind wir nicht zuständig; soziales gehört ja zu den Gemeinden und zum anderen Ressort!

Ich möchte jedoch meinen Ausführungen voranstellen: Grundsätzlich erfahren wir viel Wohlwollen unserer Arbeit gegenüber. Es wurde schon einiges getan, und wir gehören zu den glücklichen Bundesländern, wo sogar Tageshospiz öffentlich subventioniert wird, wenn auch noch in einem vielleicht zu bescheidenen Maße. Trotz dieser Unterstützung sind wir immer wieder damit konfrontiert, von einer Zuständigkeit zur anderen komplimentiert zu werden.

Beim Tageshospiz, für das ich hier in besonderer Weise spreche, wird dies besonders deutlich: Für den Sozialbereich zu viel Gesundheit, für den Gesundheitsbereich zu viel Soziales – zwischen den Stühlen also. Als teilstationäres Angebot ist das Tageshospiz mit viel Unkenntnis konfrontiert: Was wird da überhaupt geleistet? Die Kosten pro Patiententag sind zu hoch!

Im Hinblick auf vorausschauende Planung relativiert sich das schnell. Ein Tag steht oft für eine ganze Woche. Ein Tag im Hospiz gewährleistet oft Schmerzfreiheit für eine Woche und ermöglicht oft den Verbleib in der vertrauten Umgebung.

Es dient der Lebensverschönerung, wie eine Patientin von uns gesagt hat, unterstützt und entlastet Angehörige, vermeidet unnötige Krankenhaustage und erspart wohl auf der anderen Seite einiges an Kosten. Nur ist unser System so aufgebaut, dass man immer wieder das Gefühl hat, der Kuchen ist bereits verteilt, und es ist immer schwierig, am Kuchenstück des anderen mitnaschen zu müssen, vielleicht die Krumen zu bekommen oder sonst etwas.

Nicht zu schweigen ist von der ehrenamtlichen Begleitung, die in diesem Kontext eine große Bedeutung spielt und einen großen Teil der zwischenmenschlichen Begegnung darstellt.

Unsere Erwartung an die Politik, an Sie, werte Abgeordnete, ist, dass die Finanzierung zwischen Sozialem, Gesundheit und Sozialversicherungsträgern integrativ gesehen werden muss. Es muss ohne finanzielle oder bürokratische Zugangshürden möglich sein, dieses Angebot – wo auch immer in Österreich – in Anspruch nehmen zu können.

Wir wissen, es gibt vier Tageshospize. Wenn man aber genauer hinschaut, dann kommen wir beim Versorgungsgrad bei den Öffnungstagen und bei den Patientenplätzen sicher unter 25 Prozent; es ist also im Tageshospizbereich einiges zu tun.

Ich möchte noch eine Bemerkung hinzufügen: Wir arbeiten im Hospiz- und Palliativbereich präventiv. Wenn wir die gesundheitlichen Spätfolgen von nicht gelebter und unbewältigter Trauer ernst nehmen, kommt dem begleitenden Abschiednehmen, das durch Hospiz und Palliative Care angeboten wird, große Bedeutung zu.

Hospiz und Palliative Care arbeiten auch präventiv, was gesellschaftliche Entwicklungen anbelangt. Wenn wir die mediale Berichterstattung hören, in der Alter und Krankheit nur als Belastungsfaktoren dargestellt werden, wenn in einigen Kinofilmen assistierter Suizid oder „Tötung auf Verlangen“ als letzter Ausweg dargestellt wird, braucht es starke Gegenentwürfe, positive Erfahrungen gegen ein „sozial verträgliches“ Frühableben.

Dazu ist es erforderlich, vorausschauend zu planen, Bewusstsein zu bilden, das Thema rechtzeitig zur Sprache zu bringen. Die Frage ist dann weniger: Was kostet das Sterben?, die Frage muss lauten: Was ist uns als Gesellschaft ein menschenwürdiges Leben bis zuletzt wert?, auch für uns selbst und unsere Zukunft.

Der große Anteil durch Spendenfinanzierung macht es eigentlich deutlich: Es ist uns viel wert, und müsste auch der öffentlichen Hand in Zukunft noch etwas mehr wert sein. – Danke sehr. (Beifall.)

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Mag. Werner Mühlböck, MBA (Tiroler Hospiz-Gemeinschaft): Ich bin seit mehr als acht Jahren im Bereich Hospiz und Palliativ Care tätig und zutiefst davon überzeugt, dass derartige Einrichtungen eine Art Lichttherapie für unsere Gesellschaft darstellen. Es ist eine Art Gegenbewegung für manche Entwicklungen, die sich in unserer Gesellschaft abzeichnen. Ich glaube, das müssen wir auch erhalten.

Das hängt damit zusammen, dass wir uns zum Beispiel nicht auf der Basis von Hightech weiterentwickeln, sondern unsere Basis ist „Hightouch“. Es geht da um menschliche Zuwendung, es geht darum, Zeit zu haben – und damit komme ich zum eigentlichen Anliegen meines Statements.

Ich sehe die Gefahr, dass Qualitätskriterien, die es für Hospiz und Palliative-Care-Einrichtungen gibt, manchmal durch eine Billigvariante ersetzt haben will, dass man glaubt, Palliativ-Stationen durch Palliativ-Betten in Palliativ-Einheiten zu ersetzen, dass man glaubt, nicht die notwendige Zeit zur Verfügung stellen zu müssen, indem man zum Beispiel die vorgeschriebenen Vollzeitäquivalente nicht einhält.

Es geht in diesem Bereich um Zeit, und mein Appell geht in die Richtung, dass man diese Zeit auch zur Verfügung stellt und in Zukunft – vielleicht als Resultat dieser Enquete-Kommission – nicht Billigvarianten derartiger Einrichtungen errichtet. Ich hoffe sehr, dass Neues entsteht nach dieser Enquete-Kommission, und mir ist es wichtig, dass es kein Hospiz und keine Palliative Care „light“ gibt, sondern mir ist es wichtig, dass dort, wo Hospiz und Palliative Care draufsteht, Hospiz und Palliative Care auch drinnen sein müssen. Dafür plädiere ich vor allem im Hinblick auf Zeit. – Danke. (Beifall.)

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Univ.-Lektor OA Dr. Michael Peintinger (Institut für Medizinethik und Ethik im Gesundheitswesen): Danke für die Möglichkeit, hier ein paar Worte sagen zu dürfen, und nur um die Windrichtung zu kennen: Ich bin aus dem Krankenhaus, in dem es das erste stationäre Hospiz gab und betreibe neben der Lehre der Medizinethik auch seit 20 Jahren dort die Ethikberatung.

Ich möchte den Gedanken des Herrn Abgeordneten Jarolim aufgreifen, weil ich mir gedacht habe, beim Ausbau von Hospiz- und Palliativversorgung geht es neben strukturellen, ökonomischen und finanziellen Aspekten doch auch sehr wohl, so wie Sie es gesagt haben, um die mentale Entwicklung in unserer Gesellschaft bezüglich dieser Thematik, damit eben gerade nicht das, was auch Herr Sektionschef Aigner gesagt hat, passiert, nämlich dass alle Menschen erst ab dem Augenblick daran zu denken beginnen, wo Gefahr im Verzug ist, wo es Angst gibt, wo Verlustängste drohen und dergleichen mehr.

Das heißt, es bedarf einer Hospiz- und Palliativ-Gedankenentwicklung und ‑strukturierung in unserer Gesellschaft, sodass die Menschen abseits aller Tabus nicht nur an die Forderungen denken, an die Lücken, die bestehen und die hoffentlich bald geschlossen werden, sondern letzten Endes auch einen gesellschaftspolitischen Beitrag für die Weiterentwicklung der Hospiz- und Palliativversorgung leisten können, nämlich einerseits getragen von der Gesellschaft bis hin zu den ehrenamtlichen Mitarbeitern, die heute schon mehrmals erwähnt wurden, aber andererseits auch mit der persönlichen Befassung mit dieser Thematik.

Wann sollte man sich damit beschäftigen? – Natürlich so früh wie möglich! Sie wissen vielleicht, dass in der HLS-EU-Studie 2009 bis 2012 gesagt wurde, eine Verbesserung der persönlichen Gesundheitskompetenz würde unter anderem auch in einem Schulfach „Gesundheit“ münden. – Ich darf Ihnen hier nur ein kleines Beispiel präsentieren.

Seit 2008 versuche ich, einen fächerübergreifenden Unterricht der 7. und 8. Klassen der Mittelschulen in Gang zu setzen, jeweils als Antrag beim Bundesministerium, in dem sich die Fächer Religion, Ethik, Biologie, Deutsch, Philosophie, Psychologie – je nachdem, welche Fächer gelehrt werden – in diesem fächerübergreifenden Projekt der Thematik, dieser medizinethischen Thematik und Problematik des Lebensendes am Anknüpfungspunkt Patientenverfügung beschäftigen sollen. Ich bekam – ich zitiere das – folgende Ablehnung: 

Die Notwendigkeit einer Befassung steht infrage, da es Schülerinnen und Schüler sehr intensiv und konkret zwingt, sich mit der Möglichkeit des eigenen Todes auseinanderzusetzen.

Mit diesen Worten wurde es jeweils abgelehnt – und das angesichts dessen, wie viele mentale Todesfälle die Jugendlichen in den Medien sehen.

Noch spannender ist aber das Ergebnis einer Studie – ich weiß nicht, ob Sie sie kennen –, die gezeigt hat, wie sehr sich jetzt junge Menschen der Fragilität der Alten deshalb bewusst werden, weil sehr viele dieser junge Menschen von den Großeltern betreut wurden und sie diese Hinfälligkeit der Großeltern wesentlich deutlicher wahrnehmen und wesentlich konkreter merken als die allgemeine Hinfälligkeit des alten Menschen. – Diesbezüglich hoffe ich auf Ihre politische Hilfe, dass wir das doch einmal ins Bewusstsein bringen.

Zweiter Ansatzpunkt betreffend das, was sich im Alltag, in der konkreten Ethikberatung herausgestellt hat – weil auch die Vorsorgevollmacht immer wieder angesprochen wurde –: Menschen, die bei „blauem Himmel“ die Vorsorgevollmacht für Angehörige gerne übernehmen, haben dann in der konkreten Ethikberatung sehr oft das Problem, dass sie jetzt auf einmal diese Last spüren.

 Daher von meiner Seite der Appell, in der Vorsorgevollmacht unter dem Buchstaben „F“ nicht nur die medizinischen Belange geklärt zu haben, sondern das mit einer Beachtlichen Patientenverfügung zu kombinieren, weil dann der betreffende Angehörige – mit dem Arzt zusammen – eher der Interpret dieses Willens ist und damit die Last geringer wird. Wir haben das im Alltag in unserem Krankenhaus sehr empfohlen, und das scheint auch zu funktionieren. Und das Dritte, es wurde Gott sei Dank heute schon angesprochen: Ich kann nur sagen, der Gedanke des Palliativwesens hat in unserem Haus nicht nur wegen der stationären Hospiz begonnen, sondern vor allem, weil sehr viele Kolleginnen und Kollegen im Rahmen der Ethikberatung gemeinsam diese Gedanken weiterentwickelt haben.

Daher bin ich der Meinung, es ist dringend notwendig, dass wir in unseren Krankenhäusern qualitätsvolle Ethikberatung haben. – Danke vielmals. (Beifall.)

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Elisabeth Durec, MSc (MTD-Austria): Ich bin in Vertretung von Frau Gabriele Jaksch, der Vorsitzenden und Präsidentin von MTD-Austria, heute hier der Einladung gefolgt und möchte vor allem die Gelegenheit wahrnehmen, mich im Namen der sieben gehobenen medizinisch-technischen Berufsvertretungseinrichtungen für die Einladung zu bedanken. MTD-Austria vertritt die biomedizinische Analytik, die Diätologie, die Ergotherapie, die Logopädie, die Physiotherapie, die Orthoptik und die Radiotechnologie. Vor allem die therapeutischen Berufe sind prädestiniert dafür, in den Bereichen Palliative Care und Hospizwesen einen wesentlichen Beitrag zu leisten.

Ich appelliere auch an die Vorredner, uns als Gesprächspartner vermehrt wahrzunehmen. Wir verfügen über organisatorische und über wissenschaftliche Möglichkeiten, etwas zu Palliative Care und Hospizwesen beizutragen.

Ich persönlich bin Physiotherapeutin und habe langjährige Erfahrung in der Versorgung von Patienten vor Ort zu Hause, und ich sehe unsere Möglichkeiten bei Weitem nicht ausgeschöpft, um auch in der Patientenerziehung, in der Kommunikation, in der interdisziplinären Kommunikation eine wichtige Rolle zu übernehmen.

Das Problem, das wir in unseren Berufsgruppen auf alle Fälle haben, ist auch wieder die Regelfinanzierung und vor allem die Tatsache, dass Ressourcen, die wir haben, nicht angefragt werden. Was die Finanzierungssicherheiten angeht, muss auch für die Berufsangehörigen, die sich ausbilden lassen, die Zusatzausbildungen machen, die multidisziplinäre akademische Grade erwerben, finanzielle Sicherheit gegeben sein.

An den Fachhochschulen haben wir in der Grundausbildung der Physiotherapie mittlerweile Palliative Care und Hospizwesen als wichtige Ausbildungsmuster etabliert. Bei uns, den Physiotherapeuten, gibt es auch eine Fachgruppe, die angefragt werden kann.

In diesem Zusammenhang appelliere ich wieder an die anderen Player, die in den Stufenplänen mobile und stationäre Einrichtungen entwickeln wollen, auch über MTD-Austria und über die Berufsverbände der therapeutischen und diagnostischen Berufe in Österreich neue Ressourcen zu generieren. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall.)

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Mag. Franz Karl (Vizepräsident Österreichischer Seniorenrat): Ich darf mich als Erstes, Frau Vorsitzende, dafür bedanken, dass ich vom Sitzplatz aus sprechen darf. Sie haben es damit einem behinderten Menschen erleichtert, seine Wortmeldung abzugeben, denn ich hätte allein 10 Minuten gebraucht, um zum Rednerpult hinunterzukommen. – Vielen Dank.

Ich habe schon in der letzten Sitzung verlangt, dass Hospiz- und Palliativmedizin eine Krankenkassenleistung werden.

Das würde natürlich auch gewisse Schwierigkeiten zwischen Bund und Ländern ergeben, aber der Seniorenbund hat vor kurzer Zeit auch vorgeschlagen, eine sogenannte Bundeszielsteuerungskommission und Landeszielsteuerungskommissionen einzusetzen, was dieses Problem vielleicht ein bisschen erleichtern würde, oder vielleicht könnte man hier eine Einigung finden.

Mein besonderer Dank gilt meinem Freund Erwin Rasinger. Das, was er gesagt hat, war genau auf den Punkt getroffen: Zu Hause sterben, das ist das, was, glaube ich, die meisten Menschen möchten. Ich würde gar nicht so weit gehen. Wahrscheinlich wird das ein Stufenprozess sein. Ich denke mir, dass das Sterben in Krankenhäusern und auch in Pflegeheimen wahrscheinlich – unter Anführungszeichen – „billiger“ ist als das Sterben zu Hause. Vielleicht kann man eine Zwischenlösung wie bei der Physiotherapie oder bei der Psychotherapie finden, nämlich dass ein Teil des finanziellen Beitrages selbst bezahlt werden muss und einen anderen Teil die Krankenkasse bezahlt.

Besonders rasch, meine Damen und Herren, muss etwas für die Kinder geschehen. Ich glaube, als ein Vater, der vor 37 Jahren seinen vierjährigen Sohn verloren hat, habe ich auch hier eine Legitimation, das zu verlangen: Das muss rasch geschehen!

Ein Satz zur vorherigen Wortmeldung: Ich finde es eine Schande, dass das Unterrichtsministerium so eine Antwort gibt! Das ist unmöglich, meine Damen und Herren! – Ich kann nur hoffen, dass es viele Lehrerinnen und Lehrer gibt, die von sich aus auch solche Dinge, ohne nach „oben“ zu fragen, durchführen.

Vorletzter Satz: Heutiger „Standard“: Patientenverfügung, Wissenslücken bei Ärzten. Das zeigt, dass es ganz wichtig ist, die Information und die Werbung in dieser Frage zu verstärken. – Wenn ich die Zeitungen aufschlage und seitenweise die politische Werbung sehe, dann frage ich mich aber, warum für diese Werbung kein Geld da ist.

Allerletzter Satz: Es wurde gesagt, 210 Millionen € würde eine Vollversorgung bis zum Jahre 2020 kosten. – Meine Damen und Herren, wenn es nicht gelingt, das durchzuziehen, dann müssen wir uns alle schämen!

Bitte, meine Damen und Herren Abgeordneten, schauen Sie, dass das möglich wird! (Beifall.)

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Paul Mensdorff-Pouilly (Kinder-Krebs-Hilfe Elterninitiative): Als Mitglied des Vorstandes der Kinder-Krebs-Hilfe Elterninitiative in Wien möchte ich heute kurz über ein sehr, sehr erfolgreiches Projekt berichten: die externe onkologische Betreuung – der Externe Onkologischer Pflegedienst, EOP genannt –, die heuer bereits das 20-jährige Jubiläum feiert.

Die Mitglieder und Mitarbeiter dieser EOP-Abteilungen sind fixe Teammitglieder der Pflegeabteilungen der onkologischen Abteilung im St. Anna Kinderspital und im AKH Wien. Sie sind intramural fest eingebunden und verfügen über eine langjährige onkologische und auch über eine palliative Ausbildung. Den meisten immunsupprimierten Kindern wird dadurch der mühsame Weg ins Krankenhaus zur Untersuchung erspart, und für palliative Kinder wird der begleitende Weg deutlich erleichtert.

Das Einsatzgebiet des EOP ist Wien, Niederösterreich und Burgenland für Patienten und Patientinnen aus zwei Krankenhäusern, und ich möchte Ihnen nicht sagen, was das an Komplikationen für die Kinder-Krebs-Hilfe bedeutet. Die Initiative der externen onkologischen Betreuung haben vor 20 Jahren selbst betroffene Eltern ins Leben gerufen und sie durch Finanzierung sichergestellt. Sie wollten damals – ein Vater hat mir das erzählt – ein sterbendes Kind die letzten Wochen und Tage nicht in der anonymen Spitalsumgebung verbringen lassen, sondern ihm den Wunsch erfüllen, zu Hause zu sterben.

Ich persönlich bin sehr beeindruckt von dem Engagement dieser vielen Väter und Mütter. Die haben nicht gewartet, sondern sie haben gehandelt. Sie sind in Vorleistung gegangen, und das mit sehr großem unentgeltlichen Einsatz.

Seit dieser Zeit sind von den EOP über 23 000 Besuche durchgeführt worden. 3 000 Kinder sind betreut worden, und davon konnte bei 400 palliativ betreuten Kinder zeitweise die Betreuung sehr erleichtert werden. 1,7 Millionen Kilometer sind zurückgelegt worden und beachtliche 8,5 Millionen € wurden seither für EOP als Spenden aufgebracht. Das Land Niederösterreich und das Land Burgenland haben in den letzten Jahren begonnen, dieses Projekt zu unterstützen. Der Umfang beträgt zirka 12 Prozent der Kosten.

Man könnte jetzt meinen, die extramurale Betreuung wird mit großer Freude aufgenommen. Das ist nicht so, und das ist das große Problem. Wir haben auch mit sehr großen Widerständen zu kämpfen, speziell was die Verwaltung und die Finanzierungsstruktur betrifft. Das ist, wie gesagt, ein wirkliches Problem.

Ich selber habe mit meiner Frau das Projekt „Familien-Lotse“ ins Leben gerufen, wo wir im extramuralen Bereich zusätzliche psychosoziale Betreuung anbieten, und wir haben selbst gesehen, wie kompliziert das ist, obwohl wir die Spendengelder zu 100 Prozent selbst aufbringen.

Für Betroffene ist das nicht nachvollziehbar. Ich denke da an eine Mutter, die eine 19-jährige Tochter hatte, die palliativ betreut werden konnte und die für die Schmerztherapie 40 km mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus fahren musste. Leider konnten wir die EOP-Dienstleistung nur begrenzt beziehungsweise eingeschränkt zur Verfügung stellen. Diese Mutter hat es nicht verstanden, warum das so ist, und wir haben es auch nicht verstanden.

Ich bitte daher dringend, dieses Konzept neu zu überdenken: dass der intramurale Bereich, der extramurale Bereich und der niedergelassene Bereich mehr zusammenarbeiten und dass wir eine neue Kultur schaffen!

Meiner Überzeugung nach ist es wichtig, dass wir alle ins Boot holen, eine Willenskultur schaffen, eine Bewusstseinskultur schaffen und vor allem eine Zuständigkeitskultur. Nur so können wir diesen Kindern und auch den Erwachsenen am Ende des Lebens wirklich unterstützend helfen! – Danke. (Beifall.)

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Dr. Christina Grebe (Landesverband Hospiz Oberösterreich): Ich bin hier in meiner Funktion als Vorsitzende des Landesverbandes Hospiz Oberösterreich, aber auch als Ärztin an einer Palliativstation in Oberösterreich und ich kann vieles von dem, was wir heute gehört haben, bestätigen.

Die einzelnen Bausteine in einer abgestuften Hospiz- und Palliativversorgung sind in Österreich in sehr unterschiedlichem Maße ausgebaut. Mit dem Ehrenamt haben wir eine hervorragende Basis in der Betreuung schwerkranker und sterbender Menschen. Die mobilen Palliativteams und Palliativstationen als spezialisierte Einrichtungen geben unseren Patienten die nötige Sicherheit in der letzten Lebensphase.

Andere Versorgungsbereiche haben jedoch auch Vollbedarf. So gibt es in Österreich bisher nur drei Bundesländer mit stationären Hospizen. Auch bei uns in Oberösterreich gibt es kein solches Hospiz für die Langzeitbetreuung derjenigen Menschen, die nicht zu Hause versorgt werden können.

Ich gebe Ihnen recht, die hausärztliche Versorgung und die Betreuung zu Hause sind sicher das vorrangige Ziel in unserer Hospizbetreuung, sie sind aber leider nicht immer möglich. Die Patienten, die in stationären Hospizen versorgt werden sollten, brauchen keine Akutbetreuung im Krankenhaus mehr. Die Frage: Wo soll ich denn nach dem Krankenhaus hin?, höre ich oft in meinem Arbeitsalltag an der Palliativstation.

Wir haben heute noch nicht so viel über die Patienten gesprochen. Es geht mir hier um junge und unter 60-jährige schwerkranke Patienten. Die müssen wir in der jetzigen Situation nach drei bis vier Wochen in einer Palliativstation für ihre letzte Lebenszeit mit ihren entsprechenden Nöten im Alten- und Pflegeheim unterbringen! Dieser Bedarf wird greifbar und plastisch an Menschen, wie zum Beispiel der 58-jährigen Patienten mit Eierstockkrebs, die wir letztes Jahr aufgrund mangelnder familiärer Versorgungsmöglichkeiten im Pflegeheim unterbringen mussten. Sie hat zu mir gesagt: Ich möchte nicht unter 80-Jährigen wohnen!

Diese Patientin war einem massiven, sozialen und psychischen Druck ausgesetzt. Dies hat sich in wiederholten Verschlechterungen in ihrer Gesamtsituation ausgewirkt. Sie hatte immer wieder Schmerzen, Angstzustände. Ich habe gestern noch einmal nachgesehen: Diese Patienten war innerhalb von vier Monaten sechs Mal an unserer Palliativstation stationär.

Wir überfordern momentan das Leistungsspektrum der Alten- und Pflegeheime mit Patienten mit hohem Pflegeaufwand. Da gibt es zum Beispiel Patienten mit Krebs, die große Tumorwunden haben, deren Versorgung mehrere Stunden am Tag benötigt. Für diese Menschen und Familien gibt es in den meisten österreichischen Bundesländern keinen geeigneten Platz. Wir wissen, dass aufgrund der demographischen und soziologischen Entwicklung aber der Bedarf in den nächsten Jahren noch deutlich ansteigen wird.

Schlüsselpunkt für diese Realisierung – das haben wir heute schon sehr oft gehört – ist die Finanzierungsfrage. Es gibt keine Erklärung der Zuständigkeiten. Wir haben momentan Finanzierungslösungen mit einem sehr hohen Selbstbehalt für die Patienten, und ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass die ohnehin stigmatisierte Hospizaufnahme für so manche somit unmöglich wird.

Aus meiner Sicht wäre es sinnvoll, wie wir heute schon von Dr. Johann Baumgartner gehört haben, eine Mischfinanzierung zu suchen. Wir empfehlen österreichweit gleiche Tagsätze. Wir suchen Lösungen gemeinsam aus dem Bereich Gesundheit und Soziales unter Einbeziehung des Pflegefonds. Und auch der spitalsentlastenden Funktion der Hospize sollte Rechnung getragen werden.

Die politischen Entscheidungsträger, die Kassen und andere Financiers sind gefordert, Lösungen zu finden, damit wir einen Platz für diese Menschen schaffen können, an dem sie bis zum Ende ihres Lebens wohnen können, einen Platz, an dem sie und ihre Familien die spezialisierte Palliativbetreuung erhalten, die ihnen zusteht, damit wir sie nicht in die unzumutbare Situation bringen müssen, für ihre letzte Zeit auf Herbergssuche zu gehen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall.)

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Dr. Ellen Üblagger, MAS (Raphael Hospiz Salzburg): Ich bin ärztliche Leiterin im Raphael Hospiz Salzburg, arbeite seit knapp zehn Jahren in diesem Bereich, und das stationäre Hospiz ist mir einfach ein Herzensanliegen.

Vor knapp eineinhalb Jahren drohte die Schließung des Hospizes in Salzburg wegen Unfinanzierbarkeit. In weiteren Gesprächen und Sitzungen stellte sich immer wieder die Frage, wer und vor allem wo würden die Menschen betreut werden, wenn das Hospiz geschlossen wird. Dabei geht es um immer mehr Menschen in jüngeren Jahren, die an immer komplexeren, aufwendigeren und komplizierteren Erkrankungen leiden, und diese Menschen bedürfen einer Betreuung durch ein interprofessionelles Team. Auf diese Frage gab es damals keine Antwort.

Zum Glück ist das Hospiz nicht geschlossen worden. Es ist am 1. Jänner 2014 vom Konvent der Barmherzigen Brüder übernommen worden. Doch auch für den neuen Träger bleibt das große Problem Finanzierung. Das Hospiz ist formal-juristisch ein Pflegeheim. Die Finanzierung erfolgt über ein Drei-Säulen-Modell. Eine Säule sind das Land und die Sozialversicherungen, eine Säule ist der Träger und eine Säule sind die Betroffenen und die Angehörigen.

Das bedeutet für die Betroffenen und Angehörigen trotz Senkung des Tagsatzes durch den neuen Träger einen Tagsatz von 170 €. Dies bedeutet in weiterer Folge, dass die Menschen oft sehr lange im Krankenhaus bleiben, so lange wie möglich, oder zu Hause, dass es gar nicht zur Aufnahme kommt oder dass diese Menschen während des Aufenthaltes Stress bekommen, ob sich das mit der Finanzierung denn ausgeht.

Auf die Möglichkeit hin angesprochen, einen Sozialhilfeantrag zu stellen, hören wir immer wieder: Ich möchte doch nicht am Lebensende Sozialhilfeempfänger werden! Dadurch erleben wir auch immer wieder Situationen, wo Menschen akut zu uns kommen, mit einer massiven Symptomatik, zumeist Atemnot oder Schmerzen, da das Betreuungssystem zumeist zu Hause unter dieser Belastung zusammenbricht.

Wenn wir es dann schaffen, diese Symptome zu lindern, zu mildern, danken es uns die Betroffenen mit einem Händedruck, mit einem Lächeln, auch mit einer Träne. Und manche von ihnen versterben noch am Aufnahmetag – eine kurze intensive Begleitung! Doch auch die Angehörigen sind uns sehr dankbar, dass derjenige dann in Frieden gehen konnte.

Deswegen finde ich es sehr wichtig, dass es Finanzierungsmodelle gibt, wo die Träger im Erhalt und Fortbestand der stationären Hospize unterstützt werden, und dass für die Betroffenen und Angehörigen eine Aufnahme in einem Hospiz zu keinen existenziellen und finanziellen Sorgen führt.

Vielleicht wäre es auch möglich, die fehlenden zwei Drittel der Hospizbetten zu schaffen und für alle Menschen, die einer stationären Betreuung bedürfen, diese wohnortnah möglich und vor allem auch leistbar zu machen. – Danke. (Beifall.)

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Dr. Sylvia Hartl (OA Respiratorian Care Unit Otto-Wagner-Spital): Ich darf mich im Namen von mehr als 400 langzeitbeatmeten Patienten, die mit einer Beatmungsversorgung zu Hause sind, an Sie wenden, die durch unser Zentrum betreut werden. Diese Gruppe hat eine palliative Maßnahme, nämlich eine maschinelle Unterstützung ihrer Atmung, das ist keine heilende Behandlung, aber eine Behandlung, die Atemnot wegnimmt und die Lebensqualität der Betroffenen verbessert. Diese Menschen benötigen nicht nur wenige Wochen vor dem Ende ihres Lebens Betreuung, sondern sie müssen über lange Zeit ein Betreuungsteam zu Hause haben; sie benötigen in der Regel eine 24-Stunden-Betreuung und ein umgebendes Spezialistenteam.

Derzeit ist für Erwachsene eine Versorgung für diese Menschen oder eine Finanzierung dieser Versorgung nur durch die Pflegestufe 7 möglich, und das ist für die Bedürfnisse dieser Menschen nicht ausreichend. Noch wesentlich schlechter sieht es für beatmete Kinder zu Hause aus, denn für diese sind die finanziellen Zuwendungen noch wesentlich geringer.

Wir als betreuende Ärzte, Pflegepersonen, Physiotherapeuten und Psychologen sehen daher seit mehr als 20 Jahren relativ hilflos Belastungen und manchmal leider auch Überforderungen von Familien im häuslichen Bereich zu.

Ich bitte Sie daher, im Rahmen dieser Enquete-Kommission auf den Bedarf für die Finanzierung und für die Modelle der Versorgung für längerfristige Betreuung zuhause, die auch im Begriff Palliativmedizin inbegriffen sind, nicht zu vergessen und auch für solche Spezialgruppen Möglichkeiten und Modelle zu schaffen! Hier scheint mir das richtige Forum beziehungsweise die Gelegenheit zu sein, für diese Menschen ein Wort einzulegen.

Ich bin sicher, dass es auch andere spezialisierte Bedürfnisgruppen gibt. Daher im Sinne all dieser Gruppen recht herzlichen Dank für die Anhörung. – Danke schön. (Beifall.)

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Markus Mattersberger, MMSc MBA (Bundesverband der Alten- und Pflegeheime Österreichs „Lebenswelt Heim“): Der Bundesverband der Alten- und Pflegeheime Österreichs, der 650 Pflegeheime in Österreich vertritt, nimmt sich dieser Thematik sehr gerne an, es ist ein sehr wichtiges Thema für uns.

In Österreich haben wir es mit vielen unterschiedlichen Strukturen zu tun, die sehr herausfordernd sind. Trotzdem: Diese Thematik ist in jedem Bundesland die gleiche, insbesondere ist sie für alle Akteure sehr herausfordernd. Was wir brauchen, ist eine Bewusstseinsbildung in der Gesellschaft, entsprechende Rahmenbedingungen für unsere Bewohnerinnen und Bewohner, aber auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Da geht es um die Frage der Finanzierung. Es kann nicht angehen, dass die Mittel für Hospiz und Palliative Care über Sozialhilfe, quasi über den Eigenregress, und damit wieder bei den Bewohnern geholt werden. – Diese Fragen, die heute schon ausführlich besprochen wurden, sind für uns sehr wichtig.

Ich bin in der glücklichen Lage, nachdem ich auch Direktor eines Landespflegeheimes in Niederösterreich bin, aus eigener Erfahrung mitteilen zu können, was es bringt, wenn man seine Strukturen nach Hospiz und Palliative Care ausrichtet, was das auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bringt, und zwar bringt es nicht nur eine Entwicklung der Organisation mit sich, sondern auch tatsächlich eine Persönlichkeitsentwicklung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ich möchte dazu ein konkretes Beispiel bringen.

Vor Kurzem ist ein Angehöriger eines Bewohners, der bei uns verstorben ist, kurz davor leider ins Klinikum gekommen, sein Zustand hat sich relativ schnell verschlechtert, er hat aber im Klinikum seinem Sohn gegenüber den Wunsch geäußert, er möchte zu Hause sterben. Der Sohn hat gesagt: Vater, zu Hause werden wir das nicht hinkriegen! Doch der hat gesagt: Das Pflegeheim ist mein Zuhause, dort möchte ich hin, dort möchte ich sterben! – Das konnten wir relativ schnell und in guter Kooperation mit dem Klinikum umsetzen, das war überhaupt kein Thema.

Und nachdem der Vater gestorben ist, ist der Sohn mit seiner Schwester zu mir gekommen, hat sich bedankt und hat mir erzählt, wie dieses gemeinsame Erleben des Sterbens des Vaters empfunden wurde. Er hat sich auch für die Professionalität des Teams bedankt.

Ich habe diesen Dank dann an mein Team weitergetragen, habe das mit meinem Team besprochen und habe gesehen, dass das Team sehr berührt war. Ich habe dann nachgefragt, was es ist, was das ausgelöst hat: Ist es der Abschied von einem Bewohner, den wir über viele Monate, vielleicht auch Jahre begleitet haben? – Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben nur gesagt: Nein, das ist die Möglichkeit, dass wir diese Begleitung auf so hohem Niveau erbringen dürfen! Es ist einfach schön für uns selbst und auch in unserem eigenen Interesse, gut vorbereitet in solche Situationen gehen zu können und auf hohem Niveau arbeiten zu können!

Das ist genau das, was ich glaube, dass wir erbringen müssen. Wir brauchen daher entsprechende Rahmenbedingungen – das sind wir unseren Bewohnerinnen und Bewohnern und deren Angehörigen schuldig – für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Diese müssen gut ausgebildet sein, denn wir müssen in multiprofessionellen Teams agieren.

Lassen Sie mich aber auch anmerken, was wir nicht brauchen: Wir brauchen keine Überprüfungsbehörde, die überprüft, ob wir unsere Tätigkeit ohnehin würdevoll genug machen, ob wir auf die Bewohner auch wirklich genug eingehen. Wir wollen, dass man in unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Vertrauen hat!

Wir geben unser Bestes innerhalb der Rahmenbedingungen, die wir vorfinden. Wir sind bemüht, diese Rahmenbedingungen bestmöglich auszufüllen, aber man sollte uns auch entsprechendes Vertrauen schenken bei unserer verantwortungsvollen und sehr herausfordernden Tätigkeit.

An dieser Stelle möchte ich einen Dank aussprechen all jenen, die sich dieser Aufgabe stellen – egal, ob im stationären oder mobilen Bereich. – Vielen Dank! (Beifall.)

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Obfrau Mag. Gertrude Aubauer dankt allen bisherigen Rednerinnen und Rednern und unterbricht die Sitzung.

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(Die Sitzung wird um 12.18 Uhr unterbrochen und um 12.55 Uhr wieder aufgenommen.)

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Obfrau Mag. Gertrude Aubauer nimmt die unterbrochene Sitzung wieder auf und leitet zum zweiten Themenblock über.

II. Möglichkeiten der Hospiz- und Palliativversorgung unter Einbeziehung von Ländern und Körperschaften

Obfrau Mag. Gertrude Aubauer erteilt als erster Referentin DGKS Atzmüller das Wort.

Impulsreferate

DGKS Klaudia Atzmüller (Land Niederösterreich): Da im ersten Block am Vormittag schon viel Grundsätzliches gesagt wurde, möchte ich mich auf das Thema Finanzierung beschränken.

In Niederösterreich begann der Strukturaufbau 1998 mit der Errichtung stationärer Hospize in Pflegeheimen sowie der sukzessiven Gründung von mobilen Diensten diverser Vereine und Rechtsträger, die seit 2001 vom Landesverband Hospiz Niederösterreich vernetzt und koordiniert werden.

Nachdem 2002 und 2003 in vier Pilotprojekten in Niederösterreichs Krankenanstalten zusätzlich auch Erfahrungen über geeignete intramurale Palliativversorgungsformen gewonnen wurden, hat der ständige Ausschuss des NÖGUS eine interdisziplinäre und interinstitutionelle Arbeitsgruppe beauftragt, ein Konzept für eine flächendeckende Hospiz- und Palliativversorgung in Niederösterreich zu erarbeiten.

Am 3. März 2005 wurde das integrierte Hospiz- und Palliativversorgungskonzept für Niederösterreich beschlossen und damit ein klares Ja zur Hospiz- und Palliativversorgung in Niederösterreich gegeben. Der derzeitige Ausbaugrad umfasst 30 mobile Hospiz-Teams, für die 850 000 € für das Jahr 2015 budgetiert sind. Diese Mittel kommen aus dem Sozialbudget und werden vor allem für die Koordination und Ausbildung verwendet.

Für acht mobile Palliativ-Teams, die an Landespflegeheimen oder an sonstigen Einrichtungen angeschlossen sind, stehen 2,7 Millionen € für das Jahr 2015 zur Verfügung. Die Finanzierung erfolgt über den Niederösterreichischen Gesundheits- und Sozialfonds. Für 16 Palliativ-Konziliardienste und mobile Palliativ-Teams, die an niederösterreichischen Krankenhäusern angeschlossen sind, wurden für das Jahr 2015 4,29 Millionen € budgetiert. Die Finanzierung erfolgt ebenfalls über den Niederösterreichischen Gesundheits- und Sozialfonds.

Bei den stationären Hospizen ist mit 78 Betten an sieben Standorten bereits ein Vollausbau erreicht. Da sind bei einer Annahme einer 85-prozentigen Auslastung 6,888 Millionen € budgetiert. Die Mittel kommen aus dem Sozialbudget. Die vergleichsweise niedrigen Kosten pro Bett entstehen durch die bestmögliche Nutzung aller Synergien in den Pflegeheimen und einem Eigenanteil der Hospizgäste, wenn dies möglich ist. Die hohe Anzahl an Betten in den stationären Hospizen in Niederösterreich ergibt sich durch eine teilweise Mitversorgung von Patienten aus Oberösterreich und Wien. Ein noch im Aufbau befindliches, an ein stationäres Hospiz angeschlossenes Tageshospiz ist vorerst mit 3 000 € aus dem Sozialbudget berechnet.  An vier Standorten stehen derzeit 32 Palliativbetten zur Verfügung. Für das Jahr 2015 sind dafür 6,35 Millionen € budgetiert. 2015 sowie 2016 sollen je zwei weitere Standorte in den niederösterreichischen Landeskliniken eröffnet beziehungsweise errichtet werden. Die Budgetierung erfolgt je nach Ausbau.

Die Kosten des Landes Niederösterreich für die Integrierte Hospiz- und Palliativversorgung werden 2015 laut derzeitiger Hochrechnung 21,081 Millionen € betragen. Davon entfallen 13,34 Millionen € auf den NÖ Gesundheits- und Sozialfonds und 7,741 Millionen € auf das Sozialbudget. In diesen Kosten noch nicht berücksichtigt sind die drei neu errichteten Kinder- und Palliativbetten im Landesklinikum Mödling. Die personellen Zusatzkosten werden 145 000 € betragen. Die sonstigen Kosten sind derzeit in den Kosten der Kinderabteilung enthalten und müssen nach einem Erfahrungszeitraum erst berechnet werden.

In Niederösterreich ist das mobile Kinder- und Jugend-Palliativ-Team in den mobilen Palliativteams integriert. Weitere Kosten entstehen durch den Aufbau eines niederösterreichweiten Hospizteams für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene.

Das Projekt Hospiz und Palliative Care in der Langzeitpflege ist in Niederösterreich derzeit in 17 Heimen implementiert. Jedes Jahr durchlaufen weitere Heime diesen Prozess. Eine Flächendeckung wird angestrebt, um die Betreuung und Pflege schwerstkranker und sterbender Menschen in der Langzeitpflege zu verbessern und um Krankenhausaufenthalte am Ende des Lebens zu verhindern.

Da wir in Niederösterreich schon einen hohen Grad an Flächendeckung bei den Angeboten auf Basis des umfassenden Konzeptes aus dem Jahr 2005 erreicht haben – mit Ausnahme der fehlenden Palliativstationen , werden sich die weiteren Pläne zum einen an der Qualitätsverbesserung bestehender Angebote und zum anderen an der Anpassung an demographische Veränderungen orientieren. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall.)

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Peter Hacker (Land Wien): Ich weiß nicht, ob gestern jemand das Vergnügen hatte, wie ich in der Stadthalle bei einem sehr interessanten Konzert von Bryan Adams gewesen zu sein. Da war ein Song zu hören, bei dem sich meine Generation selbst über die vergangene Jugend abgefeiert hat, der mich für den heutigen Tag schon sehr emotionalisiert hat. Der Song heißt „18 til I die“. Also, 18 Jahre werde ich bleiben, bis ich sterbe. Ich habe es sofort sehr witzig gefunden, dass da ein weit über 50-Jähriger auf der Bühne steht und sehr symbolisch von dem Mechanismus spricht – was ich für so wertvoll halte –, den wir hier mit dieser Enquete-Kommission durchbrechen, nämlich dem Verdrängen des Faktums, dass wir alt werden, dem Verdrängen des Faktums, dass am Ende des Altwerdens auch das Sterben dazukommt.

Ich bin sehr dankbar dafür, dass diese Enquete-Kommission das Tabu, über das Sterben, über die Vorgänge, über die Begleitumstände, aber auch über die Möglichkeiten, beim Sterben begleitet zu werden, zu sprechen, offensichtlich – Gott sei Dank – ein bisschen durchbricht.

Wir verfolgen in Wien den Ausbau sämtlicher Hospiz- und Palliativleistungen und Begleitinitiativen nicht mit dem Fokus auf Spezialisierung. Das geht auch aus einigen Ausführungen, die wir schon gehört haben, hervor, wenn jemand von spezialisierten Einrichtungen in diesem Bereich über die Finanzierung spricht. Das sozial- und gesundheitspolitische Kernprinzip für diesen Bereich der Leistungen in Wien ist die Inklusion in die bestehenden großen Versorgungsstrukturen der Stadt, zu denen ich im Detail noch kommen werde, auch die Inklusion einer sachgerechten, fachgerechten, spezialisierten Begleitung im Sterbeprozess und die Begleitung von Angehörigen.

Wir setzen auf einen guten Mix mit Schwerpunkten sowohl im spezialisierten als auch im allgemeinen, generalistischen System. Warum sage ich das? – Weil wir etwa nach dem Krankenanstaltenplan, der österreichweit definiert, wie viele Palliativbetten es geben soll, in Wien etwas über 70 stationäre Palliativbetten in den Krankenanstalten haben. Das gilt für die städtischen Krankenanstalten wie für die Privatkrankenanstalten in Summe.

Erwähnt werden muss natürlich, dass wir in Wien rund 20 000 Plätze unterschiedlichster Art mit unterschiedlichsten Konzepten in Wohn- und Pflegeeinrichtungen haben. In all diesen Wohn- und Pflegeheimplätzen gilt das Grundprinzip, dass die Palliativbetreuung dort ein selbstverständliches Können sein muss, das diese Einrichtungen anbieten. Bei den Diskussionen über die Konzepte dieser Einrichtungen ist auch die Vorlage eines entsprechenden Palliativkonzeptes eine Selbstverständlichkeit und wird von uns auch verlangt, wenn wir über die Finanzierung diskutieren.

Wir pflegen und betreuen mit mobilen Pflege- und Betreuungsdiensten in Wien rund 35 000 Wienerinnen und Wiener. Diese Begleitung während der Pflege- und Betreuungsbedürftigkeit endet in aller Regel erst mit dem Einzug in ein Wohn- und Pflegeheim oder mit dem Tod eines Menschen. Und damit sind auch die mobilen Dienste, die in Wien in einem riesigen Ausmaß ausgebaut worden sind, ein ganz elementarer Bestandteil der gesamten Versorgungslandschaft, die wir in Wien zur Verfügung stellen.

Wir haben natürlich in Wien auch spezialisierte mobile Palliativteams und Hospizteams. Wir finanzieren diese mit rund 2,5 Millionen € jährlich. Wir setzen dabei auf spezielle Angebote der Wiener Trägereinrichtungen von Caritas, Caritas Socialis und anderen Einrichtungen. Wir sind dabei, das Angebot auszubauen und zu erweitern. Die Wiener Gebietskrankenkasse, die an sich für den palliativmedizinischen Bereich zuständig ist, leistet da auch einen, wenn auch bescheidenen, Beitrag.

Wichtig ist, darauf hinzuweisen, dass wir auch die medizinische Hauskrankenpflege in Wien massiv ausgebaut haben. Diese medizinische Hauskrankenpflege kann nur als ergänzendes Element des gesamten mobilen Bereiches der niedergelassenen Ärzte, die in Wien sehr viele Hausbesuche machen, betrachtet werden. Dies muss auch beachtet werden, wenn man über die Frage diskutiert, wie die Versorgungslandschaft der Wiener Bevölkerung mit Leistungen und mit entsprechender Fachlichkeit aussieht.

Last but not least haben wir eine eigene mobile Kinderkrankenpflege – MOKI ist heute schon erwähnt worden –, die wir extra finanzieren.

Ich denke, es ist wichtig, zu verstehen, dass wir in den unterschiedlichen Bundesländern zu dieser Frage zweifelsohne unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Auch wenn wir manchmal in spezialisierten Auflistungen mit weniger Leistungen vorkommen, bedeutet das nicht – es ist mir wichtig, das zu betonen –, dass für die Wiener Bevölkerung weniger Leistungen zur Verfügung stehen. Uns ist es wichtiger, dass die Leistungen als selbstverständlicher Bestandteil in den großen, breiten Versorgungssystemen inkludiert sind.

Ich möchte aber nicht missverstanden werden: Zweifelsohne ist das ein Bereich, wo wir mehr ausbauen können, und zweifelsohne ist das ein Bereich, wo wir wüssten, was wir mit mehr Geld tun könnten. Es ist zweifelsohne ein Bereich, wo niemals jemand mit Ernsthaftigkeit auf ein Podium steigen und sagen kann, dass wir in diesem Bereich genug Geld, Mittel und Initiativen haben. Das heißt, keine Initiative, die wir in Zukunft in diesem Bereich erwarten können, wäre ein Fehler.

Wir haben zum Thema Palliativ- und Hospizversorgung in Österreich schon mehrere Vereinbarungen, einige der gerade geltenden Artikel 15a-Vereinbarungen, also Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern, sind schon erwähnt worden, eine davon ist die Vereinbarung über die Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens.

In diesen Vereinbarungen zeigt sich immer, dass es ein ganz klares Bekenntnis aller Verantwortungsträger dazu gibt, dass wir uns da in einer Querschnittsmaterie bewegen. Querschnittsmaterie bedeutet, dass es nicht einen eindeutig Zuständigen gibt, sondern dass es mehrere Zuständige gibt.

Das kann man diskutieren, und man kann es auch für falsch oder richtig empfinden, aber mir ist es sehr wichtig, am Ende meiner Ausführungen noch einen Punkt zu betonen. Wir haben in Österreich ein allgemeines Sozialversicherungssystem. Dieses allgemeine Sozialversicherungssystem ist das erste und das zentrale Netz der sozialen Gesundheitsversorgung in diesem Land. In den Debatten zur Frage: Föderalismus, ist der Bund zuständig oder sind die Länder zuständig?, habe ich oft das Gefühl, dass ein großes Missverständnis vorherrscht, nämlich, dass unterhalb dieses allgemeinen Sozialversicherungsnetzes ein Sozialhilfeversicherungsnetz existiert. Die Sozialhilfe der Länder ist aber kein Sozialhilfeversicherungsnetz, sondern ist auf der Grundlogik des Armenwesens aufgebaut, und ich spreche dieses böse Pfui-Wort ganz bewusst aus.

Die Sozialhilfeträger sind nur dann dafür da, jemanden zu unterstützen, wenn man sich Dinge nicht mehr selber leisten kann oder subsidiär, also ersetzend, wenn andere Leistungserbringungsverantwortliche diese Leistungserbringung nicht finanzieren. Man kann sagen, das ist eine gute Logik oder das ist eine schlechte Logik, Faktum ist: Es ist unsere Logik.

Über diese Logik der Sozialhilfe, die kein Versicherungssystem ist, gibt es dann immer diese Verständnisdiskussionen: Wofür ist der Bund zuständig, wofür sind die Länder zuständig? – Ja, die Länder sind zuständig für die Pflegeheime, das wurde heute schon einmal erwähnt. Erstens sind sie dafür zuständig, dass sie errichtet werden, dass es sie gibt, zudem dafür, dass sie auch ordentliche Benützungsbewilligungen haben, dass sie qualitätsvolle Arbeit leisten und diese Qualität auch überprüft wird. Sie sind aber nicht alleine für die Finanzierung dieser Pflegeheime verantwortlich.

Bekanntlich existiert das Pflegegeldsystem. Dieses Pflegegeldsystem ist im Gesetz selbst so formuliert, dass das Pflegegeld die Finanzierungsfähigkeit der Einzelperson unterstützen soll. Das heißt, es gibt noch eine dritte Gruppe, die der Gesetzgeber in dieser komplexen Querschnittmaterie in die Verantwortung genommen hat, nämlich die Menschen selbst.

Ob das gut oder schlecht ist, ist eine andere Frage. Ich habe da eine ganz klare Position dazu: Ich bin der Meinung, dass wir gut beraten wären, einige dieser Fragen aufzubrechen, und klar zu sagen, dass nicht unbedingt die Menschen selbst in erster Linie für diese Fragestellungen verantwortlich sein müssen. – Im Augenblick ist es aber so. Das ist auch die Basis dafür, warum man überhaupt über Regresse, über Vermögenszugriffe und ähnliches diskutieren kann. Diese Frage, die in der Pflegediskussion debattiert wird, zieht sich 1 : 1 in die Frage der Finanzierung von Hospiz- und Palliativleistungen.

Wir Bundesländer haben uns in dieser Frage schon klar bekannt, indem wir klar gesagt haben: Wir wollen die Pflegefinanzierung aus der Sozialhilfelogik herausgelöst haben. Vielleicht ist diese Enquete-Kommission auch ein Impuls dafür, über eine neue Form der Pflegefinanzierung – die nicht auf der Grundlogik der Sozialhilfe aufbaut – zu diskutieren.

Zweifelsohne braucht man ein stärkeres, offensives Engagement der Sozialversicherung in den Bereichen der Hospiz- und Palliativleistungen, selbstverständlich auch im Bereich der Rehabilitation von alten Menschen. Hiezu gab es schon Diskussionen über die oft großen Schwierigkeiten, und diese Problemfelder sind auch ineinander verzahnt.

Die Gesundheitsreform bildet im Augenblick eine heiße Diskussionsbasis über die Zusammenarbeit und Weiterentwicklung von Systemen zwischen Bund und Ländern und Sozialversicherungen. Es stehen einige sehr interessante, innovative Dinge bevor, worin Entwicklungen versucht werden, gerade auch rund um den Bereich mobiler ärztlicher Versorgungsleistungen. Es wird versucht, in Wien – gemeinsam mit Kasse und Ärztekammer ein neues Modell aufzustellen, eine Weiterentwicklung der medizinischen Hauskrankenpflege, und ich glaube, dass das wichtige Punkte sind, wenn über die Frage diskutiert wird: Wie sollen die Versorgungsstrukturen, die Angebotsstrukturen für Hospiz- und Palliativleistungen für die österreichische Bevölkerung gestaltet werden?

Sehr gut wäre es, wenn wir noch zusätzliche Schwerpunkte in diesen Themenfeldern setzen könnten: in der Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern in den Akutspitälern, im niedergelassenen ärztlichen Bereich, in den niedergelassenen medizinischen Bereichen, die Randthemen zum ärztlichen Bereich sind.

Zweifelsohne braucht es eine Initiative zur Vorsorgevollmacht. Bezug nehmend auf heutige Zeitungsberichte sollte das Wissen um dieses Instrument mit großer Intensität von uns allen gemeinsam verbreitet werden. Es wäre großartig, wenn es da eine Initiative geben könnte. Überlegungen, dazu in Wien eine eigene Initiative zu starten, gibt es, aber es ist sicher besser, wenn es gelingt, eine österreichweite Initiative zu starten, wobei wir diese als Bundesland sehr gern mitunterstützen werden.

Es gibt im ASVG einen Paragraphen, das ist mein „Lieblingsparagraph“. Die Sozialversicherung hat nämlich die Möglichkeit, in dem Fall, dass jemand im Spital liegt und die Krankenbehandlung nicht mehr zu einer medizinischen Verbesserung des Zustandes führt, diese Person über eine sogenannte Procuratio-Stellung aus der Leistung der Sozialversicherung auszuschließen.

Dieser Umstand – dass es überhaupt möglich ist, aus einem Pflichtversicherungssystem ausgeschlossen zu werden – sieht nicht vor, dass danach die Länder zuständig sind, sondern die betroffenen Menschen sind dann für sich selbst zuständig.  – Ich halte es für höchst an der Zeit, dass dieser Paragraph aus dem ASVG ersatzlos gestrichen wird.

Last but not least: Auch wenn diese Diskussion sehr wertvoll ist, als eine spezielle Diskussion über das Thema Hospiz- und Palliativversorgung, empfehle ich, dass man die Weiterentwicklung der Systeme differenziert und individualisiert betrachtet und Inklusion dann auch ein ernstes Wort ist. – Danke vielmals. (Beifall.)

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Obfrau Mag. Gertrude Aubauer bedankt sich bei den VertreterInnen der Länder Wien und Niederösterreich und sagt, dass sich die VertreterInnen der anderen Bundesländer zwar für den heutigen Termin entschuldigt, jedoch eine schriftliche Stellungnahme abgegeben haben.

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Mag. Christina Aigner (Österreichischer Städtebund): Für die Städte und Gemeinden ist es nicht immer selbstverständlich, dass auch sie zu Wort kommen, wenn die Länder sprechen. Aus diesem Grunde möchte ich sagen, dass, wenn irgendwo über das Sozialbudget gesprochen wird, da meistens auch Gemeindeleistungen drinnen stecken.

Wir zahlen österreichweit zirka 50 Prozent der Sozialhilfe; natürlich ist das in jedem Bundesland anders geregelt. Wir sind Trägerinnen von Pflegeheimen, wir finanzieren die Pflegeheime, wir betreiben sie, wir zahlen auch im Pflegefonds mit, wir betreiben mobile Dienste in der Pflege und Essen auf Rädern. Es muss jedem klar sein, dass dann, wenn man einen Schwerpunkt im Pflegefonds auf die Hospiz- und Palliativversorgung setzt, weniger Geld für andere Leistungen übrig ist.

Ich habe recht genau zugehört, was heute gesagt wurde, und mir ist nicht klar geworden, wie das finanziert werden soll. Ich bin optimistisch gestimmt, weil ich aufgrund der sehr vielen schönen Einzelgeschichten, die ich gehört habe, gemerkt habe, dass das doch irgendwie funktioniert, dass man die betroffenen Menschen nicht alleine lässt. Das System im Großen und Ganzen ist mir aber nicht klar geworden.

Wir erleben das so, dass die Regeln von „oben“ kommen, also dass sich die beiden oberen Ebenen  Bund und Länder – etwas überlegen, das wir dann mitumsetzen müssen. Gerade auch was die Sozialhilfe betrifft, ist es noch viel schlimmer für uns, denn wir können ja auch keine Artikel 15a-Vereinbarungen unterzeichnen, das heißt, dass die Sozialkosten in den Städten und Gemeinden sowieso schon davongaloppiert sind. Wenn, dann muss man sich für die Zukunft überlegen, ob man vielleicht ein neues Finanzierungsinstrument entwickelt, oder dass man zumindest die vorhandenen Mittel auf den beiden oberen Ebenen aufstockt, denn sonst wird es leider nicht gehen.

Zur länderübergreifenden Regelung: Ja, das unterstützen wir sehr. Wir sehen das aber nicht so, dass man hergeht und sagt: Wir suchen uns da einen Input aus einem anderen Land, weil die machen das so super, sondern wir sehen das ein bisschen verpflichtender, ein bisschen geregelter! Es sollte nicht nur so sein, dass man sich dort die Rosinen herauspickt, wo etwas gut gemacht wurde. Es ist aber natürlich schön, wenn man dazulernt.

Wir unterstützen es natürlich, dass die Hospiz- und Palliativversorgung ausgebaut wird und dass es einen Rechtsanspruch darauf gibt – aber bitte nicht, ohne dass über die Finanzierung nachgedacht wird!

Die Patientenverfügung soll logischerweise leichter zugänglich gemacht werden.

Nachdem ich die Pflegereform live miterlebt und auch die Anstrengungen des Ministeriums gesehen habe, wie man versucht hat, auch zu einer Vereinheitlichung zu kommen, war ich am Anfang relativ optimistisch, dass das gelingen wird. Ich hoffe, dass es in diesem Bereich besser gelingen wird, zu einer Vereinheitlichung zu kommen, denn gestorben wird überall. Warum die Menschen da unterschiedliche Bedingungen vorfinden sollen, ist mir eigentlich noch immer nicht klar geworden. – Danke schön. (Beifall.)

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Bundesrat a.D. Ludwig Bieringer (Österreichischer Gemeindebund): Gestatten Sie mir, bevor ich für den Gemeindebund spreche, einige private Feststellungen. Ich selbst habe drei Töchter, wobei die jüngste Tochter einen angeborenen Herzfehler hatte und am zweiten Lebenstag das erste Mal operiert wurde; es folgten sechs weitere Herzoperationen. Zum Ende war es nicht angenehm, als wir bei unserer Tochter gesessen sind und sie für immer die Augen geschlossen hat. Sie hatte einen Lebensmut wie kaum eine andere meiner Töchter, sie hat gekämpft – aber vergeblich gekämpft.

Warum sage ich das? – Ich sage das, weil es sich hiebei um Jugendliche, um Menschen handelt, die unsere Hilfe benötigen, und das darf doch um Gottes willen nicht an den finanziellen Mitteln scheitern! Ich weiß, dass ich hier befangen bin, aber dennoch glaube ich, wir alle haben die Pflicht, Menschen zu helfen, denen es nicht so gut geht wie uns. Das kann man sich nicht aussuchen, und daher haben wir die Verpflichtung, ihnen das Leben so angenehm wie möglich zu gestalten und dass sie in Würde sterben können.

Da sage ich – ich selbst war 31 Jahre lang Bürgermeister einer mittelgroßen Gemeinde und habe zwei Altenpflegeheime in meiner Gemeinde errichtet –, es darf nicht an den finanziellen Mitteln scheitern, sondern da müssen wir helfen, da müssen wir beistehen! Ich werde das überall sagen, auch in den Gremien des Österreichischen Gemeindebundes.

Ich bedanke mich für die Einsetzung dieser Enquete-Kommission und dafür, dass man dieses Thema hier erörtert. Ich hoffe sehr, dass in diesem Hause auch Beschlüsse so gefasst werden, dass dann nicht im Nachhinein gesagt werden muss: Wer soll das bezahlen?! – Danke. (Beifall.)

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Dr. Harald Seiss (Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger: Wir von der Sozialversicherung haben hohes Interesse an einer umfassenden und breiten Behandlung dieses wichtigen Themas. Es ist unser vordringlichster Auftrag, uns um eine qualitativ hochstehende und gesamthafte, breite Behandlung unserer Versicherten zu sorgen und unseren Versicherten eine würdige, selbstbestimmte Betreuung gerade auch im letzten Lebensabschnitt zu ermöglichen.

Wir kennen die Wünsche und Forderungen nach anderen Arten der Behandlung am Ende des Lebens als den Transport in ein Akutspital aus der gewohnten Umgebung heraus, als ein Hochfahren der modernen technischen Spitzenmedizin, sowohl als Institution als natürlich auch aus vielerlei persönlichen Erfahrungen. Diese Erfahrung trifft jeden von uns selber oder für seine Angehörigen.

Die Frage der optimalen medizinischen Behandlung in der letzten Lebensphase ist aus Sicht der Sozialversicherung keine ökonomische Frage, sondern eine zutiefst gesellschaftspolitische und ethische Frage, wie auch der Stand der medizinischen Wissenschaft zur Behandlung in dieser Lebensphase nicht von der Sozialversicherung bestimmt wird. Er ist aber sicher nicht immer gleichbedeutend mit: möglichst viel, möglichst teuer und mit möglichst vielen technischen Apparaten.

Die ethischen und gesellschaftspolitischen Fragen, einschließlich der Fragen der Haftung für ein Nicht-Hochfahren der Medizin in der letzten Lebensphase, können aus unserer Sicht nur von der dazu berufenen und legitimierten Politik, dem Nationalrat hier an diesem Ort, entschieden und beantwortet werden. Daher enthalten wir von der Sozialversicherung uns mangels Zuständigkeit und wohl auch Glaubwürdigkeit bewusst einer Stellungnahme zur Frage „Sterbehilfe“.

Unser Verantwortungsbereich als gesetzliche Krankenversicherung ist eine möglichst effiziente Umsetzung der in Gesetze gegossenen Willensbildung und Vorgaben. Als Krankenversicherungsträger ist es auch nicht unsere Aufgabe, entsprechende Leistungen selbst anzubieten oder als Betreiber von Palliativstationen und Hospizeinrichtungen aufzutreten, sondern unsere Aufgabe besteht darin, diese Angebote im Rahmen unserer gesetzlichen Zuständigkeit zu finanzieren.

Die Frage, in welcher Qualität und räumlichen Nähe sowie unter welchen Rahmenbedingungen Palliativmedizin und Hospizeinrichtungen angeboten werden, ist daher keine primäre Frage der Sozialversicherung. Unsere Aufgabe ist die Mitfinanzierung entsprechender qualitativ geeigneter Angebote.

Auf Basis der bereits vorhandenen Konzepte und Unterlagen und einer zu erstellenden aktuellen Übersicht der durchaus unterschiedlichen Situationen in den einzelnen Bundesländern soll weitergearbeitet werden. Die flächendeckende Versorgung soll bald Realität und Selbstverständlichkeit sein. Die Situation in Österreich ist aber nicht so schlecht, wie sie oft dargestellt wird. Es sind Lücken da, es ist natürlich die Versorgung zu verbessern, es ist dringend daran zu arbeiten.

Die Materie befindet sich im Schnittbereich zwischen den Materien Gesundheit und Soziales mit den entsprechenden verschiedenen Zuständigkeiten und Finanzierungen. Im Bereich der Gesundheit ist für uns primär das ASVG, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, mit den entsprechenden Sondergesetzen maßgeblich. Dort gibt es aus unserer Sicht keinen Handlungsbedarf, mit Ausnahme der Klarheit in medizinischen Haftungsfragen, die immer wieder im Hinblick darauf vorgeschoben werden, warum die Hochmedizin in diesen Lebensfragen angelaufen werden muss.

Im Spitalsbereich – stationäre Palliativmedizin, spitalsambulante Einrichtungen – ist die Finanzierung und auch der Selbstbehalt der Versicherten klar und bundesweit einheitlich geregelt. Die Schaffung zusätzlicher Einrichtungen als Teil des notwendigen Umbaus der Spitalslandschaft in Österreich und als entlastende Maßnahme für Akutspitäler bietet sich förmlich an. Die Finanzierung müsste geregelt sein unter dem Titel Strukturmittel oder gemäß dem Grundsatz „Geld folgt der Leistung“.

Im niedergelassenen Bereich gibt es für die Behandlung durch niedergelassene Ärzte für Allgemeinmedizin oder Fachärzte mit Kassenvertrag Gesamtverträge und Honorarordnungen mit den regionalen Ärztekammern. Allfällige notwendige Weiterentwicklungen in Richtung verstärkter Beachtung der Bedürfnisse von Menschen am Lebensende sind machbar.

Einer kasuistischen Sonderregelung für diese Patientengruppe – sei es durch individuelle Rechtsansprüche, – stehen wir ablehnend gegenüber, da immer wieder einzelne Regelungen für einzelne Patientengruppen gefordert werden. Dies würde aber zu einem deutlich erhöhten Verwaltungsaufwand ohne konkreten Nutzen für die Patienten führen. Es würde zu analogen Forderungen anderer Patientengruppen kommen, was von der Sozialversicherung bislang abgelehnt wurde.

Wir glauben, dass ein Vertragsarzt für Allgemeinmedizin – die Hausärztin/der Hausarzt – verschiedenste Gruppen von Patienten in allen Lebensphasen von der Geburt bis zum Tod zu betreuen hat, mit jeweils unterschiedlichen Anforderungen und Bedürfnissen. Dies ist auch ein wesentlicher Teil der wichtigen und attraktiven Tätigkeit des Hausarztes. Eine individuelle Honorierung für einzelne Patientengruppen würde nur den Verwaltungsaufwand erhöhen und zu einem ungewollten Splitting in finanziell attraktive und finanziell unattraktivere Patienten führen.

Bei der Versorgung mit den notwendigen Medikamenten, insbesondere Schmerzmitteln, ist aus unserer Sicht ebenfalls eine bundesweit einheitliche Vorgangsweise gegeben. Diese müssten alle Versicherten in ausreichender Form durch die Krankenanstalt oder im niedergelassenen Bereich oder in der Pflegeanstalt im Wege eines Kassenrezeptes weitgehend problemlos erhalten. Allfällige Probleme sind sicherlich lösbar.

Komplexer wird es bei der Versorgung im Bereich Pflege, weil es da eine Zuständigkeit der Länder gibt und daher neun unterschiedliche Regelungen bestehen. Da ist es schwierig, eine gemeinsame Finanzierung im Interesse des Patienten zu finden. Den Patienten oder seine Angehörigen gerade in dieser schwierigen Lebensphase noch zusätzlich mit unnötiger Bürokratie zu belasten, ist unwürdig und zu vermeiden.

Eine Regelung auf Landesebene ist aber bei gutem Willen aller beteiligten Institutionen machbar. Wir von der Krankenversicherung sind gesprächs- und verhandlungsbereit. Es gibt auch in vielen Bundesländern, wie heute bereits gesagt wurde, schon gute Lösungen und Verträge. Diese sind weiter auszubauen und zu entwickeln.

Zuerst ist aus unserer Sicht fachlich, medizinisch und pflegerisch zu entscheiden, welche Leistungen die anzustrebende Betreuung des Versicherten durch mobile Palliativteams oder in den Heimen umfasst: ärztliche Leistungen, Medikamente, Pflege, seelsorgerische/spirituelle Betreuung, das hohe Engagement der ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuer, Leistungen anderer Gesundheitsberufe wie Psychologen, Psychotherapeuten, Physiotherapeuten und vieles andere mehr.

Auf Basis dieser Darlegung ist der Zuständigkeitsanteil der gesetzlichen Krankenversicherung herauszuschälen, insbesondere ärztliche Behandlungen und Medikamente, und dieser Anteil entweder individuell im Einzelfall oder verwaltungsökonomischer im Wege einer geteilten Mischfinanzierung abzurechnen.

Offen sind die Bereiche Pflege und Sozialbetreuung, Seelsorge und Betreuung der Angehörigen, wo es zu einem hohen Selbstbehalt und Eigenanteil der Versicherten kommt.

Bei der Patientenverfügung sowie der Vorsorgevollmacht können wir uns als Krankenversicherungsträger eine Mitwirkung vorstellen; es wäre sicherlich denkbar, gemeinsam mit den jeweiligen Ländern generelle Aufklärung und Information zu betreiben.

Der Schaffung individueller gesetzlicher Rechtsansprüche stehen wir ablehnend gegenüber. Es wäre zudem zu klären, wem gegenüber sie gelten, wem gegenüber sie einklagbar sind und wie sie in das derzeitige System Gesundheit und Soziales hineinpassen. Außerdem ist sicherlich mit analogen Folgeforderungen anderer Patientengruppen zu rechnen.

Besser erscheint uns eine gemeinsame Verpflichtung der öffentlichen Anbieter, da vor allem der Länder, für eine ausreichende und qualitative Versorgung zu sorgen. Wir als Krankenversicherungsträger sehen uns in der Verantwortung der Mitfinanzierung.

Organisatorisch passen diese Themen gut in die laufende Gesundheitsreform und in die Gremien der partnerschaftlichen Weiterentwicklung des Gesundheitswesens durch Bund, Länder und Sozialversicherung. Es sollte einfach der Sozialbereich vermehrt dort hineinkommen. Es gibt ja mehrere Querschnittsmaterien, wo es zwar mühsamer ist, wo es aber immer wieder zu Lösungen kommt.

Eine Speicherung auf der E-Card kann aus unserer Sicht nur insoweit erfolgen, dass eine Patientenverfügung vorliegt, nicht jedoch der Inhalt derselben. Die E-Card ist ja eine Schlüsselkarte und kein Datenträger.

Auch wäre zu prüfen, ob nicht eine zentrale Registrierungsstelle wie beispielsweise bei den Testamenten zweckmäßiger wäre.

Sollten seitens des Gesetzgebers neue Aufgaben an die gesetzliche Krankenversicherung herangetragen werden, werden wir diese selbstverständlich erfüllen und sehen wir dies als Vertrauensbeweise in uns. Der zusätzliche Aufwand wäre natürlich durch zusätzliche Einnahmen abzudecken. Außerdem wäre, wie bei allen anderen zusätzlichen Aufgaben, sicherzustellen, dass die Ausgabenobergrenzen gemäß der laufenden Gesundheitsreform entsprechend adaptiert werden müssten. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall.)

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Dr. Johannes Zahrl (Vertreter der Österreichischen Ärztekammer): Mein lieber Freund – und ich freue mich, dass ich ihn so nennen darf – Günter Virt hat es in der ersten Sitzung dieser Enquete-Kommission auf den Punkt gebracht, als er Kardinal König zitiert hat. Kardinal König hat einmal gesagt: An der Hand, nicht durch die Hand eines Menschen soll man sterben dürfen. – Damit ist, so meine ich, eigentlich alles gesagt. In der Praxis lässt sich das allerdings konkretisieren. Erlauben Sie mir daher, dass ich zu diesem Gedanken – nicht durch die Hand, erstens, sondern zweitens an der Hand – ein paar Gedanken einbringe.

Erstens: Nicht durch die Hand eines anderen soll ein Mensch sterben. – Ich freue mich, dass ich Ihnen ganz aktuell berichten darf, dass die Vollversammlung der Österreichischen Ärztekammer am letzten Freitag, also am 12. Dezember dieses Jahres, einstimmig eine Resolution zur Ablehnung aktiver Sterbehilfe erlassen hat, denn – so heißt es in der Begründung dieser Resolution – es ist nicht die Aufgabe der Ärzteschaft, den Tod kranker Menschen auf Wunsch gezielt herbeizuführen.

Leben zu beenden, das widerspricht dem ärztlichen Berufsethos und darf nicht Bestandteil ärztlichen Handelns sein. Vielmehr ist es die Pflicht jedes Arztes/jeder Ärztin, Leben zu erhalten und Sterbende palliativmedizinisch zu begleiten. Dazu ist ein umfassender Ausbau der Palliativmedizin in Österreich dringend erforderlich.

Die Vollversammlung der Österreichischen Ärztekammer ist nicht das oberste, wohl aber das größte Organ der Österreichischen Ärztekammer. Ihm gehören über 100 Mitglieder an, und somit hat am letzten Freitag ein wirklich repräsentativer Querschnitt österreichischer Ärztinnen und Ärzte ein klares Nein zur aktiven Sterbehilfe gesagt. Ich bedanke mich bei dieser Gelegenheit für das eine oder andere ermunternde Echo auch aus diesem Kreis.

Zweiter Gedanke: An der Hand eines anderen Menschen soll der Mensch sterben können. – Es ist, wie heute von Eva Kernstock bereits gesagt wurde, das Gesundheitspersonal im Bereich des Sterbens gerade in der Grundversorgung gefordert. Auch Abgeordneter Dr. Rasinger hat es vor der Mittagspause auf den Punkt gebracht, als er gesagt hat: Seine Tätigkeit als Hausarzt besteht in einem erklecklichen Teil darin, genau für Palliativpatienten da zu sein. – Damit ist es die Aufgabe der Österreichischen Ärztekammer, auch diese in der Grundversorgung tätigen Ärztinnen und Ärzte adäquat zu unterstützen.

Erlauben Sie mir einen ganz kurzen Exkurs. Wenn ich von Ärztinnen und Ärzten spreche, und zwar ausschließlich von ihnen, so übersehe ich nicht das Gebot der Multidisziplinarität in diesem Bereich. Ich unterstreiche voll und ganz, was in der „recommendation“ des Europarates steht; Mag. Opriesnig wird uns das sicher im Detail darlegen. Gefordert wird: Die Zusammenarbeit aller an der Pflege des Todkranken oder Sterbenden beteiligten Personen ist sicherzustellen.

Es obliegt mir als Vertreter der Österreichischen Ärztekammer aber nicht, über andere, nichtärztliche Gesundheitsberufe zu urteilen, deshalb – und nur deshalb – beschränke ich mich auf Ärztinnen und Ärzte. Wie gesagt, unsere Aufgabe als Österreichische Ärztekammer ist es, Ärztinnen und Ärzte in der palliativmedizinischen und sonstigen Grundversorgung in gegebenem Zusammenhang zu unterstützen.

Werten Sie das bitte als eine klare Absage gegenüber der Forderung – auch in diesem Gremium war sie zu hören – nach einer Einführung eines „Facharztes für Palliativmedizin“. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir in diesem Zusammenhang nicht wenige, angeblich ganz besonders gut ausgebildete Ärztinnen und Ärzte brauchen, nein, wir brauchen da entsprechende Unterstützung der in der Grundversorgung tätigen Betroffenen!

Mit Grundversorgung meine ich sehr wohl Allgemeinmediziner, aber nicht nur. Ich meine auch den Anästhesisten auf der Intensivstation, der es vielleicht schafft, neben seinem stressigen Job doch auch einmal die Hand eines Patienten zu ergreifen; ich meine den Chirurgen, den Neurochirurgen, den Internisten, insbesondere den onkologisch tätigen Internisten oder Chirurgen; ich meine mit Grundversorgung selbstverständlich auch den Kinderarzt/die Kinderärztin, etwa im St. Anna Kinderspital; ich meine damit den Stationsarzt, der wiederum sehr häufig Allgemeinmediziner sein wird. All das meine ich mit „Grundversorgung“.

Da müssen wir unsere Mitglieder unterstützen. Und wie machen wir das? – Die Österreichische Ärztekammer hat es sich etwa zum bildungspolitischen Ziel gesetzt, für wichtige, für gesellschaftsrelevante Themen, und zwar aus Qualitätssicherungsgründen, einheitlich gestaltete Diplome und Zertifikate zu schaffen. Im gegebenen Zusammenhang sei insbesondere das Diplom für Geriatrie oder das Diplom für Palliativmedizin erwähnt. Bisher gab es im Übrigen auch eine Additivfachausbildung Geriatrie; die gibt es nach der neuen Ärzteausbildung nicht mehr.

Ich habe mir heute früh die entsprechenden Zahlen ausheben lassen und darf mit Freude berichten, dass wir immerhin 2 131 Inhaber von ÖÄK-Geriatrie-Diplomen und immerhin 2 872 Inhaber von Palliativmedizin-Diplomen in Österreich haben.

Darüber hinaus gibt es eine Reihe von sonstigen Fortbildungsveranstaltungen. Aktuell sei etwa die demnächst in Tirol stattfindende Veranstaltung zum Thema Therapieentscheidung am Lebensende angesprochen oder die Veranstaltung zum Thema Herausforderung alte Patienten, die demnächst im Krankenhaus Hietzing stattfindet. Viele andere Beispiele ließen sich benennen.

Zum Schluss folgender Gedanke: Die Rechtsbeziehungen zwischen niedergelassenen, etwa auch Hausärzten, und Krankenkassen sind bekanntlich in den sogenannten Gesamtverträgen geregelt. Und die Probleme, die Abgeordneter Rasinger heute bereits geschildert hat, resultieren zum Teil aus diesen offensichtlich überarbeitungspflichtigen Gesamtverträgen.

Wenn sich ein Arzt, der einen Palliativpatienten zweimal am selben Tag aufsucht, laut Wiener Gesamtvertrag dafür rechtfertigen muss, warum er das tut, dann haben wir ein Systemproblem. Wenn gerade das Sprechen in Form der therapeutischen Aussprache limitiert ist, nämlich abrechenbar nur in 18 Prozent der Fälle, in denen das erfolgt ist, dann haben wir ein Systemproblem. Da gibt es Handlungsbedarf.

Zusammenfassend: Die Österreichische Ärztekammer wird alles tun, um den in der Grundversorgung tätigen Ärztinnen und Ärzten einen optimalen Service zur Verfügung zu stellen, damit sich diese Ärzte gerade in dieser für die Betroffenen so relevanten, sensiblen Phase ihren Patienten bestmöglich widmen können.

Unser Ziel ist es, Ärzten/Ärztinnen diese Unterstützung zu bieten, damit sie ihrerseits ihren Patienten ein Sterben in Würde, an der Hand eines Arztes/einer Ärztin, ermöglichen können. – Danke sehr. (Beifall.)

Diskussion

Abgeordneter Dr. Franz-Joseph Huainigg (ÖVP): Beginnen möchte ich gleich damit, zum letzten Referat Stellung zu beziehen. Ich begrüße es außerordentlich, dass sich die Ärztekammer mit dem Thema „Sterben in Würde“ auseinandergesetzt hat und zu dem eindeutigen Beschluss gekommen ist, dass „Tötung auf Verlangen“ nicht dem medizinischen Ethos entspricht. Ich begrüße das und kann das nur unterstreichen.

Es wurde heute schon gesagt, dass es bei der Palliativmedizin und Hospizversorgung, zu der sich alle bekennen, noch Finanzierungslücken gibt, dass derzeit erst 48 Prozent des tatsächlichen Bedarfs gedeckt sind. Da braucht es wirklich eine gemeinsame Anstrengung aller Beteiligten: Bund, Länder und Gemeinden.

Wie sehr das, was man sagt, wozu man sich bekennt, auseinanderklafft, wurde heute wieder deutlich, nämlich an einem Beispiel: Der FSW tut viel und fördert auch MOKI mit 800 000 € jährlich. Das ist sehr gut und wichtig. Aber gleichzeitig hat die Caritas-Vertreterin auch gesagt, dass dem ambulanten Kinderhospiz MOMO im letzten Jahr keine Förderung zugesprochen wurde, nämlich mit dem Argument, dass es noch kein Gesamtkonzept der Stadt Wien für die pädiatrische Palliativversorgung gibt.

Ich glaube, dass es sehr wichtig wäre, dass so ein Konzept bald erstellt wird. Ich glaube, dass die Enquete-Kommission bei den Ländern ein Bewusstsein dafür schafft und dass das auch in den kommenden Jahren als prioritär angesehen wird. Das ist meine Hoffnung, denn wir haben gesetzlich verankert, dass aus dem Pflegefonds ambulante und auch stationäre Kinderhospizen durch die Länder gefördert werden können.

Dafür gibt es Geld vom Bund; dieses Geld muss aber auch bei den Betroffenen ankommen. Und das – weil wir kurz vor Weihnachten stehen – wäre auch mein Wunsch.

Da braucht es einen Stufenplan. Den werden wir ausarbeiten. Es muss ein Stufenplan sein, der auch realistisch umsetzbar ist, der überprüfbar ist und dann auch tatsächlich umgesetzt wird. – Danke. (Beifall.)

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Abgeordneter Dr. Marcus Franz (Team Stronach): Sehr geehrte Damen und Herren! Der römische Historiker und Senator Tacitus hat gesagt: Mache nur ein Gesetz, wenn es notwendig ist, eines zu machen. – Zitatende.

Das ist ein weiser Spruch, der uns im Parlament sehr oft beschäftigt, denn viele Gesetze sind nicht notwendig. Wenn man etwas für notwendig erachtet, dann wendet man eine Not ab; und ich glaube, es gibt große Not im Palliativwesen. Daher glaube ich, dass es sinnvoll wäre, anzuregen und darüber nachzudenken, in Österreich ein Palliativgesetz für die Versorgung Sterbens- und Todkranker zu machen. Ich glaube, das könnte aus dieser Enquete-Kommission hervorgehen.

Es gibt schon Pläne von der Hospizbewegung und vom Ministerium, die sehr valide und konsistent sind, auf guter Datenbasis erhoben, und auch nicht allzu teuer. Wenn wir wissen, dass ein Ausbau der Palliativversorgung circa 210 Millionen € kosten würde, dann wissen wir gleichzeitig auch, dass wir uns, wenn wir die ambulanten Bereiche der Palliativversorgung verstärken, unglaublich viel Geld im stationären Sektor ersparen würden.

Denn wo sterben alte und todkranke Menschen? – Die sterben sehr oft auf der Intensivstation in den sogenannten teuren Spitalsbetten. Da könnte man dann auf der anderen Seite durchaus auch die Zahl an Spitalsbetten reduzieren. Das heißt, es wäre eine sowohl menschliche als auch ökonomische Win-win-Situation, da etwas für den in den Palliativsektor zu machen. Und nach allem, was ich heute und in den letzten Tagungen gehört habe, glaube ich, dass wir das nur auf einer einheitlichen bundesweiten Ebene regeln können, denn sonst kumma ned z´samm – auf gut Wienerisch.

Städtebünde, Gemeindebünde, Bundesländer, Föderalismen, ASVG – das alles lässt sich, glaube ich, nicht unter einen Hut bringen. Ich glaube, das muss man auf die Bundesebene heben.

Daher mein Appell: Schauen wir doch, dass wir da eine Anregung für ein bundesweites einheitliches Palliativgesetz zusammenbringen! – Danke schön. (Beifall.)

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Peter Hacker (Land Wien): Ich wollte nur ganz kurz auf Ihre Frage antworten, Herr Abgeordneter Dr. Huainigg. Sie haben die Förderung vom FSW direkt angesprochen oder eben in diesem Fall die Förderung von Wien für die Einrichtung MOMO. Ja, es ist richtig, es läuft bei der Stadt Wien gerade ein sehr intensiver Diskurs zum Thema der Kinderpalliativversorgung der Stadt. Dieser Diskurs ist noch nicht abgeschlossen.

Es gibt jedenfalls ein ganz klares Grundsatzbekenntnis. Wir haben in Wien das St. Anna Kinderspital, aber nicht nur das Spital, sondern wir haben rund um das Spital eine ganz große Kapazität und auch eine hohe Qualifikation in solchen Leistungen. Wenn wir zusätzliche Versorgungsleistung finanzieren, dann wollen wir, dass das ineinander greift, nicht dass es losgelöste Konzepte sind.

Es ist keine inhaltliche Frage, was die Einrichtung betrifft, sondern eine gesamtkonzeptive Frage. Wir wollen ein integriertes System in Wien haben und nicht lauter zerfledderte Einzelbereiche. – Danke schön.

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Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Für mich ist heute ein bisschen der Eindruck entstanden – nicht bei allen Ausführungen und Referaten von den Expertinnen und Experten, aber bei manchen –, dass ein würdevolles Sterben in Österreich gar nicht möglich sei. Das hat in einigen Reden einfach mitgeschwungen, vielleicht nur auf der Bauchebene, aber es ist einfach so herübergekommen.

Dabei wissen wir alle, dass das Gott sei Dank nicht so ist. Ich weiß unter anderem auch aus privaten Erfahrungen, die ich gemacht habe, dass ein würdevolles Sterben sehr wohl möglich ist. Wir müssen uns aber darüber im Klaren sein – und wir diskutieren ja darüber –, dass das aber leider nicht für alle zugänglich ist, weil eben palliativmedizinische Einrichtungen in Krankenhäusern nicht da sind, weil die Ärztinnen und Ärzte, das Pflegepersonal nicht dementsprechend geschult ist. All diese Dinge brauchen wir dringend.

Meiner Überzeugung nach ist trotzdem der Themenschwerpunkt von heute, nämlich Finanzierung, immer noch offen. Ich bin noch nicht lange mit der Thematik betraut, aber ich glaube, es scheitert unter anderem auch daran, dass wir vielleicht unterschiedliche Definitionen von den Begriffen Palliativmedizin und Hospiz haben.

Ich denke, es ist irgendwie naheliegend, dass man Palliativeinrichtungen an den Krankenhäusern hat, dann ist das ganz klar eine ASVG-Sache. Das möchte ich so offen nicht für meine Fraktion, sondern für mich persönlich ansprechen.

Wenn wir über Hospiz und Sterbebegleitung sprechen, dann fällt das für mich persönlich in den Pflegebereich und wäre eigentlich auch eine Geschichte, die über Länder durch den Pflegefonds und sonstige Artikel 15a-Vereinbarungen finanziert werden müsste. Ich finde, wir müssen diese Begrifflichkeiten einmal definieren. Ich sage das nicht, um irgendetwas hinauszuzögern, sondern wir brauchen dringend Lösungen in vielen Bereichen.

Ich habe es sehr positiv gefunden und letztes Mal angeregt, einen Schwerpunkt auf Kinder- und Jugendhospiz zu legen, und ich habe es als wirklich sehr, sehr positiv erachtet, dass auch das heute einen Schwerpunkt gefunden hat.

Da brauchen wir mobile Palliativteams. denn Sie haben es vorhin in Ihren Ausführungen angesprochen: 40 Betten bis zum Jahre 2020. Das ist aber für mich nicht die richtige Dimension, wenn wir von 1 000 Familien sprechen. Ich weiß zwar, dass nicht alle ein Palliativbett benötigen, aber 40 Betten bis zum Jahre 2020 bei jetzt betroffenen 1 000 Familien, das ist für mich trotzdem nicht schlüssig.

Deshalb glaube ich, dass wir diese Begriffe für uns definieren müssen, nämlich was jeder/jede darunter versteht, wo jeder/jede es zuordnen will – und nicht so, wie man es in diversen Lexika nachliest. Ich habe das Gefühl, dass wir da womöglich nicht auf demselben Stand sind.

Trotzdem darf ich für meine Fraktion sagen: Wir brauchen in einigen Bereichen Lösungen. Für uns von der SPÖ ist es ganz wichtig, dass Palliativmedizin und Hospizmedizin nicht von der Dicke des Geldbörsels abhängig ist.

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Mag. Alexander Bodmann (Caritas der Erzdiözese Wien): Ich wollte nur kurz erläutern. Man unterscheidet zwischen mobiler und stationärer Situation. Wenn Sie von palliativmedizinischer Versorgung im Krankenhaus sprechen, müssen sie gleichzeitig auch von der palliativmedizinischen mobilen Versorgung sprechen.

All diese Versorgungen haben das Problem, dass sie sowohl im sozialen als auch im Gesundheitsbereich angesiedelt sind. Das heißt, dass man, um das im Gesundheitsbereich zu lösen, auch das ASVG ändern muss.

Die stationäre palliativmedizinische Versorgung ist relativ klar geregelt, über die ambulante hingegen steht im ASVG einfach nicht drinnen, dass es einen Rechtsanspruch darauf gibt. Man müsste also einfach ins ASVG hineinschreiben, dass es um ambulante und stationäre palliativmedizinische Versorgung geht.

Im Sozialbereich muss man klarstellen, dass das, was üppig ausgearbeitet wurde, von den mobilen Hospizteams bis zu den stationären Hospizen, der Standard für Österreich ist, sodass alle Bundesländer, wenn es um den Sozialbereich geht, in die Verantwortung kommen, sich zu den gleichen Ausbauplänen zu verpflichten, etwa im Rahmen von Landes- oder Bundeszielsteuerungskommissionen.

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Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Aber der Pflegefonds erlaubt zum Beispiel palliativ- und hospizmedizinische Versorgung nicht. Das ist also doch nicht so strikt zu trennen. Das wollte ich noch einmal sagen.

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Dr. Martina Kronberger-Vollnhofer, MSc (Kinderhospiz MOMO): Ich möchte darauf replizieren, dass Sie gesagt haben, 40 Betten, das scheint für Sie nicht schlüssig zu sein.

Punkt eins: Diese 1 000 Kinder sind wirklich ein politisches Commitment. Ich glaube, dass es viel mehr sind, aber wir müssen irgendwo anfangen. Ich schicke Ihnen gerne die Zahlen aus Deutschland, aus Großbritannien; da sind es viel mehr. Die brauchen hoffentlich nicht alle Betten, sondern immer nur vereinzelt, und zwar aus zwei Gründen:

Erstens, weil das alles schwerstkranke Kinder sind. Wir betreuen Kinder. Es besteht gar nicht der Anspruch darauf, dass sie zu Hause sterben. Wir wollen, dass sie eine gewisse Zeit zu Hause sein können. Sie sind vor ein, zwei Jahren noch gar nicht entlassen worden.

Punkt zwei: 40 Betten, das ergibt sich aus der Anzahl von 43 pädiatrischen Abteilungen in ganz Österreich. Denn das Palliativbett muss hier und jetzt her, innerhalb kurzer Zeit. Das ist im Kinderbereich meistens kein geplanter, sondern ein akuter Aufenthalt.

Man kann nicht davon ausgehen, dass auf jeder Kinderstation ein Palliativbett eingerichtet wird; das wird es so nicht spielen. In Wien wird nicht jede Kinderabteilung solche Betten einrichten. Aber überall dort, wo es so kranke Kinder gibt, kommen wir in etwa auf diese Bettenzahl.

Diesen Betten bedeuten nicht nur, dass es die gibt, die sind ja in den Stationen integriert; sondern diese Betten bedeuten, dass es einen Personalschlüssel und dass es vor allem qualifiziertes und ausgebildetes Personal gibt. Mein Referat widerspricht da nicht. Wir wollen Spezialisierungen. Aber wir wollen die Spezialisierungen dort, wo diese Kinder sind. Das ist für mich Inklusion.

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Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Eines hat der heutige Tag gezeigt: In Wahrheit sind alle Experten nicht sehr weit voneinander entfernt; auch Kollegin Kucharowits ist da von den anderen Kollegen nicht weit entfernt.

Wir wissen alle, wo das Problem liegt: Es scheitert letztlich alles am Geld. Deshalb werden Kompetenzstreitigkeiten vorgeschoben. Ich denke, da muss man ansetzen. Der Titel dieser Enquete-Kommission lautet ja „Würde am Ende des Lebens“. Die Würde der Menschen aufrechtzuerhalten, kostet uns nun einmal Geld.

Es ist ein wesentliches, ein sehr wichtiges Thema. Wir haben uns vielleicht in den letzten Jahren zu wenig damit auseinandergesetzt. Dank der vielen Experten, die in diese Auseinandersetzung sehr viele Punkte hineingebracht haben, ist das eine sehr wichtige Enquete-Kommission. Sie ist aber noch nicht zu Ende; wir haben ja noch einige Termine.

Ich denke, die Würde am Ende des Lebens bedingt aber auch die Würde im Laufe des Lebens und die Würde am Anfang des Lebens. Genau das sind die Themen, die hier so zusammenpassen. Ich hätte da eine Bitte an alle meine Kollegen, vor allem aus dem Plenum: Vergessen Sie auch nicht die Würde am Anfang des Lebens, wenn wir morgen im Gesundheitsausschuss darüber debattieren!

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Obfrau Mag. Gertrude Aubauer: Herr Dr. Seiss, Sie haben gesagt, der Hauptverband der Sozialversicherungsträger würde bei der Patientenverfügung unterstützend mitwirken. Haben Sie das in finanzieller Hinsicht gemeint? Sie wissen ja, heute früh hat Patientenanwalt Bachinger verlangt, dass die Kosten von der Versicherung übernommen werden. Davor hat das schon Seniorenratspräsident Khol verlangt. – Wie sehen Sie das?

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Dr. Harald Seiss (Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger): Mein beziehungsweise unser Vorschlag wäre, abzuwarten, welche gesetzlichen Änderungen im Bereich der Vorsorgevollmacht beziehungsweise der Patientenverfügung gemacht werden, und wenn man dann diese Neuregelung hat, dass man gemeinsam mit den Ländern eine generelle Information und Aufklärung für die Bevölkerung macht. Die Bevölkerung und die Versicherten sind ja weitgehend identische Personengruppen. Es geht darum, dass man das Wissen darüber mehr unter die Bevölkerung bringt.

Es geht darum, dass man da eine Aufklärungs- und Informationspflicht für die Sozialversicherungsträger sieht.

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Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Ich möchte das Statement von Frau Abgeordneter Dagmar Belakowitsch-Jenewein noch ein bisschen erweitern. Sie hat gesagt, alles scheitere irgendwann einmal an Geld. – Liebe Kollegin, das stimmt in diesem Fall so sicher nicht. Ich glaube, wir müssen das erweitern. In Österreich ist vieles möglich und vieles aus Gründen der Bürokratie nicht möglich; das scheint mir neben dem Geld ein Hauptthema zu sein. Es gibt in Österreich eigentlich für alles einen Paragraphen, aber der eine schaut auf den Paragraphen so, und der andere schaut auf den Paragraphen so, und der Dritte versteckt sich sozusagen hinter diesem Paragraphen.

Alle, die hier diskutieren – das zieht sich wie ein roter Faden durch –, zeigen enorm viel Engagement und haben oft das Gefühl, dass sie in einer Art „Ethikfalle“ sitzen. Sie zeigen Engagement, stehen irgendwo an, müssen sich dann in dem System irgendwie durchwursteln, schaffen es dann manchmal schon, manchmal nicht – und haben dann das Gefühl, sie müssen sich ständig rechtfertigen, dass sie da zu viel fordern oder nicht.

Ich glaube, meine Aufgabe als Parlamentarier beziehungsweise die Aufgabe der Enquete-Kommission ist es, jenen einmal ein ganz großes Danke zu sagen, die da so viel Arbeit geleistet haben; das möchte ich hiermit auch tun. (Beifall.)

Es soll aber auch ein Commitment sein, weiterzumachen. Wenn wir von Geld reden, dann müssen wir sagen, okay – wenn ich da richtig zugehört habe –, in etwa 100 Millionen € sind jetzt schon aufgebraucht, im Laufe der Zeit, denn wir haben einmal bei null angefangen. Wir sind in Österreich gar nicht so wenig weit, das muss man auch dazusagen, aber wenn wir zu einem sehr würdevollen Sterben kommen wollen, möglichst zu Hause oder in einem Hospiz, aber mit Sicherheit nicht auf der teuren Intensivstation, dann sind so zirka 60 Millionen € notwendig.

Das muss man mit zwei Dingen vergleichen: Wir leben in einem Gesundheitswesen, das rund 33 Milliarden € pro Jahr kostet. Da sind 60 Millionen € – das können Sie durchrechnen – nicht einmal 1 Prozent. Wenn wir dann sagen, wenn laut offiziellen Zahlen ein „normaler“ Wiener Spitalstag 11 000 € kostet und eine Intensivstation noch einmal ein Schippel mehr – noch wesentlich mehr, eine völlige Fehlbelegung für diese alten Menschen –, dann muss ich sagen, da gibt es, was man gar nicht tun sollte, so eine Art Gegenrechnung, die man aber auch anstellen könnte. Und ich glaube, es ist schon wichtig, dass wir da weiterkommen, und wir wollen da weitermachen.

Das betrifft auch das, was Herr Senatsrat Hacker von der Stadt Wien gesagt hat, das mit der Procuratio–Stellung. Das gibt es ja schon seit 30 Jahren, sie ist unnötig, sie ist unwürdig, auch da sollten wir weiterkommen. Diese Enquete-Kommission und das Engagement aller, die hier sind, begeistern mich sehr, mich bewegt das sehr. Ich empfinde da sehr viel Dankbarkeit gegenüber denen, die sich da so engagieren, oft unbedankt.

Auftrag für mich und für meine Partei ist es, dass wir da auch sichtbare Ergebnisse liefern, mehr als nur zehn Seiten oder hundert Seiten. Ich denke, das Ergebnis ist wichtig, und das Ergebnis wird dann aber auch abhängig davon sein, wie jene, die damit zu tun haben, damit umgehen, denn man kann sich immer auch hinter einem Paragraphen verstecken. (Beifall.)

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Obfrau Mag. Gertrude Aubauer erteilt – da es keine Wortmeldung vonseiten der Abgeordneten mehr gibt – Frau Walpitscheker vom Österreichischen Seniorenbund das Wort.

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Susanne Walpitscheker (Österreichischer Seniorenbund): Für mich, auch für den Seniorenbund, stellt sich die Situation ganz kurz zusammengefasst jetzt so dar: Wir haben die palliative Versorgung, sei sie stationär oder ambulant, im Gesundheitsbereich. Lassen Sie uns dort die konkreten Punkte umsetzen, die heute angeregt wurden! Das heißt: dass es keinen Unterschied macht, ob der Patient stationär oder ambulant betreut wird; das muss dasselbe kosten und das muss dasselbe bringen und das muss dieselbe Qualität für diesen Menschen haben.

Die Hospizversorgung hingegen befindet sich, wie wir gelernt und gesehen haben, im Pflegebereich – auch wieder egal, ob stationär oder ambulant. Dazu darf ich einen Vorschlag, den mein Kollege Franz Karl am Vormittag schon kurz angeschnitten hat, präzisieren:

Führen wir in den Verhandlungen zum Finanzausgleich nächstes Jahr den Pflegefonds ins Dauerrecht! Nehmen wir Hospizversorgung – sei sie stationär oder ambulant – dort explizit hinein!

Schaffen wir, wie im Gesundheitssystem, eine Bundes- und Landeszielsteuerungskommission, die dazu führt, dass diese Leistungen endlich harmonisiert werden, wie wir uns das seit Jahren vornehmen, dass wir auch Verwaltungskostenpotenziale endlich heben! – Ich sage nur: Rechnungshofbericht, 19 Überweisungen für einen Heimplatz! Wem soll man das erklären und wer soll das verstehen?! Da ist dann auch schon ein guter Teil dessen, was wir für Hospiz brauchen, finanziert.

Schaffen wir zusätzlich eine Clearingstelle für Fälle, in denen sich diese beiden Bereiche überschneiden! Und sorgen wir dafür, dass ein Patient, der einen Teil von hier und einen von dort braucht, binnen angemessener, schneller Frist einen Rechtsanspruch auf eine Zusage hat!

Wir kennen in unseren Systemen Mischfinanzierungen; wir können das. Ich weiß, dass auf diesen Vorschlag hin viele sagen: Bauen wir ein ganz neues System mit ganz neuen Verantwortlichkeiten, machen wir eine Verfassungsreform! – Gerne, aber Sie alle wissen, wie lange das dauert.

Wir vom Seniorenbund wollen Quick Wins. – Das geht mit der Bundes- und Landeszielsteuerungskommission für einen Pflegefonds, der im Dauerrecht ist. Ich würde mich freuen, wenn die Kommissionsmitglieder das aufnehmen und so der Bundesregierung übergeben, dann bin ich mir nämlich sicher, dass das nächstes Jahr umgesetzt wird. – Danke. (Beifall.)

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Mag. Marianne Karner (BIZEPS): Ich habe in meinem Impulsreferat das letzte Mal schon angesprochen, dass es sehr wichtig ist, eine Abgrenzung zwischen Pflegewohnhäusern, Pflegeeinrichtungen und Palliativmedizin zu ziehen, denn in diesen Einrichtungen leben mitunter Leute, die viele, viele Jahre ihr Leben dort verbringen beziehungsweise verbringen müssen, und diese Einrichtungen dürfen nicht zu – plakativ gesagt – „Sterbehäusern“ werden.

Es kann auch nicht sein, dass es unterschiedliche „Sterbeklassen“ gibt, das heißt, wenn ich Krebs habe und keine Behinderung, komme ich in den „Genuss“ einer Palliativmedizin nach dem Lehrbuch, wenn ich Krebs habe, aber auch mehrfach behindert bin, dann laufe ich Gefahr, dass ich in ein Pflegeheim komme.

Gerade in solchen Einrichtungen, in denen kein selbstbestimmtes Leben möglich ist und wo die Ressourcen der Mitarbeiter auch sehr knapp sind, wird es kaum möglich sein, die Methode, vom palliativmedizinischen her, den Mitarbeitern auch noch aufzubürden.

Es ist das Wort Inklusion gefallen, und zwar in einem Zusammenhang, wie ich beziehungsweise wir Inklusion nicht verstehen. Inklusion nach der UN-Behindertenrechtskonvention ist ein Paradigmenwechsel, ein Modell, ein Gesellschaftsmodell, dass behinderte Menschen im Bereich Wohnen, im Bereich Arbeiten, in allen Lebensbereichen Chancengleichheit haben und inklusiv daran teilnehmen. Inklusion heißt auch Wahlfreiheit und betrifft nicht die Inklusion von Palliativmedizin in bestehende Versorgungssysteme, sondern Inklusion ist unseres Erachtens ein Gesellschaftsmodell.

Heute wurde wieder die Bewusstseinsbildung in der Ausbildung angeschnitten. – Das unterstreichen wir alles, das ist enorm wichtig und sicherlich eine Sache, die etwas Größeres ist, aber irgendwann muss man es angehen, sonst wird uns das irgendwann auf den Kopf fallen.

Das heißt: Ethikunterricht, ein Fach Gesundheit verpflichtend für alle – und das schon im Kindesalter, ab den ersten Schuljahren.

Schließlich ist es auch wichtig, achtsam mit Begriffen umzugehen, mit Prognosen, mit dem Begriff „Lebensverkürzung“. Begrifflichkeiten aus der Wirtschaft und Kategorien, die heute auch gefallen sind, sind in dieser Sache nicht unbedingt 1 : 1 anzuwenden, beziehungsweise so ein wichtiges existenzielles Thema sprengt ganz einfach auch diese Kategorien.

Es ist wichtig, dass sich damit gesellschaftlich mehr auseinandergesetzt wird und dass sich ein Paradigmenwechsel, eine inklusive Grundhaltung in der Gesellschaft entwickelt. – Danke. (Beifall.)

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Obfrau Mag. Gertrude Aubauer dankt allen für ihre Beiträge und den Referentinnen und Referenten für ihre Vorschläge – und leitet sodann zum dritten Themenblock über.

III. Diskussion über die Europarats-Recommendation 1418/99

Obfrau Mag. Gertrude Aubauer gibt folgenden Überblick zu diesem Thema:

Im Europarat war Österreich federführend bei dieser wichtigen Recommendation zum Schutz der Menschenrechte und der Würde Todkranker und Sterbender. Warum reden wir heute darüber? – Weil dies eine richtungweisende Entscheidung ist; schon damals wurde die Notwendigkeit der Hospiz- und Palliativversorgung bekräftigt sowie auch das Verbot der vorsätzlichen Tötung. Darauf baut auch der Allparteienkonsens im Parlament aus dem Jahr 2001 auf.

1999 ist auf Initiative der österreichischen Abgeordneten und Vizepräsidentin des Europarates Edeltraud Gatterer diese Empfehlung in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates mit sehr großer Mehrheit beschlossen worden. Ein wichtiger Bereich darin war die Stärkung der Selbstbestimmung Sterbender, und zwar in dem Sinne, dass niemand gegen seinen Willen medizinisch behandelt und dadurch ein Sterbeprozess künstlich in die Länge gezogen wird. Es waren wir Österreicher, die die gesetzliche Verankerung von Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht für den Fall, dass ein Mensch nicht mehr selbst entscheidungsfähig ist, für alle derzeit 47 Mitgliedstaaten angeregt haben. Darauf können wir sehr stolz sein.

Mit Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht werden wir uns in der nächsten Sitzung am 23. Jänner 2015 befassen. Heute geht es um einen anderen Bereich der Recommendation, nämlich um die Empfehlung, die Würde von Todkranken oder Sterbenden in jeder Hinsicht zu achten und zu schützen.

In diesem Dokument werden viele Maßnahmen vorgeschlagen, ich greife nur einige heraus:

„Sicherstellung gleichen Zugangs zu angemessener Palliativpflege für alle todkranken und sterbenden Personen“, „Sicherstellung, daß Verwandte und Freunde zur Sterbebegleitung ermutigt werden und dabei professionelle Unterstützung erhalten“, „Bereitstellung ambulanter Hospizteams (…)um zu gewährleisten, daß Palliativpflege zu Hause in Anspruch genommen werden kann“, „Sicherstellung der Zusammenarbeit aller an der Pflege des Todkranken oder Sterbenden beteiligten Personen“. – So weit ein kurzer Überblick; diese Unterlage liegt auch draußen zur Entnahme auf.

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Sodann erteilt die Obfrau Herrn Mag. Opriesnig vom Österreichischen Roten Kreuz das Wort zu seinem Referat.

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Mag. Michael Opriesnig (Österreichisches Rotes Kreuz): Das Österreichische Rote Kreuz bemüht sich seit 15 Jahren immer wieder, aktiv über dieses Thema zu sprechen. Man dringt nicht immer so leicht durch; Sie alle wissen das. Wir haben in den letzten Monaten schon gemerkt, dass wir alle, so wie wir hier sitzen, allein aufgrund der Tatsache, dass diese Enquete-Kommission eingesetzt wurde, mehr Gehör finden. Dafür möchten wir als Organisation durchaus auch ein Dankeschön sagen.

Ich schaue kurz auf Frau Abgeordnete Kucharowits: Ein Sterben in Würde ist in Österreich möglich; da stimme ich Ihnen zu. Das ist möglich, nicht zuletzt aufgrund des persönlichen Einsatzes vieler Menschen, die hier drinnen sitzen, und vieler, vieler Tausender MitarbeiterInnen, sowohl hauptberuflicher als auch ehrenamtlicher; sie sorgen Tag für Tag dafür, dass es möglich ist, und wir sind auch – Herr Abgeordneter Rasinger hat es bereits gesagt – sehr dankbar dafür, dass das geschieht. (Beifall.)

Frau Abgeordnete Kucharowits, ich stimme Ihnen auch zu, was die Finanzierung anlangt. Seien wir ehrlich: Es wird auch wieder daran hängen, und da sind wir noch nicht richtig weitergekommen; auch da stimme ich Ihnen zu.

Mein Thema heute – vieles hat die Frau Vorsitzende bereits vorweggenommen – ist ja die Empfehlung 1418/99 der Parlamentarischen Versammlung des Europarates. Ich hatte Gelegenheit, in der Pause kurz mit dem „Vater“ dieses Dokuments – Herr Professor Virt ist hier anwesend – zu sprechen. Es kann nicht stark genug betont werden, dass Österreich da wirklich eine führende Rolle gespielt hat, und das soll in diesem Rahmen auch gesagt werden.

Was steht denn über allem in diesem Dokument? – Die Würde von Todkranken und Sterbenden ist in jeder Hinsicht zu achten und zu schützen. Dazu gibt es drei aus meiner Sicht sehr, sehr wesentliche Überschriften: Es geht um

„die Anerkennung und den Schutz des Anrechts eines Todkranken oder Sterbenden auf umfassende Palliativpflege, bei Ergreifen der notwendigen Maßnahmen“,

um „den Schutz des Rechtes auf Selbstbestimmung eines Todkranken oder Sterbenden, bei Ergreifen der notwendigen Maßnahmen“,

und um die Bekräftigung „des Verbotes der vorsätzlichen Tötung von Todkranken oder Sterbenden“.

Nicht nur das Österreichische Rote Kreuz, sondern die überwiegende Mehrheit der hier Anwesenden schließt sich diesen Positionen vollinhaltlich an.

Erlauben Sie mir – vor allem Sie, Damen und Herren Abgeordnete – nur die vier, fünf wesentlichen Punkte zu nennen, die teilweise heute ohnehin schon gefallen sind, aber aus der Sicht des Österreichischen Roten Kreuzes immer wieder betont werden müssen – man kann sie nicht oft genug betonen –, mit der Bitte, sich das in Ihre zukünftigen Verhandlungen mitzunehmen.

Es ist schon oft gesagt worden: die Verankerung eines gesetzlich garantierten Rechtsanspruches. Auch das ist in der Recommendation aus dem Jahr 1999 schon verankert, es ist aber noch nicht umgesetzt, und es wird an Ihnen liegen, da die gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen.

Es geht um die Verankerung der Hospizeinrichtungen in der Grundversorgung; auch das ist hier oft genug angesprochen worden: eine umfassende Integration von Hospizkultur und Palliative Care in Senioren- und Pflegeeinrichtungen, in Tageseinrichtungen, im Krankenhaus und letztendlich auch zu Hause, denn nur so kann eine angemessene Palliativpflege für alle todkranken und sterbenden Menschen sichergestellt werden.

Auf das Thema Finanzierung möchte ich hier gar nicht näher eingehen, aber selbstverständlich brauchen wir eine Regelfinanzierung. Ich weiß, wovon ich spreche: Rund elf Jahre lang hat das Österreichische Rote Kreuz vergeblich versucht, ein stationäres Hospiz in eine Regelfinanzierung zu bekommen, und wir haben nicht unbeträchtliche Mittel hineingesteckt, um das weiterhin zu betreiben. Diese Regelfinanzierung ist, wie ich glaube, ein unerlässliches Must.

Herr Abgeordneter Rasinger, Sie haben es angesprochen: Die überwiegende Mehrheit der Menschen will zu Hause sterben. In diesem Fall darf das Umfeld nicht vergessen werden, das in solchen Situationen großen Belastungen ausgesetzt ist. Schon 1976 hat sich die Parlamentarische Versammlung des Europarates davon überzeugt gezeigt, dass der größte Wunsch sterbender Patienten darin besteht, in Frieden und Würde zu sterben, und wenn möglich mit dem Trost und der Unterstützung von Familie und Freunden.

In der Empfehlung des Europarates heißt es, es ist sicherzustellen, dass „Verwandte und Freunde zur Sterbebegleitung ermutigt werden und dabei professionelle Unterstützung erhalten“.  Meine Damen und Herren, Sie alle wissen, dass die pflegenden Angehörigen schon jetzt der größte „Pflegedienst“ unseres Landes sind. Ohne ihn wäre unser Pflegesystem schon heute nicht mehr aufrechtzuerhalten, und deswegen brauchen auch in diesem System pflegende Angehörige jegliche Begleitung und Unterstützung. Das kann aus meiner Sicht nicht oft genug betont werden.

Dasselbe, meine Damen und Herren – das sage ich als Vertreter einer großen Freiwilligenorganisation –, gilt natürlich für freiwillige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, auch für jene des Roten Kreuzes. Sie benötigen fachliche Begleitung, Unterstützung und Koordination, die wiederum finanziert werden muss, denn gerade da, meine Damen und Herren, gilt das Motto: It costs, but it pays – denn im Verhältnis zu den vielen von den Freiwilligen geleisteten Stunden geht es dabei nicht um viel Geld. Und es wird – by the way – sehr oft unterschätzt, welche großartige Rolle diese freiwilligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schon jetzt in diesem System spielen.

Da am 23. Jänner 2015 die Themen Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht ohnehin näher betrachtet werden, möchte ich heute nicht näher darauf eingehen. Ich glaube, wir alle sind der Meinung – und es gab heute nicht zufällig Medienberichterstattung zu diesem Thema –: Es braucht mehr Aufklärung, und es braucht einen besseren Zugang zu diesem Thema.

Der Allparteienbeschluss des Nationalrates aus dem Jahre 2001 lehnt die „Tötung auf Verlangen“ ab; das hat auch die Frau Vorsitzende bereits erwähnt, und das entspricht auch der Position des Österreichischen Roten Kreuzes. Aus unserer Sicht ist da die gegenwärtige Gesetzeslage vollkommen ausreichend und adäquat.

Ich möchte zum Abschluss kommen, meine Damen und Herren. Heinrich Heine hat einmal gemeint: „Sterben ist kein Unglück, aber jenes jahrelange Leiden, ehe man es dahin bringt (…).“

Diesem Leiden eine qualitätsvolle Versorgung für alle entgegenzusetzen, die es in Anspruch nehmen wollen, ist, glaube ich, letztendlich unser aller Interesse.

Meine Damen und Herren Abgeordneten, vielleicht gibt es so etwas wie eine – und ich spüre das durchaus in diesem Haus und in den Ausführungen von heute – parteiübergreifende Vision, wenn man so will. Warum kann Österreich nicht jenes Land in Europa sein, das alle notwendigen Maßnahmen ergreift, um die Würde von Todkranken und Sterbenden in jeder Hinsicht zu achten und zu stützen?

Wenn uns der weitere Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung in Österreich gelingt, dann werden wir alle sehen: Auch wo nichts mehr zu machen ist, gibt es trotzdem noch sehr viel zu tun. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall.)

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Diskussion

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Die Parlamentarische Versammlung des Europarates hat im Jahre 1999 ein Jahrhundertwerk im ausgehenden 20. Jahrhundert geschaffen.

Und für uns geht es darum, ob wir im 21. Jahrhundert noch auf derselben Grundlage arbeiten. Viele Punkte, die die Parlamentarische Versammlung da aufgeworfen hat, wurden in der Zwischenzeit verbessert. Das alles betrachtend aus der Sicht des Europarates, dass die Würde aller Menschen und die daraus ableitbaren Rechte zu schützen sind – ich zitiere –:

„So wie ein Mensch, dessen Leben eben erst begonnen hat, und der schwach und abhängig ist, benötigt auch der Sterbende Schutz und Hilfe.“

Der Europarat weist auf die unzureichenden Zugänge hin, die es zum damaligen Zeitpunkt gegeben hat, und ich glaube, viele Punkte davon sind in der Zwischenzeit schon verbessert worden. Der Zugang zur Palliativpflege und zur Schmerzkontrolle, die früher mangelhafte Behandlung körperlichen Leidens und die fehlende Berücksichtigung psychologischer, sozialer und spiritueller Bedürfnisse wurden wesentlich verbessert.

Die künstliche Verlängerung des Sterbevorgangs durch unverhältnismäßige medizinische Maßnahmen ist heute, glaube ich, sehr oft gar kein Thema mehr. Mit der Patientenverfügung haben wir in Österreich schon sehr, sehr viel geschaffen. Die Angst des Patienten davor, seine Selbständigkeit einzubüßen, haben wir wahrscheinlich immer noch, daran gibt es noch immer viel zu arbeiten. Bei der unzureichenden Zuteilung finanzieller Mittel und Ressourcen, glaube ich, sind einige Verbesserungen geschaffen worden; etwas dazuzugeben, wäre aber noch immer gut.

Die Parlamentarische Versammlung des Europarates empfiehlt den Mitgliedstaaten, „die Würde von Todkranken oder Sterbenden in jeder Hinsicht zu achten und zu schützen“, und zwar durch drei große zentrale Punkte.

Erstens „durch die Anerkennung und den Schutz des Anrechts eines Todkranken oder Sterbenden auf umfassende Palliativpflege, bei Ergreifen der notwendigen Maßnahmen“.

Dann listet sie eine lange Reihe von notwendigen Maßnahmen dazu auf.

Zweitens durch „den Schutz des Rechtes auf Selbstbestimmung eines Todkranken oder Sterbenden, bei Ergreifen der notwendigen Maßnahmen“.

Und drittens durch „die Bekräftigung des Verbotes der vorsätzlichen Tötung von Todkranken oder Sterbenden“.

Meine Damen und Herren, fällt Ihnen noch irgendetwas Zusätzliches zu diesen drei Punkten ein, das heute anders wäre? – Ich stelle diese Frage einmal in den Raum, falls es jemanden gibt, der diese drei Punkte heute anders sehen würde oder der diese gern abändern möchte.

Falls nicht, würde ich sagen: Übernehmen wir diese drei Punkte! Es sind gute Punkte, sie sind einvernehmlich beschlossen worden, sie sind vor allem auch auf Initiative von Österreich beschlossen worden und sie sind eine gute Grundlage für das Thema Sterben in Würde. – Danke. (Beifall.)

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DGKS Anneliese Gottwald (Diakonie Österreich): Ich möchte zur doch großen Gruppe pflegender Angehöriger noch kurz anführen, dass sich innerhalb dieser Gruppe eine ganz kleine befindet, das sind die pflegenden Kinder und Jugendlichen.

Wie Sie vielleicht aus den Medien schon mitbekommen haben, hat das Sozialministerium eine Studie gemacht: Es gibt 42 700 pflegende Kinder und Jugendliche in Österreich; auch diese Kinder brauchen Unterstützung. Es gibt das Projekt Superhands von den Johannitern, das ins Leben gerufen wurde; auf dieses möchte ich hinweisen. Aber auch in der Palliative Care muss man bedenken, dass es pflegende Kinder und Jugendliche gibt. – Darauf wollte ich nur aufmerksam machen. (Beifall.)

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Em. Univ.-Prof. Dr. Günter Virt (Mitglied der European Group on Ethics in Science and New Technologies): Ich wurde als „Vater“ dieses Dokuments apostrophiert, mittlerweile bin ich der Opapa. Als damals die aus diesem Haus stammende Vizepräsidentin des Europarates Gatterer zu mir kam, hatte sie im Europarat ein völlig unklares Dokument vorgefunden, das im Grunde für alle 47 Mitgliedstaaten und noch dazu etliche Beobachterstaaten die „Tötung auf Verlangen“ empfohlen hätte.

Eine Woche später kam sie zu mir und bat mich, ihr zu helfen, einen Draft, einen Entwurf, zu machen, der mit einer ganz, ganz geringfügigen, unbedeutenden Änderung jetzt auch dieses Dokument darstellt.

Eine Woche später bekam ich den Auftrag vom Generalsekretariat, einen Text über die Wünsche Sterbender und terminal Kranker zu verfassen.

Ich bin eine Stufe tiefer gegangen. Es geht um die Menschenwürde und um die Menschenrechte – und nicht bloß um diese oder jene zum Teil auch vorrübergehende und sehr beeinflussbare Wunscherfüllung. Es geht um den Schutz der Menschenwürde, das heißt, es geht darum, den Menschen zu würdigen. Das ist ein Zeitwort, dazu muss man etwas tun, das ist kein abstrakter Begriff – den Menschen in dieser Situation zu würdigen, die vor jedem von uns noch liegt. Wir sind alle Betroffene.

Sie wissen, dass so ein Dokument, auch wenn es mit großer Mehrheit beschlossen ist, nicht einfach automatisch weiter besteht. Es gab den Versuch des Schweizer Abgeordneten Dick Marty, es auszuhöhlen, aber bei dieser Versammlung wurde diese Recommendation mit überwältigender Mehrheit erneut bestätigt.

Sie haben den Inhalt schon gehört, mir ist ganz wichtig, dass wir am Beginn dieses Dokumentes zunächst einmal dabei angesetzt haben, die spezifischen Ängste der Menschen in unserer Gesellschaft vor dem Sterben anzusprechen: die Angst vor unerträglichen Schmerzen, deren Linderung Gott sei Dank heute durch die Palliativmedizin möglich ist. Aber das muss erst verwirklicht werden, es gibt leider immer noch Situationen, in denen die Schmerzstillung nicht in ausreichender Weise geschieht. Der wohl wichtigste Punkt ist die Angst, anderen zur Last zu fallen, die Angst vor dem Signal: Du kommst uns zu teuer!

Wir haben daher versucht, darauf eine Antwort zu geben und in den Debatten im Parlament auch die wichtigsten Probleme anzusprechen, nämlich diese Ängste und was es bedeutet, wenn eine Gesellschaft akzeptiert, dass Ärzte „auf Wunsch“ töten können, dass dann eben Menschen – die Betroffenen, die Angehörigen, die Ärzte – unter vielfachen, unkontrollierbaren Druck geraten können.

Ich habe schon gesagt, ein solches Dokument steht nicht für sich selbst, sondern es gilt, weiter daran zu arbeiten, und so fand am 5. Mai dieses Jahres in Straßburg im Plenum des Europarates mit Vertretern aller 47 Mitgliedstaaten eine Konferenz statt, bei der dieser Leitfaden (der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe) für den Prozess der Entscheidungsfindung zur medizinischen Behandlung am Lebensende vorgestellt wurde.

Prof. Valentin, der mit federführend war, hat uns leider schon verlassen, aber ich kann Ihnen allen diesen Leitfaden sehr empfehlen. Ich habe dann den Abschlussvortrag bei dieser Konferenz gehalten und dem Europarat fünf Aufgaben, für alle 47 Mitgliedstaaten, für die Weiterarbeit an unserer Recommendation gestellt. Ich darf Ihnen diese ganz kurz vorstellen: Erstens wird in allen 47 Mitgliedstaaten in einem Questionnaire erhoben, wie es mit dem flächendeckenden Ausbau der Palliativversorgung steht.

Das Zweite ist die Ausarbeitung der Ausbildungskonzepte, damit es wirklich eine multiprofessionelle Ausbildung gibt, die am Patienten orientiert ist – und nicht an den eigenen professionellen Zugängen allein.

Das Dritte ist die Klärung medizinischer Indikationen für palliative Sedierung; da besteht in vielen Staaten Unsicherheit und oft auch eine Hintertür.

Viertens: Wir operieren immer mit einem ungeklärten, abstrakten Autonomie-Begriff. Das ist sozusagen wie ein Zauberwort. Selbstbestimmung und Autonomie sind aber immer eingebettet in soziale Zustände und Abhängigkeiten, und es bedürfte einmal einer wirklich professionellen, umfassenden Studie über die Verwendung dieses Schlagwortes „Autonomie“, was das denn wirklich im Konkreten bedeutet.

Und als Letztes habe ich dann vorgeschlagen, diese Recommendation als Zusatzprotokoll zur Menschenrechtskonvention zur Biomedizin, zur Oviedo-Konvention, zu etablieren, und da die Recommendation von Österreich kommt, würde ich auch bitten, diesen Vorschlag zu unterstützen.

Ich glaube, es wäre geradezu tragisch, würde es uns nicht gelingen, bei und nach dieser Enquete-Kommission zu einer bedarfsdeckenden und flächendeckenden Finanzierung und nachhaltigen Absicherung der Palliativversorgung zu kommen.

Wir haben gehört, dass es nicht einmal 1 Prozent des Gesundheitsbudgets ist, und ich denke, dass es hier auch partei- und interessenübergreifend aller Motivationen bedarf, denn es geht letzten Endes um eine Aufgabe, die jedem von uns, die wir in diesem Saal sitzen, noch bevorsteht, dem einen früher, dem anderen später, nämlich das Sterben. Das ist die letzte Lebensaufgabe, die vor einem jeden von uns noch liegt, und ich denke, wir sind gut beraten, hier die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass wir auch in unserem Sterben gewürdigt werden. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall.)

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Frau Mag. Eringard Kaufmann, MSc (Generalsekretärin ÖAR – Dachorganisation der Behindertenverbände Österreichs): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Nationalratsabgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren! Die ÖAR ist die Dachorganisation der Menschen mit Behinderungen und nimmt die Interessenvertretung der Menschen mit Behinderungen sowohl auf europäischer als auch auf internationaler, aber natürlich auch auf österreichischer Ebene wahr.

Vorab ganz, ganz herzlichen Dank für die Vorarbeiten, insbesondere für die Empfehlungen des Europarates, die voll und ganz die Interessen auch der ÖAR wiedergeben. Selbstbestimmung, Gleichstellung und Barrierefreiheit sind zentrale Forderungen, die aus der UN-Konvention der Rechte der Menschen mit Behinderungen kommen. Es sind Rechte, die Lebensqualität in Lebenssituationen mit besonderen Beeinträchtigungen ermöglichen. Es gibt ein paar Punkte, die hier noch nicht angesprochen worden sind, die ich jetzt noch ausführen möchte.

Im Zusammenhang mit Gleichstellung kommt dem Ersatz des medizinischen Modells, das Beeinträchtigungen als Defizite definiert, eine besondere Bedeutung zu. Dieses soll durch ein soziales Modell der Behinderung abgelöst werden, in dem der Fokus auf den Ressourcen und den Möglichkeiten der jeweiligen Person liegt.

Das ist auch von besonderer Bedeutung im Zusammenhang mit dem Umgang mit medizinischen Prognosen, die sehr, sehr oft als Urteile von Betroffenen erlebt werden, meist als negative Urteile. Diese Prognosen haben dann sehr oft eine Auswirkung, wie sie selbsterfüllenden Prophezeiungen zukommt, daher die wichtige Anregung, mit diesen Prognosen und auch Diagnosen anders umzugehen, sodass mehr die Ressourcen und die Lösungsorientierung für die Betroffenen in den Fokus gerückt werden.

Was die Gleichstellung von Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen anlangt, insbesondere aber auch bei Verläufen von chronischen, oft auch tödlichen Erkrankungen, welche immer häufiger auch chronisch verlaufen, so ist es erforderlich, dass Personen in solchen Lebenssituationen auch materiell abgesichert sind. Dieses Recht ist insbesondere zuletzt durch den erschwerten Zugang zum Pflegegeld auch wieder ein Stückchen weiter beeinträchtigt worden.

Ein Aspekt, der aufgrund der Historie in den Empfehlungen noch nicht angesprochen wurde, ist Barrierefreiheit, vor allem im kommunikativen Sinn. Wir beschäftigen uns im Augenblick in Arbeitsgruppen im Justizministerium mit den Aspekten der unterstützten Entscheidungsfindung.

Unterstützte Entscheidungsfindung ist dort hilfreich, wo kognitive Beeinträchtigung und psychische Beeinträchtigung von Personen, es können aber auch stressbedingte Beeinträchtigungen im Umgang mit schweren Krankheiten sein, vorhanden sind oder die Entscheidungen aufgrund der Komplexität der Fragestellungen sehr schwierig sind. Um Selbstbestimmung zu fördern, ist es wichtig, die notwendige Unterstützung für Entscheidungen zur Verfügung zu stellen.

Und zu guter Letzt geht es um Selbstbestimmung. Selbstbestimmung bedarf einer Kultur und einer Haltung, die der UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen entsprechen. Das heißt, es bedarf beim Personal im medizinischen Kontext eines grundsätzlichen menschenrechtlichen Verständnisses. Das bedeutet aber auch, dass – was leider noch nicht systematisch vorgenommen wird – nicht nur Zustimmungen zu medizinischen Behandlungen, sondern auch Zustimmungen zu Pflegehandlungen eingeholt werden. Diese werden gerade von alten oder Menschen am Ende des Lebens oft als Übergriffe erlebt. Und man darf auch nicht vergessen, dass ein Großteil von den Menschen, die heute alt sind, durch Kriegstraumata beeinträchtigt ist.

Häufig kommt es im Zusammenhang mit Ablehnungen von Heilbehandlungen auch gerade am Ende des Lebens zu Sachwalterbestellungen. – Das ist keine Lösung!

Selbstbestimmung, Gleichstellung und Barrierefreiheit sind die Basis für die Würde im Leben und auch an dessen Ende. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

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Mag. Marianne Karner (BIZEPS): Ich habe nur noch eine kurze persönliche Anmerkung. Mir ist heute ein Buch eingefallen, dessen Titel lautet: „5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen“; Aufzeichnungen einer australischen Palliativpflegerin.

Ich würde das vielleicht heute umwandeln und sagen: Fünf Dinge, auf die ich mit Zufriedenheit zurückblicken kann; sei das eine Einsicht oder irgendeine Tat, die ich gesetzt habe. Und vielleicht kann das auch für das Parlament, für Sie, werte Abgeordnete, ein Anstoß sein, dafür zu sorgen, dass zu den fünf Dingen, auf die ich mit Zufriedenheit zurückblicke, eben auch einmal Ihre Arbeit in dieser Enquete-Kommission betreffend Würde am Ende des Lebens zählt. – Danke. (Beifall.)

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Obfrau Mag. Gertrude Aubauer dankt allen für ihre Ausführungen und verweist auf das „Bündel an Fakten sowie auf viele innovative Ideen für die Realisierung dessen, was wir anstreben, nämlich einen Hospizstufenplan, der ja auch das Herzstück unserer Empfehlungen sein soll“.

Die Obfrau gibt für die nächste öffentliche Sitzung den 23. Jänner 2015 als Sitzungstermin bekannt; eine weitere nichtöffentliche Sitzung, die GO-Fragen dient, findet im Anschluss an diese Sitzung statt.

Mit den beten Wünschen für ein schönes Weihnachtsfest erklärt die Obfrau die 7. Sitzung der Enquete-Kommission für geschlossen.

 

Schluss der Sitzung: 14.45 Uhr