Entwurf

Bundesgesetz, mit dem das Jugendgerichtsgesetz 1988, das Strafgesetzbuch und das Bewährungshilfegesetz geändert werden, und mit dem ein Bundesgesetz zur Tilgung von Verurteilungen nach §§ 129 I, 129 I lit. b, 500 oder 500a Strafgesetz 1945 sowie §§ 209 oder 210 Strafgesetzbuch erlassen wird (JGG-ÄndG 2015)

Der Nationalrat hat beschlossen:

Inhaltsverzeichnis

Artikel 1           Änderung des Jugendgerichtsgesetzes 1988

Artikel 2           Änderung des Strafgesetzbuches

Artikel 3           Inkrafttreten

Artikel 4           Änderung des Bewährungshilfegesetzes

Artikel 5           Bundesgesetz zur Tilgung von Verurteilungen nach §§ 129 I, 129 I lit. b, 500 oder 500a Strafgesetz 1945 sowie §§ 209 oder 210 Strafgesetzbuch

Artikel 1

Änderung des Jugendgerichtsgesetzes

Das Bundesgesetz vom 20. Oktober 1988 über die Rechtspflege bei Straftaten Jugendlicher und junger Erwachsener (JGG), BGBl. Nr. 599/1988, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 13/2015, wird wie folgt geändert.

1. Der Titel lautet:

„Bundesgesetz vom 20. Oktober 1988 über die Rechtspflege bei Straftaten Jugendlicher und junger Erwachsener (Jugendgerichtsgesetz 1988 – JGG)“

2. Die Bezeichnung „Artikel I“ entfällt.

3. In § 1 tritt am Ende von Z 4 an die Stelle des Punktes ein Strichpunkt, und es wird nach Z 4 folgende Z 5 angefügt:

         „5. Junger Erwachsener: wer das achtzehnte, aber noch nicht das einundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat.“

4. In § 5 wird nach Z 6 folgende Z 6a eingefügt:

       „6a. Von der Entscheidung, dass Vermögenswerte, Nutzungen oder Ersatzwerte für verfallen erklärt werden (§ 20 StGB), kann ganz oder zum Teil auch dann abgesehen werden, wenn sie den Täter unbillig hart träfe.“

5. In § 5 wird nach Z 10 folgende Z 11 angefügt:

       „11. Sind Werte oder Schadensbeträge einer Jugendstraftat mit jenen einer Straftat, die nach Vollendung des achtzehnten Lebensjahres begangen wurde, zusammenzurechnen (§ 29 StGB), so richten sich die Strafdrohungen nach den Z 2 bis 5; begründet jedoch die Summe der Werte oder Schadensbeträge der nach dem genannten Zeitpunkt begangenen Straftaten eine höhere Strafdrohung, so ist diese maßgeblich.“

6. In § 7 wird nach Abs. 2 folgender Abs. 3 angefügt:

„(3) Nach Einbringung der Anklage wegen Begehung einer strafbaren Handlung, die von Amts wegen zu verfolgen ist, hat das Gericht die für die Staatsanwaltschaft geltenden Bestimmungen der Abs. 1 und 2, des § 8 sowie der §§ 198 und 200 bis 209 StPO sinngemäß anzuwenden und das Verfahren unter den für die Staatsanwaltschaft geltenden Voraussetzungen bis zum Schluss der Hauptverhandlung mit Beschluss einzustellen.“

7. In § 8 wird nach Abs. 3 folgender Abs. 3a eingefügt:

„(3a) Soll im Hinblick auf die Erbringung gemeinnütziger Leistungen oder auf einen Tatausgleich von der Verfolgung vorläufig zurückgetreten werden, so kann der vorläufige Rücktritt überdies davon abhängig gemacht werden, dass sich der Beschuldigte ausdrücklich bereit erklärt, sich bis zum endgültigen Rücktritt von der Verfolgung durch einen Bewährungshelfer (§ 52 StGB) betreuen zu lassen.“

8. In § 8 Abs. 4 wird im Klammerzitat der Verweis „202 Abs. 2“ durch den Verweis „203 Abs. 2“ ersetzt.

9. In § 15 Abs. 1 wird am Ende nach dem Wort „entzieht“ die Wortfolge „und dies nach den Umständen geboten erscheint, um den Rechtsbrecher von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten“ eingefügt.

10. Nach § 17 wird folgender § 17a samt Überschrift eingefügt:

„Entlassungskonferenz

§ 17a. (1) Verbüßt ein wegen einer Jugendstraftat Verurteilter die Freiheitsstrafe, so kann im Rahmen der Vorbereitung der bedingten Entlassung (§§ 144, 145 Abs. 2 StVG) der Anstaltsleiter nach Anhörung des Vollzugsgerichts und der Staatsanwaltschaft einen Leiter einer Geschäftsstelle für Bewährungshilfe mit der Ausrichtung einer Sozialnetzkonferenz (§ 29e BewHG) betrauen, um die Voraussetzungen einer bedingten Entlassung (§ 17, § 46 StGB) zu beurteilen und jene Maßnahmen festzulegen,. die dazu dienen, den Verurteilten von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten.

(2) Eine Entlassungskonferenz ist von den Stellen, die auch einen Antrag auf bedingte Entlassung stellen können (§ 152 Abs. 1 StVG), so rechtzeitig anzuregen, dass eine Entlassung nach Verbüßung der Hälfte der Freiheitsstrafe, spätestens aber nach zwei Dritteln, möglich wird.

(3) Entlassungskonferenzen bedürfen der Zustimmung des Verurteilten.“

11. § 18 samt Überschrift entfällt.

12. Nach § 18 wird folgender § 19 samt Überschrift eingefügt:

„Sonderbestimmungen für Straftaten junger Erwachsener

§ 19. (1) Gegen eine Person, die zur Zeit der Tat das einundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat, darf auf keine strengere als eine Freiheitsstrafe von fünfzehn Jahren erkannt werden. Das Mindestmaß aller angedrohten zeitlichen Freiheitsstrafen richtet sich nach jenem bei Jugendlichen (§ 5 Z 2 lit. a, 3 und 4).

(2) § 5 Z 1, die §§ 7, 8, 12, 13, 14 (soweit er auf § 13 verweist), 15 bis 17a und 35a gelten in allen Fällen, in denen die Tat vor Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres begangen wurde, entsprechend.“

13. In § 27 Abs. 1 entfällt die Wendung „und in Strafsachen wegen Straftaten, die vor Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres begangen worden sind,“.

14. § 27 Abs. 1 Z 2 lautet:

         „2. in den in § 5 Z 2 lit. a angeführten Fällen.“

15. In § 33 Abs. 1, 2 und 3 wird das Wort „Jugendwohlfahrtsträger“ durch die Wortfolge „Kinder- und Jugendhilfeträger“ ersetzt.

16. In § 35 werden nach Abs. 1 folgende Abs. 1a und 1b eingefügt:

„(1a) Sofern für das Hauptverfahren das Bezirksgericht zuständig wäre, ist die Verhängung der Untersuchungshaft über einen jugendlichen Beschuldigten unzulässig.

(1b) Liegt dem Beschuldigten eine Jugendstraftat zur Last, so sind die §§ 170 Abs. 2 und 173 Abs. 6 StPO nicht anzuwenden.“

17. In § 35 wird nach Abs. 3 folgender Abs. 3a eingefügt:

„(3a) Bei jugendlichen Angeklagten ist § 175 Abs. 5 StPO nicht anzuwenden.“

18. Nach § 35 wird folgender § 35a samt Überschrift eingefügt:

„Untersuchungshaftkonferenz

§ 35a. (1) Wurde über den Beschuldigten in einer Jugendstrafsache die Untersuchungshaft verhängt, so kann das Gericht nach Anhörung der Jugendgerichtshilfe vorläufige Bewährungshilfe anordnen (§ 179 StPO) und einen Leiter einer Geschäftsstelle für Bewährungshilfe mit der Ausrichtung einer Sozialnetzkonferenz (§ 29e BewHG) beauftragen.

(2) Der Leiter der Geschäftsstelle für Bewährungshilfe hat in diesem Fall unter Mitwirkung der Jugendgerichtshilfe und des Kinder- und Jugendhilfeträgers Entscheidungsgrundlagen für die Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprüfung (§ 35 Abs. 1) zu schaffen und aktiv darauf hinzuwirken, dass die Untersuchungshaft unter Anwendung gelinderer Mittel (§ 173 Abs. 5 StPO) aufgehoben werden kann.

(3) Untersuchungshaftkonferenzen bedürfen der Zustimmung des Beschuldigten.“

19. In § 43 Abs. 1 wird nach der Wortfolge „seelischen Eigenart dienen können, sind“ die Wortfolge „bei sonstiger Nichtigkeit“ und nach der Wortfolge „sind zu erforschen“ das Klammerzitat „(§ 48 Z 1)“ eingefügt.

20. In § 44 Abs. 2 wird die Wortfolge „gegen jugendliche Beschuldigte“ durch die Wortfolge „wegen einer Jugendstraftat“ ersetzt.

21. § 46 Abs. 1 lautet:

„(1) Ist einem Rechtsbrecher oder einem Beschuldigten die Weisung erteilt worden, sich einer Entwöhnungsbehandlung, einer psychotherapeutischen oder einer medizinischen Behandlung zu unterziehen (§ 51 Abs. 3 StGB, § 173 Abs. 5 Z 9 StPO) oder in einer sozialtherapeutischen Wohneinrichtung Aufenthalt zu nehmen (§ 51 Abs. 2 StGB, § 173 Abs. 5 Z 4 StPO), oder hat sich ein Beschuldigter ausdrücklich bereit erklärt, während der Probezeit entsprechende Pflichten zu erfüllen (§ 203 Abs. 2 StPO) und hat weder er noch ein anderer für ihn Anspruch auf entsprechende Leistungen aus einer gesetzlichen Krankenversicherung oder einer Krankenfürsorgeeinrichtung eines öffentlichrechtlichen Dienstgebers, so hat die Kosten der Behandlung oder des Aufenthaltes der Bund zu übernehmen. Der Höhe nach übernimmt der Bund die Kosten jedoch grundsätzlich nur bis zu dem Ausmaß, in dem die Versicherungsanstalt öffentlicher Bediensteter für die Kosten aufkäme, wenn der Beschuldigte in der Krankenversicherung öffentlich Bediensteter versichert wäre; einen Behandlungsbeitrag (§ 63 Abs. 4 des Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 200/1967) hat er nicht zu erbringen. Die Entscheidung über die Übernahme der Kosten steht dem Gericht zu, das die Weisung erteilt hat, oder das für die Erteilung der Weisung zuständig wäre, und soll nach Möglichkeit zumindest dem Grunde nach bereits bei der Entscheidung über die Maßnahme in geeigneter Form berücksichtigt werden.“

22. In § 46 Abs. 2 zweiter Satz wird vor dem Wort „Pauschalbeträgen“ das Wort „verbindlichen“ eingefügt.

23. In § 46a Abs. 2 wird die Wendung „§ 48 Z 1 und 4 sowie 49“ durch die Wendung „§ 48 Z 1 und 4, 49 sowie 50“ ersetzt.

24. In § 46a wird nach Abs. 2 folgender Abs. 3 angefügt:

„(3) Sind Werte oder Schadensbeträge einer Straftat, die vor Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres begangen wurde, mit jenen einer Straftat, die nach diesem Zeitpunkt begangen wurde, zusammenzurechnen (§ 29 StGB), so richten sich die Strafdrohungen nach § 19 Abs. 1; begründet jedoch die Summe der Werte oder Schadensbeträge der nach dem genannten Zeitpunkt begangenen Straftaten eine höhere Strafdrohung, so ist diese maßgeblich.“

25. In § 47 werden nach Abs. 2 folgende Abs. 3 und 4 angefügt:

„(3) Soweit es möglich und erforderlich ist, sind der Jugendgerichtshilfe im Gerichtsgebäude die nötigen Räume und Telekommunikationseinrichtungen unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.

(4) Den in der Jugendgerichtshilfe tätigen Personen hat das Gericht auf Verlangen einen Ausweis auszustellen.“

26. § 49 lautet:

§ 49. (1) Für das Bundesland Wien besteht die Wiener Jugendgerichtshilfe. Sie kann neben den in § 48 angeführten Aufgaben auch mit der Betreuung von Untersuchungshäftlingen und Strafgefangenen betraut werden.

(2) Für die anderen Bundesländer wird der Bundesminister für Justiz ermächtigt, nach Maßgabe der budgetären, organisatorischen, technischen und personellen Möglichkeiten sowie unter Bedachtnahme auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit mit Verordnung anzuordnen, für welche Gerichte eine Jugendgerichtshilfe eingerichtet wird.“

27. In § 50 lauten Abs 1 und 2:

„(1) Die Jugendgerichtshilfe ist berechtigt, Personen, die über die Lebensumstände eines Jugendlichen Auskünfte erteilen könnten, zu laden und zu befragen, sowie unmittelbaren Kontakt mit dem Jugendlichen herzustellen. Personen, in deren Obhut der Jugendliche steht, sind verpflichtet, einen solchen Kontakt zu dulden. Gegen Personen, die ihre Pflicht zur Mitwirkung an Erhebungen der Jugendgerichtshilfe verletzen, kann das Gericht die zwangsweise Vorführung oder sonst angemessene Zwangsgewalt und Beugemittel (§§ 93 und 94 StPO) anordnen.

(2) Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaften, Gerichte, Kinder- und Jugendhilfeträger sowie Einrichtungen zur Unterrichtung, Betreuung und Behandlung von Jugendlichen und in diesen Einrichtungen tätige Personen haben den bei der Jugendgerichtshilfe tätigen Personen die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und Einsicht in die Akten und Aufzeichnungen zu gewähren.“

28. In § 52 werden vor dem Wort „Voraussetzungen“ das Wort „allgemeinen“ eingefügt, die Wortfolge „der Freiheitsstrafe“ durch die Wortfolge „einer Freiheitsstrafe, deren Ausmaß drei Jahre nicht übersteigt,“ ersetzt und folgender Satz angefügt: „Für die Dauer des Aufschubes kann Bewährungshilfe angeordnet werden.“

29. Nach § 60 wird folgende Abschnittsüberschrift eingefügt:

„ACHTER ABSCHNITT

Schluss-, Inkrafttretens- und Übergangsbestimmungen“

30. Der Inhalt des bisherigen Art. IX Abs. 8 wird in einen neuen § 61 aufgenommen; dieser erhält die Bezeichnung § 61. sowie die Überschrift:

„Verweisungen“

31. Die bisherigen Abs. 1 bis 3 von Art. VIII werden als Abs. 1 bis 3, die bisherigen Abs. 1, 2, 3 und 5 bis 6 von Art. IX als Abs. 4 bis 8 in einen neuen § 62 aufgenommen; im neuen Abs. 3 wird die Wortfolge „dem Art. IX“ durch die Wortfolge „Abs. 4 bis 8 und § 64“ ersetzt; § 62 erhält die Überschrift:

„Inkrafttretens- und Übergangsbestimmungen zur Stammfassung“

32. Die bisherigen Abs. 4 und 4a des Art. VIII werden als Absätze 1 und 2, die bisherigen Abs. 4b bis 4h des Art. VIII werden als Abs. 4 bis 10 in einen neuen § 63 aufgenommen, wobei das Zitat „Art. I“ in diesen Absätzen entfällt; dieser erhält die Überschrift:

„Inkrafttretens- und Übergangsbestimmungen zu Novellen ab dem Jahr 2004“

33. In § 63 wird folgender Abs. 3 eingefügt:

„(3) Die §§ 55 Abs. 5, 56 Abs. 1 und 57 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 102/2006 treten mit 1. Jänner 2007 in Kraft.“

34. In § 63 wird folgender Absatz 11 angefügt:

„(11) § 46 Abs. 1 und 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XX/2015 tritt mit 1. Juli 2012, die §§ 1 Z 5, 5 Z 6a und 11, 7 Abs. 3, 8 Abs. 3a und 4, 14, 15 Abs. 1, 17a Abs. 1 bis 3, 19 Abs. 1 und 2, 27 Abs 1 Z 2, 33 Abs. 1, 2 und 3, 35 Abs. 1, 1a, 1b und 3a, 35a Abs. 1 bis 3, 43 Abs. 1, 44 Abs. 2, 46a Abs. 2 und 3, 47 Abs. 3 und 4, 49 Abs. 1, 50 Abs. 1 und 2 und 52 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XX/2015 treten mit 1. Jänner 2016 in Kraft.“

35. Der Inhalt des bisherigen Art. IX Abs. 4 wird in einen neuen § 64 aufgenommen; dieser erhält die Bezeichnung § 64. sowie die Überschrift:

„Übergangsbestimmungen zu Änderungen der sachlichen Zuständigkeit und der Gerichtszusammensetzung“

36. Nach § 64 wird folgender § 66 samt Überschrift angefügt:

„Vollziehung

§ 66. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Justiz betraut.“

37. Art. VIII Abs. 5 bis 8, die Überschrift von Art. VIII „Artikel VIII Inkrafttreten“, Art. IX Abs. 1a und 7, die Überschrift von Art. IX „Artikel IX Übergangs- und Schlussbestimmungen“ sowie Art. X werden aufgehoben.

Artikel 2

Änderung des Strafgesetzbuches

Das Strafgesetzbuch, BGBl. Nr. 60/1974, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. xx/2015, wird wie folgt geändert.

38. § 36 StGB lautet:

§ 36. Für eine Person, die zur Zeit der Tat das einundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat, gelten die in § 19 Abs. 1 JGG vorgesehenen Strafdrohungen.

39. § 46 Abs. 3 entfällt.

Artikel 3

Inkrafttreten

Art. 2 dieses Bundesgesetzes tritt mit 1. Jänner 2016 in Kraft.

Artikel 4

Änderung des Bewährungshilfegesetzes

Das Bundesgesetz vom 27. März 1969 über die Bewährungshilfe, BGBl. Nr. 146/1969, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 13/2015, wird wie folgt geändert.

40. Der bisherige Abschnitt „ACHTER ABSCHNITT“ wird in „NEUNTER ABSCHNITT“ umbenannt, und nach § 29d wird folgender § 29e samt Überschrift eingefügt:

„ACHTER ABSCHNITT

Sozialnetzkonferenz

§ 29e. In im Gesetz näher bezeichneten Fällen kann eine Sozialnetzkonferenz durchgeführt werden, die darauf abzielt, das soziale Umfeld eines Beschuldigten, Angeklagten oder Verurteilten bei der Überwindung seiner Krise und der Bearbeitung seiner Konflikte einzubinden und ihm dabei zu einer Lebensführung zu verhelfen, die diesen in Zukunft von der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen abzuhalten vermag.“

41. In § 30 wird nach Abs. 9 folgender Abs. 10 angefügt:

„(10) § 29e in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XX/2015 tritt mit 1. Jänner 2016 in Kraft.“

Artikel 5

Bundesgesetz zur Tilgung von Verurteilungen nach §§ 129 I, 129 I lit. b, 500 oder 500a Strafgesetz 1945 sowie §§ 209 oder 210 Strafgesetzbuch

ERSTER ABSCHNITT

Allgemeine Bestimmungen

§ 1. Gerichtliche Verurteilungen nach § 129 I lit. b in Verbindung mit § 130 Strafgesetz 1945, ASlg. Nr. 2, § 129 I in Verbindung mit § 130 Strafgesetz 1945 in der Fassung BGBl. Nr. 273/1971, § 500 Strafgesetz 1945 in der Fassung BGBl Nr. 273/1971, § 500a Strafgesetz 1945 in der Fassung BGBl Nr. 273/1971, § 209 Strafgesetzbuch (StGB) in der Fassung BGBl. Nr. 60/1974, § 209 Strafgesetzbuch in der Fassung BGBl Nr. 599/1988, § 210 Strafgesetzbuch in der Fassung BGBl. Nr. 60/1974, sind auf Antrag durch gerichtlichen Beschluss zu tilgen, wenn das der Verurteilung zugrunde liegende Verhalten nicht mehr strafbar ist.

§ 2. Die Tilgung nach § 1 erfolgt unabhängig davon, ob andere Verurteilungen vorliegen. Sind in einer Verurteilung Straftaten nach § 1 mit Straftaten anderer Art gemäß § 28 StGB zusammengetroffen, bleiben die Schuldsprüche wegen dieser von der Tilgung unberührt. Die Höhe der verhängten Strafe ist diesfalls in sinngemäßer Anwendung der §§ 31a Abs. 1 StGB, 410 der Strafprozessordnung, BGBl. Nr. 631/1975, herabzusetzen. Ansprüche auf Entschädigung erwachsen aus dieser Herabsetzung nicht.

§ 3. Eine Tilgung nach § 1 hindert die Tilgung anderer Verurteilungen nicht. Sie darf jedoch nicht zu einer Verlängerung der Tilgungsfrist oder anderen tilgungsrechtlichen Nachteilen führen. In solchen Fällen wirkt die Verurteilung tilgungsrechtlich so weiter, als wäre sie nicht getilgt.

§ 4. Das Tilgungsgesetz 1972, BGBl. Nr. 68/1972, insbesondere dessen § 1 Abs. 2 bis 6, gilt sinngemäß.

§ 5. (1) Für die verurteilte Person günstigere Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Das Strafregisteramt der Landespolizeidirektion Wien ist ermächtigt, zur Vermeidung von tilgungsrechtlichen Schlechterstellungen im Sinne der §§ 3 und 4 Dokumentationen vorzunehmen, denen keine gerichtlichen Entscheidungen zugrunde liegen. Eine Herabsetzung der Strafe nach § 2 dritter Satz ist so zu dokumentieren, dass sie keinen Hinweis auf diesen Vorgang ermöglicht.

ZWEITER ABSCHNITT

Verfahren

Zuständigkeit

§ 6. (1) Über die Tilgung einer Verurteilung nach § 1 und die Herabsetzung einer Strafe nach § 2 dritter Satz entscheidet der Einzelrichter des Landesgerichts, das in erster Instanz erkannt hat oder in dessen Sprengel das Gericht liegt oder lag, das in erster oder einziger Instanz entschieden hat.

(2) Ist über die Tilgung mehrerer Verurteilungen zu entscheiden, so erkennt jenes Gericht, das nach Abs. 1 für die Tilgung der letzten Verurteilung zuständig wäre.

Antragstellung

§ 7. (1) Die Tilgung erfolgt auf Antrag des Verurteilten, eines Angehörigen (§ 72 StGB) oder der Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft hat die Tilgung zu beantragen, wenn für den Verurteilten keine tilgungsrechtlichen Nachteile zu erwarten sind.

(2) Der Antrag hat die Verurteilung, dessen Tilgung begehrt wird, zu bezeichnen und das Vorliegen der Voraussetzungen einer Tilgung nach § 1 zu begründen.

(3) Die Herabsetzung einer Strafe nach § 2 dritter Satz erfolgt auf Antrag des Verurteilten oder eines Angehörigen. Übersteigt die verhängte Strafe die Strafe, die das Gesetz für die nicht von der Tilgung umfassten Straftaten im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB androht, ist sie auch von Amts wegen auf das angedrohte Höchstmaß herabzusetzen.

Verfahren und Beschlussfassung

§ 8. (1) Das Gericht entscheidet in nichtöffentlicher Sitzung.

(2) Die Staatsanwaltschaft ist vor der Beschlussfassung zu hören, sofern sie die Tilgung nicht selbst beantragt hat.

(3) Können Umstände, die für die Entscheidung über einen Tilgungsantrag wesentlich sind, weder aus Strafakten noch anderen öffentlichen Urkunden erhoben werden, so kann das Gericht die Tilgung aussprechen, wenn diese Umstände sonst hinreichend bescheinigt sind.

Beschwerde

§ 9. Gegen Beschlüsse über Tilgungsanträge oder Anträge auf Herabsetzung der Strafe nach § 2 dritter Satz kann die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte stets, ein Angehöriger jedoch nur dann eine Beschwerde erheben, wenn seinem Antrag nicht in vollem Umfang stattgegeben worden ist. Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung.

DRITTER ABSCHNITT

Schlussteil

Außerkrafttreten

§ 10. Dieses Bundesgesetz tritt nach Tilgung sämtlicher Verurteilungen nach § 129 I lit. b in Verbindung mit § 130 Strafgesetz 1945, ASlg. Nr. 2, § 129 I in Verbindung mit § 130 Strafgesetz 1945 in der Fassung BGBl. Nr. 273/1971, § 500 Strafgesetz 1945 in der Fassung BGBl Nr. 273/1971, § 500a Strafgesetz 1945 in der Fassung BGBl Nr. 273/1971, § 209 Strafgesetzbuch in der Fassung BGBl. Nr. 60/1974, § 209 Strafgesetzbuch in der Fassung BGBl Nr. 599/1988, § 210 Strafgesetzbuch in der Fassung BGBl. Nr. 60/1974, außer Kraft.

Vollziehung

§ 11. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Justiz, hinsichtlich § 6 Abs. 2 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Inneres, betraut.