Erläuterungen

In der vorliegenden Novelle werden folgende Neuerungen vorgesehen, die Großteils im Regierungsprogramm 2013-2018 unter dem Punkt „Maßnahmen, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern und den Bedürfnissen der betrieblichen Praxis entgegenkommen“ enthalten sind:

‑       Schaffung einer Arbeitszeitbandbreite bei der Elternteilzeit

‑       Schaffung eines "Zweiten Meldepunktes" für Elternkarenz

‑       Schaffung eines Karenzanspruchs für Pflegeeltern

‑       Einbeziehung von arbeitnehmerähnlichen freien Dienstnehmerinnen in die absoluten und individuellen Beschäftigungsverbote

‑       Kündigungs- und Entlassungsschutz bei Fehlgeburten

In kompetenzrechtlicher Hinsicht stützt sich der vorliegende Entwurf auf Art. 10 Abs. 1 Z 11 (Arbeitsrecht) und Art. 21 Abs. 2 B-VG (Arbeitnehmerschutz der Bediensteten in Betrieben der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände).

Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Mutterschutzgesetzes 1979):

Zu Z 1 und 3 (§ 1 Abs. 5, § 10 Abs. 8):

Freie Dienstnehmerinnen i.S. des § 4 Abs. 4 ASVG sind arbeitnehmerähnlich und daher bereits in vielen Bereichen den Arbeitnehmerinnen gleichgestellt. (Sozialversicherung, Arbeitslosenversicherung, ASchG, BMSVG, DNHG, IESG, ASGG, AK-Zugehörigkeit.) Auch wenn sich in den letzten Jahren gezeigt hat, dass diese Beschäftigungsgruppe immer weiter abnimmt, sollte zum Schutz dieser Frauen eine Anpassung auch im Rahmen des Mutterschutzes erfolgen.

Da diesen freien Dienstnehmerinnen bereits Wochengeld zusteht, soll nun auch im MSchG ein Freistellungsanspruch gem. § 3 sowie § 5 Abs. 1 und 3 geschaffen werden.

Zur Absicherung dieser Ansprüche soll freien Dienstnehmerinnen ein Motivkündigungsschutz zukommen. Das Verfahren im Rahmen der Anfechtungsklage soll jenem nach § 105 Abs. 5 und 7 ArbVG nachgebildet sein.

Nach ständiger Judikatur sind auf freie Dienstnehmerinnen jene arbeitsrechtlichen Vorschriften, insb. die §§ 1162 bis 1162d ABGB analog anwenden, die weder vom persönlichen Abhängigkeitsverhältnis der Dienstnehmerin ausgehen noch die sozial Schwächeren schützen sollen. Für den Fall, dass die Schwangere die Kündigung gegen sich gelten lässt, soll die Regelung des § 1162b erster Satz Anwendung finden.

Zu Z 2, 4 und 5 (§ 10 Abs. 1a und § 12 Abs. 1 und 3):

Da in der Vergangenheit immer wieder Arbeitsverhältnisse von Arbeitgebern bzw. Arbeitgeberinnen nach einer Fehlgeburt der Arbeitnehmerin gelöst wurden, soll nun den Frauen, insb. auch um die psychische Belastung möglichst gering zu halten, ein zeitlich begrenzter Schutz vor Kündigung und Entlassung zukommen. Der Kündigungs- und Entlassungsschutz beginnt mit der Fehlgeburt zu laufen und endet 4 Wochen danach, unabhängig davon, ob und wann die Meldung erfolgt. Zu möglichen Ansprüchen nach dem Gleichbehandlungsgesetz hat der OGH (27. 2. 2014, 8 Ob A 81/13i) festgehalten, dass eine Kündigung wegen der Annahme, eine Dienstnehmerin würde bald schwanger werden, eine unmittelbare Diskriminierung darstellt.

Zu Z 6 und 7 (§ 15 Abs. 3 und 4):

Wenn im unmittelbaren Anschluss an die Mutterschutzfrist der nicht unselbständig erwerbstätige Elternteil die Betreuung des Kindes übernimmt, kann nach derzeitiger Rechtslage später vom unselbständig erwerbstätigen Elternteil keine Karenz mehr angemeldet und angetreten werden. Dies deshalb, weil Karenz nur entweder im Anschluss an die Mutterschutzfrist oder im Anschluss an die Karenz des jeweils anderen unselbständig erwerbstätigen Elternteils angetreten werden kann. Nunmehr soll einem Elternteil die Inanspruchnahme der Karenz auch zu einem späteren Zeitpunkt ermöglicht werden, sofern der andere Elternteil keinen Karenzanspruch hat. Der Elternteil soll im zeitlichen Rahmen zwischen Ende der Schutzfrist und vollendetem 2. Lebensjahr des Kindes das Recht haben, die Karenz nach MSchG spätestens drei Monate vor dem geplanten Antritt bekannt zu geben und in Anspruch zu nehmen.

Zu Z 8 und 9 (§ 15c Abs. 1 und 3):

Pflegeeltern sind ein wichtiges soziales Netz, um Kindern ein stabiles Umfeld zu geben, die nicht in ihren eigenen Familien verbleiben können. Derzeit ist jedoch eine Karenz nur für jene Pflegeeltern möglich, die ein Kind in Adoptionsabsicht in unentgeltliche Pflege nehmen. Häufig ist jedoch eine Adoption nicht möglich. Da derzeit das Gesetz eine Karenz nur bei Adoptionsabsicht vorsieht, haben Pflegeeltern bei bloßer Pflegeübernahme keinen Anspruch auf Karenz. Daher muss derzeit zumeist ein Pflegeelternteil das Arbeitsverhältnis lösen, um sich dem Pflegekind bei der Übernahme verstärkt widmen zu können. Es wird daher ein Karenzanspruch geschaffen, jedoch soll dieser nur gelten, wenn aus der Übernahme der Pflege kein Entgelt bezogen wird. Daher sollen jene Pflegeeltern, die die Pflege eines Kindes im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses übernehmen und dafür Entgelt beziehen, keinen Karenzanspruch haben. Nicht unter den Entgeltbegriff zu subsumieren ist jedoch jeglicher Aufwandersatz für das Pflegekind, wie etwa für Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Schulangelegenheiten, Arztkosten usw. Auch der Bezug von Kinderbetreuungsgeld im Sinn des § 1 Z 2 KBGG steht der Karenz nicht entgegen, da dieses zwar einen Ersatz für das Erwerbseinkommen darstellt, aber kein unmittelbares Entgelt für die Übernahme eines Kindes in Pflege ist.

Zu Z 10 bis 16 (§ 15h Abs. 1, § 15i, § 15j, § 15k und § 15l ):

Das Regierungsprogramm sieht eine gewisse Bandbreite für die Arbeitszeitverkürzung im Rahmen der Elternteilzeit vor. Daher soll bei der Elternteilzeit die Arbeitszeitreduktion zumindest 20 vH der wöchentlichen Normalarbeitszeit betragen. Die Mindestarbeitszeit während der Elternteilzeit sollte mit zwölf Stunden pro Woche festgelegt werden. In § 15h wird daher neben den beiden bereits bestehenden Anspruchsvoraussetzungen die Bandbreite als dritter Anspruchstatbestand festgelegt. Diese Bandbreite soll auch für die vereinbarte Elternteilzeit gelten. Diese Regelungen sollen sinngemäß auch für die einmalige Änderungsmöglichkeit (§ 15j Abs. 5 und 6) der Basisvereinbarung der Elternteilzeit Anwendung finden.

Kommen jedoch die Vertragsparteien überein, ein Ausgestaltungsmodell der Teilzeit außerhalb der Bandbreite zu vereinbaren, sollen auf Grund dieser Willensübereinstimmung die Bestimmungen über die Elternteilzeit Anwendung finden.

Da ein Teilzeitmodell außerhalb der Bandbreite ausschließlich auf Grund einer Übereinkunft der Vertragsparteien zustande kommen kann, kann ein solches Ausgestaltungsmodell nie Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein. Daher kann einem gerichtlichen Verfahren nur eine fehlende Einigung über die Ausgestaltung innerhalb der Bandbreite zugrunde liegen.

Zu Artikel 2 (Änderung des Väter-Karenzgesetzes):

Zu Z 1 (§ 1 Abs. 1a):

Mit Erkenntnis vom 10.12.2013, G 16/2013, G 44/2013, hob der Verfassungsgerichtshof (VfGH) Teile des Fortpflanzungsmedizingesetzes (FMedG) auf. Die Möglichkeiten medizinisch unterstützter Fortpflanzung sollen – dem Erkenntnis des VfGH folgend – miteinander in eingetragener Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft lebenden Frauen offen stehen. Mit § 144 Abs. 2 und 4 ABGB werden einer Frau, deren Lebensgefährtin oder eingetragene Partnerin durch medizinisch unterstützte Fortpflanzung schwanger wird, die Rechte und Pflichten eines Elternteiles eingeräumt. Demgemäß sollen diesen Frauen, auf der Regelung des § 144 ABGB fußend, auch die Möglichkeiten der Elternkarenz nach dem VKG offen stehen. Diese Erweiterung des Geltungsbereiches des VKG ist insbesondere im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 2000/78/EG des Rates zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf vom 27. November 2000 geboten.

Zu Z 2 (§ 2 Abs. 5):

Ist ein Elternteil nicht unselbständig erwerbstätig und wird im unmittelbaren Anschluss an die fiktive Mutterschutzfrist keine Karenz in Anspruch genommen, kann nach derzeitiger Rechtslage später keine Karenz mehr angemeldet und angetreten werden. Dies deshalb, weil Karenz nur entweder im Anschluss an die (fiktive) Mutterschutzfrist oder im Anschluss an die Karenz des jeweils anderen Elternteils angetreten werden kann. Nunmehr soll einem Elternteil die Inanspruchnahme der Karenz auch zu einem späteren Zeitpunkt ermöglicht werden, sofern der andere Elternteil keinen Karenzanspruch hat. Der Elternteil soll im zeitlichen Rahmen zwischen Ende der Schutzfrist und vollendetem 2. Lebensjahr des Kindes das Recht haben, die Karenz nach VKG spätestens drei Monate vor dem geplanten Antritt bekannt zu geben und in Anspruch zu nehmen.

Zu Z 3 und 4 (§ 5 Abs. 1, 4 und 5):

Siehe die Erläuterungen zu Artikel 1 Z 8 und 9

Zu Z 5 bis 11 (§ 8 Abs. 1, § 8a, § 8b Abs. 2, 5, 6 und 10, § 8c Abs. 1 und § 8d Abs. 1):

Siehe Erläuterung zu Artikel 1 Z 10 bis 16.

Zu Artikel 3 (Änderung des Angestelltengesetzes)

Zu Z 1 (§ 8 Abs. 4):

Der Wochengeldanspruch (eine Leistung aus der Krankenversicherung aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft, der mit Beginn des Beschäftigungsverbotes einsetzt) setzt grundsätzlich eine zu diesem Zeitpunkt bestehende Krankenversicherung voraus, wobei eine solche auch durch den Bezug von Kinderbetreuungsgeld gegeben ist. Wurde das Kinderbetreuungsgeld bereits ausgeschöpft, dann kann sich für ein Folgekind, für das die Mutterschutzfrist noch während der Karenz für das erste Kind ausgelöst wird, nur dann ein Wochengeldanspruch ergeben, wenn die Schutzfristklausel des § 122 Abs. 3 ASVG greift. Voraussetzung dafür ist, dass 32 Wochen vor Eintritt des Versicherungsfalls (= Beginn der achten Woche vor der voraussichtlichen Entbindung) noch eine durchgehend mindestens 13 Wochen bzw. drei Kalendermonate andauernde Pflichtversicherung in der Krankenversicherung bestand und keine schädliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses erfolgt. Um den/die Arbeitgeber/in – deren Entgeltfortzahlungspflicht ebenso wie die Verpflichtung der Arbeitnehmerin während der Karenz ruht – zu entlasten, soll der Anspruch auf das Entgelt gem. § 8 Abs. 4 AngG während der sechs Wochen nach der Entbindung nur insoweit bestehen, als der Arbeitnehmerin kein Wochengeld, Krankengeld oder Kinderbetreuungsgeld zukommt.

Da weibliche Angestellte aufgrund ihres bestehenden Arbeitsverhältnisses auch dem Mutterschutzgesetz 1979 und somit den Bestimmungen über das Beschäftigungsverbot nach der Entbindung unterliegen, können die derzeit geltenden Regelungen des § 8 Abs. 4 erster Satz zweiter Halbsatz entfallen.