Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Hauptgesichtspunkt des Entwurfs:

Die Sonderbestimmungen des § 19a Arbeitszeitgesetz (AZG) bzw. § 21 Arbeitsruhegesetz (ARG) betreffend Apotheken entspricht zwar weitgehend der Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (im Folgenden: Arbeitszeit-RL), ABl. L 299 vom 18.11.2003, S. 9, muss aber in einigen Punkten an die Auslegung durch den EuGH angepasst werden.

Damit soll ein Gleichklang mit den Anstaltsapotheken in den entsprechenden Punkten erreicht werden, für die eine Anpassung mit der KA-AZG-Novelle BGBl. I Nr. 76/2014 bereits erfolgt ist.

Die Europäische Kommission hatte mit Schreiben vom 21. Februar 2014 Österreich aufgefordert, die Unionsrechtskonformität im Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz (KA-AZG), das auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Anstaltsapotheken gilt, ua. in folgenden Bestimmungen herzustellen:

‑       Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 60 Stunden bei Vorliegen von Arbeitsbereitschaft widerspricht Art. 6 iZm Art. 2 der Arbeitszeit-RL, wonach 48 Stunden durchschnittliche Wochenarbeitszeit nicht überschritten werden dürfen.

‑       Die Ausgleichsruhezeit für verlängerte Dienste gemäß § 19a Abs. 5 AZG muss sofort genommen werden.

‑       Die vorgesehene Möglichkeit der finanziellen Abgeltung der Ersatzruhe in Sonderfällen gemäß § 21 Abs. 2 Z 3 ARG widerspricht Art. 5 der Arbeitszeit-RL.

Mit diesem Entwurf wird wie bei den Anstaltsapotheken auch bei den übrigen Apotheken Unionrechtskonformität im Lichte der EUGH-Rechtsprechung hinsichtlich der angeführten Gesetzesbestimmungen hergestellt. Gleichzeitig wird die Dienstdauer auf 25 Stunden für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer etappenweise verkürzt.

Der Inkrafttretenstermin wird mit 1. Jänner 2018 festgelegt, damit die mit Verordnungen der Bezirksverwaltungsbehörden festgelegten Bereitschaftsdienste für Apotheken in ausreichender Zeit angepasst werden können.

Kompetenzgrundlage:

Die Zuständigkeit des Bundes gründet sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 11 B–VG.

Vereinbarung über den Konsultationsmechanismus BGBl. I Nr. 35/1999:

Dieses Gesetz unterliegt nicht der Vereinbarung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden über einen Konsultationsmechanismus und einen künftigen Stabilitätspakt der Gebietskörperschaften, BGBl. I Nr. 35/1999, weil die Novelle keine finanziellen Auswirkungen auf die Gebietskörperschaften hat und nur notwendige Anpassungen an das EU-Recht enthält.

Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des AZG)

Zu Z 1 (§ 9 Abs. 5 Z 4)

Es erfolgt eine Zitatanpassung an die geänderte Regelung des § 19a AZG, da nur mehr in Z 4 eine über 48 Stunden hinausgehende Arbeitszeitgrenze bis zum 31. Dezember 2019 zulässig ist.

Zu Z 2 (Überschrift zu § 19a AZG, § 19a Abs. 6 bis 9)

Es erfolgen geschlechtsneutrale Formulierungen.

Zu Z 3 (§ 19a Abs. 1 bis 2d AZG)

Nach wie vor gelten die Ausnahmebestimmungen des § 19a AZG auf Kollektivvertragsebene und nur für Apothekenleiterinnen und Apothekenleiter bzw. für allgemein berufsberechtigte Apothekerinnen und Apotheker. Für das übrige in Apotheken beschäftigte Personal gelten die allgemeinen Bestimmungen des AZG.

In Abs. 1 erfolgt eine Anpassung an das geltende Apothekengesetz.

Eine Änderung der in Abs. 2 angeführten Arbeitszeitregelungen war aufgrund der ständigen Rechtsprechung des EUGH notwendig: Art. 2 der Arbeitszeit-RL definiert Arbeitszeit als jede Zeitspanne, während der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeiten, den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern zur Verfügung stehen und ihre Tätigkeit ausüben oder Aufgaben wahrnehmen. Ruhezeit wird definiert als jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit.

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH sind Bereitschaftszeiten, bei denen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Arbeitsplatz physisch anwesend sein müssen, als Arbeitszeit und nicht als Ruhezeit zu betrachten (Rechtssachen C‑303/98, Sindicato de Médicos de Asistencia Pública (Simap)/Conselleria de Sanidad y Consumo de la Generalidad Valenciana, Slg. 2000, 1‑7963; C‑l51/02, Landeshauptstadt Kiel/Norbert Jaeger, Slg. 2003, 1‑8389; C‑14/04, Abdelkader Dellas u. a./Premier ministre and Ministre des Affaires sociales, du Travail et de la Solidanté, Slg. 2005, 1‑10253). Das betrifft auch Zeiten der Arbeitsbereitschaft.

Die wöchentliche – durchschnittliche – Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum darf gemäß Art. 6 der Arbeitszeit-RL einschließlich der Überstunden 48 Stunden nicht überschreiten, was nach dem bisherigen §19a AZG nicht vorgesehen war und jetzt erfolgt.

In Z 1 wird die bereits für Anstaltsapotheken geltende Herabsetzung auf 25 Stunden für verlängerte Dienste auch für die übrigen Apotheken umgesetzt, wobei die Herabsetzung etappenweise erfolgt: gemäß Z 2 können Dienste bis zum 31. Dezember 2019 so wie bisher bis zu 32 Stunden verlängert werden. Die Zulassung von weiteren 2 Stunden für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die an beiden Tagen des verlängerten Dienstes einen Bereitschaftsdienst während der Mittagssperre leisten, entspricht der bisherigen Z 1.

In Z 3 wird ausdrücklich die von Art. 6 Arbeitszeit-RL festgelegte durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeitgrenze mit 48 Stunden festgesetzt, wobei der bisherige Durchrechnungszeitraum von 13 auf 17 Wochen wie bei den Anstaltsapotheken angehoben wurde. Auch dies erfolgt etappenweise: bis zum 31. Dezember 2019 ist eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit in Apotheken, die nach den apothekenrechtlichen Vorschriften mindestens 60 Bereitschaftsdienste pro Kalenderjahr leisten müssen, gemäß Z 4 erlaubt.

Art. 22 Arbeitszeit-RL lässt eine Abweichung unter bestimmten Voraussetzungen zu. Wichtigste Voraussetzung ist, dass jede Überschreitung der durchschnittlich 48 Stunden nur mit individueller Zustimmung der einzelnen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zulässig sein kann.

Diese individuelle Zustimmung wird für die Übergangszeit in den Abs. 2a bis 2d vorgesehen:

Diese Zustimmung muss gem. Abs. 2a schriftlich erfolgen und darf grundsätzlich nicht im Zusammenhang mit der Begründung des Arbeitsverhältnisses stehen.

Die nur in Apotheken übliche Bestellung von betriebsfremden Apothekerinnen und Apothekern, die äußerst kurzfristig für den Fall der Verhinderung aufgrund der öffentlich-rechtlichen Betriebspflicht von Apotheken erfolgen muss und im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erfolgt, wird eine Ausnahme gemacht, da diese Arbeitsverhältnisse oft nur für eine paar Tage oder eine Woche abgeschlossen werden.

Die Zustimmung kann gem. Abs. 2b nach einer Vorankündigungsfrist von acht Wochen für den nächsten Durchrechnungszeitraum schriftlich widerrufen werden, sofern der Durchrechnungszeitraum 17 Wochen beträgt. Bei über 17-wöchigen Durchrechnungszeiträumen kann auch während eines Durchrechnungszeitraumes ein Widerruf erfolgen, allerdings immer nur ab dem nächsten 17 Wochenzeitraum und solange keine anderslautende Willenserklärung erfolgt, sodass eine gewisse Dienstplansicherheit gegeben ist, die sowohl im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber liegt.

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ihre Zustimmung nicht erteilen oder widerrufen haben, dürfen Abs. 2c von den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern gem. nicht benachteiligt werden. Ein Benachteiligungsverbot bei den Entgeltbedingungen bedeutet, dass z.B. Zulagen nicht gänzlich vorenthalten werden dürfen, sondern jedenfalls aliquot gewährt werden müssen.

Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber haben gem. Abs. 2d ein aktuelles Verzeichnis der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu führen, die einer Verlängerung der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit schriftlich zugestimmt haben. Dieses Verzeichnis ist gemäß § 8 Abs. 1 und 3 Arbeitsinspektionsgesetz auf Verlangen der Arbeitsinspektion vorzulegen und zu übermitteln. Bei Widerruf ist die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer aus dem Verzeichnis zu streichen. Diesem Verzeichnis sind Ablichtungen der Zustimmungserklärungen beizulegen.

Zu 4 (§ 19a Abs. 4 erster Satz AZG):

Es erfolgt eine Anpassung der Ruhepausenregelung an die Begrenzung der verlängerten Dienste auf 25 Stunden täglich.

Zu Z 5 (§ 19a Abs. 5 erster Satz AZG):

Gemäß Art. 3 der Arbeitszeit-RL treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern pro 24-Stunden-Zeitraum eine Mindestruhezeit von elf zusammenhängenden Stunden gewährt wird.

Art. 17 Abs. 2 der Arbeitszeit-RL sieht Abweichungsmöglichkeiten von Art. 3, 4 und 5 vor, sofern die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gleichwertige Ausgleichsruhezeiten oder in Ausnahmefällen, in denen die Gewährung solcher gleichwertigen Ausgleichsruhezeiten aus objektiven Gründen nicht möglich ist, einen angemessenen Schutz erhalten. Solche Abweichungsmöglichkeiten sind im Rahmen des Art. 17 Abs. 3 zulässig, wobei unter lit. c i Tätigkeiten angeführt sind, die dadurch gekennzeichnet sind, dass die Kontinuität des Dienstes oder der Produktion gewährleistet sein muss.

Auch Art. 18 der Arbeitszeit-RL sieht Abweichungsmöglichkeiten von Art. 3, 4, 5, 8 und 16 durch Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarung nur vor, wenn die betroffenen Dienstnehmer/Dienstnehmerinnen gleichwertige Ausgleichsruhezeiten oder in Ausnahmefällen, in denen die Gewährung solcher Ausgleichsruhezeiten aus objektiven Gründen nicht möglich ist, einen angemessenen Schutz erhalten.

Nach Rechtsprechung des EUGH (Rechtssache C‑l51/02, Jaeger, a.a.O., Randnr. 94) müssen sich gleichwertige Ausgleichsruhezeiten bei entgangener täglicher Ruhezeit „unmittelbar an die Arbeitszeit anschließen, deren Ausgleich sie dienen, um eine Ermüdung oder Überlastung des Arbeitnehmers durch die Kumulierung aufeinanderfolgender Arbeitsperioden zu verhindern“.

Der geltende § 19a Abs. 5 AZG legt fest, dass bei verlängerten Diensten von mehr als 13 Stunden eine Ruhezeit um jenes Ausmaß, um das der verlängerte Dienst 13 Stunden überstiegen hat, mindestens jedoch jeweils um elf Stunden zu verlängern ist, wobei diese Ausgleichsruhezeit innerhalb der nächsten 13 Kalenderwochen und nicht sofort erfolgen muss.

Nachdem ein Ausgleich für entgangene tägliche Ruhezeiten erst nach 13 Kalenderwochen und nicht „unmittelbar“ erfolgen muss, widerspricht diese Bestimmung – auch nach Auffassung der Kommission – Art. 3 der Arbeitszeit-RL und wird daher in Abs. 5 erster Satz geändert.

Zu Z 6 (§ 19a Abs. 7 AZG)

Hinsichtlich der Ruferreichbarkeit erfolgt eine Anpassung an die bestehenden apothekenrechtlichen Vorschriften insofern, als mittlerweile nicht nur im Zusammenhang mit § 8 Abs. 3 Apothekengesetz Ruferreichbarkeiten zugelassen werden können, sondern auch im Konnex mit § 8 Abs. 2 und Abs. 5a Apothekengesetz. Nur dann, wenn eine Ruferreichbarkeit durch diese Normen ermöglicht worden ist, kommt Abs. 7 zur Anwendung und regelt, wie oft eine Dienstnehmerin bzw. ein Dienstnehmer zu einem Bereitschaftsdienst in Ruferreichbarkeit herangezogen werden darf.

Zu Artikel 2 (Änderung des ARG)

Zu Z 1 (§ 21 Abs. 1 ARG)

Es erfolgt eine Anpassung an das geltende Apothekengesetz.

Zu Z 2 (Entfall § 21 Abs. 2 Z 3 ARG)

Gemäß Art. 5 der Arbeitszeit-RL treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit allen Dienstnehmern/Dienstnehmerinnen pro Siebentageszeitraum eine kontinuierliche Mindestruhezeit von 24 Stunden zuzüglich der täglichen Ruhezeit von elf Stunden gemäß Art. 3 gewährt wird. Wenn objektive, technische oder arbeitsorganisatorische Umstände dies rechtfertigen, kann eine Mindestruhezeit von 24 Stunden gewählt werden.

Gemäß § 3 Arbeitsruhegesetz (ARG) haben Dienstnehmer/Dienstnehmerinnen in jeder Kalenderwoche Anspruch auf eine ununterbrochene Ruhezeit von 36 Stunden.

Gemäß § 21 ARG kann die wöchentliche Ruhezeit weniger als 36 Stunden betragen oder in einzelnen Wochen ganz entfallen, sofern in einem kollektivvertraglich bestimmten Zeitraum die durchschnittliche Ruhezeit von 36 Stunden erreicht wird, wobei nur mindestens 24-stündige Ruhezeiten zur Berechnung herangezogen werden dürfen.

Gemäß § 21 Abs. 2 Z 3 ARG kann in Ausnahmefällen zur Aufrechterhaltung der Arzneimittelversorgung eine finanzielle Abgeltung der Ersatzruhe vorgesehen werden.

Die Kommission hält diese Bestimmung für nicht vereinbar mit Art. 5 iZm Art. 18, da der EuGH bereits im Zusammenhang mit Art. 17 entschieden hat, dass es „nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen zulässig ist, dass Dienstnehmern einen anderen angemessenen Schutz erhalten, weil die Gewährung gleichwertiger Ausgleichsruhezeiten aus objektiven Gründen nicht möglich ist“ (Rechtssache C‑l51/02, Jaeger, a.a.O., Randnr. 98).

Der EuGH führt aus: Die Vorschriften für Mindestruhezeiten sind „besonders wichtige Regeln des Sozialrechts der Gemeinschaft, die jedem Dienstnehmer als ein zum Schutz seiner Sicherheit und Gesundheit bestimmter Mindestanspruch zugutekommen müssen“, und daher ergibt sich, „dass die in der Richtlinie vorgesehenen täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten den Dienstnehmern tatsächlich zur Verfügung stehen müssen“ (Rechtssache C‑484/04, Kommission der Europäischen Gemeinschaften/Vereinigtes Königreich Großbritannien und Irland, Slg 2006, I‑7471, Randnr. 38 und 39).

Die Kommission ist daher der Auffassung, dass eine finanzielle Abgeltung ‑ wenn auch nur für Ausnahmefälle ‑ nicht als ausreichender „anderer Schutz“ zu betrachten ist, da es Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht ermöglicht wird, zu ruhen und sich zu erholen.

Somit ist § 21 Abs. 2 Z 3 ARG nicht mit Art. 5 der Arbeitszeit-RL vereinbar und musste angepasst werden.