98/PET XXV. GP

Eingebracht am 31.01.2017
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Petition

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Doris Bures

Parlament

1017

 

 

 

 

Betreff: Petition bezüglich den Vorschlag für ein Bundesverfassungsgesetz betreffend den Schutz

der Rechte künftiger Generationen

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Gemäß § 100 Abs. 1 GOG-NR überreiche ich die Petition bezüglich den Vorschlag für ein Bundesverfassungsgesetz betreffend den Schutz der Rechte künftiger Generationen mit dem Ersuchen um geschäftsordnungsmäßige Behandlung.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Wolfgang Pirklhuber

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

DER GRÜNE KLUB IM PARLAMENT . 1017 WIEN . ÖSTERREICH

 

 

 

 

 

Vorschlag für ein Bundesverfassungsgesetz

betreffend den Schutz der Rechte künftiger Generationen

Im Herbst 1897 hat Dr. Josef Greiter seine Rechtsanwaltskanzlei eröffnet. 1926 trat sein Sohn Dr. Franz Greiter in die Kanzlei ein. 1971 trat sein Enkel Dr. Ivo Greiter in die Kanzlei ein, in der nunmehr die Rechts­anwälte Dr. Ivo Greiter, Dr. Franz Pegger, Dr. Stefan Kofler, Dr. Christian Zangerle, Dr. Norbert Rinderer und Dr. Herwig Frei gemeinsam den Anwaltsberuf ausüben.

Aus Anlaß des 100-jährigen Jubiläums der Kanzleigründung treten die Unterfertigenden hiemit an den Herrn Bundesminister für Justiz, Dr. Nikolaus Michalek, mit dem Ersuchen heran, den folgenden Entwurf eines Bundesverfassungsgesetzes betreffend den Schutz der Rechte künftiger Generationen an die zuständigen Organe weiterzuleiten, damit der Entwurf des Gesetzesvorschlages im Nationalrat einge­bracht werden kann.

Der Text des vorgeschlagenen Verfassungsgesetzes lautet wie folgt:

Bundesverfassungsgesetz vom ...

betreffend den Schutz der Rechte künftiger Generationen

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

§ 1. (1) Die Republik Österreich (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich zum Schutz der Rechte künftiger Generationen.

(2)        Der Schutz der Rechte künftiger Generationen besteht in der Erhaltung und Verbesserung von Rahmenbedingungen, die auch das Leben künftiger Generationen in einer lebenswerten Welt sichern.

(3)       Dazu zählen für künftige Generationen insbesondere

das Recht auf ein künstlich nicht manipuliertes menschliches Erbgut und das Recht auf angemessene Vorräte nicht erneuerbarer Rohstoffe.

(4)        Das bedeutet für jede Generation die Verpflichtung, diese Rechtsgüter zu schützen, zu bewahren und weiterzugeben sowiemitAbfällen verantwortungsvoll umzu­gehen und Schäden zu vermeiden, die nicht mehr oder nur mit einem unverhältnis­mäßigen Aufwand beseitigt werden können.

§ 2. Mit der Vollziehung dieses Bundesverfassungsgesetzes werden Bund, Länder und Gemeinden betraut.

*

 


Der Text für den Entwurf dieses Bundesverfassungsgesetzes wurde in Zusammenarbeit mit den folgenden Fachleuten erstellt:

Dr. Heinz Barta Universitätsprofessor an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck

Prof. Paul Flora

Innsbruck, Zeichner

Dr. Karl Kohlegger

Präsident des OLG Innsbruck i. R.

Präsident des Österreichischen Juristentages bis 1993

Mag. Hans Neuner

Direktor der Caritas Innsbruck

Dr. Helmut Pechlaner

Direktor des Tiergartens Schönbrunn

Claus Reitan

Chefredakteur der Tiroler Tageszeitung

Mag. Helmut Schüller

Präsident der Caritas Österreich bis 1995

Dr. Christian Smekal

Rektor der Leopold-Franzens- Universität Innsbruck

*

Erläuterungen

a)             Die menschliche Existenz auf der Erde umfaßt 3 Phasen:

-      die lebenden Menschen

-      die verstorbenen Menschen

-      die zukünftigen Menschen.

b)             Unsere Rechtsordnung schützt derzeit vorwiegend die Rechte lebender Menschen.

Sie schützt aber auch fallweise die Rechte verstorbener Menschen, so zum Beispiel durch Respek­tierung des letzten Willens Verstorbener, durch den Schutz der Totenruhe oder durch den Schutz der Ehre Verstorbener.

Ein Schutz der Rechte zukünftiger Menschen auf Leben in einer lebenswerten und menschen­würdigen Existenz fehlt aber bisher in unserer Rechtsordnung.

c)              Wir sind aber auch verantwortlich für zukünftige Menschen und Generationen. Diesen Genera­tionen eine Garantie für ihre Existenz und ihre Lebenschancen einzuräumen, erscheint heute in besonderer Weise nötig.

Dies insbesondere deshalb, weil unsere Generationen erstmals in der Geschichte der Menschheit in der Lage ist. Mensch und Natur mit Wirkung für alle zukünftigen Generationen, also auf Jahr­tausende hinaus zu verändern.

 


d)             Die Zukunft unseres Planeten und des Menschen erscheint aus vielfachen Gründen bedroht: aus technischen, ökologischen, sozialen, wirtschaftlichen und politischen Gründen.

Deshalb kommt auch dem Schutz des nicht manipulierten menschlichen Erbgutes besondere Bedeutung zu. Darüberhinaus ist aber auch tierisches und pflanzliches Erbgut in seiner natürlichen Substanz zu erhalten.

Es ist deshalb eine wahrnehmbare Schranke einzurichten, an der Pläne, Maßnahmen und Entwick­lungen in Politik, Wirtschaft und Forschung auf ihre Zukunftstauglichkeit hin kritisch geprüftwerden können. Dies erscheint als ein Gebot der Stunde.

e)              Die Rechte künftiger Generationen zu sichern, ist somit eine rechtspolitisch bedeutsame Aufgabe. Die Bereitschaft, unseren Kindern und Kindeskindern die Chance auf ein menschwürdiges Leben zu sichern, bedeutet für die Lebenden, also für uns alle, die Übernahme von Verantwortung und pflichten.

f)        Künftig geht es darum, daß wir unsere Bedürfnisse befriedigen, ohne dabei die berechtigten Erwartungen und Chancen künftiger Generationen zu mindern.

Die dafür nötigen Gesetze müssen aber zum Teil erst geschaffen werden. Sie sollen es ermöglichen, künftiges Handeln auch an den Interessen künftiger Generationen zu orientieren.

g)       Das vorgeschlagene Verfassungsgesetz ist auch dann sinnvoll, wenn es kein direkt einklagbares Recht enthält. Die aus vielen kleinen Schritten, aus einzelnen Maßnahmen und Gesetzen sich erge­bende Fortentwicklung des Rechts verlangt als „Prozeß" nach einer grundsätzlichen Orientierung.

Um künftiges Handeln auch im Einzelfall zu leiten, braucht das Recht im Stufenbau unserer Rechts­ordnung „hochrangig" angesiedelte Wegweiser. Daher erscheint es wesentlich, solche grundsätz­lichen Aussagen als Wegweiser in der Bundesverfassung zu verankern.

h)             Mag auch der innerstaatliche Schutz heute längst nicht mehr ausreichen, um alle anstehenden Fragen befriedigend lösen zu können, so sind doch gerade nationale Regierungen verstärkt in der Lage, „Zeichen" zu setzen und sich damit zu einer Verantwortung zu bekennen, die über den einzelnen Staat und über die gegenwärtige Generation hinausreicht.

i)               Österreich hat sich bereits in der Vergangenheit in besonderer Weise in seinem Bundesverfassungs­gesetz vom 27. November 1984 (BGBI. 491/1984) zum umfassenden Umweltschutz bekannt. Diesen Weg der Verantwortlichkeit gilt es im Interesse künftiger Generationen fortzusetzen.

j)        Österreich wäre damit unseres Wissens der erste Staat, der sich in seiner Verfassung ausdrücklich und umfassend zum Schutz der Rechte künftiger Generationen bekennt. Österreich könnte damit weit über unser Land hinaus ein Zeichen setzen.

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DER PRÄSIDENT

DES VERFASSUNGSGERICHTSHOFES

Bei der vorliegenden Initiative zur Schaffung eines Bundesgesetzes zum Schutz der Rechte zukünftiger Generationen erhebt sich für mich die Frage nach der juristischen und der politischen Reichweite.

In grundsätzlicher Hinsicht hat die Initiative meine volle Zustimmung; auf verfassungspolitische Einzel­heiten möchte ich nicht zuletzt im Hinblick auf meine amtliche Funktion nicht eingehen.

Meine grundsätzliche Position begründe ich wie folgt:

Hans KELSEN, der Architekt der österreichischen Bundesverfassung, unterscheidet in seiner „Reinen Rechtslehre" scharf zwischen Rechtsanwendung und rechtswissenschaftlicher Interpretation, ebenso scharf zwischen Politik und Rechtswissenschaft.

 


Die Schaffung neuen Verfassungsrechts unter Einhaltung der von der geltenden Verfassung vorge­gebenen Regeln ist Rechtsanwendung. Aber niemand kann übersehen, daß auch bei der Rechtsan­wendung der rechtswissenschaftliche Standort des Handelnden eine wesentliche Rolle spielt. Und so spiegelt sich im österreichischen Verfassungsrecht das überaus nüchterne, technische Verfassungs­verständnis Hans KELSENs. Dieser war jedem in juristische Form gekleideten Pathos abhold. Seine „Reine Rechtslehre" ist soetwas wieeine Psychoanalyse des Rechts, und insofern sichereine beachtliche Leistung. Was bei diesem Stil des Verfassungsverständnisses auf der Strecke bleibt, sind Ideale und Visionen. Nicht als hätte KELSEN selbst keine solchen gehabt, aber er hat immer betont, sie seien etwas rein Subjektives. In Rechtstexten sind sie nach seiner Überzeugung nicht am Platz.

Das österreichische Verfassungsrecht im formellen Sinn ist unüberschaubar geworden; es gibt Hunderte von Verfassungsbestimmungen außerhalbder Verfassungsurkunde. Sie beweisen ein äußerst technisches, instrumentales Verfassungsverständnis. Gewiß wäre unangebracht, KELSEN für diese Sachlage verant­wortlich zu machen. Aber ein eisiger Hauch des Instrumentalen durchzieht auch die Reine Rechtslehre. Nicht ohne Grund natürlich, denn KELSEN war ein großer Ideologiekritiker, der pseudowissenschaftliche Aussagen als solche entlarven wollte. Doch Aspekte der Ordnung und der Rechtssicherheit genießen bei ihm wie bei allen Rechtspositivisten Vorrang vor nur relativ gesehenen Werten. Nochmals: KELSEN hat sich für seine Person sehr wohl zu solchen Werten bekannt, darin aber etwas rein Subjektives gesehen. Und so darf man es schon dem KELSEN'schen Rechtsverständnis zuschreiben, wenn das österreichische Verfassungsrecht sich näher zu mathematischen Formeln hin entwickelt hat als zu einem inhaltlich bestimmten Verfassungsbegriff.

Daß die österreichische Verfassung bis heute keinen geschlossenen autonomen Grundrechtskatalog aus­weist, hat viele Gründe, insbesondere auch solche weltanschaulicher Natur. Aber einer dieser Gründe liegt auch in der fast schon zwanghaften Ängstlichkeit mancher Experten davor, die zu schaffenden Grund­rechtsbestimmungen könnten zu unbestimmt oder zu floskelhaft sein. Hinter dieser Sorge können natür­lich auch handfeste politische Kalküle stecken.

Bei dieser Sachlage ist es meines Erachtens zu begrüßen, wenn die verfassungspolitische Diskussion völlig neue Impulse erhält, indem eine weit in die Zukunft weisende Grundrechtskonzeption vorgestellt wird. Daß diese Konzeption nicht frei von Problemen und Fragezeichen ist, sei nicht geleugnet.

Aber sie macht deutlich, daß auch das Verfassungsrecht (wie alles Recht) in erster Linie dazu da ist, dem Menschen und seinen vielfältigen Anliegen zu dienen. Gerade beim Verfassungsrecht wird das oft über­sehen, weil es zu einem guten Teil rein organisatorische und damit formale Bestimmungen enthält. Die Grundrechte aber gehören nicht dazu; Grundrechte als rein formales Recht zu betrachten, ist offen­sichtlich ganz unangebracht.

Nochmals: Die vorliegende Konzeption mag gesetzestechnische Probleme aufwerfen. Es ist aber gut, wenn der erforderliche Mut aufgebracht wird, um aus erstarrenden Konventionen auszubrechen.

(Dr. Ludwig Adamovich)

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Wir danken Herrn Präsident Univ.-Prof. Dr. Ludwig Adamovich sowie allen denen, die Ihre Erfahrung und Ihr Wissen für die gegenständliche Initiative eingebracht haben.

Innsbruck, im Herbst 1997

 

 

H.Frei         N.Rinderer           Ch.Zangerle                 S.Kofler              F.Pegger          I.Greiter