121/SBI XXV. GP

Eingebracht am 13.01.2016
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Logo Bundesministerium für GesundheitStellungnahme zu Bürgerinitiative

 

 

 

 

Parlamentsdirektion

Parlament

1017 Wien

Organisationseinheit:

BMG - I/A/15 (Ministerrat)

Sachbearbeiter/in:

Elke Wyschata

E-Mail:

elke.wyschata@bmg.gv.at

Telefon:

+43 (1) 71100-4894

 

Geschäftszahl:

BMG-11000/0065-I/A/15/2015

Datum:

12.01.2016

 

 

E-Mail:

NR-AUS-PETBI.Stellungnahme@parlament.gv.at

 

 

 

 

 

Bürgerinitiative Nr. 92 betr. das Recht von Kindern und Jugendlichen auf bestmögliche körperliche und seelische Gesundheit und Schutz vor Überverschreibung von Stimulanzien und anderen psychotropen Drogen

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

 

Unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 23. November 2015, GZ. 17010.0020/49-L1.3/2015, teilt das Bundesministerium für Gesundheit zu der im Betreff genannten Bürgerinitiative Folgendes mit:

 

Zunächst darf zum Einsatz von Psychopharmaka im Allgemeinen Folgendes festgehalten werden:

Unter den Begriff Psychopharmaka subsumiert man eine heterogene Gruppe von Medikamenten, die alle vorrangig auf die Funktion des Gehirns wirken.

Wie andere zugelassene und rezeptpflichtige Arzneimittel unterliegen sie strengen Zulassungskriterien, ehe sie auf den Markt kommen, daher handelt es sich um streng geprüfte und sichere Arzneimittel. Zu beachten ist allerdings, dass Psychopharmaka richtig und adäquat zum Einsatz kommen, sie werden in der Regel vom/von der Facharzt/-ärztin für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin bzw. Facharzt/-ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie verordnet und sollten evidenzbasiert und gemäß den Regeln des ärztlichen Ethos den medizinischen Indikationen folgend verschrieben werden.

Psychostimulanzien sollten nur in Verbindung mit anderen nicht medikamentösen therapeutischen Hilfen gegeben werden, jedenfalls ist aber die Verabreichung von Psychopharmaka der letzte Schritt in einer Beratungs- und Therapiekette. Dieser darf jedoch bei einem entsprechend gesichertem Bedarf nicht verteufelt oder verwehrt werden, da er oftmals eine notwendige und hilfreiche Unterstützung für die Lebensbewältigung Betroffener darstellt.

 

Zur Ätiologie von AD(H)S wird bemerkt, dass es sich dabei um eine phänomenologische Diagnose des Verhaltens handelt. Für die Entstehung des Krankheitsbildes wird eine multifaktorielle Genese verantwortlich gemacht, wobei eine genetisch-biologische, eine psychodynamische und eine soziogene Ebene zu beachten sind.

Eine Darstellung der Diagnosen und Differenzialdiagnosen, der Behandlung sowie der Ziele und Handlungsempfehlungen zu AD(H)S findet sich im ADHS Bericht des BMG (Juni 2013).

 

Laut einer Stellungnahme der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie aus dem Jahr 2014 zeichnet sich Österreich im europäischen Vergleich durch einen sehr vorsichtigen Einsatz von Psychopharmaka aus:

In Frankreich und in Österreich werden europaweit Kindern und Jugendlichen die wenigsten Psychopharmaka verschrieben. In der Schweiz erfolgt etwa die Verordnung von Methylphenidat siebenmal, in Deutschland viermal so häufig wie in Österreich. (Deshalb dürfen auch deutsche Medienberichte nicht unkritisch auf Österreich übertragen werden.)

 

Ungeachtet dessen sind alle Initiativen, die dazu beitragen, das Recht von Kindern und Jugendlichen auf die bestmögliche körperliche und seelische Gesundheit zu stärken und sie vor Überverschreibung von Stimulanzien und anderen psychotropen Drogen zu schützen, zu begrüßen. In diesem Zusammenhang ist auf die besondere Verantwortung der Obsorgeberechtigten sowie der die kritisierten Medikamente verschreibenden Ärztinnen und Ärzte hinzuweisen. Sollte eine klare Evidenz dafür bestehen, dass derartige Verordnungen von Medikamenten in systematischer Weise ohne medizinisch vertretbare Indikationsstellung erfolgen, könnten Überlegungen angestellt werden, die Verschreibbarkeit derartiger Heilmittel restriktiver zu gestalten (z.B. durch Chefarztpflicht oder Beschränkung der freien Verschreibbarkeit auf bestimmte Fachärztinnen/-ärzte).

 

Nicht unwesentlich ist auch in den Ausbildungen der Gesundheitsdienste-anbieter/innen auf entsprechendes Verhalten hinzuwirken. Exemplarisch wird auf zwei Richtlinien im Bereich der Psychotherapie verwiesen (siehe nachstehende Links). Es handelt sich um die Fort- und Weiterbildungsrichtlinie und die Richtlinie zur psychotherapeutischen Arbeit mit Säuglingen, Kindern und Jugendlichen, wo Kompetenzerwerb und Qualifizierung in der psychotherapeutischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen festgeschrieben ist.

 

http://bmg.gv.at/cms/home/attachments/7/0/5/CH1002/CMS1415709133783/fort-_und_weiterbildungsrichtlinie_-_stand_20_01_2015.pdf

 

http://bmg.gv.at/cms/home/attachments/7/0/5/CH1002/CMS1415709133783/richtlinie_psychotherapeutische_arbeit_saeuglinge_kinder_jugendliche.pdf

 

Auch auf die Zustimmungsregeln bei der Behandlung von Kindern in § 173 ABGB darf aufmerksam gemacht werden: mündige Minderjährige sind zwar weitgehend, aber nicht vollständig in medizinischen Angelegenheiten allein entscheidungsberechtigt.

 

Es darf angemerkt werden, dass im Rahmen des ELGA-Gesetzes im Bereich Medikation zum Schutz der gesundheitlichen Belange von Kindern und Jugendlichen wesentliche Vorarbeiten geleistet worden sind (§ 16a GTelG 2012), auf deren Grundlage das Thema zielführend weiter verfolgt werden könnte. Unnötige oder schädliche Heilmittelverordnungen könnten damit rasch erkannt bzw. vermieden werden.

 

 

 

 

Für die Bundesministerin:

Irene Peischl