Stellungnahme zur Bürgerinitiative betreffend:

die ökologische Ausrichtung und die soziale Absicherung der

Energiewende in Österreich.

Zum Wohlergehen der Menschen und zur Schonung von

Lebensräumen und Natur.

 

Wien 2. Juni 2017

 

Sehr geehrte Mitglieder des Petitionsausschusses!

 

Im Folgenden möchten wir ihnen unseren Standpunkt zu dieser Petition näherbringen. Wir haben uns auf jene Punkte konzentriert, die für den Ausbau erneuerbarer Energien die stärksten Auswirkungen haben.

 

1)    Demokratiepolitische Betrachtung

3200 Bürgerinnen äußern ihren Willen zu einer bestimmten Gesetzesänderung bzw. zu einem Paket an Rechtsänderungen. Dieser Wille kann dem Mehrheitswillen der Wahlberechtigten entsprechen oder eben auch nicht. Wie das Elektorat dazu denkt wäre entweder über Meinungsumfragen bzw. über Volksbefragungen oder Volksabstimmungen zu klären. Ob der Wille der Bevölkerung bei einer eher geringen Unterstützung von 3200 Unterschriften ausreicht um sie vom Souverän entscheiden zu lassen ist ebenfalls umstritten. In der Schweiz gilt hier die Grenze von 100 000 gültigen Unterschriften.

 

2)    Grundsätze:

·         Der maximale Effekt kann auch beim Ausbau erneuerbarer Energien liegen. Ob und wie viel von den notwendigen Treibhausgasreduktionen mit dem Ausbau erneuerbarer Energie und der Steigerung der Energieeffizienz zu erreichen ist sollte weitgehend von den Marktteilnehmern entschieden werden. Diese benötigen dazu aber eine ausreichende Internalisierung externer Kosten wie aufkommensneutraler CO2-Steuern, NOx-Abgaben, etc. Nicht immer und in jedem Einzelfall ist „Efficieny first“ die ökologisch und ökonomisch beste Antwort. Auch wird hier der Begriff der Energieeinsparung nicht angeführt, der aber erst verläßlich zu geringerem Energiebedarf und daher zu geringeren Ausbaukapazitäten von jeglicher Energieerzeugung beitragen könnte. Der Unterschied zu Energieeffizienz liegt in den erheblichen Rebound Effekten, die in Österreich gerne übersehen werden. Deswegen und weil eben bis lang kaum Instrumente zur Eindämmung der Rebound Effekte umgesetzt wurden, sind die meisten Energieverbrauchsreduktionsszenarien, die vorwiegend auf Effizienzsteigerungen durch technologischen Fortschritt setzen, völlig unrealistisch und der Energieverbrauch, speziell bei Strom (Stichwort Sektorkoppelung!) wird weiter ansteigen.

 

·         Wärmeerzeugung (auch fossile?) zu fördern hilft wenig bis gar nichts den steigenden Strombedarf, der durch die Sektorkoppelung im Bereich Verkehr (E-Mobilität und Industrie: Grünstahl mit Wasserstoff aus Grünstrom-Elektrolyse) entsteht, einzudämmen. Nur die geringere Anzahl der Wärmepumpen könnte dabei allenfalls, wenn diese von Förderungen ausgenommen würde, zur Eindämmung des Stromverbrauchszuwachses beitragen. Diese Option der Wärmepumpen sollte aber bei ausreichender Effizienz der Anlagen und bei ausreichendem Ökostromausbau erhalten bleiben.

 

·         Biomasse, wie auch Biogasvestromung kann Grundlast liefern -> Bandstrom. Aber genau diese Verstromung von Biomasse ist derzeit gefährdet, weil im Ökostromgesetz keine Nachfolgetarife in ausreichendem finanziellem Umfang vorhanden sind. Die kleine ÖSG-Novelle sollte daher noch vor dem oder in dem letzten Plenum am 28./29. Juni beschlossen werden. Es stimmt, dass speziell an kalten Wintertagen mit wenig Wind und Sonne Biomasse- und Biogasstrom wenigstens einen Teil der Stromlast erneuerbar bereitstellen können. Wasserkraft ist grundlastnahe aber hat ebenfalls über das Jahr erhebliche Schwankungen, v.a. in trockenen Wintern und Sommern kann es hier zu Minderproduktionen kommen. Pumpspeicher als eine „Batterie Österreichs“ können hier wiederum einen gewissen Ausgleich liefern und haben auch im Jänner zu Stabilisierung des Netzes beigetragen. Die volatilen Stromerzeuger PV und Wind sind wiederum sehr preiswerte erneuerbare Energieträger und aus einem Umbau zu notwendigen 100% Ökostrom bis 2030 (so BM Rupprechter und Exkanzler Faymann in Paris 2015) nicht weg zu denken. Im Gegenteil, sie werden nach allen bekannten Energieszenarien den Großteil des Zubaus erneuerbarer Energien ausmachen.

 

·         „möglichst rasche Umstellung des Fördersystems auf die derzeit geltenden Richtlinien der EU“. Die wesentliche geltende RL der EU ist die Erneuerbaren-RL[1], diese sieht einen starken Ausbau erneuerbarer Energien vor, mit hoher nationaler Entscheidungskompetenz über die Ausgestaltung der nationalen Fördersysteme. Das derzeit geltende und bis 2022 notifizierte ÖSG entspricht dieser RL voll und ganz. Eine kleine ÖSG-Novelle sollte daher im bestehenden EU-Rechtsrahmen den Rückstau beim Ausbau von Ökostrom beheben und die Grundlast, s.o. bei Biogasanlagen absichern.

Bei einem neuen Ökostromgesetz, einer großen Novelle, die für Dezember 2017 von der Bundesregierung versprochen wurde, sind die neuen state aid guidlines für das EU-Energie und Umweltbeihilfenrecht zu beachten. Diese große Novelle wird aber der Erfahrung nach noch 1,5 bis 2 Jahre brauchen. Diese Selbstbindungsregeln der EUK für die Interpretation des EU-Beihilfenrechts (Primärrecht) sind selbst kein EU-Recht, nachdem aber Österreich diese state aid guidlines angenommen hat, ist auch Österreich verpflichtet diese Interpretationsregeln zu beachten. Wir nehmen an, dass die Initiatoren diesen Rahmen angesprochen haben.

Diese state aid guidlines sind sehr restriktiv gegenüber der Förderung von Ökostrom und beachten nicht die neuen und alten Förderungen für fossile Energie (z.B. neue Kapazitätsmärkte für Kohlekraftwerke und fehlende oder zu niedrige CO2-Preise) und für Atomenergie (Stichwort Hinkley Point C mit über 11 Cent/kWh Einspeisetarif auf 35 Jahre, wertgesichert). Diese state aid guidlines tragen auch nicht, entgegen dem erklärten Motiv zu mehr Effizienz und Effektivität bei der Förderung erneuerbarer Energie bei. Der EEÖ teilt daher nicht die Ansicht, dass das ÖSG möglichst schnell diesen EU-Regularien unterworfen werden soll, sondern das bestehende ÖSG noch möglichst viel Ökostrom unterstützen sollte. Erst, wenn die kleine Novelle des ÖSG in Kraft ist, sollte über eine große Reform des ÖSG beraten werden.

 

·         Artenschutz:

Die größte Bedrohung für den globalen Artenschutz ist der ungebremste und beschleunigte vom Menschen gemachte Klimawandel. Daher ist eben auch mit erneuerbaren Energien, die fossile Energien ersetzen sollen, der globale Klimawandel auf eine Erwärmung von unter 2°C, angestrebt 1,5°C einzudämmen. Der österreichische Nationalrat hat daher auch aus Artenschutzgründen das Parisabkommen zum Klimaschutz ratifiziert. Lokale Artenschutzbestimmungen sind natürlich einzuhalten und Teil der UVP-Verfahren und anderer naturschutzrechtlicher Genehmigungen. Daher gibt es hier keinen Bedarf einer Gesetzesänderung.

Windparks können auch in Wäldern errichtet werden, wenn der Naturschutz beachtet wird. Solange Autobahnen und andere Straßen, Siedlungsgebiete, entweder in Wäldern oder zu Lasten von forstwirtschaftlich nutzbaren Waldflächen erweitert werden sollte die Windkraftnutzung hier keiner Sonderregelung unterzogen werden. Insgesamt ist der Wald flächenmäßig und in seiner ökologischen Funktion zu schützen. Aber auch das setzt ein einigermaßen stabiles Klima in Österreich voraus. Die bisherigen 2°C Erwärmung erhöhen den Stress auf heimische Baumarten erheblich und das flächendeckend.

 

Einzelne Kommentare zum Text der Bürgerinitiative

 

·         Die gesellschaftliche Akzeptanz bei erneuerbaren Energieprojekten ist bereits österreichweit und auch in den Bundesländern gegeben, wie zahlreiche repräsentative Umfragen und die überwiegende Mehrheit von Volksbefragungen zur Errichtung von Ökostromkraftwerken belegen. Bürgerinnenrechte sind auszubauen, aber nicht nur jene in der Nähe der Kraftwerke (not in my backyard) sondern auch jene der Steuerzahler, Ökostrombezieher, aller Stromkunden etc.

 

·         Der Nachweis der CO2-Emissionsreduktion durch den Ausbau erneuerbarer Energien im Strombereich ist erbracht. Ohne Ökostromanlagen wäre der CO2-Ausstoß Österreichs deutlich höher. Wenn gemeint ist, dass in Deutschland und Tschechien Braun- und Steinkohleverstromung auch für den österreichischen Markt CO2-intensiven Strom produzieren, dann ist 100% Ökostromproduktion in Österreich die Antwort auf das Zurückdrängen dieser schmutzigen Stromimporte. Wenn gemeint ist, dass fluktuierende erneuerbare Energien fossile Kapazitäten als (Ausfalls)ersatz brauchen so ist das nicht richtig. Die Dynamisierung der Strompreise und damit Anreize zur Verschiebung der Stromproduktion und des Stromverbrauchs sowie Anreize zur Speicherung vor, im und nach dem Netz sind hier die Antworten für die Zukunft. Fossile Grundlastkraftwerke sind nicht nur keine Hilfe sondern ein zusätzliches Problem in einer Welt mit großen Anteilen fluktuierender, erneuerbarer Energiequellen wie Wind und PV. Derzeit werden zu oft erneuerbare Energien vom Netz genommen, weil die Netze mit fossilem und atomarem Grundlaststrom verstopft sind. Das bedeutet, dass Ökostromkraftwerke errichtet wurden, oft unter strengen naturschutzrechtlichen Auflagen und dann Wasser ungenutzt über die Wehr läuft, Windkraftanlagen und PV abgeschaltet werden. Für den Klimaschutz und die Zurückdrängung von Atomstromimporten ist diese Entwicklung einzudämmen. Deswegen ist auch die vorrangige Einspeisung und der vorrangige Netzzugang für Ökostrom im „Winterpaket“ der EU von Österreich zu verteidigen. Dieser Vorrang erhöht die Einsatzzeiten von Ökostromanlagen bei gleichem Naturschutz und verdrängt damit effektiver Kohle- und Atomstrom.

 

·         „Dazu gehören insbesondere die Gefährdung der Versorgungssicherheit und die abnehmende Leistbarkeit“

Die Versorgungssicherheit hat in D in den letzten 15 Jahren, seit das EEG wirkt, gemessen an Ausfallsstunden zu- und nicht abgenommen. Auch in Österreich mit einem höheren Anteil von Ökostrom ist seit der Einführung des ÖSG keine erhöhte Gefährdung der technischen Versorgungssicherheit erkennbar. Die wirtschaftliche Versorgungssicherheit, im Sinne der größeren Unabhängigkeit von Importen fossiler Energie aus unsicheren Exportländern erhöht sich durch die Nutzung heimischer erneuerbarer Energiequellen. Die Leistbarkeit müßte eigentlich das verfügbare Nettoeinkommen der Haushalte und die Gewinnsituation der Unternehmen berücksichtigen. Auch steigende Energiepreise können für Haushalte und Unternehmen gut leistbar sein, wenn die Gewinne und das verfügbare Haushaltseinkommen proportional oder gar überproportional steigen. Meist wird jedoch nur „billige“ oder „preisgünstige“ Energie mit Leistbarkeit gemeint. Auch daran gemessen, hat sich der Strompreis im Vergleich zu anderen Energieträgern über die letzten 15 Jahre unterdurchschnittlich entwickelt und der reale Strompreis für Haushalte ist in den letzten 15 Jahren nicht gestiegen.

 

 

Die hier noch nicht eingearbeiteten Zahlen für 2016 ergeben eine weitere Verbilligung des Strompreises.

Auch die Haushalte haben mehrheitlich kein Problem mit den Strompreisen.

 

„Durch eine Mehrproduktion von Strom wird daher ein eher geringfügiger Beitrag

zur Erreichung der österreichischen Klimaziele geleistet“

Wie oben bereits angeführt, stimmt das speziell für die zukünftige Sektorkoppelung nicht. E-Mobiltität, Wärmepumpen und Industrie werden viel Ökostrom, die VOEST alleine 33 TWh bis 2050, benötigen um fossile Energie ersetzen zu können. Die E-Mobilität benötigt zwischen 10 und 20 TWh. Österreich verbraucht derzeit knapp 70 TWh pro Jahr. Wärmeerzeugung und Effizienz hilft der VOEST dabei kaum und die E-Mobilität ist bereits eine massive Effizienzsteigerung, weil 90% des Stroms in kinetische Energie umgewandelt werden, bei fossilen Verbrennungsmotoren rund 30%.

 

·         Das Bundes-Energiegesetz ist in seiner derzeitigen Verfassung tatsächlich nicht geeignet die Energieeffizienz in Österreich maßgeblich zu verbessern. Es ist zu bürokratisch, errechnet zu viele nur scheinbare und am Papier existierende Einsparungen und berücksichtigt keine Rebound Effekte. Eine CO2-Steuer mit sinnvoller Rückführung der Mittel an Unternehmen und Haushalte (Senkung anderer Steuern, Zweckwidmung, Ökobonus) wäre hier ökonomisch weit effizienter um die technischen Effizienzpotentiale zu nutzen. Die Verkäufer von Energie zum Minderverkauf und damit Mindererlös und Minderprofit zu zwingen ist der falsche Ansatz. Die Konsumenten von Energie brauchen einen Anreiz bzw. eine Belohnung Energie effizienter einzusetzen.

 


 

 

Wir ersuchen daher, dass diese Punkte zur Petition sowohl im Petitionsausschuss mehrheitlich unterstützt werden und an die zuständigen Ausschüsse zur Debatte weitergeleitet wird. Wir ersuchen um eine mehrheitliche Unterstützung einer kleinen Ökostromgesetz-Novelle mit Warteschlangenabbau bei Wind, Kleinwasserkraft u.a. Ökostromtechnologien und einer Verbesserung der gesamten Ökostromproduktion in Österreich.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Mag. Erwin Mayer

Stv. GF EEÖ

 

 



[1] https://www.bmwfw.gv.at/EnergieUndBergbau/Energieversorgung/Documents/de_EE%20RL_2009_28_EG.pdf