Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Wir danken für die Möglichkeit der Stellungnahme für die Enquete-Kommission zum Thema "Würde am Ende des Lebens“ und legen unseren Text (Word und PDF-Datei) bei.

 

Wir gehen damit auf die in http://www.parlament.gv.at/PERK/NRBRBV/NR/PARLENQU/PEKWUERDE/index.shtml gestellten Fragen

 

• Prüfung der Möglichkeit der verfassungsrechtlichen Verankerung - strafrechtlicher Normen, insbesondere des Verbots der Tötung auf Verlangen - soziales Grundrecht auf würdevolles Sterben • Status der Hospiz- und der Palliativversorgung, Möglichkeiten zum Ausbau • Empfehlung des Europarats Nr. 1418 (1999) • Patientenverfügung: Evaluierung; gegebenenfalls Maßnahmen zur Verbesserung; allenfalls auch Diskussion über Vorsorgevollmacht

 

im Detail ein.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Martin Ladstätter

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BIZEPS - Behindertenberatungszentrum

Zentrum für Selbstbestimmtes Leben

 

 

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Stellungnahme zum Thema:

 

„WÜRDE AM ENDE DES LEBENS“

 

 

 

 

 

 

  1. BIZEPS ist ein Behindertenberatungszentrum

und arbeitet nach den Wertvorstellungen der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung.

 

BIZEPS ist unabhängig von politischen Parteien, von Kirchen und Religionsgemeinschaften.

 

BIZEPS setzt sich für folgende Ziele ein:

 

·         Ein selbstbestimmtes Leben für alle Menschen mit Behinderungen.

·         Gesetze, in denen Menschen mit Behinderungen mit denjenigen ohne Behinderungen gleichgestellt sind. Diese Gesetze sollen für ganz Österreich gelten.

·         Volle Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Erst dann können diese gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen.

 

           

  1. Das Menschenbild von BIZEPS:

 

Sogenannte „Normalität“ ist ein rein willkürliches Konstrukt, das von BIZEPS abgelehnt wird.

Denn das Leben ist grundsätzlich vielfältig und kennt viele Farben und Schattierungen. Diese Vielfalt entzieht sich letzten Endes jedem Versuch der Festlegung von Normen und Kriterien, von Kategorien und Schubladendenken.

 

Jeder Mensch ist einzigartig.

Jeder Mensch ist gleich viel wert und hat gleich viel Würde.

Egal ob behindert oder nicht behindert, egal ob krank oder gesund. Egal ob jung oder alt.

 

Behinderung, Krankheit und Alter gehören zum menschlichen Leben dazu.

Es ist gut, dass es Menschen mit Behinderungen gibt.

 

Jeder Mensch soll über sich selbst bestimmen können.

Jeder Mensch soll auch am Ende des Lebens möglichst gut leben können.

 

Die meisten Menschen mit Behinderungen leiden nicht an ihrer Behinderung.

Sie leiden vielmehr an Ausgrenzung und Diskriminierung durch strukturelle Barrieren bzw. Menschen ohne Behinderung.

BIZEPS setzt sich in vielfältiger Weise aktiv für eine barrierefreie, inklusive Gesellschaft ein.

 

Wenn Menschen Schmerzen haben und darunter leiden, kann ihnen durch medizinische Maßnahmen geholfen zu werden.

 

 

  1. Faktor „Gesellschaft“ und „Politik“.

 

BIZEPS sieht, wie viele andere Personen und Organisationen in der Zivilgesellschaft auch, problematische Entwicklungen in Gesellschaft und Politik, zum Beispiel:

Machbarkeitswahn, Dominanz des neoliberalistischen Wirtschaftssystems, Leistungsgesell-schaft, Entsolidarisierung mit scheinbaren Randgruppen.

 

Der einzelne Mensch definiert sich immer mehr über seinen beruflichen Erfolg, seine äußere Erscheinung, seine Gesundheit, seinen sozialen Status und seine erworbenen Konsumgüter.

 

Viele Menschen machen sich Sorgen um ihren Arbeitsplatz, über ihr Einkommen, über Teuerungen im Einkauf von täglich notwendigen Gütern, über ihre Wohnsituation und zunehmende Einsparungen bei Unterstützungsleistungen der öffentlichen Hand.

Viele Menschen mit Behinderungen und/oder chronischen Erkrankungen haben keine Arbeit.

 

Viele Menschen mit Behinderungen und/oder schweren Erkrankungen müssen derzeit in großen Einrichtungen leben. Dort können sie oft kein selbstbestimmtes Leben führen.

 

Menschen, die nicht mehr am Arbeits- und Gesellschaftsleben teilnehmen können bzw. aufgrund von Barrieren ausgeschlossen werden, fühlen sich häufig nutz- und wertlos.

Sie sehen im Leben keinen Sinn mehr, sind sehr oft vereinsamt oder aber wollen ihren Angehörigen nicht mehr „zur Last fallen“. Ein Einfallstor für Sterbehilfe-Befürworter.

 

Anstatt äußere Rahmenbedingungen zu verändern - und das ist in einem reichen Land wie Österreich durchaus möglich - wird das Leben von alten, kranken und behinderten Menschen in Frage gestellt.

 

Prioritäten werden völlig falsch gesetzt. Ein Menschenleben verkommt zu einem „Fall“ und

ist in Gefahr, durch eine beinharte Kalkulation und Kosten-Nutzen-Rechnung dem roten Sparstift zum Opfer zu fallen. Österreich blickt hier auf eine dunkle Vergangenheit.

 

 

  1. Fortschritte in Wissenschaft, Medizin und Technik.

 

Es kann gut sein, wenn es Fortschritte auf diesen Gebieten gibt.

Es kann aber auch problematisch sein, wenn neue Möglichkeiten zur Verfügung stehen.

 

Sowohl die Gesellschaft als auch der einzelne Mensch können sich damit nicht in Ruhe auseinandersetzen bzw. in einen längeren öffentlichen Diskussionsprozess einlassen.

 

Viele Menschen haben auch zu wenig Hintergrundwissen.

Das betrifft zum Beispiel: Das Wissen um Alternativen der Palliativmedizin (statt „Sterbehilfe“ a la Dignitas). Dieses Wissen / Nichtwissen spielt bei Meinungsumfragen eine große Rolle bzw. wird von den Machern von Umfragen viel zu wenig mitbedacht.

 

Es gibt Techniken, die verhindern, dass Menschen mit Behinderungen überhaupt geboren werden. Das sind zum Beispiel: Genetik, Pränataldiagnostik, Präimplantationsdiagnostik.

 

Diese Techniken sind mitverantwortlich, dass behindertes Leben negativ gesehen wird.

Behinderung, Krankheit und Alter sollen vermieden werden.

Deshalb fühlen sich viele behinderte, kranke und alte Menschen wertlos und abgelehnt.

 

Über den Einsatz von neuen Möglichkeiten muss gründlich nachgedacht werden (Ethik).

Bei der Diskussion müssen auch behinderte Menschen auf Augenhöhe eingebunden sein.

 

 

  1. Sterben und Tod.

 

BIZEPS sieht angeborene oder erworbene Behinderungen wie auch chronische Erkrankungen als einige von vielen unterschiedlichen Herausforderungen, die einem Mensch in seinem Leben begegnen können. Der Umgang mit solchen Herausforderungen ist ein länger andauernder Prozess, in denen die meisten Menschen lernen, damit trotzdem zufrieden und glücklich zu leben.

 

Jeder Mensch wird einmal sterben.

Alle sterbenden Menschen verdienen Respekt. Auch in schwierigen und den letzten Lebensstunden. Auch das Lebensende ist lebenswert. Es können gerade dann noch schöne und wichtige Momente erlebt werden.

 

Sehr viele Menschen haben Angst vor dem Sterben, vor Schmerzen, vorm Alleinsein, oder davor, den Angehörigen „zur Last“ zu fallen. Das ist verständlich. Das muss aber nicht unbedingt so sein.

 

Deshalb ist es wichtig, dass jeder Mensch in Ruhe und in Würde sterben kann.

Das heißt, dass ein sterbender Mensch Medikamente und sonstige medizinische Maßnahmen gegen Schmerzen und alle Beteiligten Unterstützung erhalten.

Das heißt, dass ein sterbender Mensch gefragt werden soll, was er noch möchte und braucht.

 

Das heißt aber auch, dass Menschen schon viel früher über die Themen „Sterben“ und „Tod“ sprechen sollen und können. Zum Beispiel in der Schule.

 

 

  1. Sterbebegleitung statt Sterbehilfe.

 

BIZEPS beobachtet mit großer Sorge, was in anderen Ländern bei aktiver Sterbehilfe erlaubt ist. Zum Beispiel: aktive Sterbehilfe bei Kindern und Jugendlichen in Belgien.

Wenn einmal aktive Sterbehilfe per Gesetz erlaubt ist, dann besteht die Gefahr, dass Sterbehilfe immer öfter angewendet und ausgeweitet wird (Argument der „slippery slope“).

 

BIZEPS lehnt jede Form der aktiven Sterbehilfe ab.

BIZEPS lehnt jede Form der assistierten Selbsttötung ab.

 

BIZEPS fordert den Ausbau von inklusiven Hospizen und von flächendeckender palliativmedizinischer Versorgung auch für Menschen mit Behinderungen.

BIZEPS fordert einen einfacheren Zugang zu Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten. Dabei darf es keine unzumutbaren finanziellen oder organisatorischen Hürden geben. Broschüren und Formulare muss es auch in einfacher Sprache für Menschen mit Lernschwierigkeiten geben und für jeden Menschen in Österreich leistbar sein.

 

 

  1. BIZEPS zu den konkreten gesetzlichen Fragestellungen.

 

JA zu einem Recht auf „ein würdevolles Sterben“ mit klarem Verweis auf das soziale Grundrecht auf Gesundheitsversorgung, sowie unter klarer Stärkung sämtlicher sozialer Grundrechte in der Verfassung (Recht auf Bildung, Recht auf soziale Sicherheit, Recht auf Arbeit, Recht auf Nahrung, …) / Wir weisen darauf hin, dass „ein würdevolles Sterben“ als solches nicht Teil des Katalogs sozialer Grundrechte ist.

 

JA zu den Grundsätzen der Empfehlung des Europarats Nr. 1418

(aus dem Jahr 1999; „Gattererbericht“; siehe Punkt 6).

 

NEIN zu einer Änderung im Strafrecht in Richtung Abschwächung bei „Tötung auf Verlangen“.

 

NEIN zu einem gesetzlichen Verbot der Sterbehilfe in der Bundesverfassung.

 

 

  1. Selbstbestimmung RICHTIG verstehen:

 

BIZEPS  sieht seine Aufgabe in der Unterstützung zum selbstbestimmten Leben.

Einen falsch verstandenen oder provozierenden Umkehrschluss (selbstbestimmt leben - selbstbestimmt sterben) lehnt BIZEPS ab.

 

Bei der „Sterbehilfe“-Diskussion geht es eigentlich nicht um Selbstbestimmung.

Es geht vielmehr um die Frage, wie eine Gesellschaft mit Menschen mit Behinderungen, alten und chronisch schwer kranken Menschen umgeht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Eingelangt am 4. September 2014