1 Präs. 1614-1867/14s

 

 

 

 

Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs

zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem die Exekutionsordnung,

das Vollzugsgebührengesetz, das Rechtspflegergesetz,

das Gerichtsgebührengesetz und die Insolvenzordnung geändert werden (Exekutionsordnungs-Novelle 2014 – EO-Nov. 2014)

 

 

I.

Soweit im Gesetzesentwurf Redaktionsversehen berichtigt, eine bestehende Rechtsprechung im Gesetz umgesetzt oder Anpassungen an andere Gesetze vorgenommen werden sollen, ist eine Kommentierung entbehrlich.

 

II.

Den übrigen vorgeschlagenen Änderungen kann grundsätzlich zugestimmt werden. Zu den Hauptpunkten ist Folgendes auszuführen:

 

1. Die Ausweitung strafgerichtlicher Exekutionstitel in § 1 Z 8 EO ist sinnvoll.

 

2. Zur Neuregelung im Zusammenhang mit Oppositions- und Impugnationsklagen ist Folgendes zu bedenken:

(a) Die neu eingefügten Sätze in den § 35 Abs 2 und § 36 Abs 2 EO begründen in Unterhaltssachen die Zuständigkeit des „für diese Sache zuständigen Gericht[s]“. Darunter ist nach den Erläuterungen nicht das (konkrete) Titelgericht, sondern das bei Einbringung der Klage oder des Antrags nach den allgemeinen Regelungen für die Unterhaltssache zuständige Gericht zu verstehen. Dessen Bestimmung ist im Eltern-Kind-Verhältnis unproblematisch: Bei Unterhaltsansprüchen minderjähriger Kinder ist es das Pflegschaftsgericht (§ 114 Abs 1 iVm §§ 109, 111 JN), sonst das Bezirksgericht am allgemeinen Gerichtsstand des Unterhaltsberechtigten, bei Fehlen eines solchen im Inland jenes am allgemeinen Gerichtsstand des Unterhaltsverpflichteten (§ 114 Abs 2 JN). Im Verhältnis zwischen Ehegatten oder geschiedenen Ehegatten fehlt demgegenüber eine generelle Regelung. Bei erstinstanzlicher Anhängigkeit einer Ehesache greift die Verbundzuständigkeit nach § 76a JN, sonst sind Unterhaltssachen aber am allgemeinen Gerichtsstand des jeweils Beklagten geltend zu machen. Dort – also am Wohnsitz des Betreibenden ­– wäre dann wohl auch die Oppositionsklage einzubringen. Allerdings könnte die Neuregelung auch dahin verstanden werden, dass es auf die (fiktive) Zuständigkeit für ein nun zu führendes Titelverfahren ankomme (arg: „diese Sache“ als Bezugnahme auf die „Unterhaltssache“, in der „der Exekutionstitel […] ergangen“ ist). Das wäre der allgemeine Gerichtsstand des Verpflichteten, was häufig zur Zuständigkeit des Exekutionsgerichts führte (§ 18 Z 3 und Z 4 EO). Eine Klarstellung wäre sinnvoll.

(b) Aus der Neuregelung ergibt sich weiters, dass in Unterhaltssachen alle Oppositions- und Impugnationsgründe beim „zuständigen“ Gericht in der „dafür vorgesehenen Verfahrensart“ geltend zu machen sind. Das bedeutet, dass im Eltern-Kind-Verhältnis das außerstreitige Verfahren anzuwenden ist, und zwar auch dann, wenn sich der Verpflichtete nicht oder nicht nur auf eine Änderung der Verhältnisse stützt. Das „Unterhaltsgericht“ hat daher auch über Fragen wie Zahlung, Aufrechnung oder Exekutionsverzicht zu entscheiden. Auch die Rechtspflegerzuständigkeit iSd neuen § 17 Abs 2 Z 7 RPflG erstreckt sich auf alle Oppositions- und Impugnationsgründe. Wenn das tatsächlich gewollt ist, sollte es in den Erläuterungen klargestellt werden. Aus § 403a Abs 2 EO folgt, dass das Oppositionsverfahren in der familienrechtlichen Abteilung zu führen ist. Folgerichtig wäre auch die Rechtspflegerzuständigkeit nicht in § 17, sondern in § 19 RPflG zu regeln.

(c) Die Eventualmaxime soll nach dem vorgeschlagenen § 35 Abs 3 Satz 2 EO nicht gelten, „soweit der Unterhalt neu bemessen werden soll“. Die „Neubemessung“ des Unterhalts ist allerdings nicht Gegenstand des Oppositionsverfahrens, hier geht es vielmehr um das vollständige oder teilweise Erlöschen des betriebenen Anspruchs. Das Gemeinte sollte daher eher wie folgt formuliert werden: „soweit der Unterhaltsverpflichtete eine Änderung der Verhältnisse einwendet, aufgrund derer der Anspruch ganz oder teilweise erloschen oder gehemmt ist.“ Diese Formulierung erfasste auch das vollständige Erlöschen des Unterhaltsanspruchs (etwa wegen Selbsterhaltungsfähigkeit) und dessen Ruhen wegen Eingehens einer Lebensgemeinschaft (RIS-Justiz RS0047108), was beim Abstellen auf eine „Neubemessung“ zumindest zweifelhaft wäre.

(d) Ganz allgemein stellt sich die Frage, warum der Entwurf die Änderung der Verhältnisse bei Unterhaltsansprüchen nicht überhaupt aus dem Zusammenhang der Oppositionsklage löst und – nach deutschem Vorbild (§ 323 dZPO, § 238 FamFG) – eine Klage oder einen Antrag auf Abänderung des Unterhaltstitels einführt. Die Erläuterungen enthalten keine Begründung für diese rechtspolitische Entscheidung.

(e) § 403a Abs 1 EO sieht vor, dass Oppositions- und Impugnationsklagen, die beim Titelgericht eingebracht werden (bei denen also das Titelgericht auch Exekutionsbewilligungsgericht ist), in die Abteilung des Titelverfahrens gehören. Diese Regelung führt dazu, dass Oppositions- und Impugnationsklagen regelmäßig von einer anderen Abteilung zu behandeln sind als Oppositions- und Impugnationsgesuche nach §§ 40 f EO und Aufschiebungsanträge nach § 42 Abs 1 Z 5 EO. Das kann zu Reibungsverlusten führen, die bei typischen Oppositions- oder Impugnationsklagen wohl nicht durch eine effizientere Bearbeitung der Sache durch die Titelabteilung aufgewogen werden. Für Unterhaltssachen greift ohnehin § 403a Abs 2 EO.

(f) Wegen der erforderlichen Anpassung der Geschäftsverteilungen sollte die Neuregelung nicht mit 1. September 2014, sondern erst mit 1. Jänner 2015 in Kraft treten (§ 26 Abs 1 GOG).

 

3. Die Zweiseitigkeit im Aufschiebungsverfahren (§ 45 EO) ist der Rechtsprechung des EGMR geschuldet.

 

4. Den Kinder- und Jugendhilfeträger nicht nur im Titelverfahren sondern auch im Exekutionsverfahren von der Vertretungspflicht auszunehmen, ist konsequent.

 

5. Die vorgeschlagene Neuregelung des § 150 EO über die Übernahme von (leitungsgebundenen) Dienstbarkeiten ist rechtspolitisch verständlich, möglicherweise aber gegenüber anderen Dienstbarkeiten eine bedenkliche Besserstellung.

 

6. Dass der Richter beim Versteigerungstermin (§ 177 EO) Bieter, die verbotene Absprachen treffen (§ 177 Abs 4 EO) vom Termin ausschließen kann, ist zwar begrüßenswert, wird mangels sofortiger Beweisbarkeit aber wohl nur höchst selten zur Anwendung gelangen.

 

7. Die neuen Rechte von Verpflichteten im Zwangsversteigerungsverfahren (§ 187a EO), die dort wegen Prozessunfähigkeit nicht vertreten waren und durch Zuschlag ihre Wohnung verlieren, sind der Rechtsprechung des EGMR geschuldet. Der Gesetzgeber versucht im Rahmen der Interessenabwägung auch die Rechte des Erstehers angemessen zu wahren. Es wird ein modifiziertes Verfahren in Anlehnung an § 529 ZPO bzw § 73 AußStrG eingeführt. Ob die Neuregelung dem EGMR genügt, bleibt abzuwarten.

 

8. Gegen die Normierung von Antrags- und Rekursrechten von Drittschuldnern (§§ 292l, 312 und 397 EO) bestehen keine Bedenken.

 

 

Wien, am 21. Mai 2014

Dr. Ratz