Stellungnahme der Islamischen Glaubensgemeinschaft

zum Entwurf zum Islamgesetz (2014)

 

 

I.            Einleitung

 

Der Entwurf zum neuen Islamgesetz ist das vorläufige Ergebnis eines noch nicht zu Ende geführten Verhandlungsprozesses zwischen dem Kultusamt und der vom Gesetzesentwurf betroffenen Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ). Die IGGiÖ forderte seit langem eine Novellierung des Islamgesetzes, wobei sie in erster Linie ein Gesetz zur Schaffung einer klaren Rechtsgrundlage und Regelung ihrer eigenen Ansprüche und Verpflichtungen im Auge hatte. Dies deshalb, weil schon im Islamgesetz 1912 den Anhängern des Islams die Anerkennung als Religionsgesellschaft iSd StGG 1867 gewährt wurde und diese seit der Verordnung 466/1988 als anerkannte Religionsgesellschaft die Bezeichnung „Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich“ führen. Demgegenüber hat sich das Kultusamt im vorliegenden Entwurf entschieden, sämtliche – auch potentiell noch zu errichtende – islamische Religionsgesellschaften in ein und demselben Gesetz zu regeln. Gerade die parallele Regelung von bereits bestehenden und neu zu errichtender Religionsgesellschaften schafft aber ein unauflösbares Dilemma:

Die Konzeption der §§ 3 bis 5 des Entwurfes basiert auf einer Gleichstellung der Anerkennungsregeln nach dem IslamG und einer solchen nach dem Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften (BekenntnisgemeinschaftenG). Bestehende Religionsgesellschaften sollen den gleichen Bedingungen unterworfen werden, wie neu anzuerkennende. Abgesehen davon, dass diese Regelungstechnik bei keiner anderen anerkannten Religionsgesellschaft Anwendung findet, ist sie sachlich auch nicht nachvollziehbar.

Anfang Mai 2014 wurde der IGGiÖ seitens des Kultusamtes ein erster Entwurf einer Islamgesetznovelle übermittelt. Die Vertreter der IGGiÖ haben mehrfach nachdrücklich den Wunsch deponiert, die äußeren Rechtsverhältnisse der IGGiÖ und die der anderen Islamischen Religionsgesellschaften in gesonderten Gesetzen zu regeln. Auf den Umstand, dass es unterschiedliche Gesetze hinsichtlich der Protestanten, der Orthodoxen, den Altorientalen und der Israeliten gibt, wurde seitens der IGGiÖ deutlich aufmerksam gemacht. Ebenfalls wurde seitens der IGGiÖ mehrfach darauf hingewiesen, dass sie die Bestimmungen über die Darstellung der Lehre, insbesondere die gesetzlich Zwangsverpflichtung zur Beibringung von deutschsprachigen Koranübersetzungen ebenso verfassungsrechtlich für äußerst bedenklich halte, wie auch die Einschränkung der Auslandsfinanzierung. In beiden Fällen hält die IGGiÖ diese Bestimmungen für den verfassungsgesetzlichen Gleichheitsgebot widersprechend. Festzuhalten ist, dass diese verfassungsrechtlichen Bedenken im vorliegenden Entwurf ebenso wenig Beachtung fanden, wie der Wunsch nach getrennten bundesgesetzlichen Regelungen. Vielmehr fand am 29.09.2014 eine Besprechung im Kultusamt statt, zu der neben der IGGiÖ und den ALEVIS auch die Bekenntnisgemeinschaft Schia eingeladen war. In dieser Besprechung wurde erklärt, dass in Bälde die Bundesminister Kurz und Dr. Ostermayer den Entwurf einer Islamgesetznovelle der Öffentlichkeit präsentieren würden. Für die Vertreter der IGGiÖ war damit klar, dass die Vertreter der Bundesregierung entschlossen waren, einen Entwurf zu Begutachtung auszusenden, der aus Sicht der IGGiÖ schwerwiegenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet; dies trotz aller seitens der IGGiÖ klar geäußerten und sachlich einwandfrei nachvollziehbaren Einwände. Mit der am 2. Oktober 2014 vorgenommenen Präsentation des Begutachtungsentwurfes durch die Bundesminister Kurz und Dr. Ostermayer wurden seitens der Bundesregierung die verfassungsrechtlichen Einwände der IGGiÖ und ihr Wunsch nach einer die sachlichen Bedürfnisse der einzelnen islamischen Religionsgesellschaften entsprechenden je gesonderten bundesgesetzlichen Regelung ohne inhaltliche Auseinandersetzung beiseite geschoben und de facto der Dialog mit der IGGIÖ einseitig abgebrochen. Dies ist für die IGGiÖ umso unverständlicher, als die in konstruktiver Atmosphäre verlaufenen Gespräche mit dem Kultusamt vermuten ließen, dass die Politik an einem aufrichtigen, sachbezogenen Dialog mit der IGGiÖ über dieses wichtige Gesetzesvorhaben interessiert sei. Unverständlich und nicht nachvollziehbar für die IGGiÖ ist auch der zeitliche Druck, mit dem nunmehr an der Umsetzung eines Gesetzesvorhabens gearbeitet wird, welches aufgrund seiner, im Übrigen über Österreich hinaus gehenden Bedeutung, besonderer Sorgfalt bedürfte.

Damit ist der Entwurf zwar mit Wissen, aber ohne Zustimmung und Einbindung der IGGiÖ und deren Gremien (oberster Rat und Schurarat) entstanden. Der derzeitige Entwurf wird von der IGGiÖ aus den unten stehenden Gründen ausdrücklich abgelehnt. Viele der Bestimmungen lassen eine Gleichstellung zu anderen Religionsgesellschaften oder sachliche Gründe für eine unterschiedliche Behandlung völlig vermissen; andere hingegen stellen die Muslime unter einen Generalverdacht. Beides ist gleichermaßen abzulehnen. Die Ablehnung des Gesetzesentwurfs durch die IGGiÖ ist getragen von einem klaren Bekenntnis zur österreichischen Verfassung und den dort verankerten Prinzipien, insbesondere der Religions- und Vereinsfreiheit sowie dem Verbot der unsachlichen Diskriminierung sowie ferner von einer sehr ernst genommenen Verantwortung der IGGiÖ gegenüber der Republik Österreich sowie den in Österreich lebenden Muslimen.

Die IGGiÖ, als anerkannte Religionsgesellschaft, die dem demokratischen Rechtsstaat und dem Pluralismus sowie der Republik Österreich verpflichtet und treu verbunden ist, appelliert daher daran, die in der vorliegenden Stellungnahme geäußerten Bedenken zu berücksichtigen und gemeinsam mit der IGGiÖ an einer entsprechenden Neutextierung eines Gesetzes betreffend der äußeren Rechtsverhältnisse der IGGiÖ zu arbeiten. 

 

II.         Bewertung und Kurzanalyse

 

Der Entwurf zu einem neuen Islamgesetz trägt den Bedürfnissen und jahrelangen Forderungen der IGGiÖ nicht hinreichend Rechnung. Die Neuregelung des IslamG ist nicht nur eine Initiative der österreichischen Bundesregierung, sondern auch ein jahrelanges Anliegen der IGGiÖ. So hat die IGGiÖ schon im Jahre 2005 einen Entwurf ausgearbeitet und dem Kultusamt übergeben. Dieser wurde bislang weder kommentiert noch im vorliegenden Entwurf in irgendeiner Weise berücksichtigt. Wie sinnvoll aber die Einbeziehung der jeweiligen Religionsgesellschaft in den Gesetzeswerdungsprozess ist, zeigt beispielsweise das Protestantengesetz von 1961. Dieses ist "durch die Herbeiführung möglichst weitgehenden Einverständnisses mit der Evangelischen Kirche in Besprechung mit einem von der Evangelischen Generalsynode gewählten Verhandlungsausschuss"[1] zustande gekommen.  Demgegenüber ist der vorliegende Entwurf lediglich ein vorläufiges Ergebnis eines – aus Sicht der IGGiÖ – noch nicht zu Ende geführten Verhandlungsprozesses zwischen dem Kultusamt und der vom Gesetzesentwurf betroffenen IGGiÖ. Bedenkt man aber, dass seit dem Erlass des IslamG mehr als 100 Jahre verstrichen sind, handelt es sich bei der Novelle um eine historische Chance, die nur mit möglichst breiter Mitwirkung und Akzeptanz der davon Betroffenen fruchtbar gemacht werden kann. Beim derzeitigen Stand des Entwurfes ist dies aus nachstehenden Gründen nicht der Fall:

Der Verfassungsgerichtshof hat in VfSlg 1430/1932 ausdrücklich ausgesprochen, dass durch die von „Art 15 StGG und in dessen Ausführung durch die Maigesetze von 1868 und das Gesetz vom 20. Mai 1874 RGBl 68, getroffene Regelung des Verhältnisses von Staat und Kirche […] der Bestand eines jeden Staatskirchentums geradezu ausgeschlossen worden sei.“ Ausgeschlossen ist also „jedes Staatskirchentum“, gleichgültig, ob als eine die Kirchen und Religionsgesellschaften belastende oder sie priviligierende Fremdbestimmung. Daraus folgt über den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz hinaus, dass der Staat Parität und Neutralität gegenüber den gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften walten lassen muss. Gerade diese Grundsätze lässt der vorliegende Entwurf aber in vielen Punkten vermissen:

Bereits aus dem Titel des vorliegenden Entwurfe ist zu erkennen, dass – anders als bei den übrigen anerkannten Religionsgesellschaften – kein Gesetz über die Außenverhältnisse der IGGiÖ, ihre Beziehung zum Staat, geschaffen werden soll (wie es eine Selbstverständlichkeit beispielsweise im Falle des Protestanten-, Israeliten- oder Orthodoxengesetzes ist); vielmehr regelt der Entwurf nicht nur die Außenverhältnisse der IGGiÖ, sondern unterwirft sie einem neuen Anerkennungsregime, indem er ihren Bestand vom Vorliegen der dort genannten Anerkennungsvoraussetzungen (für neu zu errichtende Religionsgesellschaften) abhängig macht. Damit schafft der Entwurf insofern einen Widerspruch in sich, als er einerseits die IGGiÖ in ihrem Bestand unberührt bleiben lässt, andererseits aber denselben Regelungen wie eine noch nicht existierende – inklusive Erwerb und Auflösung – unterwirft (vgl § 23 Abs 1 des Entwurfes. „Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich, BGBl. Nr. 466/1988 und die Islamische Alevitische Glaubensgemeinschaft in Österreich, BGBl. II Nr. 133/2013, sowie deren Teile mit eigener Rechtspersönlichkeit bleiben in ihrem Bestande unberührt.“).

Vor dem Hintergrund der oben zitierten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung versteht die IGGiÖ die staatliche Pflicht zur Parität und Neutralität dahin, dass sie mit den übrigen anerkannten Religionsgesellschaften gleichgestellt wird und nur dort unterschiedlichen Regelungen unterliegt, wo es sachliche Gründe dafür gibt. Eine Vielzahl von Bestimmungen im vorliegenden Entwurf lassen diese Gleichstellung jedoch völlig vermissen, indem sie keinerlei sachliche Gründe für eine Schlechterstellung gegenüber anderen anerkannten Religionsgesellschaften erkennen lassen. Pars pro toto können die Bestimmungen in §§ 3 bis 5 (Erwerb und Versagung der Rechtspersönlichkeit), § 6 Abs 1 Z 5 (Darstellung der Lehre), § 6 Abs 2 (Verbot der Auslandsfinanzierung), § 23 Abs 3 (Vereinsauflösung), § 15 (islamisch-theologische Studien), § 11 Abs 2 (Qualifikationen von religiösen Betreuern) sowie der Mangel einer Regelung zum Schutz der Amtsverschwiegenheit für Seelsorger genannt werden.

Schließlich bedient sich der Entwurf einer Diktion, die als Ausdruck eines besonderen Misstrauens gegenüber Muslimen verstanden werden kann. Anders ist nicht erklärlich, weshalb der Gesetzgeber im vorliegenden Entwurf auf das Primat des staatlichen Rechts im Sinne des Art. 15 StGG in den Materialien hinweist, sondern einen allgemeinen Gesetzesvorbehalt im Gesetzestext ausdrücklich festschreibt (so bestimmen etwa § 2 Abs 2 und Abs 3 jeweils den Vorrang der „gesetzlichen Regelungen“). Die Notwendigkeit derartiger Regelungen ist umso unverständlicher, als in der Verfassung der IGGiÖ das Primat der österreichischen Rechtsordnung ganz klar anerkannt wird.


 

III.      Allgemeines zum Entwurf

 

1.           Titel des Islamgesetzes

 

Aus legistisch-technischer Sicht ist anzumerken, dass es sich beim vorliegenden Entwurf tatsächlich nicht um eine Novelle zum IslamG 1912 handelt, sondern um eine Neufassung, sodass dieses zur Gänze aufgehoben werden soll und praktisch ein neues Gesetz an dessen Stelle tritt. Diese Entscheidung hat – wie bereits im Fall der „Novellierung“ des Israelitengesetzes 1890 durch ein völlig neu formuliertes Gesetz im Jahr 2012 (BGBl I 48/2012) – offensichtlich die „rechtspolitische“ Funktion, ausdrücklich an die in Österreich vorhandene Tradition anzuknüpfen. Allerdings geht die vorgesehene „Novellierung“ des Islamgesetzes über die Neufassung des Israelitengesetzes 1890 hinaus. Erstens ging es 1912 nicht um die Anerkennung einer Institution, sondern um die „Anerkennung der Anhänger des Islam“. Zweitens wurde lediglich von einer Religionsgesellschaft gesprochen, die sich allerdings zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes noch nicht gebildet hatte, sodass auf eine zukünftige Verordnung verwiesen wurde. Ein Gesetz, das sowohl die Regelung der äußeren Rechtsverhältnisse von zwei bereits bestehenden Religionsgesellschaften als auch die gesetzliche Anerkennung von weiteren islamischen Religionsgesellschaften zum Inhalt hat, ist mit dem Titel des Islamgesetzes 1912 jedenfalls unzutreffend und irreführend überschrieben.

 

2.           Ein Islamgesetz für sämtliche islamische Religionsgesellschaften

 

Von jeher stellte sich im österreichischen Religionsrecht die Frage nach der Berücksichtigung islamischer Vielfalt. 1912 war nach einer Diskussion in der vorbereitenden Kommission lediglich der Islam nach der hanefitischen Rechtsschule anerkannt worden. Dabei hatte der historische Gesetzgeber auch im Falle einer späteren Ausdehnung der Anerkennung des Islam nur den sunnitischen Islam vor Augen.[2] Im Jahr 1987 hat der Verfassungsgerichtshof die Wendung nach „hanefitischem Ritus“ im Islamgesetz als verfassungswidrig mit der Begründung aufgehoben, dass die dadurch vorgenommene Einschränkung auf die hanefitische Schule eine für den religiös-neutralen Staat unzulässige Differenzierung und damit ein Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) sei.[3] Während diese schon davor innerreligionsgemeinschaftlich eine Ausdehnung im Sinn des „Acht madhhab-Systems“ vorgenommen hatte, änderte sie ihre Verfassung aufgrund des VfGH-Erkenntnisses dahingehend, dass ihr nunmehr „alle Anhänger des Islams [angehören], die in der Republik Österreich ihren Wohnsitz oder Aufenthalt haben“ (Verfassung der IGGiÖ Art 1).

           In konsequenter Weiterentwicklung seines Erkenntnisses aus 1987 hat der VfGH am 1. Dezember 2010, B 1214/09, ausgesprochen, dass es nicht nur eine einzige Religionsgesellschaft bzw Bekenntnisgemeinschaft geben dürfe, die sich als „islamisch“ bezeichnet. Es verstieße „gegen die Garantien der Religionsfreiheit, wollte der Gesetzgeber einer Personengruppe, für deren religiöse Überzeugung es essentiell ist, sich zu einem bestimmten Glauben zu bekennen, die Möglichkeit verwehren, neben der auf einem bestimmten Gebiet einzig bestehenden gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaft [im konkreten Fall der Islamischen] eine andere gesetzlich anerkannte Religionsgesellschaft dieses Glaubens zu gründen. Demgemäß ist es dem Gesetzgeber eines zur Neutralität in religiösen bzw. religionsrechtlichen Fragen verpflichteten Staates verwehrt, entgegen dem Selbstverständnis von Betroffenen eine faktisch nicht vorhandene, von theologischen Kriterien nicht hinreichend gestützte Einheit im Wege der Verweigerung des Erwerbs der Rechtspersönlichkeit als religiöse Bekenntnisgemeinschaft zu verfügen“. Und weiter heißt es dort: Diese Regelungen (Art I IslamG, § 1 IslamVO) „sind vielmehr bei verfassungskonformem Verständnis dahingehend auszulegen, dass eine Vertretung aller Anhänger des Islam durch eine (islamische) ‚Einheitsgemeinde‘ nicht vorgegeben ist, und stehen somit dem – von den Voraussetzungen des BekGG und des AnerkennungsG abhängigen – Bestand einer weiteren islamischen Religionsgemeinschaft nicht entgegen“. Dies entspricht auch der bereits als gefestigt zu bezeichnenden Rechtsprechung des EGMR, wonach der Staat seine Regelungsgewalt neutral und unparteiisch auszuüben habe und bei Konflikten innerhalb von Religionsgemeinschaften diese nicht durch Eliminierung des Pluralismus beheben und religiöse Gruppierungen nicht unter eine einheitliche Führung zwingen dürfe.[4]

Mit seinen Ausführungen in dem genannten Erkenntnis aus 2010 hat der VfGH wohl eine Präferenz für die gesetzliche Anerkennung weiterer islamischer Religionsgesellschaften nach dem AnerkennungsG iVm dem BekGG zum Ausdruck gebracht. Der vom Gesetzgeber nunmehr gewählte Weg eines eigenen „Anerkennungsgesetzes“ für islamische Religionsgesellschaften wirft Probleme auf, die noch dadurch verstärkt werden, dass auch die durch Verordnung aufgrund des AnerkennungG anerkannte „Islamische Alevitische Glaubensgemeinschaft in Österreich“ mit einbezogen wird. Damit soll das neue IslamG sowohl die „äußeren Rechtsverhältnisse“ zweier sehr unterschiedlicher, sich als islamisch verstehender Religionsgesellschaften regeln und gleichzeitig ein allgemeines Anerkennungsrecht für weitere islamische Glaubensgemeinschaften schaffen.

Bezüglich der Aleviten ist davon auszugehen, dass für diese ebenso wie für Muslime zu gelten hat, dass „[e]s … nicht Aufgabe der staatlichen Autoritäten [ist,] in Konfliktsituationen zwischen religiösen Gruppierungen oder innerhalb von solchen den Grund der Spannungen durch Eliminierung des inneren Pluralismus zu beseitigen, sondern zu sichern, dass die konkurrierenden Gruppen einander tolerieren.“[5] War es schon bisher nicht einsichtig, einer weder eingetragenen noch anerkannten alevitischen Glaubensgemeinschaft, die sich gerade nicht als islamische Gruppierung versteht, einen religionsrechtlichen Status zu verweigern, so ist dies nun noch weniger der Fall. Gemäß dem vorliegenden Entwurf werden also in Hinkunft islamische Religionsgesellschaften nach dem IslamG anzuerkennen sein, während für weitere alevitische Religionsgesellschaften (die sich nicht als islamisch verstehen) das allgemeine Anerkennungsrecht gilt.

           Zusammenfassend ist es dem vorliegenden Entwurf grundsätzlich nicht geglückt, die Regelung der äußeren Rechtsverhältnisse zweier bereits bestehender, sehr unterschiedlicher Religionsgesellschaften mit der Regelung der Anerkennung von weiteren Religionsgesellschaften in einem Gesetz zu verbinden. Zugegebenermaßen stellt dies auch eine nur schwer zu bewältigende legistische Herausforderung dar. Diese wurde allerdings vom Gesetzgeber gewählt, obwohl sich andere sachgerechtere und näher liegende Modelle angeboten hätten. Die Islamische Alevitische Religionsgesellschaft in Österreich wäre zweifellos besser unter dem Regime des allgemeinen Anerkennungsrechts verblieben.

Auch für die zukünftige Anerkennung von islamischen Religionsgesellschaften hätte man es nach dem Vorbild des Israelitengesetzes beim allgemeinen Anerkennungsrecht belassen sollen. Wenn man schon ein eigenes Anerkennungsrecht für islamische Religionsgesellschaften in ein neues IslamG integrieren möchte, dann wäre eine klare Trennung der beiden Regelungsbereiche – einerseits äußere Rechtsverhältnisse der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich und andererseits Anerkennung weiterer islamischer Religionsgesellschaften – angezeigt gewesen.

 

IV.       Zu den Bestimmungen im Einzelnen

 

 

1.           Körperschaft öffentlichen Rechts (§ 1)

 

In § 1 (und § 8 Abs 1 bezüglich der Kultusgemeinden) wird festgehalten, dass islamische Religionsgesellschaften in Österreich „Körperschaften des öffentlichen Rechts“ sind. Diese bereits im novellierten Israelitengesetz gewählte Diktion entspricht nicht den bislang vom Gesetzgeber aus gutem Grund gewählten Formulierungen. Danach „genießen“ die gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften die Stellung von Körperschaften des öffentlichen Rechts (Art II Konkordat 1933, § 1 Abs 2 I Protestantengesetz 1961, § 2 Orthodoxengesetz 1967 sowie § 1 Orientalisch-orthodoxes Kirchengesetz 2003). Unabhängig davon, ob diese neue Formulierung bewusst oder unreflektiert Eingang in den Gesetzestext gefunden hat, und davon, dass sie kaum eine unmittelbare praktische Bedeutung hat, vermittelt sie prima vista den Eindruck einer gewissen programmatischen Bedeutung in Richtung auf ein Näherrücken zu staatlichen Organisationsstrukturen mit einer stärkeren staatlichen Kultusaufsicht. Der Weg zu einem modernen grundrechtsorientierten Religionsrecht, der durch das Protestantengesetz 1961 beschritten wurde, ist seit einiger Zeit durch Rückschritte gekennzeichnet; eine Entwicklung, die im vorliegenden Entwurf  einen Höhepunkt erreicht.

2.           Misstrauen gegenüber islamischen Gruppierungen (§ 2)

 

Der vorliegende Gesetzesentwurf zeugt unverkennbar von einem Misstrauen gegenüber dem Islam bzw den islamischen Glaubensgemeinschaften, was bereits vielfach in öffentlichen Stellungsnahmen beklagt wurde.

           Ein solches dem Entwurf zugrundeliegendes Misstrauen wird vor allem in § 2 deutlich. Das Weglassen der Wendung „Sie ist in Bekenntnis und Lehre frei und hat das Recht der öffentlichen Religionsübung“ in § 2 Abs 1 –  wie diese in § 1 Abs 2 II Protestantengesetz und in § 2 Israelitengesetz wörtlich enthalten ist – erweckt den Eindruck, dass diese grundrechtlichen Gewährleistungen für Muslime und Musliminnen sowie islamische Religionsgesellschaften nur eingeschränkt gelten sollten. Damit wird ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber dem Islam bzw den muslimischen Bürgerinnen und Bürgern artikuliert.

           Dieser Eindruck wird durch die Absätze 2 und 3 noch verstärkt. § 2 Abs 2 wiederholt im Wesentlichen Art I § 6 Abs 2 IslamG 1912, der lautet: „Auch die Lehren des Islams, seine Einrichtungen und Gebräuche genießen diesen Schutz, insoweit sie nicht mit den Staatsgesetzen im Widerspruch stehen.“ Ausdrücklich hielt dazu später der Bericht der Kommission des Herrenhauses fest: „Dieser Vorbehalt ist geboten, weil innerhalb des gesamten Lehrbestandes des Islams an Glaubens- und Sittenvorschriften sich manche Auffassung und mancher Satz findet, dem der volle gesetzliche Schutz wegen seines Gegensatzes zur einschlägigen staatlichen Gesetzgebung nicht eingeräumt werden kann. Es mag in dieser Hinsicht die Verweisung auf die Polygamie genügen, welche, so wenig sie tatsächlich und praktisch eine Rolle im Leben der hierzulande befindlichen Anhänger des Islams innehat, doch in thesi als rechtliche Einrichtung besteht.“[6] Diese Regelung ist insbesondere vor dem Hintergrund der religiösen Bindung des staatlichen Eherechts zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Islamgesetzes zu sehen, ist jedoch ist jedoch nach dem Verfassungsverständnis der zweiten Republik im Hinblick auf Art. 15 StGG und seine Auslegung durch den VfGH (siehe G58/10 und G59/10) unzulässig.

           In § 2 Abs 3 wird „die Pflicht zur Einhaltung allgemeiner staatlicher Normen“ und deren Vorrang vor innerreligionsgesellschaftlichen Regelungen oder der Lehre festgehalten, „sofern das im jeweiligen Fall anzuwendende staatliche Recht nicht ein solche Möglichkeit vorsieht.“ Dabei handelt es sich zum einen um eine Selbstverständlichkeit und zum anderen um eine Formulierung, die sich in keinem der anderen religionsrechtlichen Spezialgesetze findet.

           In den Erläuterungen heißt es dazu weiters: „Abs. 3 soll eine klare Trennung zwischen staatlichem, für alle anwendbarem und verbindlichem, Recht und der innerkonfessionellen Rechtsordnung ziehen. Dem Grundsatz der Trennung von Staat und Religion entsprechend, der besonders dem Schutz der Religion vor staatlichem Einfluss dient, kann eine innerkonfessionelle Ordnung keine Rechtswirkungen nach Außen entfalten.“ Und weiter wird festgehalten, dass „wie bisher, im Fall einer Kollision […] sich niemand auf seine Religionsfreiheit berufen kann, wenn eine allgemeine staatliche Regelung anzuwenden ist, die sich an einen größeren Personenkreis richtet.“[7]

           Die Textierung im Gesetzesentwurf stellt eine Verkürzung dar, die den mit solchen Normierungen verbundenen diffizilen grundrechtsdogmatischen Aspekten nicht gerecht wird. Die Formulierung ist insbesondere dahingehend missverständlich, als sie zu implizieren scheint, dass es stets einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermöglichung bedarf, um innerreligionsgemeinschaftlichen Vorgaben auch im staatlichen Bereich Relevanz zukommen zu lassen.

           Mit der Formulierung in den Erläuterungen wird das äußerst komplexe Thema des Ineinandergreifens von religionsgemeinschaftlicher und staatlicher Rechtsordnung, eingebunden in die institutionelle Trennung von Staat und Religion, in einigen wenigen Zeilen abgehandelt, was zwangsläufig zu undifferenzierten und missverständlichen Verkürzungen führt. Die beiden in den Erläuterungen genannten Beispiele, dass „niemand die Leistung von Steuern und Abgaben oder das Zahlen von Zinsen mit der Begründung, dass dies religiös nicht zulässig wäre, verweigern [kann]“, sind zwar durchaus zutreffend, verschleiern jedoch, dass das Betonen des Primats der österreichischen Gesetze in Abs 3 überschießend formuliert ist. Die Bestimmung scheint außer Acht zu lassen, dass das Grundrecht auf Gewissens- bzw Religionsfreiheit – über ausdrückliche Gewissensklauseln hinausgehend – gegebenenfalls im Rahmen grundrechtlicher Gewährleistungspflichten zum Tragen zu kommen hat. Zur Auflösung solcherart zu Tage tretender  Konfliktsituationen bedarf es komplexer Abwägungsprozesse unter strenger Bindung an das Verhältnismäßigkeitsprinzip.

           Kurz und bündig bedeutet das: Abs 1 ist wie angesprochen zu ergänzen, Abs 2 und 3 sind zu eliminieren. Damit entspräche der § 2 auch der Parallelbestimmung im Israelitengesetz.

 

3.           Anerkennung weiterer islamischer Religionsgesellschaften (§§ 3 bis 5)

 

Als Konsequenz der bereits angesprochenen und kritisierten Grundkonzeption werden in § 3 der „Erwerb der Rechtspersönlichkeit“ als gesetzlich anerkannte Religionsgemeinschaft, die „Voraussetzungen für den Erwerb der Rechtsstellung“ sowie die „Versagung und Aufhebung der Rechtspersönlichkeit“ geregelt. Dabei werden einerseits – in grundsätzlich naheliegender Weise – über weite Strecken die entsprechenden Normen aus dem Bekenntnisgemeinschaftengesetz übernommen (§§ 2, 5, 11, 11a), allerdings in einer seltsamen Mischung, die Unklarheiten bzw Inkonsistenzen zur Folge hat. Andererseits werden – in nicht nachvollziehbarer Weise – Unterschiede eingebaut. Letztere gilt es im Besonderen zu hinterfragen.                                                                                                   

           Zunächst ist die Anerkennung einer islamischen Religionsgesellschaft in Form eines Bescheides in den Blick zu nehmen, wie dies in § 3 Abs 1 des Entwurfes vorgesehen ist. Es handelt sich dabei um eine neue Variante im österreichischen Anerkennungsrecht, das bislang Anerkennungen durch Verordnung gemäß AnerkennungsG iVm dem BekenntnisgemeinschaftenG oder durch ein eigenes Gesetz bzw als Sonderregelung durch die Novellierung des Gesetzes für Orientalisch-orthodoxe Kirchen vorsieht.

           Eine Anerkennungsvariante in Bescheidform ist grundsätzlich zu problematisieren. Die Anerkennung einer Religionsgesellschaft stellt einen Rechtsakt dar, der als Rechtsform eine Verordnung verlangt, wobei aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit folgende Vorgangsweise einzuhalten ist: „Der zuständige Bundesminister (‚Cultusminister‘) hat, wenn er das Vorliegen der Anerkennungsvoraussetzungen verneint, über den Antrag bescheidmäßig negativ abzusprechen; wenn er hingegen zum Ergebnis gelangt, es seien alle Anerkennungsvoraussetzungen gegeben, muß er [...] entweder die ‚Anerkennung – sogleich – durch Verordnung‘ aussprechen, oder aber vorerst einen an den (die) Antragsteller adressierten positiven Bescheid und zusätzlich eine an die Allgemeinheit gerichtete Verordnung erlassen“ (VfSlg 13134/1992). Aus diesem Grund hat der VfGH (VfSlg 11624/1988) auch die als Bescheid bezeichnete Erledigung des BMUK vom 2. Mai 1979, mit der die Genehmigung für die Errichtung der ersten Kultusgemeinde auf Grund des IslamG ausgesprochen worden war, als gesetzwidrig aufgehoben. Der VfGH begründete seine Entscheidung dahingehend, dass sich die gegenständliche Erledigung nicht bloß an den „moslemischen Sozialdienst“ wende, an den sie formell ergangen sei, sondern bewirke vielmehr, dass eine Religionsgemeinschaft und eine Religionsgemeinde für den staatlichen Bereich die vom AnerkennungsG vorgesehene Anerkennung erlangen. Diese behördliche Erledigung begründe Rechte und Pflichten für alle Bekenner des Islam und nicht nur für die Antragsteller. Es handle sich daher um eine (nicht in Gesetzesform ergangene) generelle Norm, die im Bundesgesetzblatt kundzumachen gewesen wäre. In diesem Sinn hat auch der VwGH mehrfach darauf hingewiesen, dass „die Anerkennung eine Mehrzahl von physischen Personen, die keineswegs den Charakter einer Personengemeinschaft haben muss, sondern nur dem gleichen Religionsbekenntnis huldigt, zu einer privilegierten juristischen Person des öffentlichen Rechtes [erhebt]“ (u.a. VwGH 19. 3. 1970, Zl 831/69). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn wie im vorliegenden Gesetzesentwurf auf die Glaubenslehre als entscheidendes Differenzierungsmerkmal zwischen Religionsgesellschaften abgestellt wird. Entsprechende Überlegungen werden auch im Zusammenhang mit der Aufhebung der Anerkennung in Bescheidform anzustellen sein. Hinsichtlich der (unveränderten) Übernahme der entsprechenden Anerkennungsbestimmungen aus dem BekGG gilt es zu betonen, dass Letztere bereits eine starke Kritik im Schrifttum erfahren haben, die daher auch zur Gänze bezüglich ihrer nunmehrigen Verankerung im Islamgesetz aufrechtzuerhalten ist. Diese Kritik erstreckte sich in besonderem Maß auf die Anerkennungsvoraussetzung einer Mitgliederzahl von 2 Promille der Wohnbevölkerung.

           Mehrere Unklarheiten bzw Unstimmigkeiten ergeben sich aus der angesprochenen Kombination von „Parallelbestimmungen“ aus dem BekGG, die sich teilweise auf die Eintragung und teilweise auf die Anerkennung beziehen. § 4 Abs 2 bis 4 entspricht wörtlich § 11 Z 2 bis 4 BekGG, der zusätzliche Voraussetzungen für eine Anerkennung nach dem Anerkennungsgesetz regelt. Demgegenüber findet sich in § 4 Abs 1 – gewissermaßen als Parallelbestimmung zu § 11 Z 1 lit a) bis lit d) – eine modifizierte Regelung. Diese spricht von einem „gesicherten dauerhaften Bestand“ (und erinnert damit in gewisser Weise an § 1 Z 2 AnerkennungsG), der dann angenommen wird, „wenn der Antragsteller eine staatlich eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaft ist und über eine Anzahl an Angehörigen von mindestens 2 vT der Bevölkerung Österreichs“ verfügt. Diese Formulierung lässt nicht eindeutig erkennen, ob ein „gesicherter dauerhafter Bestand“ nur bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen angenommen werden kann. Ob insbesondere zwingend vorausgesetzt wird, dass der Antragsteller eine staatlich eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaft ist, bleibt umso mehr im Dunkeln, als die entsprechende Anerkennungsvoraussetzung in § 11 Z 1 lit a) bis c) BekGG als einzige Regelung dieses Paragrafen – aus unerfindlichen Gründen – nicht in den Gesetzesentwurf übernommen sondern modifiziert wurde.[8]     

           Unter gleichheitsrechtlichem Gesichtspunkt ist jedenfalls die Bestimmung in § 5 Abs 2 Z 1 des Entwurfes verfassungswidrig, worin in Bezug auf die Aufhebung der Anerkennung pauschal auf den § 4 verwiesen wird und diese damit auch zu erfolgen hat, wenn die Mitgliederzahl unter die Zweipromille-Grenze sinkt (zur allgemeinen Ungleichbehandlung des § 5 Abs 2, da es eine solche Aufhebungsbestimmung nicht für die traditionellen Kirchen gibt, wird auf das die Stellungnahme von Potz/Schinkele zum § 11a BekGG verwiesen)[9]. Die entsprechende Regelung für die dem Anerkennungsgesetz unterliegenden Religionsgemeinschaften in § 11a BekGG nimmt das Absinken der Mitgliederzahl als Aufhebungsgrund ausdrücklich aus. 

Ein Novum im österreichischen Religionsrecht stellt auch jene Regelung in § 5 Abs 2 dar, wonach der Bundeskanzler die „Rechtspersönlichkeit einer Kultusgemeinde mit Bescheid aufzuheben [hat]“, wenn in Bezug auf diese die für die Aufhebung der Anerkennung vorgesehenen Voraussetzungen gegeben sind. Ein solches auf der genannten Rechtsgrundlage beruhendes direktes staatliches Vorgehen gegenüber einer Kultusgemeinde –   gewissermaßen unter Umgehung der Religionsgesellschaft – erscheint mit dem Selbstbestimmungsrecht von Religionsgemeinschaften unvereinbar. Sollten sich derartige Maßnahmen gegen eine Religionsgemeinde als notwendig erweisen, so ist Abhilfe durch die zur Verfügung stehenden entsprechenden (religions)rechtlichen Instrumentarien zu schaffen.

4.           Anerkennung weiterer islamischer Religionsgesellschaften (§§ 3 bis 6 Abs 1 und § 23)

 

Ein zentrales Problem stellt auch die vorgesehene Auflösung von Vereinen dar, die der „Verbreitung der Religionslehre der betreffenden Religionsgesellschaft“ dienen, wie dies in Bezug auf neu anzuerkennende Religionsgemeinschaften in § 3 Abs 4 und in Bezug auf die bestehenden in § 23 Abs 3 vorgesehen ist. Hier kommt es zu klaren Kollisionen mit dem Grundrecht auf Religionsfreiheit in ihren unterschiedlichen Dimensionen – individuell, kollektiv und korporativ – sowie mit dem Grundrecht auf Vereinsfreiheit, sodass insoweit ein schonender Ausgleich zu finden sein wird.

Zunächst sind die unterschiedlichen Formulierungen in § 3 Abs 4 und 5 – Übernahmen der Regelungen in § 2 Abs 4 und 5 BekGG – in den Blick zu nehmen. Während in Abs 4 von Vereinen die Rede ist, „deren Zweck in der Verbreitung der Religionslehre der betreffenden Religionsgesellschaft besteht“, wird in Abs 5 von einem Verein gesprochen, „der der Unterstützung des betreffenden religiösen Bekenntnisses dient“.  Damit ist offenbar der institutionelle Aspekt des durch die Anerkennung bewirkten Wechsels der Rechtsform angesprochen. Es geht somit um jenen Verein, der bislang mangels Konstituierung in einer spezifischen für Religionsgemeinschaften vorgesehenen Rechtsform einen rechtlichen Rahmen für das Wirken der betreffenden Religionsgemeinschaft gebildet hat. Dessen Zweck ist mit der Erlangung des religionsrechtlichen Status als erfüllt anzusehen. Es soll also verhindert werden, dass für ein und dieselbe Religionsgemeinschaft zwei Rechtspersönlichkeiten bestehen. Insoweit kann die amtswegige Auflösung als gerechtfertigt angesehen werden.

Anders verhält es sich mit den in § 3 Abs 4 genannten Vereinen, die der „Verbreitung der Religionslehre der betreffenden Religionsgesellschaft“ dienen. Diese Regelung entspricht jener in § 23 Abs 3, der sich ausschließlich auf die schon bestehenden islamischen Glaubensgemeinschaften bzw auf deren bestehende und umzuwandelnde bzw aufzulösende Vereine bezieht. Der Aspekt der Neugründung einer Religionsgesellschaft unter Auflösung des diese vorbereitenden Vereins ist hier also völlig auszublenden. In der Zusammenschau der beiden Bestimmungen unter Einbeziehung der Erläuterungen zu § 23 Abs 3 ergeben sich auf den ersten Blick Schwierigkeiten, die sich jedoch auch bei näherer Betrachtung nicht in befriedigender Weise auflösen lassen. Im Gesetzestext ist pauschal von Vereinen die Rede, die der „Verbreitung der Religionslehre“ einer Religionsgesellschaft dienen. Darunter lassen sich sehr unterschiedliche Vereine subsumieren, die typischerweise – mehr oder weniger ausgeprägt – eine solche Zielsetzung haben, also die breite Palette von „Vereinen mit religiösem Teilzweck“, was stets in Verbindung mit dem jeweiligen religiösen Selbstverständnis zu sehen ist.

Die amtswegige Auflösung sämtlicher „Vereine, deren Zweck in der Verbreitung der Religionslehre nach diesem Bundesgesetz besteht und die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bestehen“ (§ 23 Abs 3), stellt einen klaren Eingriff in das Grundrecht auf Vereinsfreiheit bzw religiöse Vereinigungsfreiheit dar. Dies erahnt offenbar auch der Gesetzgeber, wenn er in den Erläuterungen dazu ausführt: „Die Auflösung der Vereine ist dann nicht erforderlich, wenn diese ihren Vereinszweck rechtzeitig vor Ablauf der in Abs. 3 vorgesehenen Frist so abändern, dass er nicht mehr in Verbreitung einer religiösen Lehre besteht. Wenn der Vereinszweck in eine Hilfstätigkeit umgewandelt wird, zB sozialer Zweck oder Betrieb, Unterhalt oder Errichtung einer Kultstätte, so ist die Bestimmung des Abs. 3 nicht anwendbar.“

Dazu ist zunächst festzuhalten, dass sich eine Abgrenzung zwischen der Verbreitung der Religionslehre und dem Betrieb, dem Unterhalt oder der Errichtung einer Kultstätte nicht ziehen lässt. Mit dem Betrieb einer Kultstätte geht wohl naheliegender Weise und von der Natur der Sache her in irgendeiner Form eine Verbreitung der Religionslehre einher.

Weiters stellt sich in diesem Zusammenhang die grundsätzliche Frage des Verhältnisses zwischen dem Gesetzestext und den Erläuterungen. In Ersterem findet sich eine unklare Formulierung in Verbindung mit einem klaren Verstoß gegen grundrechtliche Garantien, während in den Erläuterungen unter Aufrechterhaltung der begrifflichen Unklarheiten die im Gesetzestext vorgesehenen Grundrechtseingriffe relativiert werden. Dies stellt legistisch nicht nur eine unzweckmäßige bzw unzulängliche, sondern vielmehr eine unzulässige Vorgangsweise dar. Zum Verhältnis zwischen Gesetzestext und Erläuterungen ist dementsprechend zu betonen, dass Letztere niemals den Gesetzestext „ersetzen“ können. „Die Gesetzesmaterialien sind weder das Gesetz selbst noch interpretieren sie dieses authentisch. Ein Rechtssatz, der nur in den Gesetzesmaterialien steht und im Gesetz keinen Niederschlag gefunden hat, kann daher auch nicht im Weg der Auslegung Geltung erlangen.“[10]

Hinter dieser Vorgangsweise des Gesetzgebers steckt offenbar die Absicht, sogenannte Moscheenvereine in Kultusgemeinden umzuwandeln und damit zwingend organisatorisch stärker in die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich einzugliedern. Auf diese Weise käme es zu einer gravierenden Veränderung der Vereinskultur der österreichischen Muslime und Musliminnen, was auch einen „Etikettenschwindel“ provozieren würde. Dies dahingehend, dass religiöse Aktivitäten zumindest teilweise verschleiert würden, wozu die Erläuterungen ja geradezu eine Empfehlung abgeben. Da in diesem Zusammenhang auf die „Verbreitung der Religionslehre einer Religionsgesellschaft nach diesem Bundesgesetz“ abgestellt wird, ergibt sich auch hier die Frage nach der Exklusivität der durch die Religionsgesellschaft vertretenen Lehre (vgl unten 5.). Im Falle der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich handelt es bei der Rechtslehre um den Islam gemäß dem oben bereits erwähnten „Acht madhhab-System“. Wenn durch diese Regelung alle den Islam gemäß diesem System der rechtmäßigen Schulen vertretenden Vereine abzuändern bzw aufzulösen wären, unabhängig davon, ob sie mit der islamischen Glaubensgemeinschaft in Verbindung stehen, dann wäre dies ein massiver Eingriff in die Vereinsfreiheit.

Die Möglichkeit des Erwerbs oder des Fortbestandes einer eigenen Rechtspersönlichkeit für eine bestimmte Gruppe dürfte aber auch nicht etwa von der Zustimmung einer anderen Gruppe abhängig gemacht werden. So betont auch der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg 19.240/2010, unter Berufung auf die Literatur und die Rechtsprechung des EGMR: „Nach der Rechtsprechung des EGMR ist der Staat zur Neutralität und Unparteilichkeit verpflichtet. Eine Verletzung des Art9 EMRK ist dann anzunehmen, wenn die Anerkennung einer - keine neue Bewegung darstellenden – … Religionsgemeinschaft vom Willen einer bereits anerkannten kirchlichen Autorität abhängig gemacht wird (vgl. EGMR 13.12.2001, Fall Metropolitan Church of Bessarabia and others v. Moldova, Appl. 45.701/99, Z123)“ (ebenso EGMR 26. 10. 2000, Hasan & Chaush v. Bulgaria, Appl 30.985/69, Z 78). Umgekehrt wäre es auch unzulässig, die Eingliederung einer Gruppe in einen bestehenden Verband, also in eine der bestehenden islamischen Religionsgesellschaften  gegen dessen Willen zu verfügen. Die gemäß § 6 Abs 1 Z 7 iVm § 23 Abs 2 des Entwurfs in den Statuten auch der bereits bestehenden islamischen Religionsgesellschaften vorzusehende „angemessene Berücksichtigung aller innerhalb der Religionsgesellschaft bestehende Traditionen“ darf daher verfassungskonform nur als Empfehlung verstanden werden und kann keinesfalls eine nachträgliche die Aufhebung der Anerkennung der Religionsgesellschaft, wie sie § 5 Abs 2 Z 2 iVm § 5 Abs 1 Z 3 und § 6 Abs 1 Z 7 vorsieht. Auch ein Verweis auf die Möglichkeit der Bildung von Kultusgemeinden innerhalb der islamischen Religionsgesellschaften schafft hier keine Abhilfe, weil sie  ebenso das Einverständnis der bestehenden Religionsgesellschaften voraussetzen würde. Im Lichte der Religionsfreiheit müsste der staatliche Rechtsordnung vielmehr die Möglichkeit der Bildung unterschiedlicher Rechtspersönlichkeiten zulassen, sobald ein Zusammenschluss dem Selbstverständnis auch nur einer der beteiligten Gruppen widerstreit. Dies scheint durch die gegenwärtige Fassung des Entwurfs nicht gesichert, zumal er unabhängig vom Selbstverständnis der Betroffenen nicht einmal die Bildung oder das Fortbestehen religiöser Vereine zulässt, deren Lehre sich nicht auch nur von einer der in den bereits anerkannten islamischen Religionsgesellschaften vertretenen Richtungen der islamischen Lehre unterscheidet.

§ 3 Abs 4 und § 23 Abs 3 sowie § 6 Abs 1 Z 5 des Entwurfs erscheinen daher als Verletzung der korporativen Religionsfreiheit (Art 9 EMRK und Art 15 StGG) und somit als verfassungswidrig. Dasselbe gilt auch für § 6 Abs 1 Z 7 des Entwurfs, insoweit seine Nichterfüllung die Verweigerung der Anerkennung bzw deren nachträgliche Aufhebung nach sich zieht. Weiters sollte zu § 7, der die Aufgaben der Religionsgesellschaft normiert, eine Ergänzung vorgenommen werden. In einer Z 3 sollte in Analogie zu § 4 Abs 1 ProtestantenG der Erwerb der Rechtspersönlichkeit nach staatlichem Recht für religionsgesellschaftliche Einrichtungen vorgesehen werden, die nach innerreligionsgesellschaftlichem Recht mit Rechtspersönlichkeit ausgestattetet sind. Dies auch zur Stärkung des zivilgesellschaftlichen Engagements von Musliminnen und Muslimen. Insgesamt bedürfen diese Regelungen einer eingehenden Überarbeitung im Sinn einer klaren und grundrechtskonformen Textierung und eines schonenden Ausgleichs kollidierender Interessenlagen. Die unscharfen und etwas chaotischen Regelungen betreffend das „islamische Vereinswesen“ zeigen in besonderem Maße auf, dass in einem zukünftigen Islamgesetz nur die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich angesprochen werden sollte.

5.           Darlegung der Glaubensgrundlagen und die Exklusivität der Lehre (§ 6 Abs 1 Z 5)

 

Das in § 6 Abs 1 Z 5 enthaltene Gebot der „Darstellung der Lehre, einschließlich eines Textes der wesentlichen Glaubensquellen (Koran)“ in deutscher Sprache schafft eine Reihe von Problemen. Es handelt sich auch in diesem Fall um eine Bestimmung für Muslime, die über die entsprechenden Vorgaben für andere Religionsgesellschaften deutlich hinausgeht. Das Erfordernis der Vorlage eines gleichsam „authentischen“ Textes des Korans in deutscher Sprache ist weder sachlich (religions- bzw islamwissenschaftlich) noch religionsrechtlich zu rechtfertigen. Sachlich deshalb, da hier die komplexen Auslegungsprozesse religiöser Quellen nicht berücksichtigt werden; ein Erfordernis, das generell für Offenbarungsschriften gilt. Die Komplexität der Übersetzung des Korans verlangt in jedem Fall einen ausführlichen Kommentar.

Religionsrechtlich bedenklich ist es, wenn in den Erläuterungen sprachlich holprig darauf verwiesen wird, dass „die Lehre gegenüber Neuanträgen zur Feststellung, ob die Lehre bereits besteht ebenso erforderlich [ist] wie beim Bezug des Namens zur Lehre“ und weiter: „Dies umfasst aufgrund der Natur der Glaubensquelle, der Koran ist in arabischer Sprache, auch Texte, die den Inhalt des Glaubenstextes in deutscher Sprache wiedergeben. Diese Texte stellen für künftige Verfahren eine wichtige Quelle zur Klärung der Frage, ob eine Lehre, die sich von einer Bestehenden unterscheidet, vorliegt, dar.“

Als wesentlicher Grund für die geforderte Vorlage des Korans in deutscher Sprache wird also angegeben, dass sich die Lehre einer antragstellenden Religionsgesellschaft von den Lehren der bestehenden gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaften, Bekenntnisgemeinschaften oder Religionsgesellschaften nach diesem Bundesgesetz unterscheiden muss. Damit wird das im Lichte der Straßburger Rechtsprechung bedenkliche österreichische Konzept fortgeschrieben, welches einen besonders umstrittenen Kernbereich des österreichischen Anerkennungsrechts darstellt. Aus § 1 Abs 1 AnerkennungsG wurde ein Ausschließlichkeitsrecht hinsichtlich der Glaubenslehre abgeleitet, das sich in § 4 Abs 1 Z 1 BekGG und nunmehr auch in § 6 Abs 1 Z 5 des vorliegenden Entwurfes wiederfindet. Nachdem diese Problematik bei der Behandlung der Anträge auf Eintragung seitens der beiden größeren alevitischen Verbände virulent geworden war, wird das Abstellen auf Unterschiede in der Religionslehre im Kontext der Anerkennung einer weiteren islamischen Religionsgesellschaft noch fragwürdiger. Es ist nämlich zu bedenken, dass die von der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich „verbreitete“ Religionslehre die im „Acht madhhab-System“ als rechtmäßig anerkannten Rechtsschulen umfasst. Die in § 6 Abs 1 Z 7 in terminologisch unpassender Weise aus dem Israelitengesetz übernommene Formulierung „angemessene Berücksichtigung aller innerhalb der Religionsgesellschaft bestehenden Traditionen“ verdeutlicht die Problematik. Wenn hier mit „Traditionen“ die jeweils innerhalb der Religionsgesellschaft bestehenden Rechtsschulen gemeint sein sollen, dann wird die Frage nach der Exklusivität der durch die Religionsgesellschaft vertretenen Glaubenslehre geradezu zugespitzt. Wenn nämlich an diese Exklusivität angeknüpft werden soll, dann wäre in der Folge auch keine islamische Bekenntnisgemeinschaft einzutragen und wohl schon gar keine islamische Religionsgesellschaft zuzulassen, welche eine dieser rechtmäßigen Schulen vertritt.[11] Angesichts des bis heute bestehenden Eingebundenseins der schiitischen Mehrheit in die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich wäre auch nach dieser Interpretation überdies die Eintragung einer dschafaritischen (zwölfer-schiitischen) Minderheit als Islamisch-schiitische Glaubensgemeinschaft unzulässig gewesen. Bei dieser Eintragung ist man offenbar der vom EGMR vertretenen sachgerechten Lösung gefolgt[12] und hat anstatt auf eine Unterscheidbarkeit in der Lehre auf eine organisatorische Selbständigkeit abgestellt, wobei die Gefahr einer Verwechslung mit anderen Religionsgemeinschaften auszuschließen ist. Damit sind Kriterien angesprochen, die ausschließlich nach säkularen Maßstäben beurteilt werden können und daher für den religiös-neutralen Staat maßgeblich zu sein haben. In diesem Sinn wird auch im deutschen Schrifttum nahezu einhellig das Erfordernis, eine Religionsgemeinschaft müsse ein „von anderen sich unterscheidendes Glaubensbekenntnis“ aufweisen, nicht mehr als essentiell angesehen. Während diese Voraussetzung in den „Empfehlungen der Kultusministerkonferenz“ aus dem Jahre 1954 noch als wesentliches Kriterium angesehen wurde, erfolgte 1962 eine Relativierung dahingehend, dass nunmehr auf eine eigene Organisation abgestellt wird.

6.           Die Frage der Auslandsfinanzierung (§ 6 Abs 2)

 

§ 6 Abs 2 enthält für Religionsgesellschaften und Kultusgemeinden bzw ihre Mitglieder das Gebot der Aufbringung der Mittel für die gewöhnliche Tätigkeit zur Befriedigung der religiösen Bedürfnisse ihrer Mitglieder […] im Inland. Dies Bestimmung widerspricht dem geltenden Recht bzw der ständigen Rechtsprechung, wonach die Beschaffung der zur Deckung des Sach- und Personalbedarfs erforderlichen Mittel eine Voraussetzung dafür ist, dass die Kirchen und Religionsgesellschaften überhaupt ihre inneren Angelegenheiten ordnen und verwalten können (VfSlg 3657/1959; OGH SZ 31/78/1958; VwSlg 10595 A/1981).

Gemäß § 1 Z 2 AnerkennungsG sind die Errichtung und der Bestand „wenigstens Einer nach den Anforderungen dieses Gesetzes eingerichteten Cultusgemeinde“ Voraussetzung für die gesetzliche Anerkennung einer Religionsgesellschaft. Die Genehmigung zur Errichtung einer solchen ist gemäß § 5 leg cit durch den Nachweis bedingt, „dass dieselbe hinreichende Mittel besitzt, oder auf gesetzlich gestattete Weise aufzubringen vermag, um die nöthigen gottesdienstlichen Anstalten […] und die Erhaltung des ordentlichen Seelsorgers zu sichern.“ Aus all dem lässt sich jedenfalls keine Verpflichtung ableiten, dass die Aufbringung der Mittel für die gewöhnliche Tätigkeit zur Befriedigung der religiösen Bedürfnisse ihrer Mitglieder im Inland zu erfolgen hätte.

Die Frage der „Auslandsfinanzierung“ hat sich allerdings 1878 anlässlich der Anerkennung der Herrnhuter Brüderkirche gestellt, als sich im Gefolge des Berliner Kongresses 1878 das allgemein zunehmende Misstrauen gegen ausländischen Einfluss auch auf das Anerkennungsverfahren der Herrnhuter auswirkte. Ministerpräsident Eduard Graf von Taaffe (1833-1895), der zugleich das Innenressort wahrnahm, stellte fest, dass die materielle Unterstützung durch Stellen im Ausland politisch bedenklich wäre und sich nicht mit den gesetzlichen Vorgaben vereinbaren ließe. Daraufhin forderte das Kultusministerium die im Ausland befindliche Zentrale der beiden Brüdergemeinden auf, zur materiellen Sicherstellung Kapital in Österreich zu deponieren, um aus den Zinserträgen die Kosten abzudecken.

Der vorliegende Entwurf hat offensichtlich dieses „historische Modell“ im Auge, wenn er in den Erläuterungen festhält: „Eine einmalige Schenkung wäre mit diesem Wortlaut vereinbar. Wenn daraus ein laufender Ertrag, beispielweise zu einer Finanzierung von bestehenden Personalkosten, erzielt werden soll, so wäre eine Schaffung einer inländischen Stiftung, entweder nach dem Privatstiftungsrecht oder allenfalls einer religiösen Stiftung auf der Grundlage der Verfassung der Religionsgesellschaft nach § 6 möglich. Entscheidend für die Frage, ob es sich um eine zulässige inländische Finanzierung handelt, wären dann der Sitz der Stiftung und der Wohnsitz der Stiftungsorgane.“ Was die staatliche Stiftungsaufsicht in einem solchen Fall betrifft, sei die Feststellung von Herrnritt aus 1896 (!) zitiert: „Durch die den anerkannten Religionsgesellschaften auf dem Gebiet ihres inneren Lebens eingeräumte Autonomie wurde die Ausübung der staatlichen Stiftungshoheit hinsichtlich der Stiftungen, deren Zweck in das innere Leben derselben eingreift, unmöglich.“[13]

Weiters darf neben den verfassungsrechtlichen Bedenken auch die internationale politische Dimension nicht außer Acht gelassen werden. Finanzierung auch des laufenden Aufwandes durch ausländische Einrichtungen (insbesondere NGOs, im Speziellen auch als solche auftretende Religionsgemeinschaften) gehört in demokratischen Gesellschaften inzwischen zum Alltag. So kann auch der Fortbestand der christlichen Minderheiten im Vorderen Orient derzeit nur durch die ausländische Unterstützung seitens der Kirchen gewährleistet werden. In diesem Zusammenhang ist weiters an die weltweite Kritik am russischen „Gesetz über die ausländischen Agenten“ aus 2012 zu verweisen, wonach sich nicht-kommerzielle Organisationen, die finanzielle Mittel aus dem Ausland erhalten und politisch tätig sind, in ein spezielles Register eintragen lassen müssen. Als politische Tätigkeit gilt offenbar auch das Betreiben von Projekten, die der russischen Kultur fremd sind.[14]

Schließlich muss aber auch noch auf die Schwierigkeiten in der praktischen Handhabung dieser Regelung hingewiesen werden. Soll etwa zur staatlichen Aufsicht über die religionsgemeinschaftliche Vermögensverwaltung zurückgekehrt werden, wonach Kirchen und Religionsgesellschaften Haushaltsplan und Rechnungsabschluss vorzulegen haben, um die Einhaltung der Regelung des § 6 Abs 2 überprüfen zu können? Eine solche Vorgangsweise erinnert an § 4 Abs 1 KBG 1940, der für die Kirchen die Verpflichtung vorsieht, alljährlich vor Beginn des Rechnungsjahres der Staatsaufsichtsbehörde einen Haushaltsplan über die beabsichtigte Verwendung der Einnahmen aus eigenen Mitteln und dem voraussichtlichen Beitragsaufkommen vorzulegen und nach Ablauf des Rechnungsjahres die Verwendung der Mittel nachzuweisen. Abs 2 räumt der Staatsaufsichtsbehörde das Recht zur Einsicht in die kirchliche Vermögensverwaltung ein. Seit 1945 besteht in Lehre und Rechtsprechung Einhelligkeit, dass § 4 KBG infolge Unverträglichkeit mit Art 15 StGG als obsolet anzusehen ist.

Die in § 6 Abs 2 vorgesehene gesetzliche Anordnung wäre also ein klarer Eingriff in die inneren Angelegenheiten und stellte überdies eine Ungleichbehandlung der islamischen Glaubensgemeinschaften gegenüber anderen staatlich anerkannten Religionsgesellschaften bzw eine Diskriminierung einer einzelnen Religionsgemeinschaft dar. 

Ähnliches gilt im Ergebnis unter dem Gesichtspunkt des Diskriminierungsverbots  gem. Art 14 EMRK im Anwendungsbereich der (korporativen) Religionsfreiheit gemäß Art 9 EMRK (vgl zB EGMR 16. 12. 1997, Canea Catholic Church v. Greece, Appl 25.528/94, Z. 47.) Es fehlt an einer sachlichen Rechtfertigung zu einer unterschiedlichen Behandlung, wenn eine Schlechterstellung nicht geeignet ist, einem legitimen Ziel (insb. einem öffentlichen Interesse) zu dienen oder unverhältnismäßig ist. In Bezug auf das Finanzierungsverbot aus dem Ausland fehlt es aber an beiden Voraussetzungen. Die in den Erläuterungen genannte Selbsterhaltungsfähigkeit alleine reicht – wie oben ausgeführt – nicht aus, um einen derart weitreichenden Eingriff in die inneren Angelegenheiten zu rechtfertigen. 

§ 6 Abs 2 des Entwurfs verletzt daher sowohl das Selbstbestimmungsrecht der islamischen Religionsgesellschaften gemäß Art 15 StGG und Art 9 EMRK sowie deren Recht auf Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung gemäß Art 15 StGG und Art 14 EMRK iVm Art 9 EMRK sowie den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 7 B-VG). Die Bestimmung ist daher verfassungswidrig.

7.           Kultusgemeinden (§ 8)

 

§ 8 ist über weite Strecken aus dem Israelitengesetz übernommen. Ein wesentlicher Unterschied besteht jedoch: Abs 3 legt die Selbsterhaltungsfähigkeit und den Bestand als Voraussetzung für die Gründung von Kultusgemeinden fest und anders als im IsraelitenG werden in Abs 4 zumindest 300 Mitglieder bzw 100 volljährige Mitglieder und eine positive Prognose über die zukünftige Entwicklung durch die Religionsgesellschaft gefordert.

Zusätzlich wird bezüglich der geforderten Mitgliederzahl in den Erläuterungen  fälschlicher Weise auf eine analoge Regelung im IsraelitenG verwiesen. Eine solche war lediglich im Entwurf zum IsraelitenG enthalten  (§ 5 Abs 4), es wurde dann jedoch, um der Behörde ein flexibles Eingehen auf die jeweiligen Konstellationen des Einzelfalles zu ermöglichen, in der Endfassung von der Festlegung einer absoluten Zahl Abstand genommen. Dies ist auch bezüglich des IslamG zu fordern, umso mehr als die Erläuterungen selbst darauf hinweisen, dass es nicht verhältnismäßig wäre, für die Gründung einer Kultusgemeinde zwingend die gleiche Mitgliederzahl vorzusehen wie für die Konstituierung als religiöse Bekenntnisgemeinschaft.

Darüber hinaus ist auch in diesem Zusammenhang zu betonen, dass es legistisch äußerst bedenklich ist, im Gesetzestext selbst eine fix zu erfüllende Zahl anzugeben und in den Erläuterungen ein Abweichen für zulässig zu erklären, indem auf zusätzliche Kriterien und einen Beschluss des Vorstandes der Religionsgesellschaft abgestellt wird. Insgesamt dient eine solche Regelungstechnik keinesfalls der Rechtssicherheit. Unklar ist dabei auch, welche Möglichkeiten für die Kultusgemeinde bestehen, wenn die „positive Prognose“ durch die Religionsgesellschaft nicht erstellt wird.

 

 

8.           Namensrecht und Schutz der religiösen Bezeichnungen (§ 9)

 

Diese Regelungen des § 9 sind wortgleich aus dem Israelitengesetz übernommen. Wie diese erfordern sie eine entsprechend offene Lesart, um eine grundrechtskonforme und dem aktuellen religionsrechtlichen Verständnis gerecht werdende Handhabung zu ermöglichen. Darüber hinaus wird hier ein gewisser Informationsstand und ein Differenzierungsvermögen des „außenstehenden Dritten“ vorausgesetzt. Die Erläuterungen zu § 9 Abs 3 zeigen sehr deutlich die Schwierigkeiten auf, die damit verbunden sind, dass der vorliegende Entwurf die gesetzliche Anerkennung von mehreren Religionsgesellschaften nach diesem Gesetz vorsieht. Es heißt darin: „Allgemeine Begriffe wie ‚islamisch’, ‚muslimisch’, ‚Moslem’, ‚Koran’, ‚halal’ uä. sind ebenso wie ‚christlich’, ‚buddhistisch’, ‚orthodox’ oder ‚evangelisch’[15] sind nicht umfasst. Speziellere Begriffe wie ‚islamische Stiftung’, ‚sunnitischer Verein’, ‚muslimischer Radiosender’ ‚islamisch-alevitischer Club’, ‚Cem-Gemeinschaft’ usw., die geeignet sind, bei durchschnittlich informierten Bürgern den Eindruck zu erwecken, es handle sich um einen in Verbindung zu einer anerkannten islamischen Religionsgesellschaft stehenden Zusammenschluss mehrerer Personen, sind umfasst und dürfen nur mit Zustimmung der jeweiligen Religionsgesellschaft oder Kultusgemeinde geführt werden.“ Diese Unterscheidung ist nur schwer umsetzbar, denn offensichtlich ist zwar das jeweilige Adjektiv für sich genommen nicht umfasst, in Kombination mit einem die Einrichtung bezeichnenden Substantiv jedoch sehr wohl. Weiters würde das erwähnte Beispiel „Cem-Gemeinschaft“ bedeuten, dass damit den anderen alevitischen Gruppierungen die Verwendung eines zentralen Begriffes, vergleichbar dem Begriff „Kirche“, untersagt wird.

Es steht zwar außer Zweifel, dass der Name eine klare Zuordnung ermöglichen und eine Verwechslungs- bzw Verwirrungsgefahr ausschließen muss. Der auch sonst erforderliche großzügige Beurteilungsmaßstab wird jedenfalls angesichts der islamischen Vielfalt besonders zu beachten sein.

9.           Recht auf religiöse Betreuung (§ 11)

 

Der § 11 des Entwurfes entspricht grundsätzlich dem § 9 Israelitengesetz. Auf den ersten Blick fällt sofort auf, dass im Entwurf zum Islamgesetz der § 11 Abs 2 erweitert wurde, im Vergleich zu § 9 Abs 2 Israelitengesetz. Im § 11 Abs 2 des Entwurfs zum IslamG wird die fachliche und persönliche Eignung der Seelsorger geregelt. So eine Bestimmung ist allen anderen Kirchen und Religionsgesellschaften fremd. Die Erweiterung des Abs 2 ist mit Art. 15 StGG nicht vereinbar und stellt einen Eingriff in die inneren Angelegenheiten dar. Der OGH führte in seinem richtungsweisenden Urteil aus, dass innere Angelegenheiten jene sind, die „den inneren Kern der kirchlichen Betätigung betreffen und in denen ohne Autonomie die Religionsgesellschaften in der Verkündung der von ihnen gelehrten Heilswahrheiten und der praktischen Ausübung ihrer Glaubenssätze eingeschränkt wären“[16]. Die seelsorgerische Betreuung betrifft den inneren Kern der kirchlichen Betätigung, wo dem Staat jegliche Regelungskompetenz entzogen ist.[17] Die IGGiÖ hat die Voraussetzungen für die fachliche und persönliche Eignung eines Seelsorgers intern zu bestimmen und nicht der Staat in einem Gesetz.

 

 

 

10.       Feiertage (§ 13)

 

Die Textierung entspricht grundsätzlich § 10 IsraelitenG. In Abs 2 wird von den „Feiertage[n] der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich“ gesprochen. Da der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich die Mehrzahl der Zwölferschiiten angehört, wird unter deren Feiertagen zu Recht auch das schiitische Aschurafest genannt. Bei der Anerkennung einer weiteren islamischen Religionsgesellschaft ist daher eine Novellierung erforderlich!

Notwendig wäre weiters, die Dauer der Feiertage wie im Israelitengesetz zu konkretisieren und darüber hinaus dem Freitagsgebet – in Analogie zum Schabbat im Israelitengesetz – „den Schutz des Staates zu gewährleisten“.  

11.       Islamisch-theologische Studien (§ 15)

 

Im Gesetzestext gehört klargestellt, dass die Angehörigen des Lehrpersonals grundsätzlich Mitglieder der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich zu sein haben (oder gegebenenfalls einer weiteren noch anzuerkennenden islamischen Religionsgesellschaft). Die Berufung eines „konfessionsfremden“ Lehrers sollte jedenfalls ausgeschlossen sein, wenn ein „Glaube und Sitte betreffendes Fach“ gelehrt wird. Vergleichbar etwa dem katholischen Hochschulrecht (Art 18 Sapientia Christiana) wären in anderen Fächern auch konfessionsfremde Lehrende zuzulassen.

Aus Paritätsgründen ist in § 15 Abs 2 die Formulierung des Protestantengesetzes zu übernehmen, wonach mit der Religionsgesellschaft (gegebenenfalls den Religionsgesellschaften) in „Fühlungnahme über die in Aussicht genommenen Personen“ zu treten ist.

Darüberhinaus ist anstatt dem Wortlaut „geistlicher Nachwuchs“, Islamische Theologen“ zu bevorzugen.

Im Zusammenhang mit den in § 15 enthaltenen Regelungen wird die Problematik der Hereinnahme der Islamischen Alevitischen Glaubensgemeinschaft in Österreich in das Gesetz besonders augenfällig. Angesichts der grundlegenden Unterschiede in der Lehre zwischen dem Islam des „Acht madhhab-System“ und dem Alevitentum ist ein gemeinsames theologisches Studium kaum vorstellbar. Da offen gelassen wurde, welcher Gemeinschaft welcher Anteil des Lehrpersonals zuzurechnen ist, könnte vor allem die Regelung in § 15 Abs 2 über die Mitwirkung der Religionsgesellschaften zu paradoxen Situationen führen.

In den Erläuterungen sollte überdies darauf hingewiesen werden, dass Studierende bzw Studienwerberinnen und Studienwerber der Theologie im Zusammenhang mit ihrem Studium gemäß § 42 Abs 1 Bundes-Gleichbehandlungsgesetz nicht unmittelbar oder mittelbar auf Grund des Geschlechtes, der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder der Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung diskriminiert werden dürfen.[18] Damit würde deutlich, dass auch eine islamische theologische Ausbildung allen Interessierten unabhängig vom Religionsbekenntnis offensteht.

 

 

12.       Untersagung von Veranstaltungen (§ 19)

 

Nicht ersichtlich ist, warum der in § 18 IsraelitenG hinzugefügte Satz – „Gefahren, die aus Anlass der Veranstaltung von Dritten ausgehen, stellen keinen Untersagungsgrund dar.“ – in § 19 weggelassen wurde. Hier gilt es auf die ständige Rechtsprechung zur Versammlungsfreiheit zu verweisen, wonach die bloße Androhung von Gegendemonstrationen durch andere Gruppen für die Untersagung nicht ausreichend ist. Es ist Aufgabe der Behörde, solche Störungen nach Möglichkeit hintanzuhalten (administrative Schutzpflicht; VfSlg 6850; 8609; insbesondere unter Bezugnahme auf Art 11 EMRK VfSlg 12.501; vgl auch EGMR 2. 2. 2010, Christian Democratic People's Party, Appl. 25.196/04). § 19 ist in diesem Sinne in Übereinstimmung mit dem Israelitengesetz zu ergänzen.

13.       Abberufung von Funktionsträgern und -trägerinnen (§ 14) und „Wahlaufsichtsbeschwerde“ (§ 20)

 

Gemäß § 14, der gleichlautend dem § 13 IsraelitenG 2012 ist, haben die Religionsgesellschaften und die Kultusgemeinden die Verpflichtung zur Abberufung von „Funktionsträger[n] und -trägerinnen, einschließlich religiöser Funktionsträger und -trägerinnen, die durch ein inländisches Gericht wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt worden sind oder durch ihr Verhalten die öffentliche Sicherheit, Ordnung, Gesundheit und Moral oder die Rechte und Freiheiten anderer nachhaltig gefährden, ihrer Funktionen zu entheben.“ Die Erläuterungen sehen darin „Modernisierungen gegenüber 1912“. Weiters wird in diesem Zusammenhang auf die Rechtslage betreffend den Verlust des aktiven Wahlrechts nach der Nationalratswahlordnung sowie die Schrankenregelung in Art 9 Abs 2 EMRK verwiesen. Es stellt sich allerdings die Frage, ob die Bestimmung des § 14 mit dem in Art 15 StGG garantierten Selbstbestimmungsrecht sowie dem Gleichheitssatz in Einklang steht. Eine entsprechende Bestimmung findet sich im IsraelitenG 2012.[19] Weitere Bedenken erheben sich, wenn – über die genannten Fälle von rechtskräftigen Verurteilungen hinausgehend – eine Pflicht zur Abberufung von Funktionsträgern auch auf ein Verhalten gestützt wird, durch das „die öffentliche Sicherheit, Ordnung, Gesundheit und Moral oder die Rechte und Freiheiten anderer nachhaltig gefährde[t]“ werden. Es darf bezweifelt werden, ob diese die Schrankenregelung in Art 9 Abs 2 EMRK selektiv (es fehlen die Bedingungen der "nicht anderer als vom Gesetz vorgesehener Beschränkungen" und "die in einer demokratischen Gesellschaft notwendige Maßnahme") übernehmende Normierung den Erfordernissen der Bestimmtheit und Vorhersehbarkeit Genüge tut.

Als bedenklich ist das in § 20 Abs 2 IsraelitenG geschaffene und im Entwurf übernommene Rechtsinstitut der Wahlaufsichtsbeschwerde an den Bundesminister einzustufen. Diese steht demnach jedem aktiv Wahlberechtigten nach Erschöpfung des innerreligionsgesellschaftlichen Instanzenzuges zu, falls außenvertretungsbefugte Organe oder Religionsdiener durch Wahl bestellt werden. Eine solche Bestimmung erscheint unvereinbar mit der Verfassungsgarantie des Art 15 StGG. In diesem Sinn hat der Verfassungsgerichtshof bereits 1965 in Bezug auf die Israelitische Religionsgesellschaft ausgesprochen, dass die israelitischen Kultusgemeinden und ihre Organe keine allgemeinen Vertretungskörper im Sinn des Art 141 B-VG sind und die Anfechtung von Wahlen in Organe der israelitischen Kultusgemeinde aufgrund dieser Verfassungsbestimmung daher unzulässig sei.[20]

 

14.       Kuratorenbestellung (§ 21)

 

Mit § 21 soll auch bei Islamischen Religionsgesellschaften die Möglichkeit einer Kuratorenbestellung nach dem „Vorbild“ des Orthodoxengesetzes[21] und des Israelitengesetzes geschaffen werden. Wenn sich auch die vom Israelitengesetz übernommene Konzeption von der des Orthodoxengesetzes unterscheidet, so ist diese Entwicklung – der in Vorbereitung befindliche Entwurf eines neuen Islamgesetzes enthält ebenfalls eine derartige Bestimmung – durchaus bemerkenswert, wird doch damit ein staatsaufsichtliches Element im österreichischen Religionsrecht laufend gestärkt.

Grundsätzlich gilt für dieses staatsaufsichtliche Instrument das, was im Schrifttum über die parallele Regelung im Orthodoxengesetz ausgeführt wurde. Plöchl erörterte bereits 1969 mehrere Fragen, die im Zusammenhang mit dem Verfahren nach § 12 Abs 3 offenbleiben, und meinte, dass dem vom Gericht zu bestellenden Kurator in wichtigen Fragen „notwendiger Weise auch eine innerkirchliche Rechtsstellung zukommen“ werde.[22] Gampl stellt eine Reihe von kritischen Überlegungen zu § 12 OrthodoxenG an, hält Abs 2 und Abs 3 aus grundsätzlichen Erwägungen verfassungsrechtlich für äußerst bedenklich und bezeichnet darüber hinaus Abs 3 auch aus formalen Gründen „in seiner gegenwärtigen Fassung als verfassungswidrig.“[23] Diese Bedenken wurden durch die problematischen Erfahrungen im Zusammenhang mit der serbisch-orthodoxen Kirchengemeinde zum Hl. Sava bestätigt, bei der es in der praktischen Umsetzung der Kuratorentätigkeit zu massiven Eingriffen in innere Angelegenheiten  gekommen ist.[24]

Es sei in diesem Zusammenhang auch an die Versuche der Bestellung eines Kurators im Bereich der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich erinnert, die von den Gerichten zu Recht aus grundsätzlichen religionsrechtlichen Überlegungen zurückgewiesen wurden, da die Antragsteller von den staatlichen Behörden massive Eingriffe in innere Angelegenheiten verlangt haben.[25] Zu Recht wies das Rekursgericht darauf hin, dass in der staatlichen Rechtsordnung kein durchsetzbarer Rechtsanspruch vorhanden sei, „die Legitimation von kirchlichen Organen zu überprüfen oder deren Befugnisse innerhalb der Religionsgesellschaft einem von staatlichen Gerichten zu bestellenden Kurator zu übertragen.“ Im konkreten Fall wurde vom Rekursgericht überdies festgestellt, dass der Rekurswerber „mit Hilfe des Kurators die neue Organisation der islamischen Glaubensgemeinschaft bezweckt“, wofür ihm „staatliche Abhilfe […] nicht gewährt werden könne.“

Ungeachtet der Schwierigkeiten einer Begrenzung der Kuratorentätigkeit auf „äußere Rechtsverhältnisse“ ist jedoch festzuhalten, dass in jenen Angelegenheiten, die eine Kooperation zwischen Staat und Religionsgesellschaft erfordern, auf Seiten der Religionsgesellschaft bzw der betreffenden Kultusgemeinde ein vertretungsbefugter Ansprechpartner zur Verfügung stehen muss. Zumindest dessen Sicherstellung hat gegebenenfalls die Aufgabe eines Kurators zu sein, wobei streng darauf zu achten sein wird, dass er keine Entscheidungen trifft, die zu den „inneren Angelegenheiten“ gehören. Insbesondere wird hier zu verhindern sein, dass sich – wie bereits im Falle der Kuratorenbestellung für die serbisch-orthodoxe Kirchengemeinde – die merkwürdige Auffassung Bahn bricht, eine innere Angelegenheit werde dadurch, dass sie Rechtswirkungen nach außen zeitigt, automatisch zu einer äußeren Angelegenheit und unterliege damit der Staatsaufsicht. Mit dieser Rechtsauffassung würde jede Bestellung von Organen in Kirchen und Religionsgesellschaften, deren Aufgabe es ja ist, Rechtswirkungen nach außen zu entfalten, der Staatsaufsicht unterstellt und damit zur äußeren Angelegenheit gemacht.[26]

15.       Geistliche Amtsverschwiegenheit

 

Eine Bestimmung über den Schutz der geistlichen Amtsverschwiegenheit fehlt im Gegensatz zum Israelitengesetz 2012 und zu den anderen religionsrechtlichen Spezialgesetzen und ist daher auch in das IslamG aufzunehmen. Dies ungeachtet dessen, dass der Schutz der geistlichen Amtsverschwiegenheit generell in Form prozessrechtlicher Vernehmungsverbote in den jeweiligen Prozessordnungen gewährleistet ist (vgl zB § 144 Abs 1, § 155 Abs 1 Z 1 StPO).

 

 



[1] Kalb/Potz/Schinkele, Religionsrecht, S. 546

[2] Vgl die ergänzende Bemerkung des Berichterstatters im Herrenhaus hinsichtlich der Einschränkung der Anerkennung auf den „hanefitischen Ritus“, worin dieser in Aussicht stellte, dass, „wenn das Bedürfnis entstehe, eine der drei anderen Schulrichtungen des Islam anzuerkennen, jederzeit die Ausdehnung auf diese Schulrichtungen erfolgen könne.“ StPHH, XXI. Sess, 179 f.

[3] VfSlg 11.574/1987. Die Worte „nach hanefitischem Ritus“ in Art 1 sowie jeweils in den §§ 5 und 6 desselben Artikels des IslamG verstoßen daher gegen die durch Art. 15 StGG verbürgte verfassungsrechtliche Gewährleistung der selbständigen Verwaltung der inneren Angelegenheiten durch die islamische Religionsgesellschaft und werden daher als verfassungswidrig aufgehoben.

[4] Statt vieler EGMR 14. 12. 1999, Appl 38178/97 Serif vs Griechenland; EGMR Große Kammer 26. 10. 2000, Appl 30985/96 Hasan und Chaush vs Bulgarien).

[5] Ebda.

[6] Zum Bericht der Kommission des Herrenhauses vgl Potz, Das Islamgesetz 1912 und der religionsrechtliche Diskurs in Österreich zu Beginn des 20. Jahrhunderts, in: Thomas Olechowski/Christian Neschwara/Alina Lengauer (Hrsg.), Grundlagen der österreichischen Rechtskultur (FS Ogris 75), Wien 2010, 385-408, 398.

[7] Es fragt sich, was in diesem Zusammenhang mit einem „größeren Personenkreis“ gemeint ist. Nach Art. 15 StGG können nur die Normen allgemeiner Staatsgesetze, die für alle Gesellschaften (und nicht einen "größeren Personenkreis") gelten, gegenüber der Freiheit der inneren Angelegenheiten Vorrang haben.

[8] Das selektive Übernehmen von Texten des BekGG führt noch zu weiteren komplizierten Überlegungen: Dass § 5 Abs 1 Z 1 für die „Versagung der Rechtspersönlichkeit“ – gemeint ist wohl die „Versagung der Anerkennung“ – den Versagungsgrund für die Eintragung als Bekenntnisgemeinschaft gemäß § 5 Abs 1 Z 1 BekGG wiedergibt, spricht dafür, dass eine Anerkennung auch ohne den Status einer Bekenntnisgemeinschaft erlangt zu haben, möglich ist. In § 5 Abs 1 Z 2 wird pauschal auf das Fehlen einer Voraussetzung nach § 4 verwiesen. In diesem Paragrafen wird in Abs 1 in der oben ausgeführten modifizierten Form die geforderte Mitgliederzahl normiert und in Abs 2 bis Abs 4 die gemäß § 11 Z 2 bis 4 BekGG formulierten Anerkennungsvoraussetzungen wiedergegeben.

[9]Potz/Schinkele, Stellungnahme zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften geändert wird, Wien 2011, Ad 6.

[10] OGH 7. 7. 2008, 6 Ob 4/08v, unter Verweis auf Posch in Schwimann, ABGB3 § 6 Rz 17 mwN. So bereits OGH 5. 1. 1961, 2 Ob 464/60, unter Verweis auf Ehrenzweig, Allgemeiner Teil, 1951, 77.

[11] Zur entsprechenden Problematik bei der Auflösung von Vereinen siehe oben 4.

[12] Vgl oben FN 3. In diese Richtung weist auch die Verwaltungspraxis im Zusammenhang mit dem BekGG, indem zwei Pfingstkirchen – nämlich die „Freie Christengemeinde – Pfingstgemeinde“ und die „Pfingstkirche Gemeinde Gottes in Österreich“ – als religiöse Bekenntnisgemeinschaften registriert wurden. Erstere wurde im Rahmen der Kirche „Freikirchen in Österreich“ gesetzlich anerkannt. Da im Rahmen der Pfingstbewegung auch eine Gruppierung als ideeller Verein nach dem Vereinsgesetz 2002 konstituiert ist, existieren nunmehr drei Pfingstkirchen mit jeweils unterschiedlicher staatlicher Rechtsform.

[13] Herrnritt, Das österreichische Stiftungsrecht, Wien 1896, 105.

[14] Vgl Sokur, Das neue NGO-Gesetz in Russland, in: RGOW Nr. 10/2013, 16f.

[15] „Katholisch“ wird hier nicht als Beispiel genannt?!

[16] OGH 26.11.1974, SZ 47/135.

[17] VfSlg 3657/1959.

[18] Wallner /Potz, Antidiskriminierung und theologische Bildungseinrichtungen, in: öarr 55 (2008), 304-326, 313.

[19] Lediglich das OrthodoxenG sieht in § 9 Abs 2 vor, dass Personen, welche wegen eines Verbrechens strafgerichtlich rechtskräftig verurteilt worden sind, für den staatlichen Bereich nicht als vertretungsbefugte Organe bestellt werden, stellt also auf die Außenvertretung ab. Vgl jedoch § 12 AnerkennungsG, der ebenso wie 3 § IsraelitenG 1890 den staatkirchenhoheitlichen Charakter widerspiegelt.

[20] VfSlg 4955/1965; 7982/1977.

[21] § 12 Abs 2 und 3 OrthodoxenG sehen bei Statutenverstößen oder bei Nichtbestellung ordnungsgemäßer kirchlicher Organe einer gesetzlich anerkannten Kirchengemeinde und bei Vorliegen eines wichtigen Grundes ein indirektes zweistufiges Zwangsmittel vor:

a) die Sistierung der Handlungsfähigkeit der Kirchengemeinde für den staatlichen Bereich in äußeren Angelegenheiten und die Bestellung eines Kurators (nach Analogie des § 276 ABGB) und allenfalls

b) die Suspendierung der besonderen Rechte als Körperschaft des öffentlichen Rechts.

[22] Vgl Plöchl, Das neue österreichische Orthodoxengesetz, ÖAKR 20 (1969), 128; Gampl, Österreichisches Staatskirchenrecht, Wien-New York 1971, 346; siehe auch Potz/Schinkele, Das Orthodoxengesetz 1967 und die serbisch-orthodoxe Kirchengemeinde zum Hl. Sava in Wien, ÖAKR 44 (1995-1997), 214f.

[23] Gampl (FN 18) 346.

[24] Potz & Schinkele (FN 18) 214f.

[25] Das LG für ZRS Wien hat am 16. Juni 2009 einen Revisionsrekurs gegen den Beschluss des BG Josefstadt, der den Antrag auf Bestellung eines Kurators für die Islamische Glaubensgemeinschaft wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen hatte, für unzulässig erklärt. Eine analoge Entscheidung fällte das LG Linz 15 R 149/09a als Rekursgericht.

[26] Vgl Potz, 30 Jahre österreichisches Orthodoxengesetz, FS-Rodopoulos, Kanon XV (1999) 227ff.

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