Stellungnahme zum Bundesgesetz, mit dem das BFA-Einrichtungsgesetz, das BFA-Verfahrensgesetz, das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz und das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 geändert werden (Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 – FrÄG 2015)

 

Der gegenständliche Entwurf wird zum Anlass genommen, folgende aus der Perspektive von Betroffenen von Frauenhandel notwendigen, aber im gegenständlichen Entwurf nicht berücksichtigten Gesetzesänderungen aufzunehmen.

Diese Stellungnahme wurde von LEFÖ – Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels erarbeitet:

  1. Schutz von minderjährigen Kindern von Opfern des Frauenhandels:

 

Aus der Perspektive der psychosozialen Stabilisierung der betroffenen Frauen ist es immens wichtig, dass sie auch ihre Kinder in Sicherheit wissen. Diese Sicherheit wird über den gleichen Aufenthaltstitel für die Kinder vermittelt. Es ist traumatisierten Frauen nicht zu erklären, dass ihre Kinder diesen nicht bekommen. Dies hindert sie sich auf ein für sie ebenfalls belastendes Strafverfahren vorzubereiten. Ein Aufenthaltstitel für die minderjährigen Kinder von Opfern erleichtert auch die verfassungskonforme Auslegung hinsichtlich des Kindeswohls, die im Artikel 2 des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte der Kinder festgehalten ist.

Auch die Richtlinie 2011/36/EU im Artikel 11 (7) bezieht sich auf die besonderen Bedürfnisse von Opfern: (7) ….

Daher empfehlen wir  einen Zusatz im Gesetzestext: des §57 Abs. 1 Z.2 Asylgesetz 2005 im letzten Teil Satz  (…) .Opfer und „deren minderjährige Kinder“ (…) aufzunehmen.

 

  1. Rot Weiß Rot Karte Plus - Aufenthaltsverfestigung

 

Zweckänderung vom Aufenthalt besonderer Schutz auf Rot Weiß Rot Karte Plus aufgrund Gefährdung und Schutzbedürftigkeit

 

Es wird angeregt, bei Verlängerung eines Aufenthalts gemäß § 57 AsylG zusätzlich auf das fortbestehende besondere Schutzbedürfnis abzustellen, und, in weiterer Folge, auch bei einem Umstieg auf eine Rot-Weiß-Rot – Karte plus bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 59 Abs 4 Z 2 und 3 AsylG nicht auf ein laufendes Straf- oder Zivilverfahren abzustellen.

Es sollte bei der Verlängerung des schon bestehenden Aufenthaltes auf die ausschließliche Bedingung des laufenden Verfahrens verzichtet werden.

Die bestehende Rechtsordnung, die erst seit der letzten Änderung auch über 3 Jahre hinaus das laufende Verfahren verlangt, stellt eine große Hürde für betroffene Frauen dar. Die Praxis zeigt, dass es mehrere Gründe geben kann, dass ein Verfahren beendet ist: Rechtskräftige Verurteilung und kein Zivilverfahren. Betroffene Frauen entscheiden sich immer wieder gegen ein Zivilverfahren, weil:

  1. Die Wahrscheinlichkeit real Geld zu erhalten ist sehr gering und dafür ist das Kostenrisiko zu groß.
  2. Ein Zivilverfahren würde retraumatisieren.
  3. Die Angst vor den Tätern oder Tätergruppen ist zu hoch.

Wenn diese Frauen, aber abgeschoben werden, obwohl sie sich aktiv an einem Verfahren beteiligt haben und gegen die Tätergruppierungen ausgesagt haben, ist das sicherlich die falsche Botschaft. TäterInnen würden Recht bekommen und könnten anderen potentiellen Opfern damit unter Druck setzen. Der präventive Charakter von Verurteilungen würde  in Frage gestellt werden.

Auch wenn ein Verfahren eingestellt wird, ist das nicht in den Händen der betroffenen. Eine Einstellung sagt nichts über den Opferstatus der Betroffenen. Die Praxis zeigt, dass die Gefährdung ab dem Zeitpunkt gegeben ist, sobald eine Frau einer Behörde etwas mitteilt und sich weigert, weiter für die Beschuldigten tätig zu sein. In der jetzigen Form des Gesetzes wird davon ausgegangen, dass die Gefährdung nur bei einem laufenden Verfahren vorhanden  ist. Opfer  sind häufig über die Dauer des Prozesses hinaus gefährdet, wenn sie als Zeuginnen aussagen. Da es sich bei Menschenhandel um ein internationales Verbrechen handelt, sind mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht alle TäterInnen in Haft und gerade die, die durch die Intervention der Behörde eingeschränkt sind, sinnen auf Rache oder aber auch „Klarstellungen“, um hier Präzedenzfälle zu verhindern. Denn Frauen, die sich erfolgreich dem Einflussbereich der TäterInnen entziehen, gefährden die Struktur der organisierten Kriminalität und können damit Vorbilder für andere Opfer sein.

Traumatisierte können kaum im Laufe eines Jahres die Hürden des Arbeitsmarktes bewältigen. Es gibt unter den Opfern von Menschenhandel auch Betroffene mit besonders erhöhter Schutzbedürftigkeit, etwa aufgrund einer intellektuellen Einschränkung oder anderer erschwerender Bedingungen. Auch in der EU Richtlinie 2011/36/EU zur Bekämpfung des Menschenhandels wird im Artikel 11 ausdrücklich festgehalten, dass Betroffene Unterstützung vor während und NACH dem Verfahren bekommen müssen. Unterstützung kann nur angemessen angeboten werden, wenn der rechtmäßige Aufenthalt gewährleistet ist.

 

  1. Aufenthalt für Opfer nach §57 Abs 1 Zi 2 AsylG

 

 

Der Aufenthalt ist faktisch an die Bereitschaft oder Fähigkeit des Opfers gebunden, im Strafverfahren als ZeugIn auszusagen. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass diese Verbindung von „Aussage“ und „Aufenthalt“ in Strafverfahren als Argument verwendet wird, um die Glaubwürdigkeit der Opfer zu untergraben.

Betroffene Frauen und Mädchen gefährden sich und oder ihre Familienangehörigen, ohne die Sicherheit zu haben, vom Staat Österreich geschützt zu werden. Auch wenn es im derzeitigen Aufenthalt einen Rechtsanspruch gibt, ist dies für schwer traumatisierte Frauen und Mädchen nicht verständlich, dass sie sich ohne diese Sicherheit der Gefahr aussetzen müssen.  

Die von Österreich ratifizierte Konvention des Europarats zur Bekämpfung des Menschenhandels (2005) legt im Artikel 14 über Aufenthaltstitel fest, dass die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nicht nur dann möglich sein soll, „wenn das Opfer mit den Behörden kooperiert oder zivilrechtliche Ansprüche gegen den/die Händler geltend macht, sondern auch unabhängig davon, ob individuelle Gründe geltend gemacht werden, wobei hier der Schutzbedürftigkeit des Opfers eine große Bedeutung zukommt.“[1]

Zudem wurde im Österreichischen Bericht zur Bekämpfung des Menschenhandels des Jahres 2008 festgehalten:

„Wenn festgestellt wurde, dass es sich um Opfer des Menschenhandels handelt, können für diese Personen (und unter Umständen auch für Kinder dieser Personen) Aufenthaltsbewilligungen aus humanitären Gründen von mindestens 6 Monaten Gültigkeitsdauer gewährt werden, wenn es die persönliche Situation des Opfers erforderlich macht, auch unabhängig davon ob die Bereitschaft besteht, mit den Behörden zusammenzuarbeiten.“ Ebenfalls wird in der Stellungnahme der EU-ExpertInnengruppe von 2009[2] empfohlen, dass der Aufenthalt unabhängig von der Beteiligung an der Strafverfolgung ausgesprochen werden soll, da nur dies den Schutz der Opfer garantiert.

für Opfer von Menschenhandel soll ein Aufenthaltstitel auch zum Schutz und zur Sicherheit erteilt werden können und dazu die Expertise einer Opferschutzeinrichtung oder der Polizei zugezogen werden.

Ergänzend wird angemerkt, dass auch in den Jahren 1998 bis 2009, vor der gesetzlichen Verankerung des Rechtsanspruches des Aufenthaltes, die Zahl der angesuchten Aufenthalte zum persönlichen Schutz (ohne eines laufenden Verfahrens) im Bereich zwischen 0 – 10 pro Jahr lagen.

 



[1]              Österreichische Erläuterungen zum Übereinkommen des Europarats, para. 180ff.

[2]              EU-ExpertInnengruppe, Stellungnahme vom 16.06.2009, Absatz 13,Seite 4.