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An das

Bundesministerium für Justiz                                                                                                        

Museumstraße 7

1070 Wien

 

 

per E-Mail: team.s@bmj.gv.at; begutachtungsverfahren@parlament.gv.at

 

BMJ-S-318.034/0007-IV-2015

Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, das Suchtmittelgesetz, die Strafprozessordnung 1975, das Aktiengesetz, das Gesetz vom 6. März 1906 über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, das Gesetz über das Statut der Europäischen Gesellschaft, das Genossenschaftsgesetz, das ORF-Gesetz, das Privatstiftungsgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, und das Spaltungsgesetz geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 2015)

 

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Der Verein Zusammenschluss österreichischer Frauenhäuser (ZÖF) dankt für die Möglichkeit zur Stellungnahme zum vorliegenden Entwurf.

 

Stellungnahme:

 

I. Vorbemerkungen:

 

Aus den Erläuterungen zum allgemeinen Teil ergibt sich, dass im Bereich Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2015 weitere Schritte gesetzt werden sollen. Damit soll auch der wiederholten Bezugnahme auf dieses Thema im Regierungsprogramm für die laufende Legislaturperiode Rechnung getragen werden. Insbesondere sollen damit Vorhaben des Nationalen Aktionsplans (NAP) zum Schutz von Frauen vor Gewalt 2014 bis 2016 umgesetzt werden, der von der interministeriellen Arbeitsgruppe „Schutz von Frauen vor Gewalt“ ausgearbeitet und am 26. August 2014 von der österreichischen Bundesregierung beschlossen wurde. Nicht zuletzt dienen die in diesem Bereich vorgeschlagenen Maßnahmen auch zur weiteren Umsetzung des von Österreich am 14. November 2013 ratifizierten und am 1. August 2014 in Kraft getretenen Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, Bundesgesetzblatt III Nr. 164/2008.

Vorweg möchten wir festhalten, dass sich der Verein ZÖF auf Grund der in der Praxis wahrgenommenen Probleme misshandelter Frauen im Bereich psychischer Gewalt in den letzten Jahren insbesondere dafür eingesetzt hat, wiederholte psychische Gewalt zu definieren und unter Strafe zu setzen.

 

Der Verein regt daher die Normierung eines Straftatbestands der wiederholten psychischen Gewalt samt darin enthaltender Definition der psychischen Gewalt in § 107c StGB wie folgt an:

 

§ 107c (1) StGB Wiederholte psychische Gewalt:

 

Wer wiederholt in einer Weise, die geeignet ist, eine Person in ihrer Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen, diese oder eine ihr nahestehende Person

 

1.           persönlich oder in einer für Dritte wahrnehmbaren Weise abwertet, demütigt oder schikaniert,

 

2.           bedroht, einschüchtert, unter Druck setzt oder ungebührlich maßregelt,

3.           ohne entsprechende rechtliche Befugnis kontrolliert oder zu kontrollieren sucht,

 

4.           durch Handlungen oder pflichtwidrige Unterlassungen in ihrer Selbstbestimmung oder ihren sozialen Kontakten einschränkt oder einzuschränken sucht, oder

 

5.           mittels mutwilliger oder aussichtsloser Eingaben bei Gerichten, Ämtern, Behörden oder Institutionen zu belangen sucht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren zu bestrafen.

 

§ 107c (2):

 

Mit Freiheitstrafe von 6 Monaten bis zu 5 Jahren ist zu bestrafen, wer

 

1.           als Erwachsener die Tat gegen eine minderjährige oder durch Gebrechlichkeit, Krankheit oder Behinderung beeinträchtigte Person begeht,

 

2.           durch die Tat eine umfassende Kontrolle des Verhaltens der verletzten Person herstellt oder eine erhebliche Einschränkung der autonomen Lebensführung der verletzten Person bewirkt oder die verletzte Person eine längere Zeit in einen qualvollen Zustand versetzt,

 

3.           für die Begehung der Tat die persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit der verletzten Person oder seine eigene berufliche oder soziale Stellung ausnützt oder

 

4.           durch die Tat die Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz, eine psychische Erkrankung oder den Tod der verletzten Person herbeiführt.

 

Dass eine solche Bestimmung im Gesetzesentwurf keinen Eingang gefunden hat, ist umso bedauerlicher, als das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt in dessen Artikel 33 vorsieht, dass die Vertragsparteien die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen schaffen, um sicher zu stellen, dass vorsätzliches Verhalten, durch das die psychische Unversehrtheit einer Person durch Nötigung oder Drohung ernsthaft beeinträchtigt wird, unter Strafe gestellt wird.

 

 

II. Zu (ausgewählten) Vorschlägen im Einzelnen:

 

§ 33 Abs 3 StGB Besondere Erschwerungsgründe:

 

Als Erschwerungsgrund soll nunmehr für vorsätzlich begangene strafbare Handlungen nach dem ersten bis dritten, fünften und zehnten Abschnitt des besonderen Teils die Angehörigenschaft gelten, was seitens des ZÖF außerordentlich begrüßt wird.

 

Mit diesem Erschwerungsgrund sind strafbare Handlungen gegen Leib und Leben, Schwangerschaftsabbruch, strafbare Handlungen gegen die Freiheit, Verletzungen der Privatsphäre und bestimmter Berufsgeheimnisse und strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung umfasst. Nicht umfasst ist der 6. Abschnitt, die strafbaren Handlungen gegen fremdes Vermögen, sondern ist hier vielmehr gemäß § 166 StGB die Angehörigeneigenschaft sogar privilegiert.

 

ZÖF regt diesbezüglich an, in § 33 Abs 3 StGB auch den 6. Abschnitt des besonderen Teils miteinzubeziehen, bzw. § 166 StGB entsprechend zu adaptieren.

 

Besonders auch der 12. Abschnitt sollte vom Erschwerungsgrund der Angehörigeneigenschaft umfasst sein, da diese insbesondere beim Tatbestand der Urkundenunterdrückung nach § 229 StGB bei Vorliegen einer Haushaltsgemeinschaft als besonders erschwerend angesehen werden kann.

 

§ 74 Abs 1 Z 5 StGB Andere Begriffsbestimmungen:

 

In § 74 Abs 1 Z 5 StGB soll nun auch eine Drohung mit einer Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Bekanntgabe von Tatsachen oder Veröffentlichung von Bildaufnahmen als gefährliche Drohung unter Strafe gestellt werden.

Hier wäre wünschenswert, wenn die gefährliche Drohung auch auf Drohungen mit dem Entzug oder der Verhinderung der Erlangung des Aufenthaltstitels oder Drohungen mit der Wegnahme der gemeinsamen Kinder als gefährliche Drohung im Sinne des § 74 unter Strafe gestellt werden würden. In diesem Zusammenhang wird nochmals auf die Sinnhaftigkeit der Strafbarkeit der wiederholten psychischen Gewalt verwiesen, die auch solche Handlungen umfassen würde.

 

§ 83 Abs 5 StGB Körperverletzung:

 

Im neu zu schaffenden § 83 Abs 5 StGB soll die Körperverletzung mit einer höheren Strafe sanktioniert werden, wenn diese an einem Beamten, Zeugen oder Sachverständigen während oder wegen der Vollziehung seiner Aufgaben oder der Erfüllung seiner Pflichten begangen worden ist.

 

Seitens des ZÖF wird angeregt, auch eine höhere Strafdrohung für den Fall festzusetzen, dass die Körperverletzung an MitarbeiterInnen von Opfer- und Gewaltschutzeinrichtungen während oder wegen der Vollziehung ihrer Aufgaben oder der Erfüllung ihrer Pflichten begangen wurde.

 

 

 

 

 

§ 106 und 106a StGB Nötigung und Zwangsheirat:

 

Die in der geltenden Fassung in § 106 Abs 1 Z 3 StGB enthaltene Nötigung zur Eheschließung mündet nunmehr in einen eigenen Paragraphen, nämlich § 106a, Zwangsheirat.

 

Auch hier sollte der Realität der wiederholten psychischen Gewalt Rechnung getragen werden, da die Nötigung zu einer Zwangsheirat oft nicht mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung erfolgt, sondern beispielsweise mit der Drohung, das Opfer aus dem Familienverband zu verstoßen etc.

 

In diesem Zusammenhang wird daher nochmals die Normierung einer Bestimmung der wiederholten psychischen Gewalt oder die Ausdehnung der gefährlichen Drohung auf Tatbestände der psychischen Gewalt angeregt.

 

§ 118a Abs 1 StGB Widerrechtlicher Zugriff auf ein Computersystem:

 

Der § 118a Abs 1 StGB wurde dahingehend modifiziert, dass der widerrechtliche Zugriff auf ein Computersystem nur mehr hinsichtlich jener personenbezogenen Daten unter Strafe gestellt ist, deren Kenntnis schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen verletzt.

 

Aus Sicht des ZÖF ist diese Einschränkung nicht nachvollziehbar, da der widerrechtliche Zugriff auf ein Computersystem jedenfalls unter Strafe gestellt werden soll, unabhängig davon, ob die Kenntnis der personenbezogenen Daten, zu welchem der widerrechtliche Zugriff Zugang verschafft, schutzwürdige Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen verletzt oder nicht. Auch die Verletzung des Briefgeheimnisses nach § 118 StGB verlangt die Verletzung schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen nicht.

 

§ 120a StGB Fortgesetzte Belästigung im Wege einer Telekommunikation oder eines Computersystems:

 

Die hier geforderte Tatbestandsvoraussetzung „längere Zeit“ erscheint insofern problematisch als gemäß Z 2 dieser Bestimmung Tatsachen oder Bildaufnahmen des höchstpersönlichen Lebensbereiches einer Person im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems bekannt gegeben oder veröffentlicht werden, wobei bereits die einmalige Veröffentlichung in diesem Zusammenhang ausreichend erscheint, eine Person in ihrer Lebensführung unzumutbar, und zwar auch für längere Zeit, zu beeinträchtigen, auch wenn diese Veröffentlichung unverzüglich wieder gelöscht wird (als Beispiel wäre hier die Veröffentlichung eines Nacktfotos einer Lehrperson anzuführen, welches nur einmalig und nur kurz ins Netz gestellt wird, in dieser Zeit aber von etlichen SchülerInnen gesehen und heruntergeladen werden kann). Nicht schlüssig ist auch, dass die Drohung z. B. ein Nacktfoto ins Netz zu stellen strafbar ist, die einmalige Ausführung dieser Drohung jedoch nicht.

 

§ 178 StGB Vorsätzliche Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten:

 

Im § 33 der vorgeschlagenen Fassung wurde der Erschwerungsgrund der Angehörigeneigenschaft für strafbare Handlungen nach dem ersten bis dritten, fünften und zehnten Abschnitt des besonderen Teils normiert. Auch hinsichtlich des Tatbestandes des § 178 StGB, der vorsätzlichen Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten, wäre ein solcher Erschwerungsgrund der Angehörigeneigenschaft wünschenswert, da hier das durch die Angehörigeneigenschaft begründete Vertrauensverhältnis zusätzlich verletzt wird.

 

§ 195 StGB Kindesentziehung:

 

In der vorgeschlagenen Fassung des § 195 Abs. 1 StGB soll diese strafbare Handlung nunmehr auch mit Geldstrafe bedroht sein. Dies wird seitens des ZÖF als nicht adäquat erachtet, zumal die Freiheitsstrafe in diesem Fall auch der Verhinderung der Wiederholungsgefahr und der Tatbegehungsgefahr dient, bzw. auch dienlich sein kann, das Kind zu dem verbliebenen Elternteil zurückbringen zu können.

 

 

§ 205a StGB Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung:

 

Mit § 205a StGB soll nunmehr die Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung unter Strafe gestellt werden, was seitens des ZÖF sehr begrüßt wird, zumal sexuelle Gewalt gegen Frauen weit verbreitet ist und mit dieser Bestimmung, welche den Fokus insbesondere auch auf psychische Gewalt durch Ausnutzung einer Zwangslage oder Einschüchterung legt, ein klares Statement seitens des Gesetzgebers gesetzt wird.

 

§ 207a Abs 3 StGB sexueller Missbrauch von Unmündigen:

 

Die Aufnahme (bzw. Vereinheitlichung) der alternativen Androhung einer Geldstrafe in allen Bestimmungen mit einer Strafdrohung von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe wird seitens des ZÖF zwar grundsätzlich für sinnvoll erachtet, führt aber bei einigen Tatbeständen, wie dem Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen, dem sexuellen Missbrauch von Jugendlichen nach §207b Abs 1 StGB, oder auch dem Betrachten von Kinderpornografie §215a (2a), zu unerwünschten Ergebnissen, sowohl aus spezial- als auch aus generalpräventiver Sicht.

 

§ 211 StGB Blutschande:

 

Auch die in der vorgeschlagenen Fassung erfolgte Strafdrohung dieses Tatbestandes auch mit einer Geldstrafe sollte nach Ansicht des ZÖF noch einmal überdacht werden.

 

§ 218 StGB Sexuelle Belästigung und öffentliche geschlechtliche Handlungen:

 

Seitens des ZÖF wird es außerordentlich begrüßt, dass mit dieser Bestimmung nunmehr auch geschlechtlichen Handlungen vergleichbare, der sexuellen Sphäre im weiteren Sinn zugehörige körperliche Handlungen, wie insbesondere unerwünschte Berührungen am Gesäß unter Strafe gestellt werden.  

 

 

Für den Verein ZÖF und diese Stellungnahme:

 

 

Vereinsvorsitzende  Andrea Brem                                        RA   Maga. Ursula Lammer-Hubacek