FLV Kärnten

 

Stellungnahme des FLV Kärnten zum geplanten Bildungsreformgesetz 2017 - Schulrecht

 

Der Gesetzesentwurf zum Schulautonomiepaket wird einschneidende Auswir­kungen auf unseren Beruf als Lehrer haben. Obwohl einige Forderungen in die richtige Richtung gehen, ändern sich im Wesentlichen nur die Zuständigkeiten. Die Verantwortung wird auf die Schulcluster und Schulleiter abgewälzt und die Schulpartnerschaft entdemokratisiert werden. Es ist zu befürchten, dass - wie bei allen Reformen der letzten Jahre - die Lehrerschaft und vor allem die Schüler noch mehr dem gesellschaftlichen Druck ausgesetzt sein  und die in zunehmendem Maße sichtbaren Probleme an den Schulen gleichzeitig ungelöst bleiben werden. Und dies deshalb, weil die sozialistische Bildungspolitik der letzten Jahrzehnte von einer Umsetzungswut ideologisch fragwürdiger Ideen besessen ist. Im Anschluss wird versuchtd diese Reform aus pädagogischer und organisato­risch struktureller Sicht zu beleuchten.

 

1)Pädagogische Gesichtspunkte

 

Begrüßenswert am Entwurf  ist, dass den Schulen größere Gestaltungsmöglichkeiten gegeben wer­den sollen, da unterschiedliche regionale Gegebenheiten differenzierte Entscheidungen am Standort erforderlich machen. Man muss generell von einer zentralistischen Verwaltung zu mehr ver­nünftig durchdachten Standortkonzepten kommen, da dies auch den Wettbewerb zwischen den Schulen fördert und die Qualität erhöht. Keinesfalls jedoch darf die Gewährung erweiterter Schulautonomie zu Einsparungen an den Schulen selbst und zu Qualitätsverlust führen (z.B. durch die Möglichkeit zur Erhöhung der Klassenschülerhöchstzahl, die zentral vorgegeben werden sollte). 

Die Zusammenfassung mehrerer Schulen in Schulcluster könnte die Effizienz optimieren.  Dies gilt vor allem für Kleinstschulen nach vorhergehender Prüfung der räumlichen und organisatorischen Sinnhaftigkeit (maximal drei Schulen). Die Konzentration des Schulleiters an den regionalen Standorten auf die pädagogischen Aufgaben (und eine höhere Unterrichtstätigkeit) macht Sinn. Laut Gesetzesentwurf ist der Zusammenschluss in Schulcluster (max. 8 Schulen) eine freiwillige Entscheidung der Schulen, sollte jedoch dann angestrebt werden, wenn die Schulen nicht mehr als 5 km voneinander entfernt sind und zumindest eine dieser Schulen weniger als 200 Schüler umfasst. Als drittes Kriterium wird angeführt, dass an einer der Schulen eine tendenziell bedeutende Abnahme der Schülerzahlen zu verzeichnen ist. Es wird eine Maximalzahl eines Schulclusters von 2 500 Schülern angegeben. Für die Bildung von Schulclustern mit mehr als 1300 Schülern ist die Zustimmung des Zentralausschusses notwendig. Dem ist inhaltlich nichts entgegenzusetzen.

Die Forderung einer Befristung der Beru­fung als Schulleiter  ist eine langjährige freiheitliche Forderung und sollte auch für Clusterleiter gelten. Bezüglich der Aufnahmeverfahren für Di­rektoren und Clusterleiter durch eine Begutach­tungs­kommission ist jedoch kritisch anzumer­ken, dass eine Entpolitisierung im Bil­dungsbe­reich sehr dringend erforderlich ist und aus­schließlich der objektiv geeignetste  Be­werber zum Zug kommen darf. Wenn die Clusterleiter und Schulleiter für die Personalent­wicklung zustän­dig sein sollen, dann ist eine echte Objekti­vierung und das Abstellen von „Gefälligkeitsrekru­tierungen“ umso wichtiger und in der heuti­gen Zeit ein absolutes Muss. Andererseits wird eine Aufwertung der Kompetenzbereiche schu­lischer Führungspositionen auch durch Personalent­wicklungsmöglichkeiten herbeigeführt und ist grundsätzlich als Idee positiv zu bewerten.

Das Problem beim Entwurf in dieser Form besteht aber gerade darin, dass befürchtet werden muss, dass parteipolitische Bestellungen ohne Kontrollmöglichkeiten durch die Landesschul­ratskollegien, die ab Jänner 2019 aufgelöst werden sollen, stattfinden werden.

Die Begutachtungskommission im Bereich der Bundesschulen oder Bundesschulcluster soll  aus dem Bildungsdirektor (oder eines Vertreters), einem Schulaufsichtsorgan, einem Vertreter des zuständigen Zentralausschusses und einem Vertreter der GÖD (beide parteipolitisch besetzt) zusammengesetzt sein. Nur mit beratender Stimme kommen ein Experte, ein Elternvertreter und ein Gleichbehandlungsbeauftragter zum Einsatz. Für die Pflichtschulen wird die Kommission mit beratender Stimme um einen Vertreter des Schulerhalters erweitert.

Es wird zwar betont, dass die Managementfunktion von Schulleitern sehr wichtig ist. Eine nur 5-jährige Berufserfahrung als Lehrperson, sowie die nachweisliche Absolvierung des ersten Teils des Hochschullehrgangs NEU sind die vorgesehenen Bewerbungskriterien. Sie erschei­nen nicht ausreichend, um diese Qualifikationen ausführlich darstellen zu können . Es sind wei­ters die fachliche, pädagogische und persönliche Eignung, die Führungs- und Management­kompetenzen, sowie die Entwicklungsvorstellungen am Schulstandort nachzuweisen. Es ist kein klarer Kriterienkatalog vorgesehen, der bindende Vorgangsweisen notwendig macht. So­mit wird die Vermutung genährt, dass parteipolitische Aspekte argumentative Spielräume offen lassen, um Wunschkandidaten zum Zug kommen zu lassen.  Es sind auch keine externen Kom­missionsmitglieder vorgesehen, die professionelle Instrumente der Evaluierung zum Einsatz bringen. Die Frage nach dem Experten mit nur beratender Stimme ist ebenfalls nicht geklärt. Wünschenswert wäre ein ordentliches Verfahren durch professionelle Personalrekrutierungs­unternehmen mit fundiertem pädagogischem Fach- und Erfahrungswissen, welche Manage­mentqualitäten und pädagogische Fähigkeiten gleichermaßen bewerten und objektive Urteile bezüglich der Qualifikation der Kandidaten erzielen. Wenn man die bisherige Handhabung bei Schulleiterbestellungen heranzieht, die sehr politisch motiviert ist, erscheint in diesem Bereich eine weitere Entdemokratisierung im Anmarsch zu sein.

Eine erfolgreiche Umsetzung moderner pädagogischer Konzepte erfordert großes organisato­ri­sches Geschick und Kompetenz der Schulentwickler oder Clusterleiter. Ob diese personelle Qualität flächendeckend garantiert werden kann, wird jedoch bezweifelt. Der Erfolg der Um­setzung des Autonomiepaketes wird aber von der Qualität des Personals auf Führungs­ebene maßgeblich bestimmt werden.

Einer Beschneidung der Kompetenzen der Schulpartner  stehen wir ablehnend gegenüber, da diese gelebte Demokratie am Schulstandort garantiert. Es ist in der Schulreform zwar von einer Stärkung der Schulpartnerschaft die Rede, diese betrifft aber ausschließlich pädagogische Fragen. Organisatorische und personelle Belange werden in Zukunft stärker im Verantwortungsbereich der Schulleitung bzw. der Clusterleitung verankert sein.

In Zukunft sollen die Bildungsdirektionen zentralistisch die Geschicke der Schulcluster lenken.

Das Fallen der derzeitigen 50 Minuten (> < 50 min) Stunde klingt modern und pro­gressiv und würde fächerüber­greifenden Unterricht und Projekte leichter ermöglichen. Die 50 Minuten Einheit nur mehr als Berechnungsfaktor für die Personalbewirtschaftung zu erhalten, klingt allerdings nach Intransparenz.

 

b) Organisatorische und strukturelle Gesichtspunkte

 

Das Abschaffen von verwaltungstechnischen Mehrgleisigkeiten in der Schulverwaltung in Richtung stärkerer Effizienz ist notwendig und birgt Einsparungspotenzial. Ab Jänner 2019 sollen die Landesschulräte und Kollegien aufgelöst werden und durch Bildungsdirektionen ersetzt werden, die dem Bundesminister direkt unterstellt sind. Sie sind für den Vollzug des Schulrechts inklusive die Qualitätssicherung, die Schulaufsicht, das Bildungscontrolling, das Dienstrecht und das Personalvertretungsrecht der Lehrer an öffentlichen Schulen und der Bundesbediensteten zuständig. Der Bildungsdirektion stehen der Bildungsdirektor (vormals Amtsführender Präsident des Landesschulrates) und der Präsident des Bildungsdirektors (der Landeshauptmann) vor. Beide werden vom Bundesminister bestellt.  Ein IT Verfahren für Personalmanagement soll dort verpflichtend sein, wo der Bund für die Besoldung zuständig ist. Warum dies eine gemeinsame Behörde von Land und Bund sein  muss, ist fachlich nicht nachvollziehbar. Man hätte die Gelegenheit gehabt eine schlanke und effiziente Schulverwaltung zu schaffen, hat diese Chance aber scheinbar aufgrund vieler unterschiedlicher Interessen ausgelassen. Eine günstigere Schulverwaltung hätte die Möglichkeit geschaffen für die Schulen und die Schüler höhere Ressourcen zu erreichen.

Die Abschaffung der Landesschulratskollegien, die eine demokratiepolitische Legitimation haben, da sie den Landtagsfraktionen entsprechend den Ergebnissen der Parteien bei den Landtagswahlen Mitspracherecht einräumen, ist beschlossen. Auch wenn die Parteipolitik dominierend bei Leiterbestellungen ist und Dreiervorschläge zumeist abgesprochen sind, ist durch ihre Abschaffung mit dem Argument der Entpolitisierung eine Mitsprachemöglichkeit der Oppositionsparteien ausgeräumt. Eine Kontrolle der Bildungsdirektionen wird mit ihrer Abschaffung, sieht man vom Rechnungshof ab, ebenso unmöglich gemacht.

Es soll jedoch ein ständiger Beirat der Bildungsdirektion etabliert werden, der Nachfolgeinstitution der Kollegien sein soll. Er soll mindestens zweimal jährlich tagen. Gleichzeitig soll ein Schulclusterbeirat eingerichtet werden, der die Clusterleitung unter Einbeziehung von öffentlichen und gesellschaftlichen Vertretern (was immer damit gemeint ist!) berät. Man will auf allen Systemebenen eine adäquate Beratung garantieren – vom Beirat bis zu den Schulforen und Schulgemeinschaftsausschüssen. Der Schulleitung wird die Umsetzungs- und Ergebnisverantwortung stärker übertragen werden und auch ihre Managementaufgaben sollen ausgebaut werden. Organisatorische und personelle Belange sollen im Aufgabenbereich des Direktors liegen.

Bezüglich Personalentwicklung an den Schulstandorten, für die, wie erwähnt,  in Zukunft der Schulleiter zuständig sein soll, ist zu befürchten, dass Gefälligkeitsrekrutierungen stattfinden und politisch Unangepasste nicht zum Zug kommen oder entlassen werden. Es ist möglich und gelebte Praxis Einstellungen der Wunschkandidaten zu argumentieren, auch wenn diese nicht am geeignetsten sind. Ein Mitspracherecht des Schulleiters bei der Personalentwicklung am Standort ist zwar wichtig, darf diesem aber nicht ausschließlich übertragen werden.

Diese Bildungsreform schafft die Mehrgleisigkeiten bei den  Zuständigkeiten nicht ab. Es wird weiterhin Bundeslehrer und Landeslehrer geben. Diese Kompetenzaufteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden ist ineffizient und teuer. Man hat verabsäumt in der Verwaltung einzusparen und plant stattdessen den Apparat noch mehr aufzublähen.

Der eingeschlagene Weg des  Bildungscontrollings mit einer Verstärkung der Selbstevaluation erfordert einen erhöhten Verwaltungsaufwand beim Lehrerpersonal mit geringem Effekt auf den tatsächlichen Unterricht und die Arbeit mit den Schülern. Anstatt  Lehrer mit Selbst- und Fremdreflexionen (die statistisch von den Bildungsdirektionen ausgewertet und Grundlagen für die Steuerungsmechanismen im Bundesministerium darstellen)  noch weiter zu belasten und unter externe Beobachtung zu stellen, soll man darauf vertrauen, dass ausgezeichnete Arbeit für die Schüler geleistet wird. Viele Lehrer haben Probleme mit dem Druck, der gesellschaftlich und mit ständigen Reformen ausgeübt wird, umzugehen. Die verfehlte Bildungspolitik der vergangenen Jahrzehnte und bedenkliche gesellschaftspolitische Entwicklungen hingegen sind für den Leistungsabfall der Schüler verantwortlich. Man reagiert darauf mit einer Reformlawine, die sich hauptsächlich um Zuständigkeiten kümmert und die Verantwortung komplett an die Schulcluster und Standorte überträgt. Damit erhöht sich auch der Druck auf die Lehrer enorm, adäquat und konform mit den Vorstellungen der verantwortlichen Leiter funktionieren zu müssen. Ob dies den Schülern nützt ist fraglich.

Dieses Bildungsreformpaket versucht zwar durch geänderte Rahmenbedingungen auf Probleme an Österreichs Schulen zu antworten, argumentiert aber Dezentralisierung mit mehr Zentralismus. Es bleiben die eigentlichen Akteure, die Lehrer und Schüler, in diesem Kraftfeld auf der Strecke. Obwohl Milliarden in diese Reformen hineingepumpt werden, wird sich der Output nicht verbessern. Die Freiheitliche Partei lehnt aus diesen Gründen das Schulautonomiepaket ab.

Der Freiheitliche  Lehrerverband hat kürzlich ein Bildungskonzept verabschiedet, welches nicht die akademische Schiene für alle Schüler anpeilt, sondern auch die Steigerung der Attraktivität des Lehrberufs mit besseren Karrieremöglichkeiten fordert. Jeder Schüler soll nach seinen Talenten und Fähigkeiten bestmöglich gefördert werden können. Dafür müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Diese zu garantieren ist aber Sache des Staates. Ein erfolgreiches Bildungssystem muss den wachsenden gesellschaftlichen Problemen, den zunehmenden demographischen Veränderungen und auch den drohenden Werteverlusten mit mehr Analysebereitschaft, Konsequenz und Maßnahmen bei Regelverstößen begegnen.