74/SPET XXV. GP

Eingebracht am 10.11.2015
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Stellungnahme zu Petition

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


An die

Parlamentsdirektion

Parlament

1017 Wien

 

Per E-Mail an:

NR-AUS-PETBI. Stellungnahme@parlament. gv.at

 

Wien, am 10. November 2015

 

Petition Nr. 40/PET „Stimmrecht für Pensionisten in den Organen der Selbstverwaltung im Bereich der Krankenversicherung";

Stellungnahme des Österreichischen Seniorenrates

 

 

Am 12. 12.2014 wurde diese Petition von Vertretern von 5 verschiedenen Parlamentsparteien an die Frau Präsidentin des Nationalrates, Doris Bures, übergeben.

Der Petitionsausschuss hat in weiterer Folge Stellungnahmen des BMG (und eine ergänzende) sowie des BKA-Verfassungsdienst einholen lassen, zu denen der Österreichische Seniorenrat selbst folgende Stellungnahme abgeben will:

 

1)        Zur Stellungnahme des BMG vom 19.5.2015

 

In dieser Stellungnahme wird ausführlich auf die Mitwirkungsmöglichkeiten von bestimmten Gruppen von Leistungsbezieherinnen und Leistungsbeziehern in Form von Beiräten eingegangen.

 

 

ZVR-Zahl 178231728

Ebenfalls werden Verbesserungen der Rechtsstellung der Beiräte hervorgehoben, so der Möglichkeit an den Sitzungen der Ausschüsse des Vorstandes (Verbandsvorstandes) und der Landesstellenausschüsse teilzunehmen sowie werden auch finanzielle Leistungen in Form des Sitzungsgeldes für Beiräte angeführt.

 

Abgeschlossen wird die Stellungnahme wie folgt:

„Im Hinblick auf den beruflichen Anknüpfungspunkt im Rahmen des Aufbaus des Systems der Sozialversicherung ist die Einführung eines Stimmrechts für die Beiräte nicht in Erwägung gezogen worden. Den Beiratsmitgliedern sind vom Gesetzgeber eben nicht dieselben Aufgaben und Verantwortlichkeiten zugedacht worden wie den Versicherungsvertreterinnen und Versicherungsvertretern, sodass vor allen unter diesem Aspekt die Einräumung eines Stimmrechts für Beiratsmitglieder nicht geboten scheint."

 

Dazu hält der Österreichische Seniorenrat fest:

 

Auf die zentralen Argumente dieser Petition wird in der Stellungnahme des BMG nicht eingegangen. Es geht im Wesentlichen darum, dass gem. Art 120c Abs. 1 B-VG die Organe der Selbstverwaltungskörper aus dem Kreis ihrer Mitglieder nach demokratischen Grundsätzen zu bilden sind.

 

Die Pensionistinnen und Pensionisten sind im Bereich der Krankenversicherung Leistungsbezieher und Beitragszahler (mit 5,1 % ist der Beitrag sogar deutlich höher als jener der Arbeitnehmer oder Arbeitgeber). Es besteht keine sachliche Rechtfertigung, dass dieser Personenkreis nicht den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern gleichgestellt wird. Auf die Frage der gleichberechtigten Mitbestimmung geht die Stellungnahme des BMG nicht ein.

Dass einem Beirat nicht die gleichen Rechte zuerkannt werden, wie den stimmberechtigten Organen, ergibt sich schon aus dem Begriff „Beirat", spielt aber keine Rolle, da eben eine volle Mitbestimmung in den Organen verlangt wird.

 

Der Hinweis auf die finanziellen Verbesserungen für die Beiräte durch Einführung eines Sitzungsgelds hat mit dem Thema der Mitbestimmung gar nichts zu tun.

 

 

2)        Zur ergänzenden Stellungnahme des BMG vom 18.8.2015

 

In dieser ergänzenden Stellungnahme wird ausgeführt, dass in der Petition „lediglich eine Vertretung bei den Gebietskrankenkassen gefordert wird" und dies ist für das BMG nicht nachvollziehbar, da auch die bundesweiten Sonderversicherungsträger (BVA, VAEB, SVA, SVB) die Krankenversicherung für die dort versicherten Pensionistinnen und Pensionisten vollziehen. Daher wäre auch das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz in die Meinungsbildung miteinzubeziehen.

 

Dazu hält der Österreichische Seniorenrat fest:

 

Es ist richtig, dass in der Beschreibung der Ausgangslage nur von Gebietskrankenkassen gesprochen wird. Dem gegenüber werden aber bereits hier als Rechtsgrundlagen die dem ASVG korrespondierenden Gesetze angeführt (GSVG, BSVK, B-KUVG).

 

Die Überschrift der Petition lautet: Stimmrecht für Pensionisten in den Organen der Selbstverwaltung im Bereich der Krankenversicherung".

In der Begründung heißt u.a. es: „Gefordert wird aber ohnehin nur eine den Arbeitnehmern - und Arbeitgebervertretern gleichberechtigte Mitbestimmung der Pensionisten im Bereich der Krankenversicherung".

 

Und im Petitionsersuchen werden wieder das ASVG und die korrespondierenden Nebengesetze betreffend eines Stimmrechtes für Pensionisten in den Organen der Selbstverwaltung im Bereich der Krankenversicherung angeführt.

 

Die Behauptung des BMG. dass lediglich die Gebietskrankenkassen angeführt werden, entbehrt also jeder Grundlage.

 

Der Hinweis, dass jedenfalls auch das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und

Konsumentenschutz in die Meinungsbildung miteinzubeziehen wäre, wird hingegen vom

Österreichischen Seniorenrat begrüßt. In diesem Zusammenhang wird der Petitionsausschuss ersucht, auch eine Stellungnahme des BMASK einzuholen.

 

 

3)        Zur Stellungnahme des Bundeskanzleramt Verfassungsdienst vom 24.8.2015

 

Diese Stellungnahme erläutert ausführlich den Art. 120c Abs. 1 BVG, der lautet; „ Die Organe der Selbstverwaltungskörper sind aus dem Kreis ihrer Mitglieder nach demokratischen Grundsätzen zu bilden". In weiterer Folge wird auf den Prozess der Entstehung dieser Bestimmung eingegangen sowie festgehalten, dass die in § 420 ASVG vorgesehene Bildung der Organe der Selbstverwaltungskörper als „demokratischen Grundsätzen" entsprechend angesehen wird. „Auch das spricht gegen die in der Petition vertretene Auffassung", so der BKA-Verfassungsdienst weiter.

 

Im Schlusssatz hält er aber fest: „Dies schließt jedoch umgekehrt nicht aus, dass § 420 ASVG in der Weise geändert wird, wie dies in der Petition gefordert wird".

 

Weiters wird noch festgehalten, dass „soweit ersichtlich weder der Verfassungsgerichtshof noch die jüngere Lehre Bedenken gegen die Organisation der Krankenversicherungsträger erhoben, wie sie in der Petition dargestellt werden".

 

Dazu hält der Österreichische Seniorenrat fest:

 

Der Verweis auf den Verfassungsgerichtshof ist insofern nicht relevant, da dieser eben in dieser Sache nicht angerufen wurde. Zum Verweis auf die jüngere Lehre ist festzuhalten, dass eben die „ältere" Lehre, wie Korinek in seinen grundsätzlichen Ausführungen zur Selbstverwaltung in der Sozialversicherung (ZAS 1972,163, 211) festgehalten hat, das es „zur Konstruktion der Sozialversicherung als Selbstverwaltung entspräche, alle die in einem Versicherungsverhältnis zur Sozialversicherung stehen, als sozialversicherungsangehörig zu qualifizieren. Weiters entspräche es dem Grundsatz der Selbstverwaltung, dass alle Selbstverwaltungsangehörigen an der Organbestellung mitwirken, wobei eine solche Organbestellung aber auch in Form „abgeleiteter Selbstverwaltung" auf indirektem Weg möglich ist."

 

Damit ist klar, dass Korinek deutlich weiter in seinen Ausführungen geht, als die vorliegende Petition, nämlich, dass in allen Organen der Selbstverwaltungskörper deren Angehörige mitbestimmen sollen, d.h. auch in den Organen der Pensions- und Unfallversicherung.

Einen Beweis, dass der Ausschluss der Pensionistinnen und Pensionisten von der Organbestellung der Selbstverwaltungskörper dennoch den demokratischen Grundsätzen des Art 420 B-VG entspricht, bleibt diese Stellungnahme aber schuldig. Warum der Ausschluss von einem Drittel der Leistungsempfänger und maßgeblichen Leistungszahlern, demokratischen Grundsätzen entsprechen soll, ist weiterhin nicht ersichtlich.

 

Zumindest im Schlusssatz stellt der BKA-Verfassungsdienst fest, dass auch eine wie in der Petition vorgesehene gesetzliche Umsetzung der Mitbestimmung nicht ausgeschlossen wäre. Daraus ist zu folgern, dass eine solches Gesetz jedenfalls nicht verfassungswidrig wäre.

 

 

4)   Zu den Stellungnahmen des BMG und BKA-Verfassungsdienst hält der Österreichische Seniorenrat zusätzlich fest:

 

Die entscheidende verfassungsrechtliche Frage, ob der Ausschluss von einem Teil der Mitglieder der Selbstverwaltungskörper von der Mitbestimmung verfassungswidrig ist, wird weder vom BMG noch vom BKA-Verfassungsdienst beantwortet.

 

Zu hinterfragen ist auch, ob die Bundesministerien nicht auch zur Einleitung eines Gesetzänderungsverfahrens verpflichtet sind, wenn Gesetzes-Bestimmungen evident verfassungswidrig sind.

 

Abschließend stellt sich der Österreichische Seniorenrat auch noch die Frage, ob die Bundesminister bereit sind, eine Regierungsvorlage im Sinne der Petition vorzulegen.

 

 

Der Österreichische Seniorenrat regt daher an, der Petitionsausschuss wollte die beteiligten Ministerien einladen, zu den folgenden, oben näher erläuterten Fragen, Stellung zu nehmen:

 

1)      Ist der Ausschluss der Mitbestimmung von einem Teil der Mitglieder der Selbstverwaltungskörper, die Leistungsempfänger und Beitragszahler sind, in den Organen der Krankenversicherungen verfassungswidrig?

 

2)      Sind die Bundesministerien zur Einleitung eines Gesetzgebungsverfahrens verpflichtet, wenn Gesetzesbestimmungen offensichtlich verfassungswidrig sind?

 

3)      Sind die zuständigen Bundesminister bereit, eine Regierungsvorlage im Sinne der Petition vorzulegen?

 

 

 

Hochachtungsvoll

 

 

Präs NR a.D. Dr. Andreas Khol                                                  BM a.D. Karl Blecha

              Präsident                                                                                Präsident