1027/A XXVI. GP

Eingebracht am 25.09.2019
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Antrag

Initiativantrag

 

des Abgeordneten Dr. Noll und Kollegen,

mit dem das Bundesgesetz über die österreichische Staatsbürgerschaft (Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 – StbG), BGBl. Nr. 311/1985 idF BGBl. I Nr. 61/2018 geändert wird.

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert wird

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

Das Bundesgesetz über die österreichische Staatsbürgerschaft, BGBl. Nr. 311/1985, zuletzt geändert durch das BGBl. I Nr. 61/2018, wird wie folgt geändert:

 

1) § 10 Abs. 3 lautet:

„(3) Einem Fremden, der eine andere Staatsangehörigkeit als eine solche eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder der EFTA besitzt, darf die Staatsbürgerschaft nicht verliehen werden, wenn er                    

            1. die für das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband erforderlichen Handlungen unterläßt, obwohl ihm diese möglich und zumutbar sind oder

            2. auf Grund seines Antrages oder auf andere Weise absichtlich die Beibehaltung seiner bisherigen Staatsangehörigkeit erwirkt.“

 

2) In § 10 wird nach Abs. 3 folgender Abs. 3a eingefügt:

„(3a) Abs. 3 dieses Paragrafen ist auch auf Staatsangehörige der Niederlanden anzuwenden.“

 

3) Bei § 27 Abs. 1 wird folgender zweiter Satz eingefügt:

„Dies gilt nicht, wenn es sich um die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder der EFTA handelt.“

4) In § 27 wird nach Abs. 1 folgender Abs. 1a eingefügt:

„(1a) Der zweite Satz des Abs. 1 dieses Paragrafen ist nicht auf Staatsangehörige der Niederlanden anzuwenden.“

 

5) Der erste Satz des § 30 Abs. 1 hat zu lauten:

„Strebt ein Staatsbürger eine fremde Staatsangehörigkeit an, bei der es sich nicht um die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder der EFTA handelt, und ist ihm die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft nicht bewilligt worden, so hat ihm die Behörde auf seinen Antrag zu bestätigen, daß er im Falle des Erwerbes der fremden Staatsangehörigkeit aus dem österreichischen Staatsverband ausscheidet.“

 

6) In § 30 wird nach Abs. 1 folgender Abs. 1a eingefügt.

„(1a) Abs. 1 dieses Paragrafen ist auch auf den angestrebten Erwerb der niederländischen Staatsbürgerschaft anzuwenden.“

 

7) In § 30 Abs. 2 wird nach den Worten „Für einen nicht voll handlungsfähigen Staatsbürger darf die Bestätigung nach Abs. 1“ die Wortfolge eingefügt:

„und Abs. 1a“

 

8) § 34 Abs 1 Z 3 hat zu lauten:

„3. er trotz des Erwerbes der Staatsbürgerschaft seither aus Gründen, die er zu vertreten hat, eine fremde Staatsangehörigkeit beibehalten hat, es sei denn, es handelt sich dabei um die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder der EFTA.“

 

9) Nach § 34 Abs 1 wird folgender Abs. 1a eingefügt:

„(1a) Abs. 1 dieses Paragrafen ist auch anzuwenden, wenn die niederländische Staatsbürgerschaft erworben und beibehalten wurde.“

 

Inkrafttreten und Außerkrafttreten

 

Die Z 1 bis 9 dieses Bundesgesetzes treten am 1.12.2019 in Kraft.

 

 

 

Es wird vorgeschlagen, diesen Antrag dem Innenausschuss weiterzuleiten.

 

 

 

 

 

BEGRÜNDUNG

 

Lange Zeit war die Mehrfach-Staatsbürgerschaft völkerrechtlich verpönt. Aus dieser Haltung entsprang 1963 das Europarats-Übereinkommen über die Verminderung der Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit und über die Militärdienstpflicht in Fällen mehrfacher Staatsangehörigkeit.

Dieser restriktive Zugang zur Mehrstaatigkeit hat sich jedoch seitdem gewandelt[1], und heute ermöglichen viele, wahrscheinlich die meisten, EU-Staaten eine zweite Staatsbürgerschaft. Deutschland hat das Europarats-Übereinkommen 2001 sogar zur Gänze gekündigt[2], fast alle ursprünglichen Unterzeichner-Staaten haben das Kapitel I, über die Vermeidung mehrfacher Staatsangehörigkeit, außer Kraft gesetzt. Aus dem Kreis der EU-Mitglieder befinden sich lediglich die Niederlande und Österreich noch in der Pflicht dieses Kapitels[3].

Österreich sollte schon aus Gründen der Praktikabilität und um die innere Integration der Europäischen Gemeinschaft zu stärken, vom überholten Prinzip der „Einstaatigkeit“ abgehen, zumindest, soweit es andere EU- und EFTA-Staatsbürgerschaften betrifft. ÖVP und FPÖ hatten sich im Regierungsprogramm 2017 auf diese Erleichterung für Österreicher im UK verpflichtet. Dieses Vorhaben war zwar durch den „Brexit“ bedingt, allerdings gibt es keinen Grund, bei anderen EU-Staatsbürgerschaften nicht dieselbe Möglichkeit einzuräumen. Vielmehr ist fraglich, ob die anlassbezogene Einzelstaat-Regelung nicht gleichheitswidrig wäre.

Da die Verpflichtung aus dem Kapitel I des Europarats-Übereinkommens innerhalb der EU und der EFTA nur mehr zwischen den NL und Österreich in Kraft ist, wird in einem gesonderten Entschließungsantragantrag die Kündigung dieses I. Kapitels des Europarats-Übereinkommens angeregt. Im vorliegenden Abänderungsantrag zum StbG ist die Möglichkeit der Aufrechterhaltung bzw. des Erwerbes einer zweiten Staatsbürgerschaft vorgesehen, soweit es sich bei der zweiten Staatsbürgerschaft um eine solche eines EU- oder EFTA-Staates handelt. Bis zum Unwirksamwerden des Kapitels I des Europarats-Übereinkommens für Österreich ist davon wiederum die niederländische Staatsbürgerschaft ausgenommen.

Sobald die Kündigung des Abkommens wirksam ist, sind die folgenden Bestimmungen, die mit dieser Novelle eingeführt werden, wieder außer Kraft zu setzen: Z 2 (§ 10 Abs. 3a StbG), Z 4 (§ 27 Abs. 1a StbG), Z 6 (§ 30 Abs. 1a StbG) Z 7 (Wortfolge in  § 30 Abs. 2 StbG) und Z 9 (§ 34 Abs 1a StbG).

 



[1] Vgl zB Neumayr, Doppelstaatsbürgerschaft – doppelte Freude oder doppelte Last?, ZfV 2015, 258; Obwexer, Rechtliche Rahmenbedingungen für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft durch „Südtiroler“, JRP 2018, 26; Hinweis auf die faktische Unmöglichkeit der Hintanhaltung der mehrfachen Staatsbürgerschaft bei Fessler/Fessler/Pfandner, Staatsbürgerschaftsrecht (2018), nwv Wien, 26.

[2] Fessler/Fessler/Pfandner, aaO.

[3] So auch de Groot in seinem Kommentar zum niederländischen Staatsbürgerschaftsrecht: de Groot, Handleidingen voor de toepassing van de Rijkswet op het Nederlanderschap (2010), Deventer/Kluwer, zu Art. 15.