361/A(E) XXVI. GP

Eingebracht am 26.09.2018
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Kinderbetreuungsgeld für Krisenpflegeeltern

 

Nicht jedes Kind in Österreich hat dieselben Startvoraussetzungen. Manche finden sich in Familien wieder, in denen Eltern beispielsweise suchtkrank sind, oder ihnen Gewalt antun. Kann ein Kind nicht bei seiner Familie bleiben, weil es dort keine Rahmenbedingungen vorfindet, die ihm eine gesunde Entwicklung ermöglichen, gibt es die Möglichkeit, dass es von Pflegeeltern aufgenommen wird. Manchmal muss ein Handeln sofort stattfinden, um Kinder vor dem Schlimmsten zu bewahren. In solchen Fällen werden Kinder häufig zu Krisenpflegeeltern gebracht, deren Aufgabe es ist, die Kinder für eine kurze Zeit bei sich aufzunehmen, bis sie entweder zurück in ihre eigene Familie können, oder von Pflegefamilien in Dauerpflege genommen werden:

"Krisenpflegeverhältnisse (...) sind auf einen sehr kurzen Zeitraum nach dem Eintritt krisenhafter Erlebnisse beschränkt und dienen dazu, einem Kind vorübergehend Pflege und Erziehung zu gewähren, um die familiäre Krisensituation zu überbrücken. Eine Aufnahme von Kindern durch Krisenpflegeeltern ist in der Regel "rund um die Uhr" möglich.", definiert das Österreichische Institut für Familienforschung den Begriff und die Tätigkeit von Krisenpflegeeltern.

In Österreich ist die Situation für Krisenpflegeeltern von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich. So kommt der Begriff "Krisenpflege" im Burgenland beispielsweise überhaupt nicht vor. Dort spricht man ausschließlich von Dauerpflegeverhältnissen; Formen der Kurzzeitpflege oder Pflegeverhältnisse für Pflegekinder mit besonderem Betreuungsaufwand sind nicht vorgesehen. Dennoch springen in der Praxis häufig Personen in Krisensituationen ein - ein offizielles Konzept dafür gibt es aber nicht. In anderen Bundesländern hingegen werden händeringend "Krisenmamas und Krisenpapas", aber auch Langzeitpflegefamilien gesucht (z.B.: ORF Vorarlberg, 5.3.2018 https://vorarlberg.orf.at/news/stories/2899099/ oder Kurier, 16.2.2018: https://kurier.at/leben/krisenpflegeltern-retter-in-der-not/311.008.220).

Neben unterschiedlichsten Konzepten in den Bundesländern gibt es auch große Unterscheidungen, was die sozialversicherungsrechtliche Absicherung, Anstellungsverhältnisse und Bezahlung von Krisenpflegeeltern angeht. In einigen Bundesländern wurde die Möglichkeit geschaffen, Verträge mit eigens dafür eingerichteten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen abzuschließen, in anderen nicht. Vertragsart, Entgelt, und sozial- oder pensionsversicherungsrechtliche Absicherung variieren stark. Häufig sind Krisenpflegeeltern nur geringfügig oder mit freiem Dienstvertrag angestellt und können sich freiwillig versichern (siehe dazu: ÖIF (2015): Die rechtliche und soziale Situation von Pflegeeltern in Österreich. Juristische Expertise und empirische Erhebung).

Die Volksanwaltschaft schreibt dazu in einer Stellungnahme (17/SN-57/ME XXVI. GP) folgendes:

"Im Bereich des Pflegeelternwesens ist es nicht gelungen, ein einheitliches Modell zu entwickeln. Das Pflegeelterngeld ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich hoch. Einige Länder sehen die Anstellung von Pflegeeltern vor, wobei die Vertragsmodelle stark voneinander abweichen und von Arbeitsverträgen mit privaten Kinder- und Jugendhilfeträgern bis hin zu freien Dienstverträgen mit dem jeweiligen Bundesland reichen. Eine sozialversicherungsrechtliche Absicherung von Pflegeeltern gibt es in ganz Österreich nicht; zwei Bundesländer gewähren uU aber einen Ruhegenuss. Immer wieder gibt es Probleme bei der Übersiedlung von Pflegeeltern von einem ins andere Bundesland. Krisenpflegeeltern wurden nicht in allen Bundesländern etabliert. Die vorgesehene Dauer der Krisenpflege schwankt in den Ländern zwischen 6 Wochen und 6 Monaten. In einigen Bundesländern gibt es professionelle Pflegeeltern und Kurzzeitpflege bis zur maximalen Dauer von 2 Jahren, wenn die gezielte Rückführung Minderjähriger in ihre Herkunftssysteme möglich scheint. Andere Bundesländer kennen derartige Formen mittelfristiger Überbrückungshilfen und konkreter Rückführungsanstrengungen mit Familien in Krisen überhaupt nicht."

Neben dieser Art der "Anstellung" erhalten sie in der Regel noch Förderungen der Bundesländer und für den Zeitraum, in dem sie sich um Kinder kümmern, Kinderbetreuungsgeld (KBG). Nun hat ein Erlass der Sektion für Familien und Jugend, wonach Krisenpflegeeltern kein KBG mehr zusteht, nicht nur medial für große Aufregung gesorgt (u.a. 'der Standard', 14.9.2018), sondern auch betroffene Krisenpflegeeltern stark verunsichert.

Diese Situation ist für Betroffene untragbar, und wirkt sich letzten Endes auf Kinder aus, die auf ein funktionierendes System und Auffangnetz - welches häufig durch Krisenpflegeeltern zur Verfügung gestellt wird - angewiesen sind. Damit sind die Schwächsten letztlich die Leidtragenden. Anstatt in diesem Bereich Mittel zu kürzen sollte man sich darum bemühen, Krisenpflegeeltern zu stärken und ihnen attraktivere Rahmenbedingungen zu bieten, die ihnen die Erfüllung ihrer Aufgabe erleichtern.

Vor allem die Bestimmung im Kinderbetreuungsgeldgesetz, wonach ein gemeinsamer Haushalt als Anspruchsvoraussetzung für den Bezug von Kinderbetreuungsgeld definiert ist, führt häufig zu Problemen für "irreguläre" Familienformen, wie jene der Krisenpflegefamilien. Denn ein gemeinsamer Haushalt iSd § 2 Abs 6 KBGG liegt dann vor, "wenn der Elternteil und das Kind in einer dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft an derselben Wohnadresse leben und beide an dieser Adresse auch hauptwohnsitzlich gemeldet sind". In einer aktuellen Entscheidung des Oberlandesgerichts Graz (6Rs14/18b), wird dazu folgendes ausgeführt:

"Zweck des Kinderbetreuungsgeldes ist es ganz grundsätzlich, einem Elternteil zu ermöglichen, sich in der ersten Lebensphase eines Kindes dessen Erziehung zu widmen, die Betreuungs- und Erziehungskosten auszugleichen und gegebenenfalls finanzielle Nachteile, die der Verzicht auf ein (Voll-)Erwerbseinkommen bedeutet, abzumildern. Primäre Anspruchsvoraussetzung ist somit die Erbringung von Betreuungsleistungen, wobei der Gesetzgeber davon ausgeht, dass diese von jenem Elternteil erbracht werden, der mit dem Kind einen gemeinsamen Haushalt führt (Sonntag aaO, 8 mwN aus der Rechtsprechung). Wird im Rahmen einer Gefährdungssituation das Kind bei einer Krisenpflegeperson untergebracht, so begründet dies nicht nur – wie dargestellt – ab dem ersten Tag der Unterbringung einen gemeinsamen Haushalt, sondern verpflichtet die Pflegeperson auch zur Erbringung all jener Betreuungsleistungen, die bei einem funktionierenden Familienverband bzw einer intakten Eltern-Kind-Beziehung von dem jeweiligen Elternteil zu erbringen gewesen wären. Ausgehend von den Feststellungen, wonach zum Zeitpunkt der Übernahme einer Krisenpflege, also zum Zeitpunkt der Unterbringung des minderjährigen Kindes bei einer Krisenpflegeperson die Dauer dessen Verbleibs nicht absehbar ist und es bei Fehlen geeigneter anderer Unterbringungsmöglichkeiten auch zu einer mehrmonatigen Unterbringung bei den Krisenpflegeeltern oder der Krisenpflegeperson kommen kann, ist dem vom Gesetz geforderten Kriterium der dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft schon durch die Besonderheit dieser Situation per se entsprochen."

Daraus folgt, dass Krisenpflegefamilien Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld haben. Es ist daher darauf hinzuwirken, dass der Erlass der Bundesministerin schnellstmöglich aufgehoben, und das KBGG evaluiert und ggf. entsprechend repariert wird.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG



Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend, wird aufgefordert, sicherzustellen, dass Krisenpflegeeltern weiterhin Kinderbetreuungsgeld für die Zeit, in der sie ein Kind bei sich aufgenommen haben, beziehen können. Außerdem soll die Anspruchsvoraussetzung eines gemeinsamen Haushalts iSd § 2 Abs. 6 KBGG, überarbeitet werden, sodass auch "irreguläre" Familienformen, wie etwa Krisenpflegefamilien, Ansprüche auf Leistungen nach dem Kinderbetreuungsgeldgesetz haben, sofern sie alle anderen Voraussetzungen erfüllen."

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Familie und Jugend vorgeschlagen.