49/A(E) XXVI. GP
Eingebracht
am 20.12.2017
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt.
Abweichungen vom Original sind möglich.
EntschlieSSungsantrag
der Abgeordneten Dr. Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Reduktion der Gerichtsgebühren
Der Zugang zum Recht muss leistbar sein
Der freie und gleiche Zugang zu Recht und Gerichtsbarkeit zeichnet einen liberalen Rechtsstaat wesentlich aus. Doch die hohe Gebührenlast schränkt diesen Zugang maßgeblich ein. Für Rechtssuchende ist die eigene Vermögenssituation schon bei der bloßen Entscheidung über den Gang zu Gericht und völlig unabhängig von systemimmanenten Kosten wie jenen für Rechtsberatung ein signifikantes Kriterium, das gerade sozial Schwächere davon abhalten kann, sich an die Gerichte zu wenden.
Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag hält dazu in seinem Wahrnehmungsbericht 2015/16 fest:"Die hohe Gebührenbelastung hat mittlerweile dazu geführt, dass Rechtssuchende genau prüfen müssen, ob sie sich den Gang zu Gericht überhaupt leisten können. Das trifft die breite Mittelschicht und nicht jene, die Verfahrenshilfe erhalten oder jene, die es sich ohnehin leisten können."
Die Gebührenlast wird zudem jährlich durch die Inflationsanpassung des § 31a GGG verschärft.
Darüber hinaus sind die hohen Verfahrenskosten ein nicht zu unterschätzender Faktor für die Attraktivität des Wirtschafts- und Schiedsgerichtsstandortes Österreich. Bei hohen Streitwerten ufern die Gerichtsgebühren ins Unverhältnismäßige aus.
Die rechtssuchende Bevölkerung finanziert über Gebühren den Überschuss des Justizressorts
Österreich ist mit großem Abstand europaweiter Spitzenreiter bei Einkünften aus Gerichtsgebühren. Laut einer Studie des Europarates (European judicial systems - Efficiency and quality of justice, Edition 2016), die mit Daten aus dem Jahr 2014 arbeitete, betrugen diese Einkünfte pro Kopf 106,65 €. Am Nähesten kommen Österreich die Bundesrepublik Deutschland mit 44, 57 € pro Kopf sowie die Schweiz mit 24,46 €. Die österreichische Justiz finanzierte sich im Jahr 2012 zu 86% aus Gerichtsgebühren und erwirtschaftete insgesamt einen Überschuss.
Rechnet man den Strafvollzug bei den Ausgaben nicht hinzu, ergab sich 2014 ein Deckungsgrad der Justizkosten durch Gerichtsgebühren von 108,3%. In Europa liegt die durchschnittliche Deckung der Ausgaben durch Gerichtsgebühren im Bereich der Justiz hingegen bei 20,5%. Gleichzeitig ist Österreich eines der europaweiten Schlusslichter beim Anteil des Justizbudgets am Gesamtbudget.
Wiewohl durch die Gerichtsgebühren-Novelle 2015, in Kraft mit 1. Jänner 2016, die Gebührenbelastung um etwa 5 Mio € reduziert wurde, fällt dies bei einem Überschuss von rund 190 Mio € jährlich wenig ins Gewicht und hat mehr symbolischen Wert. Es ist sohin festzustellen, dass die rechtssuchende Bevölkerung über Gebühren den Budgetüberschuss des Justizressorts finanziert.
Gerichtsgebühren senken, gleichen Zugang zum Recht ermöglichen, Bevölkerung und Wirtschaftsstandort entlasten
Neben einer Abschaffung des Automatismus der Inflationsanpassung iSd § 31a GGG ist daher eine Deckelung der Höhe von Gerichtsgebühren im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit und Standortattraktivität ebenso angezeigt wie eine allgemeine, schrittweise Senkung der Gerichtsgebühren. Realistischerweise kann diese Senkung nur stufenweise erfolgen, da sich das Justizsystem zu einem wesentlichen Teil aus diesen Gebühren finanziert.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
Der Nationalrat wolle beschließen:
"Der Bundesminister für Justiz wird aufgefordert, schnellstmöglich ein Konzept vorzulegen, demnach Gerichtsgebühren mit dem europäischen Schnitt möglichst nahe kommenden, sozial verträglichen und dem internationalen Wettbewerb des Wirtschaftsstandtorts Österreich Rechnung tragenden Beträgen gedeckelt sind und die Gesamtbelastung durch Gerichtsgebühren generell schrittweise bis zum Jahr 2025 so gesenkt wird, dass der Zugang zum Recht für alle Menschen ohne wesentliche finanzielle Hürden gewährleistet ist. Als Richtwert anzustreben ist hierbei die Deckung der Kosten der Zivilgerichtsbarkeit und der Außerstreitigen Verfahren im Jahr 2020.
Der Bundesminister für Justiz wird weiters aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf zuzuleiten, der die Streichung des Automatismus der Inflationsanpassung von Gerichtsgebühren im § 31a GGG und die Anpassung der Gebühren durch Verordnung an die Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrates bindet."
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Justiz vorgeschlagen.