493/A(E) XXVI. GP

Eingebracht am 21.11.2018
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EntschlieSSungsantrag

 

der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak‚ MA, Claudia Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen

betreffend Meinungs- und Pressefreiheit im Internet in Gefahr

 

Seit einigen Monaten wird der Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt (2016/0280 (COD)) heftig diskutiert. Besonders umstritten sind die Artikel 11 ("Linksteuer") und Artikel 13 ("Uploadfilter") des Entwurfs. Artikel 13 des Entwurfs sieht vor, dass Betreiber_innen von Online-Plattformen unmittelbar für Urheberrechtsverletzungen durch ihre Nutzer_innen verantwortlich gemacht werden sollen und gemäß Absatz 4 nur dann von der Haftung befreit wären, wenn sie beweisen, dass sie "bestmögliche Anstrengungen" unternommen haben, um urheberrechtlich geschütztes Material nicht zugänglich zu machen. Dem Vorschlag zufolge sollen also Plattformbetreiber_innen dazu verpflichtet werden, durch „wirksame Inhaltserkennungstechniken“ oder sogenannte Uploadfilter Inhalte bereits vor ihrer Veröffentlichung auf eine vermeintliche Urheberrechtsverletzung hin zu überprüfen.

Der Richtlinien-Entwurf zum EU-Urheberrecht ist aus grundrechtlicher Sicht höchst problematisch. Ein automatisiertes Filtern von Nutzerinhalten vor Veröffentlichung auf Online-Plattformen kommt einer Zensur gleich und greift unverhältnismäßig in die Meinungs- und Informationsfreiheit der Bürger_innen ein, welche durch Artikel 13 Staatsgrundgesetz, Artikel 10 Europäische Menschenrechtskonvention und Artikel 11 EU-Grundrechtecharta garantiert werden.

Problematisch ist außerdem, dass es bislang keine technische Lösung gibt, die es ermöglicht, urheberrechtlich geschützte und nicht geschützte Inhalte automatisiert zu unterscheiden, wodurch es zur Blockierung und Löschung legaler Inhalte kommt (etwa bei Satire oder Zitaten). Erschwerend kommt hinzu, dass den Anbieter_innen die Informationen zur Beurteilung der Frage, ob das hochgeladene Material urheberrechtlich geschützt ist oder nicht, fehlen. Dies hat zur Konsequenz, dass Plattformen aus Angst vor Unterlassungsansprüchen im Zweifel mehr Inhalte blockieren werden, als sie tatsächlich müssten. Die Einführung von Uploadfiltern und der damit einhergehende Aufbau einer nur schwer kontrollierbaren Zensurinfrastruktur birgt darüber hinaus die Gefahr, dass diese Instrumente in weiterer Folge für die Blockierung anderer Inhalte angewendet oder für eigene Zwecke der Anbieter_innen genutzt werden. Die Implementierung von Uploadfiltern würde eine automatisierte Zensur im Internet und eine unverhältnismäßige Einschränkung der Meinungs- und Informationsfreiheit im digitalen Raum bedeuten.

Ein weiterer problematischer Aspekt der im Richtlinien-Vorschlag über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt enthalten ist, ist das neue europäische Leistungsschutzrecht für Presseverleger (siehe Artikel 11 des Entwurfs). Durch das geplante Leistungsschutzrecht ("Linksteuer") soll Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen oder auch Nachrichtenagenturen die Vergütung der Verwendung ihrer Inhalte im Netz sichergestellt werden. Das Leistungsschutzrecht soll verhindern, dass Plattformen, wie etwa Google News oder Facebook, Titel und kurze Vorschautexte von Artikeln, kostenlos anzeigen dürfen. Onlinedienste sollen in Zukunft Lizenzverträge mit den Verlagen abschließen, wenn sie deren Inhalte, so z.B. Auszüge von Nachrichtenseiten, anzeigen wollen. Dadurch wird allerdings das Zitieren und Verlinken von Artikeln im Internet erschwert.

Darüber hinaus hat die sog. Linksteuer nicht den gewünschten Effekt. Ähnliche Regelungen bestehen bereits seit 2013 in Deutschland und seit 2015 in Spanien. In Deutschland zahlt jedoch Marktführer Google nicht mehr Geld an die Verlage, denn viele große Verlagshäuser stellen ihre Inhalte Google kostenlos zur Verfügung, da sie sonst aus Google News entfernt worden wären. In Spanien stellte Google seinen Newsdienst hingegen gleich komplett ein. Dies hatte in beiden Ländern die Schwächung von kleineren und unabhängigen Medien und Verlagen zur Folge und führte zu einer Einschränkung der Medienvielfalt. Die Einführung des Leistungsschutzrechts ist daher aus grundrechtlicher und demokratiepolitischer Sicht abzulehnen, da sie einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Meinungs- und Pressefreiheit im digitalen Raum bedeuten würde.

Am 12. September 2018 hat das Europäische Parlament in erster Lesung für eine leicht abgeänderte Version des Kommissionsentwurfs gestimmt. Nun finden gerade die sog. Trilog-Verhandlungen, also interinstitutionelle Verhandlungen zwischen Vertreter_innen des Europäischen Parlaments, des Rates der Europäischen Union und der Europäischen Kommission statt. Am 2. Oktober 2018 fand der erste Trilog zur EU-Urheberrechtsreform statt. Bis 13. Dezember sind drei weitere Trilog-Verhandlungstermine angesetzt. Anfang 2019 soll das Europäischen Parlament dann über das Verhandlungsergebnis abstimmen. Bei den Trilog-Verhandlungen kommt der österreichischen Bundesregierung, insbesondere BM Josef Moser, aufgrund ihrer Sonderstellung im Rahmen der österreichischen Ratspräsidentschaft eine führende Rolle zu.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG


Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Verfassung, Deregulierung, Reformen und Justiz, wird aufgefordert, sich im Rahmen der laufenden interinstitutionellen Verhandlungen über die Europäische Urheberrechtsreform klar für die Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit auszusprechen, sowie sich gegen die Einführung des unverhältnismäßigen Zensurinstruments der Uploadfilter und gegen die Einführung des Leistungsschutzrechts einzusetzen; zudem sowohl auf innerstaatlicher als auch auf europäischer Ebene alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, um die Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit im Internet zu schützen."

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Menschenrechte vorgeschlagen.