Erläuterungen

I. Allgemeiner Teil

1. Hintergrund

Im Zuge des Vertragsverletzungsverfahrens zwischen der Europäischen Kommission und der Republik Österreich, zur Nr. 2017/0008, hat die Europäische Kommission unter anderem moniert, dass Österreich den Art. 4 Abs. 4, den Art. 4 Abs. 8, den Art. 4 Abs. 9, den Art. 5 Abs. 2 und den Art. 6 Abs. 9 der Richtlinie 2014/94/EU über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe, ABl. Nr. L 307 vom 28.10.2014 S. 1, nicht in nationales Recht umgesetzt habe.

Durch das vorliegende Gesetz sollen die jeweiligen gesetzlichen Verordnungsermächtigungen für die zu erfüllenden technischen Spezifikationen für Strom- und Wasserstofftankstellen sowie CNG-Tankstellen sowie bestimmte Pflichten, die der Betreiber eines öffentlich zugänglichen Ladepunktes erfüllen muss, nunmehr explizit umgesetzt und in weiterer Folge der Europäischen Kommission notifiziert werden, um damit als Umsetzungsmaßnahme anerkannt werden zu können. Unbeschadet der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung zur Gesetzgebung und Vollziehung (insbesondere Erlassung von Verordnungen) wurde zwischen dem Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus, dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie sowie dem Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort als hauptbetroffenen Ressorts vereinbart, dass die Koordination und Erarbeitung des Gesetzesvorschlags federführend vom Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus übernommen wird.

2. Kompetenzrechtliche Grundlagen:

Der Bund kann sich beim vorliegenden Gesetz auf folgende Kompetenztatbestände stützen:

„Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie“ (Art. 10 Abs. 1 Z 8 B‑VG) und „Normalisierung und Typisierung elektrischer Anlagen und Einrichtungen, Sicherheitsmaßnahmen auf diesem Gebiet“ (Art. 10 Abs. 1 Z 10 B‑VG).

II. Besonderer Teil

Zu § 1:

Diese Bestimmung enthält den Bezug zum Unionsrecht; sie verweist auf die Richtlinie 2014/94/EU über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe, zu deren Umsetzung Österreich verpflichtet ist.

Zu § 2:

Die Begriffsbestimmungen sind der Richtlinie 2014/94/EU entnommen worden und inhaltsgleich mit Art. 2 Z 1-9 der Richtlinie 2014/94/EU; eine gleichlautende Definition der Begriffe der Richtlinie 2014/94/EU findet sich überdies in § 2 Z 15-23 Personenkraftwagen-Verbraucherinformationsgesetz (BGBl. I Nr. 26/2001 idF BGBl. I Nr. 119/2017). § 3 Z 1a E-ControlG entspricht insoweit § 2 Z 6, als beide Normen jene Ladepunkte erfassen, die elektrische Energie als Kraftstoff anbieten.

Art. 2 Z 1 dritter Bindestrich der Richtlinie 2014/94/EU verweist bei der Definition des Begriffes „Biokraftstoffe“ auf Art. 2 lit. i der Richtlinie 2009/28/EG zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinien 2001/77/EG und 2003/30/EG, Abl. Nr. L 140 vom 05.06.2009 S. 16. Diese Definition lautet: „‘Biokraftstoffe‘ flüssige oder gasförmige Kraftstoffe für den Verkehr, die aus Biomasse hergestellt werden“. Zwecks besseren Verständnisses ist der Verweis auf Art. 2 lit. i der Richtlinie 2009/28/EG unterblieben und eine gleichlautende Definition in § 2 Z 1 lit. c des vorliegenden Gesetzes aufgenommen worden.

Zu § 3:

In kompetenzrechtlicher Hinsicht sind Ladepunkte an der Schnittstelle zwischen den Tatbeständen Gewerbe und Industrie sowie Elektrizitätswesen angesiedelt; der Betrieb von Ladepunkten fällt jedenfalls nicht in den Anwendungsbereich des ElWOG 2010, sondern unterliegt der GewO 1994.

§ 3 Abs 2 Z 1-3 führt an, in welchen Fällen ein Ladepunkt jedenfalls als öffentlich zugänglich zu betreiben ist; dabei handelt es sich insbesondere um verkehrlich wichtige Standorte.

Die Ausnahme vom Erfordernis der öffentlichen Zugänglichkeit von Ladepunkten in Abs. 3 soll jene Situationen erfassen, in denen der Nutzerkreis von vornherein beschränkt ist, wie etwa bei E-Taxidiensten, E-Carsharing-Modellen oder privaten Parkplätzen. Ebenso ist bei Ladepunkten, die vorrangig Massenbeförderungsmitteln zum Aufladen zur Verfügung stehen, in aller Regel eine Einschränkung des Nutzerkreises aus zwingenden betrieblichen Erfordernissen gestattet.

Gemäß Art. 4 Abs. 9 der Richtlinie 2014/94/EU müssen alle öffentlich zugänglichen Ladepunkte den Nutzern von Elektrofahrzeugen auch das punktuelle Aufladen ermöglichen, „ohne dass ein Vertrag mit dem betreffenden Elektrizitätsversorgungsunternehmen oder Betreiber geschlossen werden muss.“

§ 3 Abs. 4 unterscheidet sich in der textlichen Gestaltung in zwei Punkten von Art. 4 Abs. 9 der Richtlinie 2014/94/EU. Erstens ist § 3 Abs. 4 ausschließlich an die „Betreiber“ adressiert; zweitens schreibt sie den Betreibern vor, allen Nutzern von Elektrofahrzeugen ein punktuelles Aufladen zu ermöglichen, ohne dass ein „Dauerschuldverhältnis“ mit den Betreibern abgeschlossen werden muss. Dem liegen folgende Überlegungen zugrunde: Im Regelfall werden die Bezugsverträge mit dem Betreiber des Ladepunktes bzw. der Ladestation abgeschlossen; dieser Betreiber kann – muss aber nicht – zugleich auch ein Elektrizitätsversorgungsunternehmen sein. In diesem Sinne umfasst der Begriff „Betreiber“ auch Elektrizitätsversorgungsunternehmen. Der zweite Punkt betrifft die normative Anordnung des Art. 4 Abs. 9 der Richtlinie 2014/94/EU, wonach das punktuelle Aufladen ohne Vertrag ermöglicht werden muss. Diese Vorgabe ist dahingehend zu interpretieren, dass zwischen dem Nutzer eines Elektrofahrzeuges und dem Betreiber eines öffentlich zugänglichen Ladepunktes zumindest kein Dauerschuldverhältnis über den laufenden Bezug von elektrischer Energie begründet werden soll. Die teleologische Reduktion ist notwendig, da die österreichische Rechtsordnung selbst im Fall einer Schenkung von einem Vertrag zwischen dem Schenkenden und den Beschenkten ausgeht. Dies entspricht auch den Zielen der Richtlinie 2014/94/EU, soll doch allen Nutzern von Elektrofahrzeugen das Aufladen an öffentlich zugänglichen Ladepunkten diskriminierungsfrei ermöglicht werden. Das schließt zwar weder eine verpflichtende Registrierung noch eine Mitgliedschaft für einen einmal ladenden Kunden aus, allerdings dürfen im Sinne der Richtlinie 2014/94/EU keine hohen Anforderungen an solche Registrierungen oder Mitgliedschaften geknüpft werden.

Die Richtlinie 2014/94/EU ist sohin in beiden Punkten nicht eingeschränkt, sondern lediglich textlich an das nationale Recht angepasst worden.

Damit die Preisauszeichnungen bei öffentlich zugänglichen Ladepunkten den Vorgaben des Art. 4 Abs. 10 der Richtlinie 2014/94/EU entsprechen, müssen diese angemessen, einfach und eindeutig vergleichbar, transparent und nicht diskriminierend sein. Dazu gelten die Bestimmungen des Preisauszeichnungsgesetzes (BGBl. Nr. 146/1992 idF BGBl. I Nr. 99/2016) und des Dienstleistungsgesetzes (BGBl. I Nr. 100/2011). Die Angemessenheit der Preise ergibt sich aus den Bestimmungen des Zivilrechts (insbes. § 879 ABGB) und des Wettbewerbsrechts.

Zu § 4, § 7 Z 1:

Die Bestimmung bildet die gesetzliche Grundlage für die Erlassung von Durchführungsverordnungen; sie setzen folgende Artikel der Richtlinie 2014/94/EU um:

                   Art. 4 Abs. 4: Normalladepunkte für Elektrofahrzeuge müssen zumindest den technischen Spezifikationen gemäß Anhang II Nummer 1.1 der Richtlinie 2014/94/EU entsprechen. Schnellladepunkte für Elektrofahrzeuge müssen zumindest den technischen Spezifikationen gemäß Anhang II Nummer 1.2 der Richtlinie 2014/94/EU entsprechen. Eine Ausnahme besteht für jene Normal- und Schnellladepunkte, die kabellos oder induktiv betrieben werden;

                   Art. 5 Abs. 2: Wasserstofftankstellen müssen zumindest den technischen Spezifikationen gemäß Anhang II Nummer 2 der Richtlinie 2014/94/EU entsprechen;

                   Art. 6 Abs. 9: CNG-Tankstellen müssen zumindest den technischen Spezifikationen gemäß Anhang II Nummer 3.4 der Richtlinie 2014/94/EU entsprechen.

Der einfache Gesetzgeber ermächtigt die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort die technischen Spezifikationen per Verordnung festzulegen; das folgt aus dem Wirkungsbereich des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort („Angelegenheiten der Normalisierung und Typisierung elektrischer Anlagen und Einrichtungen sowie Sicherheitsmaßnahmen auf diesem Gebiet“ und „Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie“).

Zu § 5:

Innerstaatliche Strafbestimmungen erscheinen aus dem Grund erforderlich, da die Richtlinie 2014/94/EU solche nicht enthält und andernfalls eine Durchsetzbarkeit der statuierten Vorgaben innerstaatlich nicht gesichert erscheint.

Zu § 6:

Hinsichtlich des zeitlichen Geltungsbereiches betreffend die Umsetzung der technischen Spezifikationen gemäß § 4 ist zwischen drei Kategorien zu unterscheiden:

           1. Anlagen, die vor dem 18. November 2017 errichtet oder erneuert worden sind, müssen den technischen Spezifikationen gemäß § 4 dieses Bundesgesetzes nicht entsprechen;

           2. hinsichtlich jener Anlagen, die zwischen dem 18. November 2017 und dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetz errichtet oder erneuert worden sind, räumt § 6 dieses Bundesgesetzes den Betreibern eines öffentlich zugänglichen Ladepunktes eine Übergangsfrist zur Umsetzung der technischen Spezifikationen ein. Die Übergangsfrist beträgt sechs Monate, gemessen ab dem Inkrafttreten der jeweiligen Verordnung gemäß § 4 Abs. 4;

           3. schließlich müssen Anlagen, die nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes errichtet oder erneuert werden, ab dem Zeitpunkt ihrer Inbetriebnahme den technischen Spezifikationen gemäß § 4 dieses Bundesgesetzes entsprechen. Für sie gilt keine Übergangsfrist.

Eine Anlage gilt dann als errichtet oder erneuert, wenn sie für einen Ladevorgang tatsächlich genützt werden kann.

Die Übergangsfrist dient insbesondere dazu den Betreibern die Möglichkeit zu geben, die technischen Spezifikationen in einer angemessenen Frist umzusetzen. Innerhalb der Übergangsfrist können die Betreiber für die Nichtumsetzung der technischen Spezifikationen verwaltungsstrafrechtlich nicht belangt werden. Der Festsetzung einer Übergangsfrist liegen Vertrauensschutzüberlegungen zugrunde. Als Zeitpunkt für den Beginn der Übergangsfrist wird das Inkrafttreten einer Verordnung gemäß § 4 Abs. 4 gewählt; derart wird sichergestellt, dass die Übergangsfrist durch ein zeitliches Auseinanderfallen vom Inkrafttreten des Gesetzes und der jeweiligen Verordnung nicht verkürzt wird. Entscheidet sich der Verordnungsgeber dazu, die technischen Spezifikationen für Stromtankstellen, Wasserstofftankstellen und CNG-Tankstellen in verschiedenen Verordnungen festzulegen, beginnen die Übergangsfristen zu unterschiedlichen Zeitpunkten zu laufen (arg. „jeweiligen“).