229 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVI. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über den Antrag 216/A der Abgeordneten Josef Muchitsch, August Wöginger, Dr. Dagmar Belakowitsch, Mag. Gerald Loacker, Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Heimopferrentengesetz geändert wird

Die Abgeordneten Josef Muchitsch, August Wöginger, Dr. Dagmar Belakowitsch, Mag. Gerald Loacker, Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 19. April 2018 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Am 17. Mai 2017 hat der Nationalrat einstimmig das Heimopferrentengesetz (HOG) beschlossen.

Opfer von Misshandlungen in Heimen und Pflegefamilien können daher, bei Zutreffen der Voraussetzungen, seit 1. Juli 2017 eine monatliche Rente iHv. € 300 beziehen.

Bezugsberechtigt sind Personen, die eine Entschädigung als Missbrauchsopfer erhalten haben und eine Pension beziehen bzw. das Pensionsalter erreicht haben sowie jene, die eine Dauerleistung aus der Mindestsicherung aufgrund der dauerhaften Erwerbsunfähigkeit beziehen.

Zu Abs. 1 und 4:

Seit Beschluss des Heimopferrentengesetzes im Mai 2017 wurde eine Vielzahl an Fällen vor allem auch bei der Rentenkommission der Volksanwaltschaft bekannt, in welchen Opfern systematischer Misshandlungen in Kranken- und Heilanstalten, aber auch in Kinderheimen, die von privaten Trägern, Städten oder Gemeindeverbänden geführt wurden, aufgrund des Gesetzeswortlautes eine Heimopferrente abgelehnt wurde. Die Volksanwaltschaft hat hier als Beispiele etwa SOS-Kinderdorf, Kinderdorf Vorarlberg, städtische Kinderheime der Stadt Innsbruck oder das Kinderheim der Volkshilfe in Pitten genannt.

Um Ungleichbehandlungen zu vermeiden soll diese Lücke mit diesem Antrag rückwirkend geschlossen und auch diesen Personen in Zukunft eine monatliche Rentenleistung in selber Höhe bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen gebühren.

Hinsichtlich der Krankenanstalten sollen insbesondere vorsätzliche Straftaten außerhalb des unmittelbaren Behandlungszusammenhanges entschädigungsfähig sein, aber auch schwerwiegende Falschbehandlungen wie die sogenannte ‚Malariatherapie‘, die schon damals eindeutig nicht dem Stand der medizinischen Wissenschaft entsprachen.

Zu Abs. 2:

Betroffene, die (noch) keine pauschalierte Entschädigung vom Heimträger erhalten haben, können die Heimopferrente nur beziehen, wenn sie aus einem besonderen Grund kein zulässiges und zeitgerechtes Ansuchen auf eine solche Entschädigung stellen konnten. Die Rentenkommission muss daher prüfen, ob ein besonderer Grund vorliegt. Alle Antragstellerinnen und Antragsteller, die noch die Möglichkeit auf eine pauschalierte Entschädigung haben, werden an die zuständigen Stellen verwiesen. Viele Betroffene haben aber Hemmungen, sich an jene Heimträger zu wenden, unter deren Obhut sie Gewalt erlebt haben.

Die Volksanwaltschaft fordert daher, das Erfordernis des ‚besonderen Grundes‘ aus dem HOG zu streichen. Auch dieser Forderung wird nunmehr im Abs. 2 entsprochen. Die Betroffenen sollen die uneingeschränkte Möglichkeit haben, ihren Fall von der Rentenkommission prüfen zu lassen.

Zu Abs. 3:

Ebenso sollen Personen, denen anstelle einer Invaliditätspension eine vergleichbare Dauergeldleistung nach sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften gebührt, mit BezieherInnen einer befristeten Invaliditätspension gleichgestellt und in den anspruchsberechtigten Personenkreis aufgenommen werden.

Zu Abs. 5:

Personen, die noch im Erwerbsleben stehen und die keine pauschalierte Entschädigung vom Heimträger mehr erhalten können, müssen bis zum Pensionsantritt warten, um erstmals über ihre Erlebnisse zu sprechen. Es soll daher für diese Betroffenen die Möglichkeit eines früheren Feststellungsbescheides geschaffen werden.“

 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den gegenständlichen Initiativantrag in seiner Sitzung am 16. Mai 2018 erstmals in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters Abgeordneten Mag. Michael Hammer die Abgeordneten Josef Muchitsch und Gabriele Heinisch-Hosek.

Gemäß § 40 Abs. 1 GOG-NR beschloss der Ausschuss bei der Debatte einstimmig (nicht anwesend: P) eine Ausschussbegutachtung. Weiters beschloss der Ausschuss einstimmig, die im Rahmen der Ausschussbegutachtung einlangenden Stellungnahmen auf der Homepage des Parlaments zu veröffentlichen weiterzuleiten.

Anschließend wurden die Verhandlungen vertagt.

Nachstehende Institutionen wurden im Zuge der Ausschussbegutachtung gemäß § 40 Abs. 1 GOG-NR eingeladen, eine Stellungnahme abzugeben: BMASGK, BMF, BKA Verfassungsdienst, Ämter der Landesregierungen, BAK, ÖGB, WKO, Volksanwaltschaft, Rentenkommission, SMS Dr. Schuster, Behindertenanwalt Dr. Hofer, Weißer Ring, Möwe, Opferschutzanwaltschaft (Klasnic), PVA, BVA, SVA, SVB, Volkshilfe, Caritas, Dr Werner Leixnering - Psychiater, Mag. Hubert Steger - Klinischer Psychologe, Univ. Prof. Dr. med. Thomas Wenzel - Psychotherapeut, Univ. Doz. Dr. Horst Schreiber, MMag. Friedrich Zottl - Psychotherapeut, Robert Melzer, Romana Schwab - Verein ehemalige Heim- und Pflegekinder, Manfred Zeisberger, Dr. Johannes Öhlböck, RA, Patienten- und Pflegeanwaltschaft, Dr. Sigrid Pilz - Patientenanwältin der Stadt Wien, Dokumentationsarchiv österreichischer Heimopfer - Robert Wais, Herbert Fürdank-Hell.

Die eingelangten Stellungnahmen wurden auf Grund des Beschlusses des Ausschusses für Arbeit und Soziales auch auf der Website des Parlaments unter www.parlament.gv.at veröffentlicht.

 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den gegenständlichen Initiativantrag in seiner Sitzung am 29. Mai 2018 erneut in Verhandlung genommen und beschloss einstimmig, ein öffentliches Hearing gemäß § 37a Abs. 1 Z 3 GOG-NR abzuhalten und diesem gemäß § 40 Abs. 1 GOG-NR die Auskunftspersonen Willi-Klaus Benesch, Brigitte Dörr, Dr. Hansjörg Hofer, Hon. Prof. Dr. Udo Jesionek, RA Dr. Johannes Öhlböck, Dr. Oliver Scheiber, Romana Schwab, Mag. Hubert Steger und Univ. Prof Dr. Thomas Wenzel beizuziehen. Im Anschluss an eine Wortmeldung des Ausschussobmannes Abgeordneten Josef Muchitsch gaben die Auskunftspersonen ihre Statements ab. Daran anschließend meldeten sich die Abgeordneten Mag. Michael Hammer, Birgit Silvia Sandler, Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Dr. Dagmar Belakowitsch, Mag. Gerald Loacker und Alois Stöger, diplômé sowie die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein zu Wort. Die Verhandlungen wurden vertagt.

 

Am 27. Juni 2018 hat der Ausschuss für Arbeit und Soziales den gegenständlichen Initiativantrag abermals in Verhandlung genommen. In der Debatte zu Wort meldeten sich die Abgeordneten Mag. Michael Hammer, Dietmar Keck, Dr. Dagmar Belakowitsch und Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA sowie die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein.

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Josef Muchitsch, August Wöginger, Dr. Dagmar Belakowitsch, Mag. Gerald Loacker, Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

Zu Z 1 (§ 1 Abs. 1):

Wie bei den Krankenanstalten soll auch bei den Heimen klargestellt werden, dass Einrichtungen von privaten Trägern umfasst sind, sofern eine funktionale Zuständigkeit für einen Jugendwohlfahrtsträger bestand (dies wurde auch schon bisher so interpretiert). Bei Erhalt einer Entschädigungsleistung soll auch im Falle der Unterbringung in einer Krankenanstalt oder vergleichbaren Einrichtung zugunsten der Antragsteller das Vorliegen einer wahrscheinlichen vorsätzlichen Gewalttat vermutet werden und daher eine Befassung der Rentenkommission nicht erforderlich sein. Unter „vergleichbaren Einrichtungen“ werden jedenfalls solche zu verstehen sein, denen nach heutigem Verständnis ein  Krankenhausstatus zukommt. 

Zu Z 2 (§ 1 Abs. 2):

Es soll nicht erforderlich sein, dass „berücksichtigungswürdige Gründe“ vorliegen. Der Terminus soll daher entfallen. Die Regelung bezieht sich u.a auf Personen, die bislang bzw. bis zu diesem Zeitpunkt kein Entschädigungsansuchen eingebracht haben. 

Zu Z 3 (§ 1 Abs. 3):

Die der Eigenpension vergleichbaren Leistungen, die zu einer Anspruchsberechtigung führen, sollen aus Gründen der Klarheit konkret umschrieben werden (Rehabilitationsgeld – dieses soll, obwohl es sich nicht um eine auf Dauer ausgerichtete Leistung handelt, wegen der sachlichen Ähnlichkeit zur Invaliditätspension ausnahmsweise aufgenommen werden, Waisenpension bzw. Waisenversorgungsgenuss wegen Erwerbsunfähigkeit). Zudem sollen einem Vorschlag des Anwaltes für Gleichbehandlungsfragen für Menschen mit Behinderung folgend auch Personen mit Angehörigeneigenschaft nach § 123 Abs. 4 Z 2 lit. a ASVG (d.h. bei bestehender Erwerbsunfähigkeit) oder nach entsprechenden sozialversicherungsrechtlichen Regelungen umfasst sein. Eine auf Dauer festgestellte Arbeitsunfähigkeit wird auch bei aneinandergereihten Zeiträumen längerer (festgestellter) Arbeitsunfähigkeit vorliegen, nicht aber bei bloß kurzfristigen Erkrankungen. 

Zu Z 4 (§ 1 Abs. 4):

Es sollen auch Opfer vorsätzlicher Gewaltdelikte bei Unterbringung in Krankenanstalten iwS einbezogen werden, wenn keine pauschalierte Entschädigungsleistung geleistet wurde. In diesen Fällen ist von der Volksanwaltschaft wie bei den Heimopfern nach Einschaltung der Rentenkommission, entsprechendem Clearing und sorgfältiger Einzelfallprüfung eine Empfehlung abzugeben, ob ein solches Delikt vorliegt (§ 15 Abs. 2 HOG).

Zu Z 4a und b, 5a bis 5d (§ 2 Abs. 1 zweiter Satz, § 3 Abs. 1 Z 1, § 11 Abs. 1 und 3, 4 Z 2 lit. a und b):

Es soll eine textliche Anpassung aufgrund der Ausdehnung auf weitere Anspruchsberechtigte (Opfer in Krankenanstalten) erfolgen.

Zu Z 5 (§ 5 Abs. 7):

Es soll festgelegt werden, dass der Entscheidungsträger nach § 3 Abs. 1 für den Feststellungsbescheid zuständig ist, bei dem zum Antragszeitpunkt eine Voll- oder Teilversicherung in der Pensionsversicherung besteht, subsidiär das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen. Es soll eine Bindung des späteren Entscheidungsträgers gemäß § 3 Abs. 1 an eine positive Feststellung (auch allf. einer anderen Behörde) bestehen. Liegen die Voraussetzungen für eine positive Feststellung nicht vor (d.h. eine vorsätzliche Gewalttat ist nach der Empfehlung der Volksanwaltschaft nicht wahrscheinlich) hat zugleich eine Ablehnung des Rentenanspruches zu erfolgen. Eine allfällige spätere Wiederaufnahme ist unter den Voraussetzungen des § 69 AVG oder § 7 Abs. 3 HOG möglich.

Zu Z 5e und f (§ 15 Abs. 1 und 2 - Verfassungsbestimmung):

Die Rentenkommission soll auch für die neuen Anspruchsberechtigten in gleicher Weise wie für die Heimopfer zuständig sein. Ebenso soll eine Zuständigkeit auch bei Anträgen auf Feststellung bestehen, sofern eben keine pauschalierte Entschädigungsleistung erfolgte und somit das vorsätzliche Gewaltdelikt zu prüfen ist. Die Änderung des § 1 Abs. 2 (ersatzloser Entfall der besonderen Gründe) bedingt auch eine Anpassung des § 15 Abs. 2. Um eine fundierte Entscheidungsgrundlage sicherzustellen und Nachfragen der Entscheidungsträger hintanzuhalten, sollen nähere Kriterien für die schriftlichen Empfehlungen des Kollegiums der Volksanwaltschaft aufgenommen werden.

Zu Z 6 (§ 19b):

Abgelehnte Verfahren, die nach der neuen Rechtslage erfolgversprechend erscheinen, sollen amtswegig neu entschieden werden.

Zu Z 7 (§ 20 Abs. 6 und 7):

Die Inkrafttretensregelungen sollen aufgrund der neu aufgenommenen Bestimmungen entsprechend ergänzt werden.

Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Josef Muchitsch, August Wöginger, Dr. Dagmar Belakowitsch, Mag. Gerald Loacker, Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA einstimmig beschlossen.

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten August Wöginger, Josef Muchitsch, Dr. Dagmar Belakowitsch, Mag. Gerald Loacker, Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen einen selbständigen Entschließungsantrag gem. § 27 Abs. 3 GOG-NR betreffend Heimopferrentengesetz eingebracht, der ebenfalls einstimmig beschlossen wurde.

Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Dietmar Keck gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle

1.      dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen;

2.      die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2018 06 27

                                   Dietmar Keck                                                                  Josef Muchitsch

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann