Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Das Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Europäischen Satellitennavigationsprogramme ist gesetzesändernd bzw. gesetzesergänzend und bedarf daher der Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG. Es enthält keine verfassungsändernden bzw. verfassungsergänzenden Bestimmungen und hat nicht politischen Charakter. Es ist der unmittelbaren Anwendbarkeit im innerstaatlichen Rechtsbereich zugänglich, sodass eine Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG nicht erforderlich ist. Da durch das Abkommen keine Angelegenheiten des selbstständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, bedarf es keiner Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Das Abkommen wurde auf der Grundlage der am 29. Juni 2010 vom Rat angenommenen Verhandlungsdirektiven (Dok. 11432/10) ausgehandelt und am 18. Dezember 2013 unterzeichnet (Beschluss der Bundesregierung vom 3. Dezember 2013, vgl. Pkt. 58 des Beschl. Prot. Nr. 202). Gemäß Art. 27 Abs. 2 des Abkommens wird es – für die in die Zuständigkeit der Union fallenden Elemente – bis zu seinem Inkrafttreten von der Europäischen Union und der Schweizerischen Eidgenossenschaft (idF: die Schweiz) vorübergehend angewendet.

Vorrangige Ziele des Abkommens sind die Formalisierung und weitere Stärkung der Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien; durch das Abkommen wird die Teilnahme der Schweiz an den europäischen Satellitennavigationsprogrammen ermöglicht. Diese wird sich im Wesentlichen auf die Bereiche Funkfrequenzspektrum, wissenschaftliche Forschung und Ausbildung, Beschaffungswesen, industrielle Kooperation, Rechte an geistigem Eigentum, Ausfuhrkontrolle, Handel und Marktentwicklung, Normung, Zertifizierung und Regelungsmaßnahmen, Sicherheit, Austausch von Verschlusssachen, Austausch von Personal und Zugang zu Diensten erstrecken. Die Grundsätze dieser Zusammenarbeit sind in Art. 3 des Abkommens festgehalten. Es ist darauf hinzuweisen, dass durch das Abkommen weder die nach dem Recht der Europäischen Union geschaffene institutionelle Struktur des Galileo-Programms, noch die geltenden Rechtsvorschriften bezüglich Ausfuhrkontrolle und Nichtverbreitung, die Kontrolle immateriellen Technologietransfers oder die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Sicherheit berührt werden.

Des Weiteren wurde im Zuge der Verhandlungen ein finanzieller Beitrag der Schweiz ausgehandelt. Österreich hat in den entsprechenden EU-Gremien die im Rahmen des Mandats von der Europäischen Kommission erzielten Verhandlungsergebnisse anerkannt und die oben angeführten Inhalte der Kooperation unterstützt.

Die Realisierung der europäischen globalen Satellitennavigationssysteme (GNSS) EGNOS (European Geostationary Navigation Overlay System) und Galileo ist von strategischem verkehrs-, technologie- sowie sicherheitspolitischem Interesse, sowohl für die EU als auch für Österreich. Aus österreichischer Sicht ist die Zusammenarbeit mit Drittländern und deren Einbindung in die Programme sehr wichtig. Eine breite Basis der Kooperation mit Drittländern und die Einbindung der daraus zu erzielenden zusätzlichen Finanzmittel werden als entscheidende Faktoren für die erfolgreiche Realisierung der europäischen GNSS-Programme EGNOS und Galileo erachtet.

Besonderer Teil

Zu Art. 1:

Das vorrangige Ziel des Abkommens ist die Vertiefung und Erleichterung der langfristigen Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien im Bereich der Satellitennavigation unter ziviler Kontrolle, insbesondere durch die Teilnahme der Schweiz an den europäischen GNSS-Programmen.

Zu Art. 2:

Dieser Artikel enthält die Definitionen der im Abkommen verwendeten Begriffe (,,europäische globale Satellitennavigationssysteme‘‘,,,Verstärkung‘‘,,,Galileo‘‘, „lokale Elemente von Galileo“, Ausrüstung für globale Navigation, Ortung und Zeitgebung“, „öffentlicher regulierter Dienst“,,,Regelungsmaßnahme‘‘, „Interoperabilität“, „geistiges Eigentum“ und,,Verschlusssache‘‘)

Zu Art. 3:

In diesem Artikel werden die Grundsätze der Kooperation im Rahmen dieses Abkommens festgelegt, nämlich der beiderseitige Nutzen durch allgemeine Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten, die Möglichkeiten für beide Seiten zur Mitwirkung an Kooperationsmaßnahmen, der rechtzeitige Austausch von Informationen, der angemessene Schutz der Rechte an geistigem Eigentum, die Freiheit zur Erbringung von Satellitennavigationsdiensten sowie der uneingeschränkte Handel mit europäischen GNSS-Gütern im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien (Z 1 – 6).

Zu Art. 4:

In Art. 4 werden die Bereiche für Kooperationsmaßnahmen festgelegt, welche in den darauffolgenden Artikeln konkretisiert werden. Diese Liste kann nachträglich im Einklang mit Art. 25 verändert werden.

In Abs. 2 wird klargestellt, dass die institutionelle Autonomie der Europäischen Union, die europäischen GNSS zu regeln, ebenso wie geltende Rechtsvorschriften zur Nichtverbreitung und Ausfuhrkontrolle, Kontrollen immateriellen Technologietransfers und nationale Sicherheitsmaßnahmen von diesem Abkommen nicht berührt werden.

Abs. 3 sieht die Förderung der Kooperationsmaßnahmen im Sinne des Abs. 1 in größtmöglichem Umfang vorbehaltlich der jeweils geltenden Regelungsmaßnahmen durch vergleichbare Möglichkeiten vor.

Zu Art. 5:

Abs. 1 sieht die Zusammenarbeit der Vertragsparteien in Fragen des Funkfrequenzspektrums der europäischen Satellitennavigationssysteme im Rahmen der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) vor, wobei sie der am 5. November 2004 unterzeichneten Vereinbarung über die Verwaltung der ITU-Frequenzzuweisungen Rechnung tragen. Diesbezüglich erklären sich die Vertragsparteien in Abs. 2 bereit, die angemessenen Frequenzzuweisungen an die europäischen Satellitennavigationssysteme zu schützen.

Außerdem vereinbaren die Vertragsparteien in Abs. 3 Funknavigationsfrequenzen vor Unterbrechung und Interferenzen zu schützen, die Interferenzquellen zu ermitteln und daraufhin für alle Seiten akzeptable Lösungen zu ihrer Bekämpfung zu suchen.

Abs. 4 sieht vor, dass nichts in diesem Abkommen so ausgelegt werden darf, dass sich daraus eine Abweichung von den einschlägigen Bestimmungen der ITU einschließlich der ITU-Vollzugsordnung zum Funkdienst ergibt.

Zu Art. 6:

Art. 6 betont die Förderung von Forschungsprogrammen beider Vertragsparteien, welche einen Beitrag zur Entwicklung der europäischen GNSS leisten. Dafür soll nach Abs. 2 ein geeignetes Verfahren festgelegt werden.

Zu Art. 7:

Art. 7 legt fest, dass bei Beschaffungsvorgängen im Zusammenhang mit den europäischen GNSS-Programmen die Regeln des Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA) der Welthandelsorganisation (WTO) und des einschlägigen Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweiz über bestimmte Aspekte des öffentlichen Beschaffungswesens vom 21. Juni 1999 (Amtsblatt Nr. L 114/430 vom 30/04/2002) gelten.

Abs. 2 konkretisiert den Umfang der Mitwirkung der Schweiz im Rahmen des GPA.

Zu Art. 8:

Art. 8 legt die Förderung und Unterstützung der industriellen Kooperation der Vertragsparteien durch Gemeinschaftsunternehmen sowie die Zusammenarbeit in einschlägigen Industrieverbänden fest.

Zu Art. 9:

Art. 9 legt die Gewährung und Gewährleistung von angemessenem und wirksamem Schutz des geistigen Eigentums gemäß dem Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) der WTO fest.

Zu Art. 10:

Um eine einheitliche Ausfuhrkontrolle und Nichtverbreitung in Bezug auf Galileo-Technologien, -Daten und -Güter unter den Vertragsparteien zu gewährleisten, wird festgehalten, dass die Schweiz gemäß Abs. 1 Maßnahmen zur Kontrolle der Ausfuhr und Nichtverbreitung von Technologien, Daten und Gütern verabschiedet und durchsetzt. Es soll ein der Europäischen Union gleichwertiger Standard geschaffen werden.

In Abs. 2 vereinbaren die Vertragsparteien die Anwendung des Art. 22 für den Fall, dass ein gleichwertiges Maß an Ausfuhrkontrolle und Nichtverbreitung nicht erreicht werden kann.

Zu Art. 11:

In Abs. 1 kommen die Vertragsparteien überein, den Handel mit Satellitennavigationsinfrastruktur und Ausrüstung der EU und der Schweiz sowie diesbezügliche Investitionen zu unterstützen. Zu diesem Zweck fördern sie gemäß Abs. 2 das Bewusstsein der Öffentlichkeit sowie das Wachstum im Bereich der GNSS-Anwendungen.

Um den Bedarf der Nutzer zu ermitteln und effektiv reagieren zu können, hält Abs. 3 fest, dass Rechtspersonen auf das künftige GNSS-Nutzerforum zurückgreifen können. Gemäß Abs. 4 bleiben die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien gegenüber der WTO unberührt.

Zu Art. 12:

Abs. 1 besagt, dass die Vertragsparteien den Wert einer koordinierten Vorgehensweise in Bezug auf globale Satellitennavigationsdienste in internationalen Normungs- und Zertifizierungsforen erkennen und gemeinsam die Entwicklung von Galileo- und EGNOS-Normen unterstützen und deren weltweite Anerkennung fördern. Dabei haben sie insbesondere auf die Interoperabilität mit anderen GNSS zu achten. Des Weiteren ist die Förderung von umfassenden und innovativen Nutzungen von Galileo-Diensten ein erklärtes Ziel.

Abs. 2 hält fest, dass die Vertragsparteien in allen GNSS betreffenden Fragen, die sich insbesondere in der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation, der internationalen Seeschifffahrtsorganisation und der Internationalen Fernmeldeunion ergeben, zusammenarbeiten werden.

In Abs. 3 und 4 halten die Vertragsparteien fest, dass Normen, Zertifizierungs- und Lizenzierungsvorschriften sowie –verfahren keine unnötigen Handelshemmnisse darstellen. Sie werden des Weiteren die notwendigen Regelungsmaßnahmen erlassen, um eine uneingeschränkte Nutzung von Galileo-Ausrüstung, -Boden- und Weltraumsegmenten zu ermöglichen. Die Schweiz garantiert dabei eine nicht ungünstigere Behandlung als gegenüber anderen derartigen Satellitennavigationssystemen.

Zu Art. 13:

Die Vertragsparteien erklären sich bereit, zum Schutz der Satellitennavigationssysteme vor Bedrohungen wie Missbrauch, Interferenzen, Unterbrechungen und feindseligen Handlungen alle praktikablen Vorkehrungen zu treffen, um Kontinuität, Sicherheit und Gefahrenabwehr für die Satellitennavigationsdienste und die damit verbundenen Infrastrukturen und kritischen Anlagen in ihrem Hoheitsgebiet zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang erlässt die Schweiz innerhalb ihrer Zuständigkeit Maßnahmen zum Schutz, zur Kontrolle und zur Verwaltung sensibler Güter, Informationen und Technologien der europäischen GNSS-Programme und zur Abwehr von Bedrohungen und einer unerwünschten Verbreitung, mit denen ein mit der EU vergleichbares Maß an Sicherheit und Gefahrenabwehr erreicht werden kann. Kann ein solches Maß nicht erreicht werden, kommt Art. 22 zur Anwendung (Art. 13 Abs. 1 – 3).

Zu Art. 14:

Der Austausch und der Schutz von Verschlusssachen der Union erfolgt nach Maßgabe des Sicherheitsabkommens (Amtsblatt Nr. L 181 vom 10/07/2008 S. 0058-0061) sowie dessen Durchführungsvorschriften.

Abs. 2 ermächtigt die Schweiz, klassifizierte Informationen zu Galileo, die mit einem nationalen Klassifizierungsvermerk versehen sind, mit jenen Mitgliedstaaten auszutauschen, mit denen sie diesbezügliche bilaterale Vereinbarungen getroffen hat.

Entsprechend Abs. 3 bemühen sich die Vertragsparteien um die Schaffung eines umfassenden und kohärenten Rechtsrahmens, um allen Vertragsparteien den Austausch klassifizierter Informationen im Rahmen des Abkommens zu ermöglichen.

Zu Art. 15:

In diesem Artikel vereinbaren die Vertragsparteien den Zugang der Schweiz zu allen GNSS-Diensten, welche Gegenstand des Abkommens sind, und Zugang zum öffentlich regulierten Dienst PRS, der Gegenstand eines separaten PRS-Abkommens sein wird. Sobald die Schweiz ein diesbezügliches Ansuchen vorlegt, bemühen sich die Vertragsparteien ein solches abzuschließen.

Zu Art. 16:

Art. 16 legt fest, dass die Schweiz, nach einem entsprechenden Ansuchen, an der Agentur für das Europäische GNSS beteiligt werden kann. Die Bedingungen werden in einem eigenen Abkommen definiert.

Zu Art. 17:

Art. 17 legt die Teilnahme der Schweiz als Beobachter an Ausschüssen für die Verwaltung, Entwicklung und Durchführung im Zusammenhang mit GNSS fest. Insbesondere schließt dies den GNSS-Programm- und Sicherheitsausschuss sowie dessen Untergruppen ein.

Zu Art. 18:

Art. 18 legt den Beitrag der Schweiz zur Finanzierung der europäischen GNSS-Programme fest. Der finanzielle Beitrag der Schweiz ab 2014 wird auf Grundlage des Proportionalitätsfaktors berechnet, der sich aus dem Verhältnis zwischen dem Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen der Schweiz und der Summe der Bruttoinlandsprodukte zu Marktpreisen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union zusammensetzt. Daraus ergaben sich für den Zeitraum 2014-2017 jährliche Beitragszahlungen der Schweiz in Höhe von 50.395 Mio. €, 39.772 Mio. €, 32.615 Mio. € sowie 36.706 Mio. €. Für die Jahre 2008-2013 leistete die Schweiz einen Beitrag in Höhe von 80.052 Mio. € (2014 überwiesen).

Zu Art. 19:

In Art. 19 wird festgelegt, dass die Schweiz keine Eigentümerhaftung trifft.

Zu Art. 20:

Art. 20 regelt die Einrichtung eines Gemeinsamen Ausschusses, welcher für die Verwaltung und ordnungsgemäße Anwendung des Abkommens zuständig ist. Er agiert per Empfehlungen mittels einvernehmlicher Beschlüsse.

Abs. 2 – 4 regelt die Festlegung seiner Geschäftsordnung und deren Details, das Zusammentreten sowie die Einrichtung von Arbeitsgruppen.

Abs. 5 legt fest, dass der Ausschuss Änderungen des Anhangs I (Schiedsverfahren) beschließen kann.

Zu Art. 21:

Abs. 1 legt zur Durchführung des Abkommens fest, dass zwischen den Vertragsparteien ein regelmäßiger Informationsaustausch und auf Antrag einer der Vertragsparteien Beratungen stattfinden. Gemäß Abs. 2 beraten sie jede Frage zur Auslegung und Anwendung des Abkommens.

Zu Art. 22:

In Art. 22 wird die Möglichkeit des Ergreifens von Schutzmaßnahmen einschließlich der Aussetzung von Kooperationsmaßnahmen nach erfolgter Konsultation eingeräumt, wenn feststeht, dass ein gleichwertiges Maß an Sicherheit oder Ausfuhrkontrolle nicht besteht. Eine vorherige Konsultation kann ausbleiben, wenn die Verzögerung das reibungslose Funktionieren von GNSS gefährdet. Diese muss unmittelbar nach dem Ereignis nachgeholt werden.

Abs. 2 regelt Umfang und Dauer dieser Maßnahmen sowie die Möglichkeit zur Überleitung in ein Schiedsverfahren gemäß Anhang I. Dies nur nach Scheitern von vorhergehenden Konsultationen innerhalb von sechs Monaten.

Zu Art. 23:

Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung oder die Anwendung dieses Abkommens werden durch Konsultation im gemeinsamen Ausschuss beigelegt.

Zu Art. 24:

Art. 24 legt fest, dass die Anhänge Bestandteil des Abkommens sind.

Zu Art. 25:

Art. 25 schafft die Möglichkeit zur einvernehmlichen Änderung und Erweiterung des Abkommens.

Zu Art. 26 und 27:

Art. 26 regelt die Kündigung, Art. 27 das Inkrafttreten und die Geltungsdauer dieses Abkommens. Unter Art. 27 Abs. 4 werden alle gleichermaßen verbindlichen Sprachfassungen des Abkommens genannt.

Art. 27 Abs. 2 bestimmt, dass das Abkommen – für die in die Zuständigkeit der Union fallenden Elemente – bis zu seinem Inkrafttreten von der Europäischen Union und der Schweizerischen Eidgenossenschaft vorübergehend angewendet wird.

Zu Anhang I und II:

Anhang I regelt die Durchführung von Schiedsgerichtsverfahren, Anhang II legt den finanziellen Beitrag der Schweiz zu den europäischen GNSS-Programmen fest.