280 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVI. GP
Bericht
des Umweltausschusses
über die Regierungsvorlage (271 der Beilagen): Bundesgesetz über nationale Emissionsreduktionsverpflichtungen für bestimmte Luftschadstoffe (Emissionsgesetz‑Luft 2018 – EG‑L 2018)
Obwohl in den vergangenen beiden Jahrzehnten in Österreich und der Europäischen Union insgesamt erhebliche Fortschritte bei der Reduktion von anthropogenen Emissionen von Luftschadstoffen erzielt wurden, stellt die Luftverschmutzung nach wie vor ein großes Umweltproblem dar: Nach einer aktuellen Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehört die Außenluftbelastung zu jenen Umwelteinflüssen, die die größten gesundheitlichen Auswirkungen in westlichen Industrieländern verursachen. Schlechte Luftqualität wirkt sich negativ auf die menschliche Lebensqualität aus und verursacht viele Gesundheitsprobleme, insbesondere Asthma und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Gesundheitliche Probleme im Zusammenhang mit schlechter Luftqualität sind in bebauten städtischen Gebieten, in denen die Luftqualität im Allgemeinen niedriger ist, besonders gravierend. Die schlechte Luftqualität ist Hauptursache für vorzeitige Todesfälle und fordert mittlerweile mehr Todesopfer als Straßenverkehrsunfälle. Zusätzlich zu den schädlichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit schädigt die schlechte Luftqualität auch die Ökosysteme.
Die Republik Österreich unterliegt völkerrechtlichen und unionsrechtlichen Verpflichtungen zur Reduktion von bestimmten Luftschadstoffen:
Das Übereinkommen über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung (LRTAP‑Übereinkommen) der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UNECE), BGBl. Nr. 158/1983, ist der wichtigste internationale Rechtsrahmen für die Zusammenarbeit und für Maßnahmen zur Begrenzung, schrittweisen Verringerung und Vermeidung der Luftverschmutzung. Neben der Republik Österreich sind auch alle anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) und die EU selbst Vertragspartei des Übereinkommens. Seit seiner Unterzeichnung im Jahr 1979 wurde das LRTAP‑Übereinkommen durch acht Protokolle erweitert, unter anderem im Jahr 1999 durch das Protokoll zur Verringerung von Versauerung, Eutrophierung und bodennahem Ozon (Göteborg‑Protokoll). Dieses Protokoll wurde im Juni 2003 vom Rat im Namen der EU genehmigt und durch die Richtlinie 2001/81/EG über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe, ABl. Nr. L 309 vom 27.11.2001 S. 22 (im Folgenden: NEC-RL), zuletzt geändert durch die Richtlinie 2013/17/EU, ABl. Nr. L 158 vom 10.06.2013 S 193 sowie die Richtlinie 2001/80/EG zur Begrenzung von Schadstoffemissionen von Großfeuerungsanlagen in die Luft, ABl. Nr. L 309 vom 27.11.2001 S. 1, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2009/31/EG, ABl. Nr. L 140 vom 05.06.2009 S. 114 in EU-Recht überführt.
Mit der NEC‑RL wurden nationale Emissionshöchstmengen, d.h. Grenzwerte für die gesamten Emissionen bestimmter Luftschadstoffe, die von den Mitgliedstaaten eingehalten werden müssen, für vier Luftschadstoffe – Schwefeldioxid (SO2), Stickstoffoxide (NOx), flüchtige organische Verbindungen außer Methan (NMVOC) und Ammoniak (NH3) – festgelegt. Diese Schadstoffe tragen zu mehreren Umweltproblemen bei:
• als Ozon‑Vorläufersubstanzen spielen NOx und NMVOC eine wesentliche Rolle bei der Bildung von bodennahem Ozon;
• die Versauerung des Bodens resultiert aus dem Eintrag von SO2, NOx und NH3 in den Boden;
• die Stickstoff-Überdüngung des Bodens resultiert aus der Wirkung von NOx und NH3;
• außerdem verursachen die Stoffe die Bildung von sekundären Feinstaubpartikeln in der Atmosphäre.
Der NEC‑RL liegt die Idee zugrunde, die grenzüberschreitenden Umweltprobleme Versauerung, Eutrophierung (Überdüngung von Ökosystemflächen durch Stickstoffeintrag aus der Atmosphäre) und bodennahes Ozon EU-weit zu bekämpfen, da Luftschadstoffe in der Atmosphäre weiträumig und grenzüberschreitend verfrachtet werden. Die Richtlinie enthält Grenzwerte für die Jahre ab 2010, die dazu beigetragen haben, die Emissionen der oben genannten Luftschadstoffe zu verringern. Die Richtlinie wurde mit dem Emissionshöchstmengengesetz-Luft (EG‑L), BGBl. I Nr.34/2003, in nationales Recht umgesetzt.
Im Jahr 2012 wurde das Göteborg‑Protokoll des LRTAP‑Übereinkommens einer Revision unterzogen. Das überarbeitete Göteborg-Protokoll gibt für das Jahr 2020 und danach jeder Vertragspartei neue Emissionsreduktionsverpflichtungen mit dem Jahr 2005 als Referenzjahr vor und fordert die Sammlung und das Verfügbarhalten von Informationen über die nachteiligen Auswirkungen von Luftschadstoffkonzentrationen und -einträgen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt sowie die Teilnahme an den ergebnisorientierten Programmen im Rahmen des LRTAP-Übereinkommens. Mit den erfolgten Änderungen des Protokolls sollen die Bemühungen zur Verwirklichung der Ziele in Bezug auf den langfristigen Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt gestärkt werden. Insbesondere wurden neue nationale Emissionsreduktionsverpflichtungen ab dem Jahr 2020 festgelegt. Neben den schon bisher erfassten Luftschadstoffen – Schwefeldioxid (SO2), Stickstoffoxide (NOx), flüchtige organische Verbindungen außer Methan (NMVOC) und Ammoniak (NH3) – wird zusätzlich auch Feinstaub (PM2,5) in das Regelungsregime miteinbezogen.
Am 18. Dezember 2013 wurde von der Europäischen Kommission ein Paket zur Verbesserung der Luftqualität in Europa veröffentlicht (überarbeitete TSAP – Thematic Strategy on Air Pollution). Die Strategie enthält Zielvorgaben für die Verringerung der gesundheitlichen und ökologischen Auswirkungen der Luftverschmutzung für die Zeit bis 2030, die in Form der Mitteilung über ein Programm „Saubere Luft für Europa“ vom 18.12.2013, COM(2013) 918 final, festgelegt wurden, sowie drei Legislativvorschläge zur Umsetzung strengerer Normen für Emissionen und Luftverschmutzung. Neben dem Vorschlag zur Annahme des geänderten Göteborg‑Protokolls auf EU‑Ebene und dem Vorschlag für eine Richtlinie zur Verringerung der Verschmutzung durch mittelgroße Feuerungsanlagen (Richtlinie 2015/2193/EU zur Begrenzung der Emissionen bestimmter Schadstoffe aus mittelgroßen Feuerungsanlagen in die Luft (MCP‑RL), ABl. Nr. L 313 vom 28.11.2015 S. 1), enthält das Paket den Vorschlag zur Überarbeitung der NEC‑RL aus dem Jahr 2001. Ziel des Maßnahmenpakets für saubere Luft ist es, die Luftverschmutzung in der EU erheblich zu verringern.
Die Richtlinie 2016/2284/EU über die Reduktion der nationalen Emissionen bestimmter Luftschadstoffe, zur Änderung der Richtlinie 2003/35/EG und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/18/EG, ABl. Nr. L 344 vom 17.12.2016 S. 1 (NEC‑RL), ersetzt die bestehenden Vorschriften über die jährlichen Höchstmengen für nationale Emissionen der Richtlinie 2001/81/EG, wobei die in der alten Richtlinie festgelegten Werte noch bis Ende 2019 fortgelten. Sie legt neue nationale Emissionsreduktionsverpflichtungen fest, die ab 2020 und 2030 für die fünf wichtigsten Luftschadstoffe – Schwefeldioxid (SO2), Stickstoffoxide (NOx), flüchtige organische Verbindungen außer Methan (NMVOC), Ammoniak (NH3) und Feinstaub (PM2,5) – gelten. Die Mitgliedstaaten müssen ihre jährlichen Emissionen dieser fünf Schadstoffe begrenzen, um ihren ab 2020 und 2030 geltenden Emissionsreduktionsverpflichtungen nachzukommen. Die individuellen Emissionsreduktionsverpflichtungen für die einzelnen Mitgliedstaaten, die ab dem Jahr 2020 bzw. 2030 einzuhalten sind, sind als Prozentsatz gegenüber den Emissionen des Basisjahrs 2005 festgelegt. Dazu wurden von der Europäischen Kommission Modellrechnungen mit dem Ziel beauftragt, die vorgegebenen Gesundheitsziele für die EU insgesamt (Halbierung der Zahl der vorzeitigen Todesfälle durch Luftschadstoffe in der EU von 2005 bis 2030) mit möglichst geringen Kosten zu erreichen.
Zur Erfüllung ihrer Emissionsreduktionsverpflichtungen müssen die Mitgliedstaaten bis 1.4.2019 ein erstes nationales Luftreinhalteprogramm (bzw. Maßnahmenprogramm) erstellen und an die Europäische Kommission übermitteln, in dem anhand konkreter Maßnahmen beschrieben ist, wie die Emissionsreduktionsverpflichtungen erfüllt werden sollen. Das Programm ist umzusetzen und regelmäßig zu überarbeiten. Die Auswahl der Maßnahmen, die zur Zielerreichung gesetzt werden, bleibt den Mitgliedstaaten überlassen. Die Mitgliedstaaten haben die Emissionen von Luftschadstoffen zu überwachen und nationale Emissionsinventuren und -prognosen zu erstellen und zu aktualisieren.
Die Einhaltung der nationalen Emissionsreduktionsverpflichtungen wird von der Europäischen Kommission anhand der von den Mitgliedstaaten zu erstellenden nationalen Emissionsinventuren und ‑prognosen beurteilt. Die Vorgaben hinsichtlich der Erstellung, Aktualisierung und des Inhalts des nationalen Luftreinhalteprogrammes sind wesentlich detaillierter und umfangreicher gestaltet als in der Richtlinie aus dem Jahr 2001. Darüber hinaus berücksichtigt die neue Richtlinie mögliche Inventuränderungen (zusätzliche Flexibilitäten), gibt ein indikatives Zwischenziel für das Jahr 2025 vor, das sich standardmäßig anhand eines linearen Reduktionspfads zwischen den Verpflichtungen für 2020 und 2030 ergibt, und enthält Vorgaben für die Überwachung der negativen Auswirkungen der Luftverschmutzung auf Wasser und Ökosysteme (Ökosystemmonitoring).
Das nationale Luftreinhalteprogramm, alle Überwachungsdaten und die nationalen Emissionsinventuren und -prognosen sind der Kommission im Rahmen der Berichterstattungspflichten regelmäßig zu bestimmten Terminen zu übermitteln. Zudem wurde die Richtlinie 2003/35/EG über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten, ABl. Nr. L 156 vom 25.06.2003 S. 17, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2016/2284/EU, ABl. Nr. L 344 vom 17.12.2016 S 1 dahingehend geändert, dass das nationale Luftreinhalteprogramm in den Anhang I der Richtlinie aufgenommen wurde, der die Bestimmungen betreffend Pläne und Programme enthält, an deren Vorbereitung, Änderung und Überarbeitung die Öffentlichkeit frühzeitig und effektiv zu beteiligen ist (Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne der 2. Säule der Aarhus-Konvention über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten der UNECE).
Für die Umsetzung der neuen NEC‑RL ist eine Neufassung des EG-L vorgesehen, das ein einfachgesetzliches Selbstbindungsgesetz des Bundes ist und eng an die Vorgaben der NEC‑RL angelehnt ist.
Zur Erfüllung der Emissionsreduktionsverpflichtungen sind in Österreich zusätzliche Anstrengungen erforderlich. Der vorliegende Entwurf für die Neufassung des EG‑L sieht daher die Möglichkeit vor, dass die nationalen Emissionreduktionsverpflichtungen im nationalen Luftreinhalteprogramm auf die einschlägigen Sektoren aufgeteilt werden können.
Die verfassungsrechtliche Kompetenzgrundlage des gegenständlichen Entwurfs bildet Art. 10 Abs. 1 Z 12 B‑VG („Angelegenheiten der Luftreinhaltung unbeschadet der Zuständigkeit der Länder für Heizungsanlagen“), der eine prinzipiell umfassende Zuständigkeit des Bundes in Gesetzgebung und Vollziehung schafft.
Der Umweltausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 04. Oktober 2018 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters Abgeordneten Peter Gerstner die Abgeordneten Erwin Preiner, Mag. Bruno Rossmann, Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer sowie die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger.
Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: V,F,N dagegen: S,P) beschlossen.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Umweltausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (271 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.
Wien, 2018 10 04
Peter Gerstner Johannes Schmuckenschlager
Berichterstatter Obmann