1106/J XXVI. GP

Eingelangt am 25.06.2018
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Bruno Rossmann, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Einfuhrumsatzsteuer bei Warenbestellungen in Drittländern

BEGRÜNDUNG

Im Rahmen des Boao-Forums traf sich Bundeskanzler Sebastian Kurz am 10. April 2018 mit Jack Ma, dem Gründer und Chef des chinesischen Online-Versandhändlers Alibaba[1]. Dabei stellte der Kanzler den Verdacht des Steuerbetrugs in den Raum. Grund für diesen Verdacht sei, dass 97% aller Pakete aus China mit einem Warenwert unter 22 Euro deklariert werden würden, also unter jenem Betrag, ab dem Einfuhrumsatzsteuer anfällt.

"Wenn die überwiegende Mehrzahl der Pakete mit unter 22 Euro deklariert ist, dann ist das grundsätzlich einmal ein Grund, da genauer hinzusehen. Denn je größer die Zahl an Paketen ist, desto größer ist auch die potenziell abzugebende Mehrwertsteuer," wird der Bundeskanzler zitiert. Die Hervorhebung dieses Themas kommt etwas überraschend, da bei anderen, auf den ersten Blick deutlich relevanter erscheinenden Fragen der Steuervermeidung und -Verkürzung bisher kaum ein entsprechendes Engagement weder des Bundeskanzlers noch des Finanzministers Löger feststellbar war. Beispiele dafür wären das Country-by-Country-Reporting, das offizielle Anerkennen von Steueroasen innerhalb der EU sowie im Allgemeinen die verschärfte Prüfung von Großbetrieben und die Bekämpfung von Gewinnverschiebung.

Vor diesem Hintergrund erscheint es wichtig, eine Analyse der tatsächlichen Größenordnung des vermeintlichen Steuerbetrugs zu betreiben, um diese in Relation zu anderen Steuervermeidungsmethoden zu stellen. Nur so kann beurteilt werden, ob der Entfall von Einfuhrumsatzsteuereinnahmen bei Warenbestellungen in Drittländern echte Relevanz hat, oder ob es sich hier um ein mediales Ablenkungsmanöver handelt, um die Aufmerksamkeit von den wahren Steuersündern wegzulenken. In einer Aussendung vom 14. Juni schätzt der Handelsverband das Schadensausmaß durch entgangene

Einfuhrumsatzsteuerzahlungen in Österreich auf mehr als 120 Mio. EUR[2], was eine erste Einschätzung der Größenordnung ermöglicht. Es wird vom Handelsverband allerdings nicht erläutert, wie er zu dieser Zahl kommt.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

1.    Wie hoch schätzen Sie den jährlichen Entfall von Einfuhrumsatzsteuereinnahmen bei Warenbestellungen in Drittländern durch Falschdeklaration des Warenwertes? (Bitte um getrennte Darstellung für 2015, 2016 und 2017.)

2.    Wie hoch schätzen Sie den jährlichen Entfall von Einnahmen durch Zollabgaben bei Warenbestellungen in Drittländern durch Falschdeklaration des Warenwertes? (Bitte um getrennte Darstellung für 2015, 2016 und 2017.)

3.    Auf welcher Datengrundlage beruhen diese Schätzungen?

4.    Wurden Plausibilitätsüberprüfungen für die Daten durchgeführt?

5.    Wenn ja, welche?

6.    Wie viele Sendungen aus Drittländern wurden 2016 bzw. 2017 in Österreich eingeführt? (Bitte um getrennte Darstellung pro Jahr sowie der zehn Länder mit den meisten Sendungen samt einer Summe für die restlichen Länder.)

7.    Wie viele Sendungen davon wurden 2016 bzw. 2017 mit einem Warenwert unter 22 Euro deklariert? (Bitte um getrennte Darstellung entsprechend der Antwort zu Frage 6.)

8.    Wie viele Sendungen davon wurden 2016 bzw. 2017 mit einem Warenwert über 150 Euro deklariert? (Bitte um getrennte Darstellung entsprechend der Antwort zu Frage 6.)

9.    Wie viele Sendungen mit einem deklarierten Warenwert unter 22 Euro wurden 2016 bzw. 2017 durch die Zollbehörden kontrolliert? (Bitte um getrennte Darstellung entsprechend der Antwort zu Frage 6.)

10. Wie viele Sendungen mit einem deklarierten Warenwert von mindestens 22 Euro wurden 2016 bzw. 2017 durch die Zollbehörden kontrolliert? (Bitte um getrennte Darstellung entsprechend der Antwort zu Frage 6.)

11 .Wie viele Sendungen mit einem deklarierten Warenwert über 150 Euro wurden 2016 bzw. 2017 durch die Zollbehörden kontrolliert? (Bitte um getrennte Darstellung entsprechend der Antwort zu Frage 6.)

12. Wie viele der kontrollierten Sendungen mit einem deklarierten Warenwert unter 22 Euro waren 2016 bzw. 2017 insofern falsch deklariert, als dass durch die Kontrolle eine Nachforderung der Einfuhrumsatzsteuer anfiel? (Bitte um getrennte Darstellung entsprechend der Antwort zu Frage 6.)

13.  Wie viele der kontrollierten Sendungen mit einem deklarierten Warenwert von mindestens 22 Euro waren 2016 bzw. 2017 insofern falsch deklariert, als dass durch die Kontrolle eine Nachforderung der Einfuhrumsatzsteuer anfiel? (Bitte um getrennte Darstellung entsprechend der Antwort zu Frage 6.)

14.  Wie viele der kontrollierten Sendungen mit einem deklarierten Warenwert von über 150 Euro waren 2016 bzw. 2017 insofern falsch deklariert, als dass durch die Kontrolle eine Nachforderung der Zollabgaben anfiel? (Bitte um getrennte Darstellung entsprechend der Antwort zu Frage 6.)

15.  Wie hoch waren die Mehreinnahmen durch Nachforderungen der Einfuhrumsatzsteuer für Sendungen mit einem deklarierten Warenwert unter 22 Euro in den Jahren 2016 und 2017? (Bitte um getrennte Darstellung entsprechend der Antwort zu Frage 6.)

16.  Wie hoch waren die Mehreinnahmen durch Nachforderungen der Einfuhrumsatzsteuer für Sendungen mit einem deklarierten Warenwert von mindestens 22 Euro in den Jahren 2016 und 2017? (Bitte um getrennte Darstellung entsprechend der Antwort zu Frage 6.)

17.  Wie hoch waren die Mehreinnahmen durch Nachforderungen von Zollabgaben für Sendungen mit einem deklarierten Warenwert über 150 Euro in den Jahren 2016 und 2017? (Bitte um getrennte Darstellung entsprechend der Antwort zu Frage 6.)

18.  Wie viele Zollbedienstete (VBÄ) waren 2016 bzw. 2017 im Bereich dieser Kontrollen tätig? (Bitte um getrennte Darstellung pro Jahr.)

19.  Wie hoch war das Gesamtgehalt dieser Zollbediensteten 2016 bzw. 2017? (Bitte um getrennte Darstellung pro Jahr.)

Laut zitiertem Artikel sieht es Bundeskanzler Kurz als eine gesamteuropäische

Aufgabe, die entsprechenden Überprüfungen zu verstärken.

20.  Welche konkreten Schritte werden Sie setzen, um eine entsprechende Verstärkung der Überprüfungen auf europäischer Ebene zu forcieren?

21.  Welche konkreten Maßnahmen kann die EU Ihrer Meinung nach implementieren, um die entsprechenden Überprüfungen zu verstärken?

a. Werden Sie diese Maßnahmen im Rahmen des EU-Vorsitzes mit entsprechender Vehemenz voranbringen?

22.  Welche konkreten Maßnahmen werden Sie selbst auf nationaler Ebene implementieren, um die entsprechenden Überprüfungen zu verstärken?

a. Falls keine, warum nicht, wenn das Thema dem Bundeskanzler so wichtig zu sein scheint?

 

 



[1] Siehe beispielsweise https://derstandard.at/2000077706557/Kanzler-Kurz-spricht-mit-Alibaba-Chef-

ueber-Verdacht-auf-Steuerbetrug . 2https://www.handelsverband.at/presse/presseaussendunqen/cross-border-ecommerce/