147/J XXVI. GP

Eingelangt am 23.01.2018
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Anfrage

 

der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Finanzierungsmöglichkeiten für KMUs sicherstellen



KMU Finanzierung ist mehr als Startup-Rhetorik 

Unternehmensfinanzierung ist nicht nur ein Startup Thema, sondern betrifft die gesamte österreichische Wirtschaft. Wer beim diesem Thema auf die KMUs vergisst, vergisst auf das Rückgrat unserer Wirtschaft. Unser Mittelstand braucht die besten Finanzierungsmöglichkeiten, damit wir unser international angesehenes Know-how auch zukünftig behalten.

Unsere Zukunft hängt von den Rahmenbedingungen ab die es Unternehmen ermöglichen genug Kapital zu sammeln, um zu investieren. Statt vieler Regeln brauchen wir sinnvolle Regeln und mehr Möglichkeiten. Stichwort: Dritter Markt.

Finanzierungsmöglichkeiten für den gesamten Unternehmenszyklus

Weltweit zeigt sich, dass private Wachstumsfinanzierung über den gesamten Unternehmenszyklus (Forschung/Innovation, Gründungs- und Frühphase, Anschluss, Wachstum, Nachfolgeregelungen) wichtig ist. Die Politik konzentriert sich vorwiegend auf Gründungs- und Frühphasen, weil das Thema „Startup“ leichter zu verkaufen ist.  Eine breite betriebswirtschaftliche Dynamik entsteht jedoch erst, wenn reifere Unternehmen und das Know-how der Mitarbeiter_innen (Stichwort: brain drain) gehalten werden können.

Österreichs System der Unternehmensfinanzierung ist stark bankenbasiert. Marktsegmente wie Private Equity, Venture Capital, Aktien- und Anleihenmärkte sind im Vergleich zu anderen Ländern deutlich unterentwickelt. Unternehmen in Branchen, deren Geschäftsmodelle auf Eigenkapital- und Kapitalmarktfinanzierung angewiesen sind, können dadurch Nachteile bei der Unternehmensfinanzierung haben. Auch kapitalintensive Dienstleistungsbranchen, wie der Tourismus, leiden unter diesen Rahmenbedingungen. Diese Branchen müssen wieder Investitions- bzw. Kapitalisierungsmöglichkeiten vorfinden.

In Europa gibt es eigene Märkte für KMUs (oder Small-Caps), also sogenannte Alternative Investment Markets. Die an diesen Märkten notierten Unternehmen gelten rechtlich nicht als „börsengelistet“ und sind somit nicht den Regulierungen für börsengelistete Unternehmen unterworfen. Bis zu einem gewissen Grad kann das national geregelt werden. Das funktioniert in Österreich jedoch schlecht.

Was Aktien für Eigenkapital sind, sind Fonds für privates Kapital: Das Channeling für privates Kapital übernehmen Fonds, diese werden jedoch immer weniger. Dafür brauchen wir bessere Rahmenbedingungen. Als einer der wichtigsten Indikatoren für den Risikokapitalmarkt gilt der Anteil der Investments am BIP. Verglichen mit dem EU-Durchschnitt (Investments an privatem Wachstumskapital 0,264 % des BIPs) nimmt Österreich, nach den Daten der Industriestatistik von 2012, weit abgeschlagen den 20. Rang ein (0,037 % des BIPs).

Small-Cap Markets gesucht

In Österreich gibt es regulatorische Rahmenbedingungen, die einem funktionierenden Small-Cap Market nicht zuträglich sind. Das langbekannte Problem des Aktionärsbuchs ist, im Zusammenhang mit der verpflichtenden Umstellung von Inhaber- auf Namensaktien, der nicht am geregelten Markt (MTF) notierten Unternehmen, aufgrund des Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz 2011 (GesRÄG 2011), weiterhin ungelöst. Seit 2011 dürfen Aktiengesellschaften in Österreich nur mehr Namensaktien ausgeben, außer sie notieren an der Börse. Dafür brauchen sie IFRS und müssen ad-hoc Pflichten nachkommen. Das ist für mittelständische Unternehmen ungeeignet. Da kommt der Dritte Markt ins Spiel.

Wichtige Eigenschaften des Dritten Markts:

·        Einbeziehungsverfahren für neue Wertpapiere vor der Handelsaufnahme

·        Kein Prospekt erforderlich

·        Tägliche Preisfeststellung möglich

·        Anbindung an ein Settlement- und Clearingsystem

·        Preise werden auf der Website der Wiener Börse veröffentlicht und von Datenvendoren wie z.B. Reuters und Bloomberg verbreitet

·        Es darf kein Wechsel von Namens- auf Inhaberaktien erfolgen

·        Löst KEINE Pflicht für Bilanzierung nach IFRS gemäß der IAS-Verordnung der EU aus, da der Dritte Markt keinen Status als geregelter Markt hat

Dividendenansprüche aus Namensaktien, für die niemand als Aktionär_in im Aktienbuch eingetragen ist, verfallen mit Ablauf des Geschäftsjahres, in dem der betreffende Gewinnverwendungsbeschluss gefasst wurde.

Bleibt eine AG jedoch bei Namensaktien, ist es ihr aus rechtlichen Gründen unmöglich, Dividenden auszuzahlen oder die Aktionär_innen zur Hauptversammlung einzuladen. Kurz gesagt: Die aktuelle Gesetzeslage verhindert einen Börsengang von Mittelständlern.

Es kann derzeit nicht sichergestellt werden, dass das bei Namensaktien verpflichtend zu führende Aktionärsbuch zeitgerecht befüllt wird. Der fehlende Eintrag führt dazu, dass Dividenden nicht an den/die Aktionär/-in ausgeschüttet werden können. Die Tatsache, dass Einsteiger- bzw. Small-Cap Börsen primär als MTF organisiert sind, führt in Österreich zum Problem, dass derzeit keine neuen Notierungen am MTF der Wiener Börse möglich sind. Dies betrifft sowohl den Dritten Markt als auch jenes Segment des Mid Market, das auf dem Dritten Markt aufbaut.

In einem WIFO Forschungspapier (https://www.bmdw.gv.at/Wirtschaftspolitik/Documents/s_2016_kmu_boersen_58896$_barrierefrei.pdf) zu diesem Thema heißt es in diesem Zusammenhang sogar: "Das Problem mit den Namensaktien bzw. der Eintragung ins Aktionärsbuch muss auf regulatorische oder technische Art gelöst werden. Die Lösung dieses Problems ist zentral. Besteht dieses Problem fort, können andere wirtschaftspolitische Maßnahmen nicht die beabsichtigte Wirkung zeigen."

Es handelt sich um eine unnötige Maßnahme unter dem Deckmantel der Betrugsbekämpfung. Diese muss beseitigt werden, um sicherzustellen, dass Wirtschaftspolitische Maßnahmen, die die Förderung von KMUs zum Ziel haben, eine adäquate Anwendung finden. Die Lösung der Finanzierungs- und Investitionsmöglichkeiten für KMUs muss damit beginnen, einen Kapitalmarkt für KMUs zuzulassen.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

1.    Welche Regelungen sieht das BMF als Priorität um eine Small-Cap Börse zu etablieren?

2.    Gibt es von Seiten des BMF Evaluierungen zur Etablierung einer Small-Cap Börse?

a.    Wenn ja, wo ist diese einzusehen?

b.    Wenn ja, welche Rollen spielt dabei die Problematik "mit den Namensaktien bzw. der Eintragung ins Aktionärsbuch", wie es oben beschrieben wird?

c.    Wenn nein, gibt es von Seiten des BMFs das Vorhaben eine solche Evaluierung durchzuführen?

3.    Wie hoch ist die Kapitalisierung im Dritten Markt in Österreich?

4.    Wie werden Unterschiede zu anderen Ländern erklärt?

5.    Welche Best-Practice Beispiele kann das BMF in Sachen Small-Cap Börse identifizieren?

6.    Wie hoch schätzt das BMF die Einnahmen (bzw. weniger Mindereinnahmen) im Zusammenhang mit den Regularien um Namens- und Inhaberaktien, die der Betrugsbekämpfung dienen sollen?

7.    Wie groß ist der Private Equtiy Markt in Österreich? (gemessen an der Anzahl und Marktkapitalisierung, jährlich 2007-2017)

a.    Wie steht Österreichs Private Equity Markt im Vergleich zu Schweden, Großbritannien, Belgien, Schweiz und Deutschland da?

8.    Wie groß ist das Investment-Volumen von Fonds mit Sitz in Europa in Österreich im Verhältnis zum BIP? (jährlich 2007-2017)

a.    Wie stellt sich dieses Volumen im Vergleich zu Schweden, Großbritannien, Belgien, Schweiz und Deutschland dar?

9.    Wie groß ist das Investment-Volumen in Portfoliounternehmen mit Sitz in Europa gemessen am BIP? (jährlich 2007-2017)

a.    Wie stellt sich dieses Volumen im Vergleich zu Schweden, Großbritannien, Belgien, Schweiz und Deutschland dar?

10. So es Schätzungen zu den Fragen 7,8 und 9 gibt, wie erklärt sich das BMF diese Unterschiede und sind diese (teilweise) auf regulartorische Begebenheiten zurückzuführen?

11. So es keine Schätzungen zu den Fragen 7,8 und 9 gibt, werden diese Daten zukünftig vom BMF erhoben?

a.    Wenn ja, wann ist mit Ergebnissen zu rechnen?

b.    Wenn nein, warum nicht?

12. Wie hoch ist das Fundraising-Volumen von Fonds mit Sitz in Österreich?